Die State-Logs-Affäre von Wikileaks sei nun in die Phase eines Infowars getreten, lesen wir: EveryDNS deaktiviert die Hauptdomain wikileaks.org nach massiven DDoS-Angriffen, Amazon kündigt Wikileaks die bislang genutzten Web Services wegen "Vertragsverletzung". Und John Perry Barlow von der Electronic Frontier Foundation ruft auf Twitter zu den Waffen: "The first serious infowar is now engaged. The field of battle is WikiLeaks. You are the troops."
Auf den ersten Blick scheint alles klar: David Julian Assange kämpft gegen Goliath USA. Jetzt sind wir als Netizens gefragt.
Sind wir das? Nein. Julian Assange kämpft einen eigenen Infowar, der von niemandem legitimiert wurde. Diese Herangehensweise entspricht nach allem, was man von ihm lesen kann, auch nicht seinem Weltbild. Für ihn legitimiert sich Wikileaks selbst – durch den Nutzen seiner Veröffentlichungen.
Nutzen uns die State Logs? Auch nein. Wie US-amerikanische Politiker über andere Denken, ist keine politische Frage. Das ist Polit-Klatsch.
Die Dokumente zum Afghanistan- und zum Irak-Krieg waren sinnvoll: Sie dokumentierten Rechtsbrüche, von denen zu wissen im Interesse einer demokratischen Öffentlichkeit ist. Das lässt sich von den State Logs allenfalls hinsichtlich der Bespitzelungsversuche von UN-Mitarbeitern behaupten. Der Rest ist gut orchestrierte Wikileaks-PR in eigener Sache.
Assanges Vorstellung von Transparenz entpuppt sich in den Interviews, die er gegeben hat, als eine vulgäre Vorstellung. Transparenz ist schon, wenn zuvor verschlossene Dokumente einsehbar sind. Mehr nicht.
Eine grundsätzlich politik-theoretische Begründung fehlt. Dabei gäbe es sie: Man könnte z.B. rätetheoretisch argumentieren, dass alle Amtsinhaber/Delegierten sämtliche Arbeitsvorgänge transparent machen müssen, an ein imperatives Mandat gebunden sind. Die Veröffentlichung der State Logs könnte dann Teil einer grundsätzlichen Kritik an der repräsentativen, nationalstaatlich verfassten Demokratie sein.
Assange hat derartiges nicht im Sinn. Im Forbes-Interview am Montag erklärte er: "WikiLeaks is designed to make capitalism more free and ethical." Er bezeichnet sich selbst als Markt-Libertären. Und so spielt er das Wikileaks-Spiel denn auch exakt nach den Spielregeln der neoliberalen Medienwelt. Skandale (Prinz "Peinlich" Andrew) generieren Aufmerksamkeit, Masse suggeriert Bedeutung (250.000 Dokumente!). Mit jedem Scoop muss die Dosis erhöht werden.
Dass ihm John Perry Barlow zur Seite springt, sollte auch niemanden überraschen. Seine "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" von 1995 hatte nur wenig Emanzipatorisches, sondern entsprang vor allem der kalifornischen Ideologie.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Idee einer Whistleblower-Plattform im Netz gegen staatliche und ökonomische Macht (und deren Missbrauch) ist zeitgemäß, notwendig und sinnvoll.
Aber eben nicht als One-Man-Infowar, nicht als Gegen-Macht. Wikileaks sollte seine Operation für einige Zeit einstellen, überdenken, dezentralisieren, d.h. regional anbinden und in irgendeiner Form zu legitimieren versuchen. So wie jetzt wird es zur Farce.
Die war wohl schon in der Entstehung angelegt. Ich empfehle jedem, die Kritik von John Young von Cryptome.org von Januar 2007 zu lesen. Young schrieb, kurz bevor er wutentbrannt aus dem Wikileaks-Projekt ausstieg, dessen US-Anmelder er sein sollte:
"BTW, the biggest crooks brag overmuch of how ethical their operations are. Avoid ethical promises, period, they've been used too often to fleece victims. Demonstrate sustained ethical behavior, don't preach/peddle it."
Und kam am Ende zu dem Schluss: "Wikileaks is a fraud." (7.1.2007, am Ende des Threads)
Dafür sollte sich keineR von uns als "Truppen" missbrauchen lassen.
Kommentare 78
Volle Zustimmung!
>>Nutzen uns die State Logs? Auch nein. Wie US-amerikanische Politiker über andere Denken, ist keine politische Frage. Das ist Polit-Klatsch. schreiben Sie, um im nächsten Absatz relativierend einzuschränken, höchstens hinsichtlich der UN-Bespitzelungsversuche seien sie vielleicht doch sinnvoll.
In meinem Blog hier beim Freitag bin ich etwas näher auf die Reaktionen auf Cablegate eingegangen, und ich finde einige so überzogen, dass schon sie die Veröffentlichung im Nachhinein rechtfertigen (wobei offenbar bisher nur ein Teil der Dokumente im Internet abrufbar ist):
Sarah Palin - um ein Haar Vizepräsidentin der USA - erklärt angeblich auf Facebook: "He is an anti-American operative with blood on his hands. His past posting of classified documents revealed the identity of more than 100 Afghan sources to the Taliban. Why was he not pursued with the same urgency we pursue al-Qaida and Taliban leaders?" und Mike Huckabee, republikanischer Mitbewerber für die Nachfolge George W. Bushs fordert die Todesstrafe für den Informanten von Wikileaks, nachzulesen beim Guardian, hier:
www.guardian.co.uk/world/2010/dec/01/us-embassy-cables-executed-mike-huckabee
Dort wird auch über eine kanadische Reaktion berichtet:
>>Tom Flanagan, a senior adviser to the Canadian prime minister, Stephen Harper, issued what has been described as a fatwa against Assange, on the Canadian TV station CBC.
