Was passiert mit dem Täter?

Täter im Rechtsstaat Viel wird in diesen Tagen geschrieben über die Zivilcourage von Tugçe A. und die nachfolgende kriminelle Handlung, die dazu führte, dass die junge Frau tragisch verstarb.

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In Foren, in sozialen Netzwerken und im Internet wird Tugçe A. heroisiert während der Täter dämonisiert, diskreditiert und im übertragenen Sinne öffentlich an den Galgen geführt wird. Dabei gehen die eigentlichen Probleme, Alkoholismus und Drogenkonsum im Jugendalter, Identitätsverlust junger Migranten, gewaltverherrlichende Musik und Problemstädte wie Offenbach oder Berlin, meist unter.

An diesem Beispiel, wie auch an vielen anderen, zeigt sich eine Art „Herdenbildung“ von Meinungen, welche symptomatisch für unsere Zeit ist. Die Berichterstattung konzentriert sich über die Maßen und sehr einseitig auf den Fall von Tugçe A. und in den Kommentarbereichen wird die maximal denkbare Härte der Bestrafung für den Täter gefordert. Die Nachricht, der Täter sei alkoholisiert, weckt indes in vielen die Befürchtung, der Alkoholeinfluss dürfe sich wohlmöglich noch mildernd auf die Bestrafung auswirken. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was mit dem 18-jährigen Täter geschehen würde, würde er diesem „Cybermob“ in der realen Welt übergeben.

In solchen Tagen bin ich froh, dass wir ein Grundgesetz und einen Rechtsstaat haben. Eines, dass vorwiegend nicht nach der öffentlichen Meinung handelt sondern nach unabhängig davon festgelegten Regeln und Gesetzen. Eines, das hoffentlich ein Strafmaß für den Täter finden wird, welches dem feigen Angriff auf die couragierte Frau Rechnung trägt, jedoch das Maß nicht überschreitet. Eines, das z.B. auch mit berücksichtigt, dass der Täter mit 18 Jahren selbst am Anfang seines Lebens stand. Nicht Rache sondern Rehabilitation sollten die Motive der Bestrafung sein. Nicht Isolierung sondern soziale Wiedereingliederung sollte der Bestrafung folgen. Meines Erachtens ist das ein Merkmal einer gesunden und funktionierenden Gesellschaft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

M. Valeed A. Sethi

Ich (34, Sohn pakistanischer Flüchtlinge) bin Kinderchirurg in der Region Hannover. Ich arbeite für die Hilfsorganisation Humanity First.

M. Valeed A. Sethi

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