Der Große Katzenjammer

Syrien Nach dem Bekanntwerden der Festnahme verschiedener NATO-Offiziere in Ost-Aleppo steckt der Westen wegen seiner Syrien-Politik einmal mehr in Erklärungsnot.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Bereits am 16. Dezember verbreiteten sich auf Seiten wie 21stcenturywire und Globalresearch.ca Meldungen, nach denen syrische Elite-Einheiten im Osten Aleppos eine Zahl von Geheimdienst- und Militäroffizieren verhaftet hätten, darunter auch solche mit türkischer, saudi-arabischer und amerikanischer Herkunft. Zurück geht diese Meldung auf einen Facebook-Post des syrischen Parlamentsmitglieds Fares Shehabi. Nicht ganz klar ist bisher, ob tatsächlich auch deutsche, britische und französische Offiziere dabei sind, wie dies etwa die nicht unbedingt russland-freundliche Veteranenzeitschrift Veteranstoday berichtet. Mittlerweile hat auch der syrische UN-Botschafter Bashar Al-Jafaari auf einer Pressekonferenz des UN-Sicherheitsrates vom Ereignis berichtet.

Sollte dies tatsächlich stimmen, kann man getrost davon ausgehen, dass derzeit die blanke Panik in den Regierungen der sogenannten „Freunde Syriens“ herrscht, der saudi-arabisch dominierten Organisation, welche sich den Sturz des syrischen Präsidenten Assad zum Hauptziel gemacht hat. Denn die Umstände der Festnahme sind untertrieben gesagt pikant: Die Offiziere wurden in einem Bunker im zuvor noch von dschihadistischen Rebellen besetzten Ostteil der Stadt festgenommen, nachdem erstere vertrieben wurden. Offiziell gehören die Länder, aus denen die Offiziere stammen, zur sogenannten Anti-IS-Koalition, die derzeit primär im Irak gegen den sogenannten Islamischen Staat vorgeht. Es könnte jedoch schwierig werden, der Weltöffentlichkeit zu erklären, was das eigene Militär gerade in Ost-Aleppo zu suchen hat. Interessant dürfte deshalb auch sein, was für Informationen aus Syrien in den nächsten Tagen und Wochen zu uns gelangen.

In den deutschen Mainstream-Nachrichten indes herrscht Totenstille. Die Berichterstattung konzentriert sich stattdessen auf die Evakuierung Ost-Aleppos, die aller Widrigkeiten zum Trotz stattfindet (Unter anderem haben dschihadistische Söldner sieben Evakuierungsbusse in Brand gesteckt und einen der Fahrer brutal ermordet). Auch Bana aus Aleppo, die seit Monaten ihren eigenen Tod prophezeit bzw. von ihrer Mutter prophezeihen lässt, konnte sicher aus dem Osten Aleppos evakuiert werden.

Angesichts der neuesten Verhaftungen bekommt das Agieren der wichtigsten NATO-Mächte im UN-Sicherheitsrat einen besonders hässlichen Beigeschmack. Die UN-Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und der USA überboten sich gegenseitig mit Horrormeldungen und Genozidverdächtigungen in Richtung der syrischen Regierung und, besonders heuchlerisch, appellierten an das Schamgefühl der "Russen". Das weckte Erinnerungen an die Brutkastenlüge im Irak, oder aber die angebliche Grausamkeit des libyischen Diktators Gaddafi, dem 1 Monat vor Kriegsbeginn vom UN Menschenrechtsrat noch eine vorbildliche Politik in Hinblick auf die Menschenrechte attestiert wurde. Und nicht zu unrecht verweist der russische UN-Botschafter die US-Diplomatin Samantha Powers in die Schranken, wenn er sie auf das Land, welches sie vertritt, hinweist. Die nicht enden wollenden Rufe nach Waffenstillständen, orchestriert von einer beispiellosen Propagandakampagne mit getürkten Opfern, könnten also auch zum Hintergrund gehabt haben, die eigenen Militärangehörigen irgendwie aus Aleppo rauszuschaffen. Dass der Westen de facto die Nachfolge-Organisation von Al-Nusra logistisch und militärisch unterstützt, ist nicht erst seitdem kein Geheimnis mehr, als Obama die Waffenexport-Beschränkungen an „moderate Rebellen“ aufhob. Bereits 2013 schrieb die Washington Post, dass die CIA mit der Bewaffnung von "syrischen Rebellen" begonnen habe. Dass man sein eigenes Militär quasi Seite an Seite bei den Rebellen eingeschleust hat, das wäre hingegen neu, und es wäre ein Skandal.

Waffenstillstände? Da war doch was

Offensichtlich setzen die meisten Medien bei ihren Lesern bzw. Hörern ein besonders kurzlebiges Gedächtnis voraus. So gab es in der Zeit zwischen Oktober und der endgültigen Einnahme Aleppos Mitte Dezember zahlreiche Waffenstillstände. Ein Video der russischen Nachrichtenagentur ANNA News vom 19. Oktober 2016 zeigt die wartenden grünen Busse, die schon vor zwei Monaten bereitstanden, um verletzte und traumatisierte Zivilisten zu evakuieren. Aus diesem Grunde wurden mehrere „humanitäre Korridore“ eingerichtet, die von den Zivilisten genutzt werden sollten. Die Dschihadisten machten dieser Idee einen Strich durch die Rechnung, als sie flüchtende Zivilisten bedrohten, be- und erschossen, exekutierten sowie mit Mörsern traktierten, die schlicht einzigartige Gelegenheit wahrnehmen wollten, diesem Krieg nach etwa vier Jahren endlich zu entkommen. Damit haben die Rebellen jahrelang etwa 300.000 Menschen de facto als Geiseln gehalten. Von der größten Geiselnahme in der Geschichte der Menschheit ist in den Nachrichtensendungen aber nicht viel hören.

Interessant dürfte sein, wie die syrische Regierung sich den Schatz, der ihr da in die Hände gefallen ist, zu Nutze macht. Ohne Zweifel dürfte den Regierungen des Westens und des Golfs daran gelegen sein, ihre Offiziere wohlbehalten zurückzubekommen. Ob die Erfüllung dieses Wunsches mit der Einstellung der Unterstützung für die diversen islamistischen Terrorgruppen einhergeht, bleibt abzuwarten. Für den Westen dürfte das Ganze eine hochpeinliche Angelegenheit sein, konnte man trotz aller Krokodilstränen, Al-Nusra-verharmlosende Propaganda, den Waffenlieferungen an "Rebellen" und dergleichen mehr nicht verhindern, dass hochrangige Militärangehörige in die Hände der syrischen Armee fallen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden