Eine Frau wird siegen

Polen Die Wahlen am 25. Oktober gewinnt die Rechtspartei PiS. Doch deren Spitzenkandidatin steht bisher ohne Koalitionär da. Auch Amtsinhaberin Kopacz fehlt ein Partner

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Kann sich Beata Szydło schon jetzt auf ihren Wahlsieg freuen?
Kann sich Beata Szydło schon jetzt auf ihren Wahlsieg freuen?

Bild: JANEK SKARZYNSKI/AFP/Getty Images

Ewa Kopacz hatte es nicht leicht. Nachdem sie vor einem Jahr das Amt der Ministerpräsidentin von ihrem Vorgänger Donald Tusk übernommen hatte, sanken die Umfrageergebnisse der liberal-konservativen „Bürgerplattform“ (PO) kontinuierlich. Tusk hatte sich in Richtung Brüssel verabschiedet, wo er die Präsidentschaft über den Europäischen Rat übernahm. Seine Partei, die PO, ganz auf seine Person zugeschnitten, verlor unter Kopacz an Profil und musste sich zudem vorwerfen lassen, viele ihrer Wahlversprechen nicht eingelöst zu haben.

Rechtsruck in der Flüchtlingskrise

Die rechte Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Kaczyński verzeichnete derweil starke Zugewinne. Die Partei steht außenpolitisch für eine harte Haltung, sowohl gegenüber Russland wie auch der EU und innenpolitisch für populistische Forderungen wie die nach einer Absenkung des Renteneintrittsalters von 67 auf 60 Jahre.

Nicht zuletzt spielt der rechtskonservativen PiS auch die aktuelle Flüchtlingsfrage in die Hände. Nachdem Polen im September nach langem Hin und Her schließlich den Kompromiss zur Verteilung der Flüchtlinge im Rat der Europäischen Union mittrug, rückte das Thema in den Fokus der öffentlichen Diskussion und könnte bei den bevorstehenden Parlamentswahlen den entscheidenden Ausschlag geben.

Indem PiS die Ängste vieler Polen bedient und vor kultureller Überfremdung und einem Absinken der Sozialleistungen als Folge der Migration warnt, könnte sie nach den bereits gewonnen Präsidentschaftswahlen im August nun auch bei den Parlamentswahlen den Sieg davontragen. Möglich, wenn auch eher unwahrscheinlich, erscheint mittlerweile gar eine absolute Mehrheit der PiS. Zumindest dürften jedoch die rechten Randparteien, die sich auf das Thema Einwanderung eingeschossen haben, einen deutlichen Schub verzeichnen.

Die Spitzenkandidatin der PiS, Beata Szydło, kann sich daher schon jetzt auf ihren Wahlsieg freuen. Umfragen zufolge liegt ihre Partei etwa 10 Prozent vor der regierenden PO. An diesem Vorsprung hat sich schon seit Juni nichts mehr geändert.

Koalitionsfrage weiterhin unklar

Unklar ist, wie eine zukünftige Regierungskoalition aussehen könnte, sollte PiS die absolute Mehrheit verfehlen. Denn trotz einer Vielzahl von Klein- und Kleinstparteien scheint es keinen geeigneten Partner für PiS zu geben. Die gemäßigte Bauernpartei (PSL), die ähnlich wie die deutsche FDP häufig die Rolle des Königsmachers innehatte und seit 2007 an der Regierungskoalition beteiligt ist, scheint nur auf den ersten Blick ein geeigneter Koalitionär zu sein. Im Gegensatz zur amtierenden PO, stellt die konservative PiS für sie einen direkten Konkurrenten im Wahlkampf um die Stimmen der ländlichen Bevölkerung dar, was zu einer feindlichen Stimmung zwischen den Parteien führte. Bei den Regionalwahlen des vergangenen Jahres beschuldigte PiS die Partei gar der Wahlfälschung.