"I think Assange should be assassinated, actually," he said. "I think Obama should put out a contract and maybe use a drone or something." Flanagan chuckled as he made the comment but did not retract it when questioned, adding: "I wouldn't feel unhappy if Assange does disappear."
Assassination. Unter der Überschrift 'Kampf gegen den Terror' verschwinden tatsächlich Menschen, hierzu gibt es einen Bericht bei Harper's Bazar,
harpers.org/archive/2010/11/hbc-90007831
Folgt man diesem Bericht, dürfte es für einen Anfangsverdacht gegen die ehemalige Us-Aussenministerin Condoleezza Rice reichen: Kidnapping - noch so ein 'überflüssiges' Dokument?
Für vulgär halte ich die Invertierung des Transparenz-Begriffs: Unter der Überschrift 'Kampf gegen den Terror filtern Geheimdienste vermutlich jede e-mail, jedes Telefonat mindestens auf Schlüsselworte, Flugreisen und Banküberweisungen jedes EU-Bürgers werden in den USA genau protokolliert - es sind aber angeblich die Wikileaks-Veröffentlichungen, die problematisch seien. Obwohl es nicht der Staat, sondern der einzelne ist, der Anspruch auf die Wahrung seiner Privatspäre hat.
Es ist auf der Kippe: Gut möglich, dass Wikileaks nächste Woche schon offiziell ein Feind vom Range Al Qaidas ist, Assange zum Taliban erklärt wird. 'Bewährte' Methode: Bombe drauf und unsere Freiheit ist gesichert?
Oder die Diskrepanz zwischen den öffentlichen Statements einiger arabischer Potentaten und ihren heimlichen Absichten? Kann man tatsächlich mit dem ehemaligen Botschafter Chrobog der Meinung sein:
>>Wenn hochgestellte Persönlichkeiten in Jordanien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten in den Atom-Streit mit dem Iran einbezogen und sie dahingehend interpretiert werden, dass sie auch für einen Angriff auf den Iran seien, dann ist das brandgefährlich. Das geht über eine Tagesberichterstattung hinaus. So etwas muss man – vor allem, wenn es stimmen sollte – sehr vertraulich behandeln.
hier, unter der Überschrift "So etwas kann Menschen gefährden" www.fr-online.de/politik/-so-etwas-kann-menschen-gefaehrden-/-/1472596/4880568/-/index.html
Es scheint darauf anzukommen, welche Menschen, nicht wahr? Und was für ein Demokratieverständnis - die soll doch angeblich unser Exportschlager sein - offenbart sich da? Wäre noch schöner, wenn diese islamistischen Fellachen auch noch über die Politik ihrer Herrscher informiert würden, was? Oder gar, wie die Amerikaner, einem John McCain, der auf einer Wahlveranstaltung 'Bomb Iran' zur Melodie von Barbara Ann von den Beach Boys sang, gar die Stimme verweigern dürften?
Sogar die eher uninteressanten Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP hierzulande sind Gegenstand der Kontrollwut amerikanischer Paranoiker - und vulgär soll es sein, dies bekannt zu machen?
Ihnen sind die Masstäbe etwas verrutscht, sie halten weiss für schwarz. Wie bei Orwells doublethink:
Doublethink vorkommt:
>>The keyword here is blackwhite. Like so many Newspeak words, this word has two mutually contradictory meanings. Applied to an opponent, it means the habit of impudently claiming that black is white, in contradiction of the plain facts. Applied to a Party member, it means a loyal willingness to say that black is white when Party discipline demands this. But it means also the ability to believe that black is white, and more, to know that black is white, and to forget that one has ever believed the contrary.
Quelle: en.wikipedia.org/wiki/Nineteen_Eighty-Four#Doublethink
"Für vulgär halte ich die Invertierung des Transparenz-Begriffs"
So ist es.
Ich bin auch ganz erstaunt, was für Schöngeister des Geheimnis- und Infowesens sich da artikulieren. Vulgär - Ogott. Vulgär war stellenweise der Stil dieser unwürdigen Geheimnisse, die man gar nicht genug breittreten kann, um sie zu entschärfen.
Hier stimme auch ich ausdrücklich zu (wobei ich die Sache mit der Legitimierung für komplett vernachlässigbar halte und deshalb weggelassen habe):
Aber eben nicht als One-Man-Infowar, nicht als Gegen-Macht. Wikileaks sollte seine Operation für einige Zeit einstellen, überdenken, dezentralisieren, d.h. regional anbinden (...). So wie jetzt wird es zur Farce. [Hervorh. jap]
"Aber eben nicht als One-Man-Infowar, nicht als Gegen-Macht. Wikileaks sollte seine Operation für einige Zeit einstellen, überdenken, dezentralisieren, d.h. regional anbinden und in irgendeiner Form zu legitimieren versuchen. So wie jetzt wird es zur Farce."
