Im SUV erzählt

VW Nach Korruption mit Prostituierten, dem grössten Betrug aller Zeiten und der Erpressung von Regierung und Allgemeinheit zieht sich VW nun die gelbe Weste an.

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Um dieses Zitat geht es - entnommen aus einem Interview um die vor allem und eigentlich ausschließlich in der Autoindustrie umstrittenen neuen CO2-Grenzwerte für Fahrzeugflotten:

[VW-Chef Diess, Anm. d. Verf.] frage sich, ob sich "die Politik wirklich über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen im Klaren" sei, sagte [er] der "Bild"-Zeitung. "Wird sie diese Entscheidungen auch durchsetzen können?" Mit Blick auf die "Gelbwesten"-Proteste in Frankreich sagte der Konzernchef, in Paris würden "Menschen wegen zehn Cent mehr für Diesel auf die Straße" gehen.

Zitat aus Spiegel Online, "VW-Chef Diess warnt vor Verlust von Arbeitsplätzen", 20.12.2018

Was würden Sie an Andreas Scheuers Stelle nach so einer Aussage machen? Da ruft der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens, das immerhin zu einem runden Fünftel dem Staat gehört, zur öffentlichen Rebellion gegen ebendiesen auf. Ich wage mal zu behaupten: Er wird nicht die Bundeswehr im Innern einsetzen - er schreibt vielmehr einen Glückwunschtweet nach Wolfsburg und feiert sich selbst für die Schaffung eines meinungspluralen Klimas in der deutschen Autoindustrie. Hier darf jeder sagen was er will und uns ging es natürlich noch nie so gut.

Nehmen wir mal an, Herr Diess sei für sein Unternehmen strafrechtlich verantwortlich zu machen und bräuchte einen neuen Job. Sagen wir mal: Als Kindergärtner, Sparkassenangestellter oder Wachmann. Alles ehrbare Berufe - alle erfordern ein Führungszeugnis. Nun - das von Herrn Diess ist leider mehrere Seiten lang: Korruption und Begünstigung des Prostitutionsgewerbes, hart an der Grenze zur Zuhälterei, organisierter Betrug im globalen, grenzüberschreitenden Maßstab, Erpressung der Bundesregierung mit gleichzeitig wiederholter öffentlicher Falschaussage, dazu eine bunte Mischung an Meineiden und unzählige kleine illegale Begünstigungen... wer ein solches Strafregister hat, kann sich auch gleich wieder vor Knasttür legen und auf Einlass hoffen.

Diess bläst zum Volks(wagen)aufstand

Nun addiert sich Herr Diess vielleicht noch einen Eintrag hinzu: Mit dem obengenannten, impliziten Aufruf begibt sich der VW-Konzernchef in den Grenzbereich der Volksverhetzung, in hoenessche Demut: Was er sagt, heißt doch übersetzt nichts anderes als "Ihr habt uns die CO2-Werte beschnitten - dann sprüht die Bevölkerung in gerechtem Zorn jetzt das Brandenburger Tor an, defäkiert auf die Reichstagstreppen und macht die Toll-Collect-Automaten kaputt. Habt ihr jetzt davon."

Man stelle ich einfach mal vor, eine solche Aussage wäre aus dem halitosisumwehten Gesicht des Labradorkrawattenträgers gekommen oder dem notorischen Bernd Höcke entfleucht... der Skandal bliebe auf die übliche halbe Stunde Aufmerksamkeit begrenzt, aber der Platz an Plasbergs Theke beim nächsten Diesel-Powwow wäre sicher gewesen.

Respekt, Volkswagen! Ihr habt es federführend geschafft, aus einem millionenfachen Betrug am Kunden eine Demokratie- und Staatskrise zu machen und selbst weiter Kisten zu verkaufen, dass die Schlote nur so qualmen.

Die Mutter aller PR-Schlachten

Was VW hier schuf, ist mehr oder weniger ein Staatsstreich, Kennzeichen WOB. Mit genau dem Verkehrsminister und der Partei die Volkswagen für so einen Plan braucht war und ist das überhaupt kein Problem. Mit Andreas Scheuer, dem größten Serienversager im Ministeramte den die Bundespolitik jemals gesehen hat, hat sie dafür genau den richtigen Mann gefunden. Gleichermaßen verkackend in den Themen Digitalisierung, Bahn und Straßenbau kriegt er natürlich mit großer Verve auch beim Thema "Dieselkrise" nichts auf die Reihe - im Gegenteil: Er tut alles, um aus den eigentlich der öffentlichen, rechtsstaatlichen Ordnung verpflichteten Institutionen Kraftfahrtbundesamt und den Zulassungsstellen ein Kasperletheater zu machen. Natürlich ein Kasperletheater, in dem das böse VW-Krokodil seine Hand genau da hat, wo sie beim Oberkasper nunmal am besten untergebracht ist.

Es ist Volkswagen gelungen, die natürliche und verständliche Wut und Fassungslosigkeit in der Bevölkerung vollständig auf den Staat umzulenken - sozusagen den Shitstormstrahl zu verschwenken. Zwar sind die Menschen immernoch sauer auf VW, kaufen die Karren aber trotzdem und die eigentliche Wut richtet sich längst gegen Scheuer und seine lustigen Staatssekretäre, die jetzt aber beim drölfzigsten Dieselgipfel so richtig auf die Kacke hauen wollen und erst während der Pressekonferenz merken, dass sie schon wieder eingeseift worden sind.

Das Doppelversagen geht aber genauso in die andere Richtung: Wie kann man sich von einem nicht übersympatischen, aber durchsetzungskräftigen Ökozwerg wie Jürgen Resch derart in die Enge treiben lassen? Wie konnte man sich so angreifbar machen, das ganze Autobahnen gerichtlich gesperrt werden müssen, weil ein Kommunal- und Landesverwaltungen verkehrspolitisch so lange gepennt haben bis die Grenzwerte uneinholbar überschritten waren? Vielleicht spielten hier gute Konditionen für (VW)-MAN-Dieselbusse eine Rolle?

Die Wetteraussichten? Steigend!

Währenddessen machen die Deutschen vor allem eines: Sie verkaufen ihre Diesel, zu Schleuderpreisen. Von Bel- bis Kaliningrad herrscht Goldgräberstimmung, hier sind die Stickoxide noch nicht im Problembewusstsein angekommen. Flottenverbrauch und CO2-Ausstoß werden zumindest in diesen Ländern definitiv sinken und wer braucht schon Atemluft? Der neue SUV wird dann eben einen Ottomotor haben, ohne Leistungsverzicht müssen es dann schonmal zwei Zylinder und ein Liter Hubraum mehr sein. Die bewußt-ernährte Familie tuckert dann gemütlich im V8-Touareg, nahezu das doppelte an CO2, aber viel weniger Stickoxid ausblasend, vom Yoga zum Waldkindergarten. Währenddessen versinkt in Südostasien eine Insel oder eine Dürreperiode verursacht in der Sahelzone die nächste Hungersnot und Massenflucht.

Was macht Herr Diess eigentlich, wenn sich genau diese vom Klimawandel lebensbedrohlich betroffenen Menschen die gelbe Weste anziehen und in Wolfsburg die Schornsteine ansprühen, die Autostadt anzünden und im Karosseriepresswerk mal so richtig Demokratie wagen? Wer den Wind sät, wird Westen ernten!

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