Eingebetteter Medieninhalt
Zugegeben: Der Vorstoß der türkischen Regierung, den deutschen Botschafter dazu anzuhalten, die Verbreitung eines satirischen Lieds auf den türkischen Staatschef Erdoğan zu unterbinden, zeugte weder von besonderem Bewusstsein für politische Realitäten, noch von diplomatischem Feingefühl. Vielmehr verhalf es dem inhaltlich weder besonders originellen noch musikalisch irgendwie wertvollen Song Erdowie, Erdowo, Erdogan schnell zu internationaler Berühmtheit und versetzte dem ohnehin in Sachen Pressefreiheit schon arg ramponierten Image der Türkei einen weiteren tiefen Kratzer.
Die Reaktionen (nicht nur) in den deutschen Medien ließen nicht lange auf sich warten. Wenn Erdoğan in der westlichen Welt nicht schon vorher Lieblingsziel von Spott war, so ist er es spätestens jetzt. Was die Mehrzahl dieser Kritiken gemeinsam haben, ist, dass sie inhaltlich meist sehr platt sind. Das wäre ersteinmal nicht weiter schlimm, denn insbesondere Satire muss nicht immer tiefgründig sein. Allerdings mischte sich diese durchwachsene Kritik und Satire schnell mit immer krasser zutage tretendem Rassismus. Jan Böhmermann schließlich überspannte mit seiner als »Schmäh-Gedicht« bezeichneten Hassrede den Bogen in den Augen vieler, während andere ihn dafür feiern. Seine von vielen als »richtig gemeint«, aber »über das Ziel hinausgeschossen« verharmlosten, rassistischen Ausfälle gegen den türkischen Präsidenten, den er u.a. als »Ziegenficker« bezeichnete, waren aber lediglich die Spitze des Eisbergs.
Da der Blick auf die komplexen Verhältnisse in der Türkei hierzulande meist durch die eurozentristische Brille und stark vereinfacht betrachtet werden und viele, die sich zu diesem Thema äußern, in Wahrheit nur unzureichende Kenntnis von der türkischen Historie und der vielschichtigen aktuellen Lage dort haben, fällt die Kritik an der türkischen Regierung in der Regel sehr oberflächlich aus und arbeitet sich meist an der Person Erdoğan ab.
Wo es an Inhalten und Analysen fehlt, wird oft auf eine wortgewaltige Sprache zurückgegriffen. In Sachen Erdoğan werden dabei immer wieder auch mitunter islamophobe und rassistische Klischees und Stereotype heraufbeschworen. Nicht selten sind diese sogar eins zu eins aus dem Repertoire des kolonialen Orientalismus übernommen: Erdoğan als »Sultan« oder den »Irren vom Bosporus« zu bezeichnen, gilt mittlerweile als normal in hiesigen Medienkreisen. Dass Oliver Welke beispielsweise mit angeklebtem Schnurrbart für die »Heüte-Shöw mit Erodgan-Qualitätssiegel« wirbt, beweist nicht nur, dass das Niveau der Verantwortlichen bei der ZDF-Sendung in etwa so hoch liegt, wie das der Dortmunder NPD, sondern auch, dass die deutsche Türkei-Berichterstattung und die hiesige »Satire« bis weit hinein in als links-liberal geltende Kreise rassistischen Charakter besitzt. Dieser jedoch wird von der Öffentlichkeit offenbar erst dann als solcher wahrgenommen, wenn von »nach Döner riechenden Türken« und »Schafsfickern« die Rede ist.
Dies zu bemerken bedeutet nicht, die Politik der AKP-Regierung zu verteidigen, sondern ist ein Appell, sich auf kritischer inhaltlicher Ebene mit ihr auseinder zu setzen. Aber: Eine Person vor Rassismus und Verhetzung in Schutz zu nehmen, muss auch dann die Pflicht sein, wenn man nicht mit ihr übereinstimmt. Der Feind meines Feindes ist eben nicht mein Freund. Und die Kritik an einer Person zu kritisieren bedeutet eben auch nicht, das Handeln dieser Person zu verteidigen.