Bis so etwas etabliert ist, ist Wikileaks vielleicht auch zerschlagen. Eine Wikileaks-Partei mit regionalen Ortsgruppen, das wäre der Legitimitäts-Knaller.
"Was mir vor allem auf den Zeiger geht, ist die jetzt aus purem Idealismus einsetzende Ideologisierung von WL, die sowohl vonseiten der Staatsfetischisten betrieben wird (Josef [Joffe] und seine Brüder), vor der aber noch nicht einmal Herr Augstein gefeit ist, wennzwar auch die Richtung eine andere ist."
..."noch nicht einmal Herr Augstein" ist auch eine hübsche Wendung, lieber j-ap. Auch ein bisschen komisch, sowas.
Inwiefern, liebe Magda?
"One-Man-Infowar" - oder One-Man-Info-Travelling-Show eines Mannes ohne Bildung, ohne Ausbildung, dessen Kindheit ausreichend Traumatisierungselemente enthält - und von dem die sonst so qualifizierungs- und legitimierungssüchtigen Mitbürger noch nicht einmal einen Gebrauchtwagen kaufen würden?
en.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange
en.wikipedia.org/wiki/Showman
Wikileaks ist zwar noch nicht zerschlagen - ist aber gerade aus im obigen link nachlesbaren Gründen zu "wikileads" mutiert.
One-Man-Infowar: die New York Times in den USA, der Guardian im UK, der Spiegel hier in Deutschland sind mit der Sichtung und Veröffentlichung des Materials, und dies offenbar schon seit Wochen, befasst - wirklich der richtige Begriff?
Es sind doch sehr traditionelle Medien, die hier ihre Arbeit tun - als vierte Gewalt sind sie längst etabliert und akzeptiert.
Vulgär: Klar, wenn sich manche Journalisten, die nur sekundären Zugang zu den Quellen haben, ausgerechnet auf die Oberweite irgendwelcher Krankenschwestern kaprizieren, kann man das so finden, es lässt sich aber schwer an dem Transparenzbegriff von Wikileaks festmachen.
Es hat schon im Vorfeld der aktuellen Veröffentlichung innerhalb der Gruppe heftige Diskussionen gegeben, auch die jetzige Aktion war aus guten Gründen offenbar nicht unumstritten und hat anscheinend zum Bruch zwischen einigen Aktivisten geführt.
So wichtig es ist, dem nachzugehen, bin ich doch dafür, Prioritäten zu setzen. Wenn ich beispielsweise gerade in den Nachrichten höre, Assange werde weltweit gesucht und anschliessend im Echo des Tages auf WDR 5 erläutert wird, Scotland Yard wisse, wo er sich aufhalte und werde ihn sofort festnehmen, sobal ein rechtmässiger Haftbefehl aus Schweden vorliege, frage ich mich schon, warum so ein öffentlich-rechtlicher Sender partout den Eindruck erwecken will, da tobe ein Sex-Maniac durch Europa und werde verzweifelt gesucht.
Vorher durfte Assange mit Wissen und Zustimmung der schwedischen Behörden trotz des da schon vorliegenden Verdachts ausreisen, jetzt aber ist er ein von Interpol gesuchter Schwerverbrecher - diesen Eindruck muss man jedenfalls gewinnen.
Palin in Amerika, Joffe bei der Zeit et al. rücken diesen Mann in die Nähe von Al Qaida, und es ist seit einiger Zeit kaum bestrittener Konsens, dass solche Leute anscheinend legitime Ziele gezielter Tötungen sind, die oben zitierten Äusserungen aus Kanad gehen in die selbe Richtung - und nbo hier muss - 'vulgär' - ins selbe Horn stossen, Sexmonster mit 'nem Riesenständer auf der Flucht?
Es gibt da einen üblen Macho-Witz: Frage: Warum werden Frauen seit Jahrhunderten unterdrückt? Antwort: Weil es sich bewährt hat.
Wenn man mal einen Moment nachdenkt, ist das z.B. die selbe Begründung, mit der der Bevölkerung in ausgewählten arabischen Staaten Kunde über die politischen Aktivitäten ihrer Herrscher vorenthalten werden soll.
Das ist nicht vulgär, sondern obszöner Rassismus. Assange muss vor Gericht - das finde ich auch, ganz entschieden, aber ich möchte nicht mit solchen verwechselt werden, die sich hier als Rechtshüter gerieren, aber nichts dabei finden, wenn ein deutscher Oberst, der nach eigenem Bekunden Taliban "vernichten" wollte und veranlasst, dass Kampfflieger - die er zu diesem Zweck belogen hat, in dem er behauptete, sie stellten eine unmittelbare Gefahr dar - über hundert Menschen, unter ihnen Kinder und Greise, bombardieren und dafür noch nicht einmal vor Gericht landet, sondern ein Jahr später eine Besoldungsgruppe aufgestiegen ist.
Assange ein Terrorist, in Bälde vermutlich vom Kaliber eines Bin Laden - da kommt ja das von nbo ausgegrabene Zitat von John Young wie gerufen: "Wikileaks is a fraud" - and so are the NYT, The Guardian and Spiegel-online?