Wahrscheinlicher scheint da noch eine Koalition mit der neugegründeten Partei des ehemaligen Rockmusikers Paweł Kukiz. Dieser war bereits bei den Präsidentschaftswahlen angetreten und hatte mit einer scharfen einer Anti-System Rhetorik als politischer Newcomer zunächst gute Ergebnisse erzielt. Nach einer Serie innerparteilichen Auseinandersetzungen brach die Unterstützung für seinen Kurs jedoch jäh ein und bewegt sich derzeit nahe der entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde. Doch auch bei einem Einzug ins Parlament dürfte seine zerstrittene und alles andere als einheitlich agierende Gruppierung einen außerordentlich schwierigen Koalitionspartner darstellen. Nicht zuletzt hatte Kukiz – ganz Systemgegner – bereits angekündigt, sich keiner formalen Koalition anschließen zu wollen.

Eine letzte Option für PiS stellt die ähnlich unberechenbare und libertäre „Koalition der Erneuerung der Republik Freiheit und Hoffnung“ dar. Der auf Polnisch nicht minder merkwürdig anmutende Name dient einzig dem Zweck in seiner abgekürzten Form (KORWiN) den Namen des exzentrischen Parteivorsitzenden Janusz Korwin-Mikke zu bilden. Korwin-Mikke, libertär, wertkonservativ und euroskeptisch fokussiert sich im derzeitigen Wahlkampf ganz auf die von ihm ausgemachte Islamisierung Polens und hätte als solches sicher gute Chancen. Da das Feld jedoch bereits ausreichend durch die größere PiS bespielt wird, ist fraglich ob es seine Partei über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen wird.

Auch Kopacz ohne Partner

Eine Alternative zu einer PiS-geführten Regierung wäre eine ebenso schwache wie instabile Koalition unter der Führung von Kopacz’s PO. Auch für sie kristallisiert sich aus den vielfältigen Kleinparteien kein natürlicher Koalitionspartner heraus. Inhaltlich möglich wäre eine Zusammenarbeit mit der liberalen Partei der „Moderne“ des Ökonomen Ryszard Petru. Doch gerade die programmatische Nähe zur PO könnte sich hier als Problem erweisen. Die Liberalen, die etwa eine Flat Tax von 16 Prozent fordern, richteten ihren Wahlkampf klar auf die urbane, junge Mittelschicht aus, die sich enttäuscht von der PO abgewendet hat. Ein Koalition mit eben dieser Partei wäre ihnen sicher nur schwer vermittelbar und dürfte der „Moderne“ langfristig schaden.

Daneben steht die zerstrittene Linke des Landes. Hier treten ein Zweckbündnis aus Sozialdemokraten, Grünen und der linksliberalen „Deine Bewegung“ gegen eine weitere, frisch gegründete Linkspartei namens „Zusammen“ an. Beiden dürfte der Einzug ins Parlament schwerfallen. Denn während „Zusammen“ aktuellen Umfragen im untersten Prozentbereich liegt, könnte das etwas erfolgreichere Wahlbündnis dennoch an einer besonderen Acht-Prozent-Hürde für Wahlbündnisse scheitern.

Eine Koalition der PiS-Gegner würde nicht nur vor der Herausforderung stehen unterschiedlichste ideologische Strömungen zu vereinen, sondern müsste sich zudem noch gegenüber dem von PiS gestellten Präsidenten Andrzej Duda behaupten. Der polnische Präsident, anders als sein deutscher Gegenpart weit mehr als eine reine Repräsentationsfigur, ist mit einem wirkungsvollen Vetorecht ausgestattet. Um dieses zu überstimmen, benötigte die Koalition eine wohl unerreichbare Zweidrittelmehrheit.

Widersprüchliche Prognosen

Die polnischen Wahlprognosen unterschieden sich zum Teil gravierend, so dass keine abschließende Voraussage möglich ist. Fest steht einzig, dass Polen auch künftig wieder von einer Ministerpräsidentin regiert werden wird. Ob deren Name Szydło oder Kopacz lautet, ob Polen bald von einer rechts-außen Koalition oder einem links-sozialdemokratisch-liberalen Bündnis oder gar einer Minderheitsregierung regiert wird, ist weiterhin offen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

n-becker

Nikolas Becker

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