Die Idee zu dem Beitrag kam mir eben, als ich bei Maike Hanks „Kino im TV“ etwas einstellte: Die Sache mit der Todesbegegnung so mitten im Leben.
Mal sind es Unfälle, mal sind es Krankheiten oder ganz andere Dramen, in die eine Reihe von Menschen so im Laufe des Lebens verwickelt werden. Ich selbst neige offenbar ungewollt und ungerufen dazu, mich immer einmal wieder in Todesgefahr zu befinden, ohne dass ich auch nur die geringste Selbsttötungsabsicht in mir trage. Ich kann versichern: Ich lebe gerne.
Aber wenn ich mir die Häufigkeit meines (scheinbaren?) Beinahe-Sterbens vor Augen führe, frage ich mich, was das ist. Auch frage ich mich, ob es anderen Menschen genauso ergeht. Ihnen zum Beispiel hier! Dabei spreche ich nicht von den Extremsportlern oder Extremberufen. Das ist eine ganz andere Klasse, die sich da dem Tod bewusst aus ganz eigenen Motiven ja nähert – und manch einer von ihnen ja auch in jungen Jahren erlebt.
Ich spreche hier vom Durchschnittsmenschen, ohne besondere Fähigkeiten oder Ambitionen, also einem wie mich. Einem Menschen, der kein Bergkletterer ist, keine Extreme versucht, keinen Ehrgeiz oder Wagemut unter Beweis stellen will - sich aber doch immer wieder ungewollt in schwierigste Situationen bringt (gemessen nur an der eigenen Leistung oder persönlichen Überforderung). Eher würde ich mich sogar in Richtung "Sicherungsfan(atiker)" einordnen, statt einer Abenteurerin. Oder zum Beispiel auch als Hobby-Kajakfahrer, der nach der Meisterung eines eigentlich fast harmlosen Wasserfalls dann dennoch in einem winzigen Augenblick kentert, im Boot eingeklemmt ist (auch mein Fehler) und fast absäuft, natürlich während eines plötzlich auftretenden Gewitters in einer Zone ohne Anladungsmöglichkeit, die anderen schon weit voraus. Traumatische Erinnerungen – und wieder einmal gut gegangen. Oder als ein Kind, dass schon ganz früh im Kindergartenalter mit seinem kleinen Köpfchen brachiale Zusammenstöße mit einem Polizeiauto hatte – wobei das Polizeiauto gewann. Oder die Sache mit der Klettertour auf über 3000 m, die ich bei Maike Hank ein klein wenig genauer beschrieb. Es gibt noch mehr Dinge, die ich hier nahe am Grenzbereich von Leben und Tod aufzählen könnte, um deren Einzelheiten es aber nicht geht, sondern um die Frage, was es ist, dass durch eine gewisse „Unachtsamkeit“ Situationen immer wieder neu in allen Lebenslagen entstehen und was man – außer den Blessuren und des erneuten Schwures nach besonderer Achtsamkeit in allem – daraus mitnimmt?
Was nehmen Sie aus Ihren Extrembegegnungen in Grenzbereichen mit? Es muss dabei auch gar nicht die körperliche Grenzerfahrung sein, sondern es kann sich auch um geistige oder emotionale Grenzerfahrungen handeln.
Ist das scheinbar „Schusselige“ an scheinbarer Unachtsamkeit am Ende vielleicht auch ein intelligenter Motor für eine unsäglich tiefe Lebensintensität? Prägen sich damit auch dann Anschauungen, bis hin ins Gesellschaftliche oder Politische um, wenn man diese Grenze immer wieder schicksalhaft „aufsucht“?Denn nichts ist ja ohne Wirkung auf ganz andere Bereiche, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und dennoch massiv Einfluss ausüben können.
Sind diese „Unglücke“ oder „Zufälle/Krankheiten“ oder selbst verschuldenten Dilemmata am Ende nicht sogar ein „Glück“ (wenn man es überlebt)? Ein Glück, weil sie einem die zarte Zerbrechlichkeit des Lebens so fühlbar tief mit allen Sinnen vor Augen führen und ins Blut einschreiben, dass man das Gefühl hat: Hier geht es um viel, viel mehr als das, was es scheint?