Nein, in diesem Artikel hier kann man nur einem von unzähligen selbsternannten Kleinstadtsheriffs dabei zusehen, wie er ein neues 'Wanted dead or alive' - Plakat annagelt. Und eigentlich wissen könnte, was er da tut.
Der Gerechtigkeit halber: das hier >>und nbo hier muss - 'vulgär' - ins selbe Horn stossen, Sexmonster mit 'nem Riesenständer auf der Flucht? waren nicht Sie, sondern der Kollege von Ihnen hier
www.tagesschau.de/ausland/assange126.html
Fängt an mit: "Dr. Kimble auf der Flucht" und geht im zweiten Absatz weiter mit >>Das vorweg: Gesucht wird dieser Nachrichtenfreibeuter wegen mutmaßlicher Vergewaltigung. Und die wird nicht dadurch besser, dass er ansonsten von Berufswegen als Gutmensch im Kampf gegen das Böse im Internet unterwegs ist.
Hatte ich verwechselt.
Eine Dezentralisierung und mehr Transparenz halte ich auch für sinnvoll.
„......Daher werden sie (ehemalige WL-Mitarbeiter) Mitte Dezember mit einem eigenen Projekt an die Öffentlichkeit gehen, welches sie ausdrücklich nicht als Konkurrenz zum Assange-Netzwerk sehen wollen, sondern als anderen Ansatz.
Ziel dieses neuen Projekts: weniger Macht, weniger Spektakel. "Möglichst viele Menschen sollen möglichst viele Dokumente entgegennehmen können", sagt Daniel Domscheit-Berg. Man wolle sich ausdrücklich als Dienstleister verstehen, der es Whistleblowern ermögliche, unentdeckt Informationen weiterzugeben. An welche Adresse, das soll dabei die Quelle entscheiden, nicht mehr das Netzwerk.“
Konnte man in der TAZ lesen
Grüße Sie, verehrter keiner!
Zunächst einmal will ich hier festhalten, daß sich meine Zustimmung ausdrücklich auf die von mir zitierte Passage beschränkt. Mit irgendwelchen Vulgarismusvorwürfen oder den ebenso geschmacklosen wie reichlich dubiosen Vergewaltigungsinsinuationen habe ich nichts, aber rein gar nichts zu tun und sehe das diesbezüglich nicht recht viel anders als Sie.
Zum zweiten sollte man sich schon einmal ansehen, wie sich denn das »Verhalten« derer anläßt, die sich zur Sache bisher geäußert haben.
Da haben wir zum einen die Joffe-Fraktion, die ich mal so nennen will, nicht weil Josef Joffe der Chef vons Janze wäre, sondern weil er der hierzulande exponierteste Vertreter dieser Sichtweise ist, die im Grund auch die der amerikanischen Regierung ist.
Diese Fraktion erblickt im Vorgang von WikiLeaks eine ungeheuerliche Insubordination, einen ernstgemeinten Angriff auf das Wesen der Staatlichkeit selbst. WL verstößt nämlich nicht nur gegen positives Gesetz, sondern enthebt zugleich die Staatsmacht (die immer und überall Tötungsbereitschaft im Wartezustand ist und nur sein kann, weshalb ich auch das Lamento über die US-amerikanischen Mordabsichten eher amüsiert zur Kenntnis nehme) von ihrer ebenso einzigartigen wie altehrwürdigen und mystischen Fähigkeit zur Separation und Monopolisierung von Wissen und Information. Hermetische Information gehört zur Macht genau im selben Maß wie die Potenz, über Leben und Tod zu entscheiden, daher ja auch der Fetisch, Sachen knallhart als geheim einzustufen, die doch ehrlicherweise über das Niveau einer belanglosen Plauderei gar nicht hinausgehen. Es geht hier tatsächlich um den Vorgang der Geheimhaltung selbst und nicht um irgendeinen grandiosen Inhalt, der damit unter der Decke gehalten werden soll.
Die Gegenseite dazu, also hier im Hause Herr Augstein, zeichnet sich dadurch aus, daß sie es haargenau so sieht wie die Joffe-Fraktion mit dem marginalen und daher fundamentalen Unterschied, daß sie die darin sich angeblich zeigende Insubordination als eine echte Subversion deutet: Durch die Herstellung einer globalen Öffentlichkeit wird der kleinen Bescheidwisser-Riege ihr hermetisches Separatwissen entrissen, jetzt soll der Weg frei sein zu einer »Demokratisierung« der Zustände.
Herr Augstein versteigt sich in dieser Linie sogar soweit, zu behaupten, daß sogar Kriege hätten verhindert werden können, wenn WL nur etwas früher den Betrieb aufgenommen hätte. — Ich halte das für vollständig absurd, um ehrlich zu sein.
Betrachtet man sich die Chose aus der Distanz, so muß man hier klar sehen, daß WikiLeaks allgemein und Julian Assange im besonderen gar nicht sind und es nicht sein können, was man ihnen nun per Ideologem unterstellt. Denn dieser Mann will gerade keine bestehende Ordnung und kein System untergraben, sondern sie auf ihrer eigenen Grundlage überhaupt erst herstellen!
Herr Assange und seinen sind das Informationsfreiheitsgesetz und der Freedom of Information Act in Person.