Kommentare 8
Danke für diesen Beitrag zu diesem hysterisch aufgeladenen Thema.
Es besteht wirklich wenig Interesse an Sachlichkeit. Nun ist ja "Sachlichkeit" auch nicht das Anliegen von "Unterhaltung" und WIE sich jemand "gut" unterhalten fühlt, ist individuell nun mal sehr verschieden - aber auch sehr erhellend darüber, wie die Person tickt.
Von der "Freiheit" der "Kunst" will ich gar nicht reden - denn "Unterhaltung" und "Kunst" haben sowenig miteinander zu tun wie ein Witz am Stammtisch mit einem klassischen Konzert. Also gar nichts!
Das andere Thema ist Rassismus. Der kann in unendlich vielen Formen auftreten - er begibt sich jedoch auch gern in genauso viele Verschleiungsformen, wie auch an seine unterschiedlichsten Aufrtittsorte und wird sehr häufig als Meinungsfreiheit "das wird man ja sagen dürfen" in juristischen Grenzbereichen geäußert.
Wenn nun Böhmenmann so schlau ist, wie von ihm behauptet wird, wird er auch ganz genau wissen, was er da gemacht hat.
Er hat alles in einem Topf geworfen und zur vielfältigen Interpretationsmöglichkeit für jede Geschmacksrichtung serviert.
Also: Außenpolitik, Rassismus, Satire, primitivste Unterhaltung, schwarze Pädagogik, Provokation und ÖRfinanziertes TV.
So, liebe Leute, nun diskutiert mal reichlich und beschäftigt euch mit einer Analyse über mich und mein Machwerk - dafür werde ich ja bestens bezahlt = ist ja mein Job!
Sollte euch dies von jedoch von allen notwendigen Diskussionen über Freiheit der Kunst, Rassismus und die Ereignisse in der Türkei, die jetzt Narrenfreiheit in Menschenrechtsfragen von "eurer lieben Mutti" (mit ihrem Sprachrohr des "Bösen" - dem Innenminister) erhalten hat, ab halten - so ist dies eure freie Wahl und mein Unterhaltungsbeitrag hat euch etwas Enspannung dazu geliefert.
Denkt darüber nach, ob ihr meinen "Mut" bewundern wollt - oder meine Rafinesse, wie ich etwas sage und gleichzeitig das Gesagte als nicht sagenswert diskreditiere. Eure Verwirrung ist immer noch nicht groß genug - aber das bekomme ich/wir noch hin.
Die Flüchtlinge werden verschwinden - irgendwie - wo - wann - ich werde bleiben und euch unterhalten - und so werden wird das gemeinsam schon schaffen!
Und Rassismus ist ganz ganz böse und muß gelöscht werden - und wenn die Flüchtlinge weg sind, ist ja auch eurer Rassismus weg - und wir "Guten" sind dann alle unter uns.
Und merkt euch: was ich über Erdogan gesagt habe, kann ich auch über andere sagen - ihr wißt doch: Varoufakis, die Sachsen, die AfD ... die Liste kann lang werden, die NATO und Ramstein habe ich jedoch nicht auf der Liste - auch TTIP wird da nicht drauf kommen ...
das wort rassismus ist freigeschaltet worden von seinem ursprung. es dient nur noch als schlag- und schimpfwort.
wenn hetze gemeint ist, sollte auch hetze gesagt werden.
Jan Böhmermann schließlich überspannte mit seiner als »Schmäh-Gedicht« bezeichneten Hassrede den Bogen in den Augen vieler, während andere ihn dafür feiern.
Für mein Empfinden ist das Gedicht von Böhmermann eine stark überzogene Satire, die sich aber eben nicht gegen Erdogan sondern ganz im Gegenteil gegen die Hetze in den hiesigen Medien und deren "Berichterstattung", "Kritik" und "Satire" über Erdogan richtet.
