So wird man doch wohl noch werben dürfen!

Werbung Die Kampagne eines Obstpürierers aus Bonn zeigt, dass rechte Stereotype wieder gesellschaftsfähig sind

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Total frech, superehrlich, cool. All das kann heute ein Satz wie "Schafft es selten über die Grenze" neben einer schwarzen Flasche sein. Wer das nicht lustig findet, ist nach Ansicht des werbenden Unternehmens dumm und will Sprachverbote erteilen.

Eingebetteter Medieninhalt Es hat sich etwas nach rechts verschoben in der Gesellschaft, und selten wurde es so deutlich wie bei den Reaktionen auf den genannten Werbespruch. Bekannt für seine provokante Art zu werben wollte dieser mit einer Kampagne auf seine Österreichexpansion aufmerksam machen, die sich völlig ungeniert an rechten Stereotypen bedient. Zwar wurden in derselben Kampagne auch andere Motive entwickelt, die eine eindeutigere Positionierung gegen rechts zeigen – der fade Nachgeschmack des Plakats mit der schwarzen Flasche bleibt.

Die Kampagne, die von Werbeagenturen, Werbefachpresse und einigen Zeitungen als grenzwertig bis unethisch kritisiert wird, hat ihr Ziel zweifellos erreicht: Das Presseecho und die auch nach Tagen immer noch nachhallende Empörung haben die Aufmerksamkeitswerte schwindelerregend werden lassen – zweifelsohne ein Marketingerfolg. Aber um welchen Preis und mit welchen Mitteln?

Das Gift, das langsam wirkt

Wir haben uns 2017 längst daran gewöhnt, dass rassistische Aussagen und Argumente wieder in der politischen Diskussion gesellschaftsfähig geworden sind. Niemand nimmt mehr wirklich Anstoß an Aussagen von z.B. Horst Seehofer, die vor zehn Jahren noch als rechtsaußen und indiskutabel bewertet worden wären. Die AfD wird – aller Voraussicht nach – mit 10-12 Prozent in den Bundestag einziehen. Das Gerede von "sicheren Herkunftsländern", "Wirtschaftsflüchtlingen" und "dem Islam" in all seinen Facetten von leicht cremefarben bis dunkelbraun wird immer lauter und bleibt immer öfter unwidersprochen.

Nun hat diese allgemeine Tendenz auch die Werbung erreicht. Denn mitnichten gilt der oben genannte Werbespruch, gemeinsam mit dem Bildmotiv, einer Mehrzahl der Konsumenten als unangebracht. Eine Online-Umfrage ergab eine Zustimmung von 70 Prozent, 20 Prozent waren dagegen, zehn Prozent votierten neutral.

Rechts sells

Es ist offenbar wieder möglich, in Deutschland mit rassistischen Stereotypen Werbung zu machen – ohne dabei an Zustimmung oder Standing zu verlieren. Die wenigen, die sich gegen solche Werbemaßnahmen aussprechen, werden von den Fans dieser "ehrlichen und direkten Art" aufgefordert, zum Lachen in den Keller zu gehen oder ihr "mimimi" einzustellen.

Doch was soll ein Flüchtling aus Afrika sagen, der diese Anzeige zum ersten mal liest, nur sehr wenig deutsch versteht und sich nicht den "gesellschaftlich-superengagierten" Hintergrund auf Facebook durchlesen kann? Er wird vielleicht an die denken, die es nicht über die Grenze geschafft haben und im Mittelmeer ertrunken sind.

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