Deshalb habe ich auch unter dem Artikel von Herrn Augstein Alfredo Rocco erwähnt. Dieser Alfredo Rocco war ein einflußreicher Jurist im faschistischen Italien Mussolinis, eine Art römischer Carl Schmitt, unter dessen Auspizien als Justizminister im Jahre 1930 eine höchst aufschlußreiche Strafrechtsreform ins Werk gesetzt wurde, die eine völlig neue Kategorie von Straftaten einführte, nämlich den Tatbestand der Subversiven Vereinigung. Darunter konnte alles fallen, was schon im Versuchsstadium gegen den Staat und seinen Betrieb gerichtet und nicht durch andere Tatbestände erfaßt war. Interessant daran ist zum einen, daß Subversion als solche fürderhin keine gewöhnliche Kriminalität mehr war und etwa niedere Beweggründe erforderte wie der Raub oder der Mord; zum anderen stand fürderhin jedermann (!) das Recht zu, subversive »Elemente« im Staat auf eigene Faust dingfest zu machen.
Man muß sich diesen beispiellosen Vorgang auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat opfert auf dem Altar seiner eigenen Erhaltung die allerheiligste Kuh im Stall, nämlich das Gewaltmonopol — wenn auch nur phasenweise.
Man könnte das nun mit leicht anderem Zungenschlag auch anhand der bundesdeutschen Notstandsverfassung und dem Widerstandsrecht darstellen, das führte nun aber zu weit, sich dieser Perversion auch noch anzunehmen in diesem Rahmen.
Entscheidend ist, daß WikiLeaks und Herr Assange gar nicht die Systemopposition sind, für die alle Welt sie hält, sondern im Gegenteil die wirkliche Verwirklichung des Systems auf seiner eigenen Grundlage, will sagen: rein gar nicht und nirgendwo subversiv werden und nicht gegen Macht auftreten, sondern als Gegen-Macht.
Das ist das Wesentliche dieser sehr ambivalenten Veranstaltung.
Ach, wer fühlt sich denn missbraucht? Man hört oder liest andauernd "Wahrheiten", wen berührt das eigentlich noch? Über Wahrheiten wird niemals entschieden werden, weil wir alle als Menschen eigentlich nur verlogen sind. Mehr oder weniger bewußt oder unbewußt, mehr oder weniger tückisch.
Lesen Sie einfach einmal alle Verschwörungstheorien, alle Spekulationen über sämtliche Zeiten hinweg. Wo ist die Wahrheit? Sie existiert sicher - aber nicht in unseren Köpfen; sie wird dort sofort wieder zur Lüge. Weil wir Lügen lieben.
Hallo Jap! Mein Kommentar ging in erster Linie an nbo, an Ihren habe ich ihn vor allem deshalb drangehängt, weil ich darauf aufmerksam machen wollte, dass Wikileaks ein Recht wahrnimmt, das hierzulande und in anderen Demokratien unter dem Stichwort Pressefreiheit garantiert wird, deshalb habe ich auf die Zusammenarbeit zwischen Assange und Guardian, NYT und Spiegel aufmerksam gemacht - es ist schlicht Pressearbeit, die da gemacht wird - 50 One-men allein beim Spiegel -, und Öffentlichkeit bzw. das Herstellen derselben gehört zu den Kontrollmechanismen, die Demokratien brauchen.
Ich lese die Stelle oben, der Sie da zustimmen, so, als sei es überheblich, dass ein Einzelner sich anmasse, dies zu übernehmen und sich selbst zum David im Kampf gegen Goliath stilisiere - Einzelner lässt sich angesichts der erwähnten Kooperationen nicht mit den Fakten in Einklang bringen und wäre, selbst wenn es sich so verhielte, legitim ("J'accuse", z.B.)
Was unterscheidet denn Assange juristisch von den Herausgebern der New York Times? Er habe das Copyright auf das veröffentlichte Material nicht, argumentiert Amazon. Na, das hat die NYT auch nicht. Weder sie noch Assange haben irgendwas selbst geklaut - 'das Briefgeheimnis gebrochen' - beide haben das Material zugespielt bekommen.
Müssten also beide vom Netz. Und wenn es Terroristen im Range AlQaidas sind, wie dies z.B. Joffe nahelegt, geht es bald auch nicht mehr um virtuelles Ausschalten allein.
>>WL verstößt nämlich nicht nur gegen positives Gesetz, sondern enthebt zugleich die Staatsmacht (die immer und überall Tötungsbereitschaft im Wartezustand ist und nur sein kann, weshalb ich auch das Lamento über die US-amerikanischen Mordabsichten eher amüsiert zur Kenntnis nehme) von ihrer ebenso einzigartigen wie altehrwürdigen und mystischen Fähigkeit zur Separation und Monopolisierung von Wissen und Information. Hermetische Information gehört zur Macht genau im selben Maß wie die Potenz, über Leben und Tod zu entscheiden,...
Wohl zu viel Star-Wars geguckt, was? Darth Vader und die dunkle Seite der Macht, röchel?
Im Ernst, sie heben hier ab und flüchten sich in Zynismus. Schon von 'im Wartestand' kann keine Rede sein, und es wirft ein interessantes Licht auf die Hintergründe des Kriegs in Afghanistan, wenn wir jetzt mitlesen können, wie die Rolle des Staatsfeinds Nr 1, die bisher ein gewisser Bin Laden spielt, umgeschrieben wird, damit sie auf Assange passt - der nichts anderes tut, als ein für das Funktionieren der Demokratie essentielles Recht wahrzunehmen.