Was ist mit ihren ganz eigenen Grenzerfahrungen? Erleben Sie diese als persönliches Pech oder als Chance? Als bloßes Ärgernis, Störung und ungebetenen Schmerz…. Oder als was …..?
Kommentare 26
Liebe Nashira,
und schon wieder so ein schönes, wenn auch sehr persönliches Thema.
Meine Grenzerfahrungen sind immer extrem schmerzhaft, aber ich erlebe es immer als so ein "da sind Teile von mir schlauer als ich", weil sie mich auch immer weiter bringen. Sowas ist natürlich in der Rückschau immer recht leicht zu sagen und man sollte meinen, es gäbe so etwas wie "gebranntes Kind scheut Feuer", aber das kann ich für mich nicht reklamieren. Auf bestimmte Grenzerfahrungen scheine ich - wiederum im Nachhinein betrachtet - immer wieder recht zielstrebig zuzusteuern. Vielleicht gibt es da etwas zu lernen und ich hab's einfach noch nicht kapiert.
Liebe Grüße
Ismene
Liebe Ismene,
herzlichen Dank. ... Ja genau die Fragestellung, die sie mit Ihren Worten oben stellen, meine ich! Das "gebrannte Kind" rennt immer wieder zum Feuer hin. Gewiss nicht, weil es dumm oder uneinsichtig ist. Das sind ganz andere Fälle von Wiederholungen, die es ja auch gibt.
Andere Menschen wiederum "meiden" das Feuer lebenslang - vielleicht ähnlich unbewusst oder mit eben noch mehr Angst und Sorge um sich?
Ich bin gespannt, ob diese Kardinalfrage, ob es da etwas zu lernen gibt (was nicht die Gefahrenvermeidung meint!) auch von anderen Lesern/Schreibern hier aufgegriffen wird.
Manchmal ist ein Bündel von individuellen Erlebnissen sehr aussagekräftig - selbst wenn das Individuelle dennoch im Vordergrund stehen mag.
Das mit dem "Extrem Schmerzhaften" kenne ich leider zusätzlich auch, habe aber auf Details hier verzichtet, weil es ja nicht reißerisch wirken soll. Aber es gehört dennoch genau in diesen Grenzerfahrungsbereich, der gemeint ist. Denn ab einem bestimmten Schmerzlevel wünscht man sich nicht selten den Tod, der dann aber nicht kommt, weil seine Zeit nicht da ist. Auch diese Form der Erfahrung, so meine ich, ist eine zumindest private Betrachtung wert.
Insofern ist das Thema um diesen Aspekt von Ismene da jetzt noch zu erweitern...
"Denn ab einem bestimmten Schmerzlevel wünscht man sich nicht selten den Tod, der dann aber nicht kommt, weil seine Zeit nicht da ist."
Ja! Mit kurzem a!
Wobei es recht eigentlich nicht der Tod ist, er ersehnt wird, sondern "nur" das Ende des Schmerzes. In einer solchen Situation zu wissen (also rein kognitiv), dass es zu was Nütze ist, ist da mitunter schon ein Geschenk, macht aber natürlich die Situation als solche nicht besser. Dauerhaft im Extrem zu bleiben, ist uns allerdings auch nicht gegeben - im Guten wie im Schlechten bzw. Schmerzhaften, jedenfalls wenn wir einigermaßen gesund sind.
Hier auf Details zu verzichten, halte ich für sehr klug. Wir dürfen - auch bei persönlich sehr interessanten Themen - nicht vergessen, dass wir uns hier auch immer total öffentlich machen...
Gruß
Ismene
"Wobei es recht eigentlich nicht der Tod ist, er ersehnt wird, sondern "nur" das Ende des Schmerzes."
Das stimmt natürlich...! Es ist genau genommen nur der Wunsch nach Aufhören, der dann schon mal in krasses Fahrwasser kommen kann, wenns allzu lange viel zu schlimm ist und die Zeit sich ausstülpt und Blasen wirft, in denen man gefangen zu sein scheint.
