Esst das Eis einfach aus der Waffel

Ökologie Die Plastik-Verbotspläne der EU-Kommission reichen nicht aus. Allein die Mikropartikel in Kosmetikprodukten sind ein riesiges, ungeklärtes Problem
Ausgabe 22/2018
Life in plastic, it's fantastic!
Life in plastic, it's fantastic!

Foto: Winfried Rothermel/Imago

Wir verbringen gerade unsere Pfingstferien in Italien – da kommt die EU-Kommission mit ihren Forderungen nach dem Verbot von Trinkhalmen, Wattestäbchen, Einweggeschirr und Luftballonhaltestäbchen aus Plastik um die Ecke. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, ist: „Gott sei Dank ist Italien in der EU!“ Denn hier ist es schier unmöglich, auf Kunststoffe zu verzichten. Selbst für mich, die ich bewusst ohne Plastik lebe: Trinkhalme stecken ungefragt in jedem Getränk, Plastikgeschirr gehört zum Alltag.

Was das geplante EU-Verbot angeht, stünden die Chancen in Italien aber gut: Zumindest wurde das 2005 erlassene Rauchverbot in Restaurants und Bars, strenger als in Deutschland, praktisch über Nacht durchgesetzt.

Mehr Sorgen bereiten mir die deutschen Touristen: Damit in der Ferienwohnung nur ja kein Geschirr gespült werden muss, nimmt man eben Besteck und Teller aus Plastik, im Aperol Spritz muss natürlich ein kurzer schwarzer Trinkhalm stecken. Würde also der Adria-Urlauber seinen Cocktail auch durch einen echten Halm aus Stroh schlürfen? Oder sogar durch Makkaroni?

Die Deutschen gehören zu den größten Müllverursachern Europas. Jeder Schritt in die richtige Richtung, sei er noch so klein, ist da begrüßenswert. Doch es bleiben einige Fragen: Warum sollen nur die Haltestäbchen für Luftballons verschwinden, nicht aber Letztere selbst? Nach jeder Hochzeit landen Luftballons aus PVC oder Polyurethan auf Wiesen, in Flüssen und Wäldern, sobald die Luft entwichen ist.

Außerdem: Wir haben weit größere Probleme als Wattestäbchen aus Plastik. Einwegflaschen vermüllen die Strände sehr viel stärker. Und allein in Deutschland gehen pro Jahr 800 Millionen PET-Flaschen über die Ladentheken. Weltweit werden pro Jahr 89 Milliarden Liter Wasser in Plastikflaschen abgefüllt, Cola und ähnliche Getränke nicht eingerechnet. Doch nur wenige Länder haben ein Pfand- und Rücknahmesystem eingeführt, auf ein einheitliches konnten sich die EU-Staaten schon gar nicht einigen. Dieses riesige Problem bleibt bestehen.

Ähnlich ungeklärt ist, was mit Mikroplastik in Kosmetik- und Pflegeprodukten geschehen soll. Laut einem Gutachten des Umweltbundesamtes stecken mehr als 3.000 Tonnen solcher Mikropartikel aus Polyethylen in Flüssigseifen, Shampoos, Duschgels und Peelings, die in der EU produziert und verkauft werden. So viel Plastik gelangt also jedes Jahr über die Abflüsse der EU-Bürger in die Umwelt. Eine Quelle, die schnell trockenzulegen wäre, indem man die Hersteller per Gesetz – und nicht durch freiwillige Selbstverpflichtung – zum Verzicht auf den billigen Füllstoff zwingt.

Letztlich beschränkt sich die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag auf Produkte, für die es bereits Alternativen gibt: zum Beispiel Papier-Wattestäbchen und Partygeschirr aus Holz oder Palmblättern. Wenn wir aber bei kleinen Schritten bleiben, dann wäre zumindest noch ein Verbot von Eisbechern und den zugehörigen Plastiklöffelchen dringend angesagt. Denn die Becher aus Pappe mit Kunststoffbeschichtung sind nicht recycelbar. Viele der Löffel landen im Meer. Dabei gibt es eine äußerst umweltfreundliche Alternative: Wer sein Eis in der Waffel bestellt, isst die Verpackung gleich mit – und produziert so überhaupt keinen Müll.

Nadine Schubert ist Mitautorin des Buches Besser leben ohne Plastik und bloggt zu diesem Thema unter besser-leben-ohne-plastik.de

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