Macht, das ist die Idee dabei (beim Funktionieren), wird so lange aufgeteilt und gegenbalanciert, dass sie nicht missbraucht werden kann.
Neulich habe ich hier oder bei der Zeit nen Artikel unter der Überschrift 'Der Staat als Beute' eingestellt, was drin steht, weiss ich auch nicht mehr so genau (vermutlich ein bischen auf der FDP rumgehackt): Er fällt mir deshalb ein, weil ich die staatstheoretischen Überlegungen von italienischen Carl Schmitts - hatten Sie mir nicht neulich mal weisszumachen versucht, Juristen hielten sich eisern an ein so genanntes 'Analogieverbot'? - für wenig tragfähig halte, wenn es darum gehen könnte, den Begriff Staatsmacht zu definieren, bevor dieser Verbrechern in die Hände gefallen ist.
Natürlich ist es interessant zu beobachten, wie sich herausstellt, dass z.B. demokratische Entscheidungen, die vorgeblich der Verbreitung von Menschenrechten auch in entlegenen Gegenden der Welt dienen sollen (Mädchen dürfen auch am Hindukush endlich in die Schule gehen!), vermutlich auf bewusster Täuschung der Öffentlichkeit und des Parlaments beruhen.
Entsetzlich ist es aber, wenn das bedeutet, dass Menschen, die, bitterarm und angesichts des nahenden Winters, bei Kunduz eine Gelegenheit ausnutzen wollten, ein bischen Benzin zu klauen - sie glaubten vermutlich auch, sich darauf verlassen zu können, dass sie durch Überflüge gewarnt werden würden, bevor ein ernsthafter Angriff stattfinden würde - ermordet werden, weil ein deutscher Miltär Menschen, die er in die Kategorie 'Taliban' eingeordnet hat, vernichten zu dürfen glaubt.
Das ist es doch, was in diesem Info-war zum Vorschein kommt: Terrorist, in der Nähe von AlQaida, ist in der statstragenden Version angeblich einer, der sich nach Auskunft seiner Anwältin auf den Freedom of Speech Act beruft - was sagt also diese Gleichsetzung über die 'Aufständischen' aus, die wir in Afghanistan bekämpfen? Und was über die, die sie bombardieren? Über das Parlament in Berlin, das uns repräsentiert?
Wir können wählen, nicht mehr als ein, zwei Kreuzchen, geteilte Macht halt. Und uns informieren lassen. Z.B. von Joffe bei der Zeit. Oder Augstein beim Freitag.
Wenn die Bush Administration es im Vorfeld des Irak-Kriegs für unbedingt nötig hielt, dass Colin Powell die Weltöffentlichkeit in öffentlicher Sitzung des UNO-Sicherheitsrats mit seinen Schautafeln belügt, hat Augstein doch Recht, wenn er es für möglich hält, dass dieser Krieg vielleicht nicht stattgefunden hätte, wäre dies durchschaubar gewesen.
Guten Abend, mein lieber keiner.
1.
Das Analogieverbot verbietet ja nicht generell die Analogiebildung — da würde die juristische Methodik nämlich alsbald recht alt aussehen —, sondern nimmt nur ganz bestimmte Bereiche ganz ausdrücklich von der Analogiefähigkeit aus. Das berühmteste Beispiel ist das Strafrecht, für das bekanntlich gilt: nulla poena sine lege stricta. Stricta heißt: Wer nicht einen ausdrücklichen Tatbestand findet, der ein bestimmtes Verhalten mit einer Rechtsfolge (Strafe) versieht, der darf nicht auffangweise Analogien bilden, um doch noch bestrafen zu können. Wenn nicht stricta, dann nulla, Punkt.
Analogieverbot bedeutet nicht, daß es Juristen verboten sei, Analogien zu bilden, sondern eben nur, daß bestimmte Bereiche der Rechtsordnung wie etwa das genannte Strafrecht davon explizit (deshalb steht das auch ganz klar schon in §1 StGB) ausgenommen sind.
2.
Es war keineswegs Star Wars und nein, auch nicht Star Trek, das mich zu meinen Bemerkungen über die Staatlichkeit und ihr Wesen veranlaßt hätte.
Daß (jede!) Staatlichkeit ubiquitäres Tötungspotential bedeutet, halte ich für eine doch zwischenzeitlich allgemein bekannte Evidenz, lieber keiner, weshalb ich mich an dieser Stelle auch gar nicht erst damit aufhalten will. Diese Evidenz ist nur zwischenzeitlich so sehr vermittelt und d.h. verstellt, daß sie den meisten Menschen schlicht nicht mehr zu Bewußtsein kommt.
Wenn Sie einigermaßen grauenhafte Begegnungen mit dieser Evidenz haben wollen, dann schlagen Sie mal nach bei William G. Niederland, Folgen der Verfolgung: Das Überlebenden-Syndrom. Seelenmord. Niederland hat sich mit Holocaust-Überlebenden befaßt, die sich noch in den 1960er-Jahren auf kein Amt und in keine Behörde trauten, weil sie Todesangst davor hatten, dort erfaßt, verhaftet und deportiert zu werden. — Meines Erachtens haben diese Menschen vom Wesen der Staatlichkeit damit bewußt oder unbewußt mehr begriffen als die meisten Staatstheoretiker zusammen, heißen sie nun Hobbes oder Habermas.