" In einer solchen Situation zu wissen (also rein kognitiv), dass es zu was Nütze ist, ist da mitunter schon ein Geschenk, macht aber natürlich die Situation als solche nicht besser. " ...
... Im extremsten Moment vielleicht nicht, aber es gibt unter Umständen bei diversen Krankheiten (aber auch Unfällen oder Gefahrenmomenten) ja lange Leidenszeiten, wo es alles andere als gut geht, aber dieses Wissen oder Ahnen DANN unter Umständen bei so manchem Menschen der entscheidende Kraftpunkt ist, den man in seiner eigenen Gegenwart als inneren Arzt mit erkennt. Ich habe es immer wieder neu so erlebt.
"Wir dürfen - auch bei persönlich sehr interessanten Themen - nicht vergessen, dass wir uns hier auch immer total öffentlich machen..."
Ja, deshalb ja auch keine genauen Beschreibungen. Umschreibungen reichen aus, wenn das Thema an sich begriffen ist. Denn das Thema ist ja nicht eine persönliche Krankheit, sondern die Grenzerfahrung und was sie mit einem macht.
Gut und wichtig ist es natürlich, wenn diese Grenzerfahrungen nicht einfach so stehen bleiben, sondern - in welcher Form auch immer - aufgearbeitet werden. Das geht vielleicht nicht immer allein, aber das ist ja auch nicht nötig.
Ich erlaube mir, zu dem Damenkränzchen hinzuzutreten. ;-)
Gewohnt ist man ja, den Tod als etwas Endgültiges und Einmaliges anzusehen. Betrachtet wird das Leben ja als eine Art lineare Strecke, begrenzt von Geburt einerseits und vom Tod andererseits. Das was am Ende dieser Strecke summarisch auftritt, was sich summarisch so auf die Physis des Leibes auswirkt, daß dieser nicht mehr unterhalten wird und das Ablegen des Leibes die Folge ist, ist bei der Lebensbeobachtung in Bezug auf den Tod das spektakulärste und hat deshalb besondere Bedeutung für die sinnliche Wahrnehmung. Es entschwindet der sinnlichen Wahrnehmung dasjenige mehr und mehr, was vorher gegeben war.
Nur ist es ja so, daß der Tod während des Lebens zwischen Geburt und Tod ständig nicht nur irgendwie anwesend ist, sondern durch seine Wirksamkeit etwas ganz entscheidendes zustande bringt.
‚Gerade die heute so glänzend verstandene Naturwissenschaft erfährt ihre vollständige Aufklärung, wenn dieser Umschwung im Denken eintreten wird, der hiermit angedeutet ist, der allerdings ein radikalerer ist als der der Kopernikanischen Weltanschauung gegenüber der Weltanschauung, die man früher gehabt hat, aber der vor der wirklichen Weltanschauung so berechtigt ist, wie die Kopernikanische Weltanschauung gegenüber der früheren berechtigt war.
Dann, wenn man auf seelenforscherischem Wege vorwärtsdringt, dann findet man auch, daß die Vorgänge im Gehirn, im Nervensystem, welche dem Seelenleben entsprechen, nicht aufbauende sind, nicht etwas sind, was dadurch da ist, daß die produktive, die wachsende, die gedeihende Tätigkeit im Nervensystem so vorhanden ist wie im übrigen Organismus. Nein! Sondern dasjenige, was die Seele vollführt im Nervensystem, das ist abbauende Tätigkeit, das ist in der Tat während unseres wachen Bewußtseins außerhalb des Schlafes abbauende Tätigkeit. Und nur dadurch, daß das Nervensystem so in uns eingelagert ist, daß es von dem übrigen Organismus immer wieder aufgefrischt wird, kann die abbauende, die auflösende, die zerstörende Tätigkeit, die vom Denken aus eingreift in unser Nervensystem, immer wieder ausgeglichen werden. Abbauende Tätigkeit ist da, Tätigkeit, welche ganz genau qualitativ dieselbe ist wie diejenige, die der Mensch auf einmal durchmacht, wenn er stirbt, wenn der Organismus ganz aufgelöst wird. Der Tod lebt fortwährend in uns, indem wir vorstellen. Ich möchte sagen, atomistisch geteilt lebt der Tod fortwährend in uns; und der einmalige Tod, der uns ergreift, er ist nur summiert dasjenige, was fortwährend abbauend in uns arbeitet, allerdings wiederum ausgeglichen wird, nur sind die Ausgleiche so, daß eben zuletzt auch der spontane Tod hervorgerufen wird. Man muß den Tod begreifen lernen als eine Kraft, die im Organismus wirkt, so wie man die Lebenskräfte begreift.’