Das Ding ist dermassen überzogen, dass es man eigentlich nicht falsch verstehen sollte. Es sei denn, man will es falsch verstehen um damit die Abneigung gegen Erdogan und die Türken immer weiter zu steigern.
sondern ganz im Gegenteil gegen die Hetze in den hiesigen Medien und deren "Berichterstattung", "Kritik" und "Satire" über Erdogan richtet
Nein - er ist Teil der Hetze - denn da ist nicht NUR Erdogan
https://www.youtube.com/watch?v=J6yWAyHYgWg
in dieser verlinkten Sendung ist ein Flüchtling eingeladen und das Gespräch dreht sich um Suizid und Austernessen
In einem Facebook Post „verteidigte“ der Moderator die Sachsen. Sie seien keine Nazis, bloß ganz normale Bürger „die nicht wissen was Nazis sind oder, wenn doch, nichts gegen sie haben.“
Noch klarer wird es bei "du hast ein Problem, ich hab Polizei"
Die Dialektik der Kultur-Annexion nimmt ihren Lauf.
Die Lebenssituation und -realität von sozial und wirtschaftlich schlechter gestellten Menschen wird ins Lächerliche gezogen, indem ihre Ausdrucksform annektiert und mit einem breiten Grinsen am Ende des Satzes versehen wird. Der Sache wird nicht mehr mit Ablehnung begegnet, sondern durch Herabwürdigung und Humor beherrschbar. Das alles mit einem wohlwollenden Lächeln auf den Lippen, als sei man “denen da unten” einen Schritt näher gekommen. Als sei man plötzlich Teil der Posse, zu der man zwar niemals gehören möchte, aber deren breite Akzeptanz es einem schwerer macht, seinen Armutsrassismus weiter so offen kund zu tun.
http://splash-mag.de/jan-boehmermann-hat-strassenrap-nicht-verstanden/
Genau, Pfui, Böhmermann, Böse, Welke, jeder weiß doch dass in Mutti-Deutschland nur gegen Russen gehetzt werden darf. Und wer daran "zweifelt", ist ein böser Nazi; Kleber hat's gesagt!
Erdogan ist ein Verbrecher, sonst nix.
Danke,denn für mich alles gesagt.
Wo es an Inhalten und Analysen fehlt, wird oft auf eine wortgewaltige Sprache zurückgegriffen. In Sachen Erdoğan werden dabei immer wieder auch mitunter islamophobe und rassistische Klischees und Stereotype heraufbeschworen. Nicht selten sind diese sogar eins zu eins aus dem Repertoire des kolonialen Orientalismus übernommen: Erdoğan als »Sultan« oder den »Irren vom Bosporus« zu bezeichnen, gilt mittlerweile als normal in hiesigen Medienkreisen. Dass Oliver Welke beispielsweise mit angeklebtem Schnurrbart für die »Heüte-Shöw mit Erodgan-Qualitätssiegel« wirbt, beweist nicht nur, dass das Niveau der Verantwortlichen bei der ZDF-Sendung in etwa so hoch liegt, wie das der Dortmunder NPD, sondern auch, dass die deutsche Türkei-Berichterstattung und die hiesige »Satire« bis weit hinein in als links-liberal geltende Kreise rassistischen Charakter besitzt. Dieser jedoch wird von der Öffentlichkeit offenbar erst dann als solcher wahrgenommen, wenn von »nach Döner riechenden Türken« und »Schafsfickern« die Rede ist.
Das betrifft aber nicht nur den Umgang mit der Türkei. Es ist heute durchaus üblich und offensichtlich legitim, jeden, der der Mainstream-Politik kritisch gegenübersteht, als Arschloch zu bezeichnen und als Nazi zu diffamieren. Jeder links-bürgerliche Kabarettist meint, auf diese Weise mindestens einmal pro Auftritt beweisen zu müssen, daß er politisch richtig liegt. Niemanden regt das auf. Abgeordnete mit eigener Meinung werden als "Abweichler" beschimpft, statt sich zu freuen, daß da jemand Rückgrat zeigt. Böhmermann liegt also völlig im Trend. Das ist die traurige Wahrheit.