3.
Sie schreiben es ja selber: WL nimmt die berühmten »demokratischen Rechte« wahr. Schon deshalb ist es mir völlig schleierhaft, wie man in diesem Unternehmen allen Ernstes subversiven Charakter erblicken zu können glaubt (unabhängig davon, ob man das zum Zwecke der Verdammung tut oder, um Lorbeerkränze zu winden). WL ist keine umstürzlerische Veranstaltung und Julian Assange kein Revolutionär, sondern wie ich schrieb: ein Laden, der das System auf seiner eigenen Grundlegung überhaupt erst wahrhaftig verwirklichen will. Die Kritik, die dazu gehört, steht oben.
4.
Nicht weniger schleierhaft ist mir, wie Herr Augstein auf die Vermutung kommt, daß ein rechtzeitiger damaliger Leak den Irak-Krieg hätte verhindern können.
Sie schreiben es ja selber: Colin Powell hat im Sicherheitsrat eiskalt gelogen. Die ganze Welt wußte das, nicht nur alle in dieser Sitzung Anwesenden, sondern alle, auch die 43 Staaten, die sich zur »Koalition der Willigen« formierten. Die haben sich sehenden Auges die Hucke vollügen lassen und sind trotzdem in den Krieg gezogen.
Man muß diese 43 Koalitionsstaaten, unter die ja nun nicht nur die Bananenrepubliken dieser Welt fallen, entweder für unterbelichtet oder für schizophren halten, um zu glauben, daß eine Duchstecherei sie von der Kriegsteilnahme würde abgehalten haben. Denn das hieße ja, daß die Koalitionsstaaten damals der Powell-Lüge tatsächlich aufgesessen wären. Glaubt jemand ernsthaft daran?
Meine Anschauung ist die, daß dieser Krieg auch dann geführt worden wäre, wenn WL vorher sämtliche dazugehörigen Dokumente publiziert hätte. Er war ja längst beschlossen und brauchte auch gar keinen Grund mehr, sondern nur einen halbwegs »kommunizierbaren« Anlaß.
Viele Grüße und eine geruhsame Nacht
J. A.-P.
Die bemitleidenswerten, hochqualitativen, nur an den Leser denkenden Medien. Sie sind so arm, sie können sich nicht gegen die Wikileaks-PR in eigener Sache wehren! Sie müssen daüber berichten, denn die Konkurrenz tuts ja auch...! Man könnte an Quoten- und Auflagenstärke verlieren. Und deswegen sind die Reaktionen auf Wikileaks nun auch viel stärker, als sie es noch waren, als bloß über Korruption in Afrika oder sowas unwichtiges berichtet wurde.
Darum weint jetzt alle mal schön mit den armen Journalisten, die leider das vulgäre Verlangen der Leserschaft nach Klatsch befriedigen müssen.
"Schöngeister des Geheimnis- und Infowesens..."
Ich weiß nicht, was ich mir darunter vorstellen soll. Mit dem Begriff "Schöngeist" kann ich bislang nichts anfangen.
Zum Vulgären: Wenn aus den Kabeldepeschen zuhauf belanglose persönliche Ansichten von Diplomaten über Politiker herausgepickt und in den Vordergrund der Auswertung gestellt werden, finde ich das in dem Sinne "vulgär", wie es z.B. die Bild-Berichterstattung ist. Allerdings ohne sexuelle Konnotation: vulgär als gewöhnlich, oberflächlich. Im Englischen gibt es den Begriff der "Folk Theory": nichtwissenschaftliche Theorieansätze, die durch Mutmaßungen und Anekdoten, aber nicht durch systematische Empirie geprägt sind. In diesem Sinne ist für mich die Transparenz, wie sie Wikileaks zumindest in diesem Jahr praktiziert, eine "Folk Theory of Transparency".
Danke für die kleine Korrektur. Denn ob Assange ein "Sexmonster" ist oder nicht, darum geht es überhaupt nicht. Ich versuche mir aus dem, wass Assange sagt, einen Reim auf seine politische Position zu machen. So wie sich das Puzzle zusammensetzt, finde ich sie schwierig. Darum ging es mir.
Die Anklage gegen ihn in Schweden erweckt definitiv den Eindruck, eine fingierte Gegenaktion zu sein - zu seltsam ist der Zeitpunkt, zu dem sie erhoben wurde.
Und noch einmal: Gegen die grundlegende Motivation des Wikileaks-Projekts habe ich nichts einzuwenden. Wohl aber gegen die Ausführung.
lieber j-ap,
sehr schöne präzision dessen, worum es (auch mir) geht!
Lieber NBO,
es kommt wohl darauf an, von wem Assange sich interviewen lässt. Forbes wird die Aussagen anders gewichten (und publizieren) als etwa die SZ in ihrer Analyse bei bit.ly/h6Ics1 . Ein Teil der Unfasslichkeit des Phänomens Wikileaks ist dabei nicht so sehr die Person Assange; das würde seinen vielen Unterstützern Unrecht tun. Der Umgang mit dem öffentlichen Raum Netz will vielmehr begriffen sein.