So könnte man durchaus sehr berechtigt sagen, daß im Menschen, insoweit er mittels Nervensystem sich betätigt, ständig mit den Kräften des Todes in Verbindung steht, ja, diese Kräfte ihn überhaupt erst denken lassen. Und in den Gedanken, oder besser anhand der Gedanken, läßt sich ablesen, inwiefern der Mensch ein geistiges Wesen ist.
Herzlich willkommen im Damenkränzchen! Vielleicht ist der Tod im Leben ja auch für andere Menschen interessant, insofern sie davon betroffen sein könnten.
Mich fasziniert das Thema.. aber ein paar Fragen zunächst:
"Der Tod lebt fortwährend in uns, indem wir vorstellen. Ich möchte sagen, atomistisch geteilt lebt der Tod fortwährend in uns; und der einmalige Tod, der uns ergreift, er ist nur summiert dasjenige, was fortwährend abbauend in uns arbeitet, allerdings wiederum ausgeglichen wird, nur sind die Ausgleiche so, daß eben zuletzt auch der spontane Tod hervorgerufen wird."
Natürlich zerfallen ständig Zellen und nach sieben Jahren ist der Mensch offenbar ja rundumerneuert. Der "einmalige" Tod der gesamten Persönlichkeit zerfällt dann irgendwann letztmalig. Aber wie bekomme ich die obigen Gedanken des Lebens und des Todes an diese Sache mit der unbewussten, ungewollten und sich dennoch wiederholenden Grenzerfahrung in Todesnähe oder vermeintlicher Todesnähe (wie nah man dran ist, ist schwer messbar - aber die Gefahr und Panik oder Angst usw. sind sehr real und äußerst lebendig).
Könnte man nach den obigen Aussagen denn schlußfolgern: Wer viel/gern/intensiv denkt, steht dem Tod noch näher? Oder den Kräften des Todes (ohne dabei physisch gleich mit umzukommen)?
Und wenn es so wäre, ist die Intensität, die man bei Grenzerfahrungen erlebt, genau die Menge an "Todeskraft", die einen mehr als je zuvor ins pralle Leben hinein katapultiert?
Warum suchen manche Menschen oft, andere selten, andere nie bewusst oder unbewusst diese Grenze auf? Ist ihnen sonst (evtl. ganz unbewusst) das Leben nicht intensiv genug? Wollen sie mittels der Todesnähe das leben auf die Spitze treiben ... selbst Durchschnittsmenschen wie ich, die keine Stunts vollführen, keine akrobatischen Leistungen vermögen - aber dennoch immer wieder in verrückten Situationen landen?
Ja, kann allem sehr gut zustimmen. So ist es... und man entrinnt nicht und niemals, selbst wenn man sich noch so "sichert".
Aber das hier habe ich gemeint:
"Ich selbst bin durch diese Erfahrungen ruhiger geworden. Vielleicht auch abgeklärter, möglichweiser auch stoischer.
Das hat sich auf mein ganz normales privates Leben ausgewirkt, aber auch auf das berufliche.
Nein, kein Fatalismus. Das wäre aufgeben."
Das ist es, warum sich eine Betrachtung lohnt. Die Grenzerfahrung wurde zum Katalysator, ja - wofür: Für das Leben VOR der Grenzerfahrung?, das ein anderes war, weil man um einen erheblichen Aspekt von Erfahrung bereichert wurde?
Das Leben danach wird sich in den allermeisten Fällen äußerlich gar nicht vom vorherigen Leben unterscheiden. Aber ist da nicht etwas im Innern, dass arbeitet und formt, an uns baut und plastiziert?
