Der feministische Israel-Boykott

BDS-Kampagne Der britischen Feministin Laurie Penny wird vorgeworfen, antisemitisch zu sein, weil sie BDS unterstützt und Stellung gegen die israelische Siedlungspolitik einnimmt.

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Die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS), die dafür einsteht, Produkte, die aus den von Israel okkupierten Gebieten zu boykottieren, um gegen die „Siedlungspolitik“ der derzeitigen israelischen Regierung die Stimme zu erheben, steht schon seit Ausrufung unter teils diskrepanter Kritik. Die einschlägige Kritik, auch von linker Seite, wirft den Unterstützer*innen vor, dem israelischen Staate das Existenzrecht abzusprechen, um so eine strikt antiisraelische, im Subtext hernach antisemitische Konstante zu etablieren. Dies veranlasste bisweilen auch den palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas, sich von BDS zu distanzieren. Die linke Szene und ihr Verhältnis zum israelischen Staate respektive zur nahöstlichen Politik, spaltet sich nicht erst seit der Kampagne, sondern erfuhr den radikalen Riss bereits nach dem Sechstagekrieg, wonach eine Diskussion über (bi)nationale Lösungen schnell im Keim erstickt werden, da der Gegenseite verschiedene Formen der Diskriminierung und Rassismen vorgeworfen werden, ungeachtet eines tiefgreifenderen Kontextes. Die Debatte über die Kampagne und das Verhältnis zur Okkupation Israels fand spätesten in diesem Monat einen neuen Höhepunkt, als die sozialistische Feministin Laurie Penny, die unter anderem die empfehlenswerte, radikalfeministische (Wut)Schrift „Unspeakable Things: Sex, Lies and Revolution“ 2014 veröffentlichte, herausfand, dass sie im Kontext einer Diskussion über das Verhältnis des Feminismus zum Antisemitismus als prominente Unterstützerin des BDS erwähnt wird, wobei die BDS-Kampagne von den Veranstalter*innen dezidiert „antisemitisch/antizionistisch“ gebrandmarkt wird. Es entstand ein vermeintlich kontroverser Schlagabtausch, in dem schnell der Vorwurf gefallen wird, Penny bekäme gar Applaus von jener Seite der BDS-Unterstützer*innen, die Adolf Hitler zitieren würden, wonach Penny auf ihre jüdischen Wurzeln hinwies und dazu erwähnte, dass es „absoluter Unsinn“ sei, eine Kampagne „antisemitisch“ zu schimpfen, die sich gegen die israelische Okkupation erwähnt, darüberhinaus sei es „beleidigend“, sie, Penny, eine Antisemitin zu nennen. Auf die Frage, wie die Diskutantin, die auf dem Treffen sprechen wird, die den Schlagabtausch mit Penny vollzog, es sich erklären würde, dass eine Kritik an der Besatzung Gazas „antisemitisch“ sei, kam keine Rückmeldung mehr.

Die Frage nach dem Antisemitismus im Feminismus muss sich hier nicht stellen, sondern die grundsätzliche der Rezeption antisemitischer Verhaltensmuster in der diskursiven Allgemeinheit. Kritik am Antisemitismus geht grundsätzlich mit einer subjektiven Auffassung des Begriffs einher, ergo verkommt es schnell zu einem moralischen Machtwort, um auch unliebsames Meinungen oder vermeintlich antisemitisches Vokabular als eine Befürwortung der Zerstörung Israels geltend zu machen. Den Umstand, dass es auch Jüdinnen und Juden gibt, die eine (verhaltene) Kritik am israelischen Staat zu äußern wagen, wird schnell als ein Umstand interpretiert, der nicht als ein korrumpierter Selbsthass sei. Die Hauptproblematik hinter BDS-Kampagne ist nicht ihr Existenz, sondern ihre selektiv-propagandistische Interpretation, die – wie so vieles – nicht davor geschützt ist, von jenen instrumentalisiert zu werden, die eine grundsätzliche Vernichtung wünschen. Der Boykott Produkte aus den okkupierten Gebieten ist mitnichten eine Gleichsetzung mit der physischen Vernichtung des Staats, dessen Existenzrecht in keinem Moment in frage gestellt werden darf. Die Bekämpfung jeglicher Kritik an der israelischen Politik hat eine Überhöhung des Staates zur folge, ganz gleich, wie sich eine Forderung oder Aktion definiert, die u.U. in eine groteske Logik sublimieren kann, wie sie die sektiererische International Socialist Tendency formuliert, die Nordkoreas atomare Aufrüstung dezent verteidigt, obgleich der politischen Ambivalenz, einzig dem Argument der US-Feindschaft geschuldet. Dieser Duktus kann schnell dazu führen, um zum Thema BDS zurückzukehren, dass dort Antisemitismus gelesen wird, wo er selbst bekämpft wird. Der Feminismus als solcher hat kein antisemitisches Problem, denn der Antisemitismus ist kein geschachteltes Phänomen, sondern ein in allen Gebieten übergreifendes. Penny nun als dezidiert „antisemitische Feministin“ zu schimpfen, entbehrt nicht nur der Selbstreflexion jener, die das Urteil fällen, sondern ist auch im Falle Penny ein leicht zu widerlegendes, beschäftige man sich nur ausgiebig mit ihr.

„Das Problem ist, dass BDS-Unterstützer*innen in Deutschland die Vernichtung Israels geschlossen unterstützen“, schreibt ein Twitter-User, der sich in den Schlagabtausch einschaltete. Obzwar ich diesen Satz nicht unterstreichen mag, oder, um es mit Pennys Worten zu sagen: das ist „absoluter Unsinn“, regte die Antwort sie zu einer Selbstreflexion an, die der Schreihälse, die im vermeintlichen Interesse Israels auch linke Israelis antisemitisch schimpfen, vollkommen abhanden. „Das war mir nicht bewusst. Wie ich erwähnte, ich bin keine Deutsche. Ich werde mich darüber erkundigen. Scheiß auf die Faschist*innen“, schrieb Laurie Penny und machte einmal mehr klar, dass der Feminismus, der ihriger, der in seinem Wesen radikal und kapitalismuskritisch zugleich, kein antisemitischer ist, sondern ein antifaschistischer, und er zeigt auch: Kritik an der israelischen Regierung heißt nicht, die Vernichtung zu wünschen. Kritik an der Okkupation heißt, für Gerechtigkeit und Demokratie aller Menschen einzustehen. Sowohl für Jüdinnen und Juden als auch Araberinnen und Araber.

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