Bodo Ramelow, der "bis Ostern auf jede Kritik an meiner Partei verzichten" will, möchte die Struktur des Vorstands der Linkspartei verändern (www.bodo-ramelow.de/nc/presse/presseartikel/detail_presseartikel/zurueck/presseartikel/artikel/ramelow-ist-kein-grosser-abwatscher/ und www.jungewelt.de/2011/04-02/044.php). Dazu einige Bemerkungen:
Geht es nach ihm, sollen Bundestagsfraktion und Parteivorstand stärker voneinander getrennt sein. Dafür liefert er mehrere Gründe. Er meint offenbar, dass "der Parteivorstand zu stark von einer einzelnen Gruppe dominiert ist" (Ramelow laut dpa-Anfrage in Junge Welt). „Die Parteiführung sollte auf dem Fundament der gesamten Partei aufbauen. Sie sollte nicht nur ein Neben-Ort der Bundestagsfraktion sein" (www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&;;atype=ksArtikel&aid=1301548378584&calledPageId=987490165154).
M. E. sind Konkretisierungen nötig.
Parteivorstand und Parlamentsfraktion - nicht nur die des Bundestags - sollten tatsächlich weitgehend getrennt werden, damit die Partei nicht zur Außenstelle des Parlaments wird. Denn Parlamentarier haben eine andere Funktion als Parteivorstände. Sie funktionieren nach der Logik der Kompromissbildung. Parlamentarier geben bestimmte parteipolitische Forderungen Preis, um andere durchzusetzen. Genau dafür müssen sie von der Partei und der Parteiführung jederzeit kritisiert aber auch verteidigt werden können. Parteifunktionäre haben deshalb eine den Parlamentariern z. T. entgegengesetzte Aufgabe.
Parteivorstände (aller Ebenen) sollen tatsächlich auf dem Fundament der gesamten Partei stehen und nicht der verlängerte Arm des parlamentarischen Geschäftsgangs sein. So sollen Parteien m. M. nach die Ziele und Strategien ihrer Umsetzung bestimmen und diese möglichst den Themen, welche die Parlamentarier einbringen, aufprägen. Um dies zu können, muss eine plurale Meinungsbildung in kontroverser Diskussion komplexe Programme und Strategien entwickeln, die durch die Parteiführung in Diskussion mit den Parlamentariern (aber auch sonstigen gesellschaftlichen Akteuren) in den gesellschaftlichen Prozess eingebracht werden. Plurale kontroverse Meinungsbildung innerhalb der Partei wäre demnach als "Fundament der gesamten Partei" gefordert und zu pflegen.
Allerdings muss die gesamte Partei auf dieses Fundament ein entschiedenes Programm mit geeigneten Strategien aufbauen. Dies gelingt - anders als im Parlament, dass nicht geschaffen ist, die Welt zu verändern, nicht durch Kompromisse - sondern durch die innerparteiliche Wahl von Funktionären, die sich innerhalb des "Fundaments" einer bestimmten komplexen und konsequenten Strategie zuordnen. Da der Vorstand die Parlamentarier aufgrund eines konsequenten Programms kritisieren sollen und Konsequenz nicht das Ergebnis von Kompromissen sein kann, müssen die verschiedenen Programme des Fundaments alternativ abgestimmt und die Vertreter des mehrheitsfähigen zum Vorstand erhoben werden. Damit wäre auf dem Fundament der gesamten Partei ein schlagkräftiger Vorstand aufgebaut, der im Gegensatz zu Ramelows Vorschlag aus einer einzigen Gruppe besteht.
Bisher werden Parteiämter jedoch nur unzureichend an die ideologische innerparteiliche Diskussion angebunden. Vielmehr versuchen Parteimächtige durch Machtakkumulation ihre Pfründe zu sichern. Sind sie am Drücker, bemängeln sie fehlende Loyalität im Falle öffentlicher Kritik ihrer eigen Parteiführungstätigkeit. Sind sie in der innerparteilichen Opposition, spielen sie oft nicht nur die programmatische Karte der Kritik, sondern Kämpfen mit fast allen Mitteln. Insofern ist es immer ein Gebot der Machtreduktion, öffentlich sachliche Kritik zu üben, von der Ramelow bis Ostern Abstand zu nehmen vorgibt.
Kommentare 2
Ein alter Hut... und keine Erfindung und Nurforderung von Bodo Ramelow. Dass die Linke in weiten Teilen nur noch mit dem Parlamentsapparat funktioniert, ist ein offenes Geheimnis. (Das betrifft ja auch andere Parteien in verschiedenen Regionen.) Die Frage bleibt, ob man überhaupt im Rahmen einer solchen Wegdelegationsdemokratie, in der Fraktionen als Kleinbetriebe vom Steuerzahler leben, nach dem Rotationsbetrieb Weltanschauung betreiben kann.
Mit Sicherheit nicht.
Bisher haben Parteien (u. a. die Linke) versucht eine Funktion für das Parlament zu erfüllen. Damit reproduzieren sie eine Art Bürgertum aus Politikern, Publizisten nebst kreativem Milieu darum, das sich nicht selbst abschaffen würde.
Dennoch haben Parteien eine Eigenlogik, die sie vor der Kolonisierung durch das Parlament schützen könnten. Ich meine, würde man diese Eigenlogik entwickeln, könnte das mit der Weltanschauung klappen - allerdings nicht als Kleinbetrieb mit Rotationsprinzip zwischen bereits privilegierten öffentlichen Personen.