Abgeklärte Sichtweisen sind anders als aufgeregte. Gerade auch im Politischen. Gewisse Formen der Abklärung im Beruflichen und Privaten verhindern oft auch einen gewissen Teil des Leides, das man sonst auf eine andere Weise erfahren hätte.
Und manche Menschen verschreiben sich ganz der Gefahr. Eine eigene Spezies für sich, die meine Hochachtung hat. Dazu würden mir Mut und Nerven fehlen.
Aber wiederholt zu erleben, dass man als "Normalo" auch "ungerufen" zu den "Gerufenen" gehört, die sich in ihrem Sosein da offenbar dehnen und erweitern wollen und es immer wieder mit einer Sau-Angst dabei zu tun haben, ist schon bemerkenswert.
Vielleicht kann man aber den Grenzerfahrungen noch andere Geheimnisse entlocken? Welche, die nicht ganz so offensichtlich sind und deshalb nicht ganz so schnell und treffsicher zu beantworten?
Grenzerfahrung ist - so ist es ja auch verschiedentlich angeklungen - immer auch Grenzerweiterung. Ich denke, dass ein Entrinnen deshalb nicht möglich ist, weil man vor sich selbst einfach nicht weglaufen kann, da kommt man nicht davon.
Grenzerfahrung als Katalysator für Wachstum und vielleicht wäre auch Reife ein gutes Wort. Das hat nichts mit dem Suchen von Gefahren zu tun.
Liebe Ismene,
"Grenzerfahrung als Katalysator für Wachstum und vielleicht wäre auch Reife ein gutes Wort."
ich möcht den Satz umdrehen und fragen: Ist es denkbar, dass Reife und Wachstum überhaupt ohne echte Grenzerfahrung stattfinden können? Bedingt es dies nicht sogar? Es muss ja nicht immer eine Todesgrenze sein, aber doch schon eine Art von Schmerzgrenze?
Und hat man nicht selbst oft beim Lernen diverse Formen von "Schmerzen"?... Und die, die alles ganz leicht machen (ja, die gibt es ja)...und dabei aber keine Grenzerfahrung erleben: Lernen die eigentlich wirklich etwas Wesentliches? Oder steht es ihnen genauso bevor? Unentrinnbar, nur anders?
Nashira schrieb am 17.03.2012 um 14:33
sieben Jahren ist der Mensch offenbar ja rundumerneuert.
Wenn Sie "offenbar" mit "angeblich" ersetzen, sind Sie den Tatsachen wesentlich näher. Allerdings haben Sie damit trotzdem ins schwarze getroffen in Bezug auf GEBEs Kommentar.
"Ich glaube sogar, daß auch umgekehrt gilt: Wer eine Sache nicht einfach darstellen, der hat sie nicht wirklich verstanden."
Einverstanden!
Aber ich glaube auch, dass Sprache da oft auch Herrschaftsinstrument ist. Je komplizierter und geschwollener einer redet, desto mehr schafft er es, andere zu verunsichern. Ebenso kann es natürlich auch Ausdruck von Unsicherheit sein. Und wer im sprichwörtlichen Elfenbeinturm schwebt ist sich mitunter auch gar nicht der vielen anderen bewusst, die eine völlig andere Lebenswirklichkeit haben, um u.a. den Elfenbeiturm zu erhalten...
Und Du hast natürlich Recht mit dem Lenz. Wohlan, bei uns lenzt es derzeit so schön, dass wir endlich wieder lüften können, ohne zu frieren.
Liebe Grüße
Ismene
@ merdeister:
"Wenn Sie "offenbar" mit "angeblich" ersetzen, sind Sie den Tatsachen wesentlich näher. "
Ihre Zellen zerfallen nicht? Wie machen Sie das mit dem ewigen Jungbrunnen?
"Allerdings haben Sie damit trotzdem ins schwarze getroffen in Bezug auf GEBEs Kommentar."
Da Herr Gebe sehr viel Nachdenkenswertes geschrieben hat und sich für mich daraus vor allem aber Fragen ableiteten, weiß ich in Moment nicht, worauf sich diese Aussage konkret bezieht - ausser Sie haben die gleichen Fragen?!
