Die letzte Instanz

Re:publica Benötigen wir eine Verschärfung des Strafrechts gegen Fake News? Womit macht man sich im Netz strafbar? Fachanwalt Ulrich Kerner klärte über ein paar Grundbegriffe auf

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Konnten auf der Re:publica Arbeit und juristische Fortbildung verbinden: Journalisten
Konnten auf der Re:publica Arbeit und juristische Fortbildung verbinden: Journalisten

Foto: re:publica/Jan Michalko (CC)

Der Raum füllt sich, Leute müssen auf dem Boden Platz nehmen, stehen an der Seite. Referent Ulrich Kerner ist selbst überrascht: „Danke für Ihr zahlreiches Erscheinen, es sind ja doch relativ viele Leute da dafür, dass es so früh am Morgen ist.“ Sein Vortrag ist um 10 Uhr einer der ersten am dritten Tag der Re:publica.

Kerner, Fachanwalt für Strafrecht, erklärt zunächst, worauf er eingehen möchte. Er versucht mit seinem Vortrag „Medienstrafrecht – Grundwissen für Blogger und Journalisten“ das Strafrecht, eigentlich eine recht trockene Angelegenheit, zugänglich zu machen, auf die wichtigsten Aspekte herunterzubrechen und ganz besonders zu erklären: Was genau ist eigentlich Strafrecht, und wann greift es?

Als Erstes stellt er klar: Strafrecht ist die letzte Instanz, die ultima ratio. Wenn Medien also danach schrien, dass das Strafrecht in Bezug auf Fake News verschärft werden müsse, sagt Kerner, dann hätten sie eigentlich keine Ahnung, wovon sie sprechen. Denn der größte Teil des rechtlichen Schutzes finde auf der Ebene des Zivilrechts statt. Das Strafrecht greife nur in seltenen Fällen und besonders das Medienstrafrecht ist ein sehr junges Rechtsgebiet. Doch es ist ein Gebiet, das immer mehr Menschen betrifft. Wer sich im Internet äußert – auch über andere Leute – läuft durchaus Gefahr, sich strafbar zu machen.

Doch wie so häufig bei Gesetzen, ist auch das Medienstrafrecht für Nicht-Juristen schwer zu verstehen. Denn auch wenn Gesetze eigentlich so verfasst sein sollen, dass sich Bürger selbst darüber informieren können, was sie dürfen und womit sie sich strafbar machen, sei es doch in der eigenen Sprache der Juristen verfasst, kritisiert Kerner

Zwei Kategorien

Im Folgenden versucht er, ein paar Grundbegriffe verständlich zu machen. Im Strafprozessrecht sind eine ganze Reihe von Strafrechten mit Medienbezügen festgelegt, wie zum Beispiel das Presse- und Rundfunkrecht, das Urheberrecht, das Datenschutz-Recht, oder das Ideenschutz-Recht. Grundsätzlich unterscheidet man beim Medienstrafrecht zwei verschiedene Kategorien. Taten die nicht nur, sondern auch von Medien begangen werden können, nennt man Medienunspezifische Delikte. Das sind Taten wie beispielsweise Beleidigung. Taten die ausschließlich von Medien begangen werden können nennt man Medienspezifische Delikte, darunter fallen beispielsweise Gewaltdarstellung in den Medien.

„Ich hoffe, es können noch alle Folgen ich weiß, dass das ein bisschen trockene Materie ist“ sagt Kerner zwischendurch, heimst damit gekonnt ein paar Lacher ein und sorgt dafür, dass der Raum dran bleibt.

Im Kernstrafrecht, das in einen allgemeinen Teil, den besonderen Teil und das Strafprozessrecht unterteilt wird, gibt es eine ganze Reihe medienspezifischer Delikte, häufig geht es dabei um Gewaltdarstellung, Pornografie, die Verbreitung krimineller Inhalte oder Verhaltensbeeinflussung.

Das Medienstrafrecht regelt jedoch nicht nur, was die Presse nicht darf. Das Strafrecht ist so gestaltet, dass der Presse eine ganze Reihe Freiheiten gewährt werden, die dem Normal-Bürger nicht zustehen. Beispielsweise darf ein Journalist die Aussage verweigern nicht nur wenn er sich damit selbst belastet, sondern auch, wenn er dadurch eine Quelle preisgeben müsste. Auch Beweismaterial darf zu Gunsten von Quellen und selbst recherchiertem Material zurückgehalten werden, sofern es nicht um die Aufklärung einer Gewalttat geht. Somit werden durch das Medienstrafrecht gleichzeitig Privatpersonen und die Leser, aber auch der effektive Journalismus und die Pressefreiheit geschützt.

Fake News

Besonders während des US-Wahlkampfs 2016 wurden immer wieder Falschnachrichten über die Kandidaten auf sozialen Netzwerken gepostet. Beispielsweise stürmte ein Polizeibeamter eine Pizzeria in Washington, da er im Internet gelesen hatte, dass Mitarbeiter von Hillary Clinton dort einen Kinderporno-Ring führen würden. In dem Zusammenhang wurden Stimmen laut, dass es ein besonderes Gesetz zur Regelung von Fake News geben sollte. Rechtsanwalt Kerner sieht das Ganze eher kritisch. Es gäbe bereits Gesetze, die alle Fälle von Falschnachrichten abdeckten, stellt er fest. Denn wie bereits erwähnt, fallen nicht-beleidigende Falschnachrichten unter das Zivilstrafrech. Sind die Falschnachrichten beleidigend, muss das Opfer einen Strafantrag stellen, sodass der Urheber der Falschnachricht belangt werden kann.

Interessanterweise kommt der Schweizer Bundesrat an diesem Tag zu dem gleichen Schluss. Es sei vorerst nicht angezeigt in diesem Bereich zusätzliche Normen zu schaffen, heißt es in einem Bericht. Momentan setzt man auch dort auf den bestehenden Rechtsrahmen und die Selbstregulierung der Sozialen Netzwerke wie Facebook, Youtube und Co.

Dieser Beitrag enstand im Seminar "Onlinejournalismus" der Akademie Mode & Design

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