@ Ismene
Ist da ein Beitrag verlorengegangen? Ich finde nicht den Bezugspunkt zu dieser Antwort bzw. zu der wörtlichen Aussage? Morgenblindheit? :-)
Hallo Ideefix
1. Teil: Das stimmt. Die Todesnähe war nicht in einem solchen Moment dann spürbar, sondern kam erst im Nachhinein hoch. Zumindest bei mir. Und wie nah man tatsächlich dran war oder es nur vermeinte, wäre eine weitere Frage.
Aber die Panik (z.B. im Akt des Ertrinkens unter einem Boot oder beim drohenden ABsturz von 3200m in die Tiefe, weil ein Sprung ohne Sicherung gewagt werden musste und es keine Alternative gab), dieses Adrenalin, dass einen sogar umkehrt sehr lebendig macht und hochfährt, das wird dann in der Erinnerung zu einem Todesnahpunkt (zumindest bei mir). Denn Grenzerfahrungen, so es echte waren, sind doch nicht erledigt damit, dass sie vorbei sind. Danach fängt es doch oftmals erst richtig an, wenn der Verstand wieder einsetzt und die Seele es verarbeiten will. Aber auch die Angstwolke im Kopf sich festzusetzen droht und das Herz umklammert. Oder die Vernunft, die sagt: NIE WIEDER! ... obschon es doch gut gegangen ist im Sinne des Überlebens...
Also den ersten Teil des oben von Ihnen Beschriebenen teile ich voll und ganz. Und was die Situation mit dem Vertrauen auf die Helfer angeht: In solchen Situationen ist das vermutlich nicht einmal ein Urvertrauen, das aktiviert werden muss, sondern es sich wie von ganz alleine ergibt, weil man weder Zeit, Kraft oder Verstand für großes Misstrauen hat!... In solchen Situationen wird wohl niemand fragen, ob der Sanitäter jetzt auch alles richtig macht, sondern ist nur froh und dankbar, dass er da ist.
2. Teil
Jetzt hier wird es für mich aber sehr interessant:
"Sicher, man lebt danach intensiver und achtsamer. Aber diese Erfahrungen könnte ich wahrlich entbehren in meinem Gedächtnis.
Glücklicher wird man dadurch nicht.
Nur demütiger. "
Interessant die Wertung. Sie erleben etwas Schlimmes, das zu etwas sehr Wertvollem führt und sagen, dass sie das wertvoll Gewonnene sehr gut entbehren können. Und dadurch auch nicht glücklicher werden. - Hier zeigt sich diese irre Bandbreite im Menschsein. Mir ergeht es nämlich umgekehrt. Ich z.B. bin für alles Wertvolle, dass mir durch ein (notfalls auch unangenehmes) Ereignis zur eigenen inneren Entwicklung verhilft sogar überaus dankbar. Denn wenn ich (jeder) mich in Sachen Achtsamkeit verfeinere und lebensintensiver durch mein Leben agiere, nützt es der ganzen Menschheit. Dann wird die Spezies Mensch dadurch bereichert. Unmittelbar und für das ganze direkte Umfeld spürbar. Passiert es aber vielen Menschen, dann umso besser! - vorausgesetzt, man kann solche Schlüsse wie Sie daraus ziehen und dies auch tatsächlich feststellen. Jeder kann das ja nicht, nur weil er eine echte Grenze erlebt. Und dann die Sache mit Demut und Glück. Menschen, die demütiger werden, vollziehen einen Meisterakt. Ihnen mag der nicht viel Wert sein, aber ich versichere Ihnen, dass ich Demütigen gegenüber, die so vom Leben geschliffen werden, allerhöchsten Respekt und Anerkennung zolle. Es versteht sich von selbst, dass wir hier von der positiven, überaus starken Form der Demut sprechen - und nicht von Unterwürfigkeit, Schwäche oder Willfährigkeit.
Insofern würde ich jetzt sagen, dass ich vor Ihren Veränderungen offenbar mehr Respekt habe als sie selbst. Ich jedenfalls gratuliere, weil die starke von Demut ganz gewiss einer von mehreren Glückswegweisern ist - auch wenn Sie das im Moment noch nicht so empfinden. Glückwunsch!
Und nebenbei: Lust am Leben ist übrigens nicht Nichtmetaphysisch, sonder angesichts unserer Umstände, die wir im Leben erleben sogar oft höchst mysteriös.
:-)
ideefix schrieb am 18.03.2012 um 01:46
Vielen Dank!
Nashira schrieb am 18.03.2012 um 08:22
Einige meiner Zellen erneuern sich ziemlich schnell, zum Beispiel die meiner Schleimhäute oder meiner Blutbildung, nach einem Jahr sind die roten Blutkörperchen so ziemlich einmal ausgewechselt. Leberzellen teilen sich ebenfalls ein noch im späteren Leben, allerdings wesentlich langsamer. Bei Herzmuskelzellen ist das anders. Die können sich, nach heutigem Stand, beim Erwachsenen nicht mehr teilen, deswegen ist ein Herzinfarkt so tragisch: was weg ist, ist weg. Nervenzellen scheinen sich, entgegen früherer Annahmen, auch bei Erwachsenen teilen zu können, jedoch auch hier sehr langsam. Wenn es anders wäre, würde die Rehabilitation nach einem Schlaganfall schneller verlaufen.
Die Erneuerung alle sieben Jahre ist ein mythisches Konzept, das mir aus der Anthroposophie bekannt ist und damit wären wir bei GEBEs Kommentar.
Lieber Abghoul,
hier liegt ein Missverständnis vor. Ich sprach nicht von der "Todeserfahrung", sondern von der Grenzerfahrung, die nahe an einem (vermeintlichen?) Tod ist. Die Todeserfahrung ist etwas anderes - das stimmt! Insofern stimmt die nachfolgende Vermutung ebenso sehr, wie die Unterschiedlichkeit bei der Sterbebegleitung, die ich auch ja kenne.
Ich stütze auch gern die abghoulinische Spekulation mit Gewissheit, was die Endlichkeit organischer Prozesse angeht - zumindest in der Form, wie wie sie vorher kannten.
Sind denn nicht auch jede Existenzgefährdung, wie z. B. auch Langzeitarbeitslosigkeit und Armut eine Art Nahtoderfahrung?
Lieber Herr Gebe,
Kommt das nicht auf das individuelle Angst-Vertrauens-Muster eines Individuums an?
Aber je nach Einzelfall durchaus!
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-- Falls Sie noch Lust, Laune und Zeit haben: Ich hatte nach ihrem Beitritt zum Damenkränzchen noch ein paar wichtige Fragen zu Ihrem interessanten Beitrag gestellt. Weil es weit oben steht, könnte es aus dem Blick geraten sein.
@ abghoul
"Die Motivation sich selbst und die eigenen Lebensumstände neu zu ordnen kam eher nachher."
Interessant. Hier hat also eine Grenzerfahrung ebenfalls positiv gewirkt. Es kam nach dem Todesschrecken zu einer Handlung... Lebensumstände neu ordnen, beispielsweise.
Sprich hier ist wieder das Prinzip wirkend, dass aus dem Chaos (Schrecken, Panik, Angst, Gefahr) nachher aber etwas um so mehr zu einer ORDNUNG in einem harmonischeren Sinne strebt.
Ganz individuell, aber mit dem aktiven Bemühen der Persönlichkeit, die dann ordnender, gelassener, demütiger, verstehender wird.
Wir haben oben ja nur einige wenige Beispiele bei gleichzeitig sehr verschiedenen Grundhaltungen dazu. Aber ALLE sagen doch aus, dass nach einem solchen Ereignis sich /oder man sich etwas verändert.
Das war/ist der Kern dessen, was ich gern wissen wollte und was ich sehr schön finde, auch wenn die Betroffenen es manchmal vielleicht nicht so hoch einschätzen, wie ich es aber nun einmal hoch einschätze.
Denn die "Kleinigkeiten" im Leben machen doch die Summe des Lebens aus. Und vor allem: Gerade Erwachsene ändern sich in der Regel nur selten und auch sehr schwer. Aber kommt eine solche Zäsur - siehe obige Beiträge - wird noch einmal häufig etwas gerichtet. Und die scheinbare Belanglosigkeit, die manch einer darin zu erkennen glaubt, ist in Wirklichkeit ein schwieriger AKt, der ohne das Ereignis vermutlich nicht wirksam geworden wäre.
Danke für die Rückmeldung.
Hallo Nasihra,
da habe ich mich vertan. Der Kommentar gehört woanders hin.
Entschuldigung.
Ismene
Ich kann hier nur vermuten, dass bei diesem Prozess verschiedene Bereiche wie Zahnräder ineinander greifen.
Und die Ratio gehört gewiss dazu... aber eben aufgrund einer oftmals auch seelischen Erschütterung, der eine körperliche Erschütterung voran gegangen sein kann/mag.
Das alles kann dann zu Erkenntnissen und Verhaltensänderungen führen, die teils vernunftgesteuert sind - aber teils auch ein inneres Bedürfnis sind, wo die Vernunft gar nicht so viel zu sagt (siehe oben z.B. das Erlangen von Demut). Dann hat der Wille noch ein Wort mitzusprechen... und manchmal auch das Herz,wenns darf und laut genug spricht.
Aber interessant bleibt, dass bei vielen Menschen dies oft unbewusst abläuft, sie es nicht einmal konkret an sich beobachten, wenn das Ereignis und die äußeren Direktfolgen erst einmal überwunden sind... aber dennoch oft unbemerkt dieser eigenen Veränderung unterliegen, ohne sie bewusst zu realisieren.
Würde man sie aber bewusst realisieren, so könnte man sie auch noch stützen und verstärken - oder alternativ sich einfach nur an den positiven Nachwehen selbst erfreuen, statt sie nur stoisch hinzunehmen.
@ abghoul
"Kalte Verachtung für alles und jeden, wilde Ängste und finstere Depressionen um nur einige Beispiele zu nennen."
Das ist ein neuer Aspekt. Ich glaubs auch gern. Aber er ist mir in Person tatsächlich noch nicht über den Weg gelaufen - was natürlich nichts heißen muss. In der Tat sind mir alle Grenzgänger bisher durch ihre Erlebnisse anders vorgekommen.
Nicht dazu gehören Gewaltopfer, Opfer von Erdbeben, Brand usw. oder Kriegsteilnehmer. Auch sie haben ja einen Grenzgang hinter sich. Aber einen anderer Art, der zu unterscheiden ist. Und da ist das oben Beschriebene dann häufig anzutreffen.
Man muss also offenbar auch Grenzgänge, die physisch gleichermaßen gefährlich bis tödlich sein können, nochmals in verschiedene Kategorien utnerteilen und unterscheiden.
Oft gibt es aber auch beides: Das Vorhandensein der Schreckensbilder aus der Vergangenheit - und dennoch auch die Dankbarkeit, die Wesensveränderung zum Positiven hin... (so kenne ich es beispielsweise)
" ... das individuelle Angst-Vertrauens-Muster eines Individuums ..."
Was ist das? ? ?
ach, ich bin ganz sicher, dass Sie das wissen...!
Ich versuchs trotzdem: Jeder Mensch trägt ein (sich sicher auch veränderndes) "Muster" von Angst und Vertrauen in sich. Oder nennen Sie es eine Matrix, eine Blaupause.... whatever..
Individuell stark oder schwach nach dieser oder jener Seite ausgeprägt, je nach Prägung, Erfahrung, Erlebnis...
Und aufgrund dieser Prägung geht doch jeder mit einer jeden Erfahrung auch wieder anders um. Sicher auch so, wie von Ihnen kurz angerissen. Aber mir kamen eben auch ein paar Tausendsassas in den Sinn, die sich hervorragend "eingerichtet" haben, während ich so einige "Geknechtete" mit vollem Job, mäßigem Lohn und überaus großen Sorgen da direkt vor meinem Auge namentlich hatte und dachte: Armut kann Grenzerfahrung sein, aber wer und was sich als "arm" und reich selbst empfindet, hat ja eine ungeheure Bandbreite...