Wenn auf der einen Seite das Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung wörtlich schreibt, es sei ein Grundrechtseingriff „mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt“, so ist Wikileaks in den Augen der meisten Rechtsordnungen ein Rechtsbruch mit ebensolcher Breitenwirkung, von der Masse ganz abgesehen.
Wenn Sie also schreiben, „Eine grundsätzlich politik-theoretische Begründung fehlt“, dann kommt dies einerseits zeitlich einen Schritt gegenüber den Einhegungsversuchen der Regierenden gegenüber dem Netz zu spät. Andererseits ist das Apodiktum ein Akt der Selbstkastration, den öffentlichen Raum Netz wiederum einem separaten Diskurs zu unterwerfen, der in Wirklichkeit für alle öffentlichen Räume gelten müsste. Denn vom Stadtplatz unterscheidet das Forum nur die Menge der Information, seine Größe und die Echtzeit. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob diese rein quantitativen Größen eine andere Qualität an Erkenntnissen einfordert, wie Sie es tun.
Mir scheint, die Politik der Macht hat dies rund um den Globus bereits erkannt: Sie setzt die exakt gleichen Mittel zur Machtsicherung ein wie ehedem, nur mit anderen technischen Mittel. An der Substanz ändert sich .. goarnischt.
LG, e2m
@ j-ap schrieb am 05.12.2010 um 04:26
Hallo J-AP,
ich habe Ihre beiden Kommentare gelesen und finde Sie wieder dort, wo ich Sie vermutete. Nicht in der Freude, dass die Dinge lebendig sich bewegen, dass wir etwas erfahren können, dass wir eine Position einnehmen können, sondern im Leitstand des globalen Geschehens, aber in einem Leitstand ohne Hebel. Mit eleganten Gesten sich bewegend, sehe ich Sie da fern hinter der Scheibe.
Hat Herr Assange den Staat nicht auf die waidgerechte Weise erlegt? Macht er mit der Wildsau von Staat gemeinsame Sache? Aber genauso geht Geschichte. Konkrete Menschen mit ihrer lebendigen Kraft nehmen sich etwas vor, sie träumen, sie sind eitel, sie irren, sie rächen sich. Keinesfalls sehen sie nach einem Leitstand. Sie tun es nicht, um dann B-Noten vom Preisgericht zu erhalten. Diese Menschen handeln, sie riskieren etwas und sie verändern die Welt. Welcher Revolutionär hat jemals das bekommen, was er erträumt? Aber ein Karl Popper, der die Hosen voll hat, wenn's ums Ganze geht - der darf dann sein restliches Leben alle anderen über Demokratie und offene Gesellschaft belehren?
Wie anders als durch Menschen wie Assange, soll sich die Welt denn verändern? Durch eine elegante Manschette überm gerade noch nicht abgespreizten kleinen Finger? Den Totenkopf im Auge, das war noch was!
Hallo Rapanui!
Ich bin mir ziemlich sicher, daß Karl Popper seine helle Freude an Herrn Assange gehabt hätte, hätte er es noch erlebt.
Aber warum, um alles in der Welt, soll ich jemanden wie Herrn Assange schon seiner Tat wegen als Revolutionär loben, wenn ich bei differenzierterer Betrachtung finden muß, daß er gar keiner ist?
Welchen Staat hat denn Herr Assange »waidgerecht« erledigt? Den amerikanischen? Den deutschen? Den britischen? Keine Spur, nirgends, das war ja auch nie sein Ziel. Nicht ein Iota am Ganzen hat sich verändert, und das einzige Rädchen in der Maschinerie der Knechtschaft, das in nächster Zeit wohl anders laufen wird, wird die NSA sein, die demnächst einen ziemlich schweren Auftrag erhält, einen noch besseren Verschlüsselungsalgorithmus für das Botschaftsnetz zu entwickeln.
Bis dahin sind die meisten aber damit beschäftigt, die Revolution zu feiern, die gar keine ist.
@ j-ap schrieb am 06.12.2010 um 00:04
Hallo J-AP,
es ist eine Niederlage, es ist ein Blamage,... für das allmächtige Imperium. Das reden Sie klein. Wenn die Drittliga-Mannschaft es bis ins Halbfinale vom DFB-Pokal schafft, dass vergessen die Fans das nicht, dafür gibt es Dankbarkeit. Was interessiert das Rumgestolpere, was interessiert die verblichene Farbe der Trikots, was interessiert die kaputte Tribüne - wir haben's denen gezeigt und haben es fast bis ins Finale geschafft.
Der Hus stand auf dem Scheiterhaufen, das Pfeiferhänslein auch, Münzer verlor seinen Kopf und die südddeutschen Adligen leben bis zum heutigen Tag gut von dem 1525 den Bauern mordend geraubten Grundbesitz. Und dennoch verdanken wir das erste Parlament in Deutschland (Heilbronn) diesen Bauern und ihren Anführern, auch die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Säkularisierung.
Diese Tage der Freiheit werden bis heute von geneigten Historikern kleingeredet und als Chaos und Bürgerkrieg gebrandmarkt. Wie beschränkt war das Wissen der Bauern, wie "dumm" waren sie gegen Philipp von Hessen und den Truchsess von Waldenburg, aber es waren Festtage der Freiheit und so ist es auch mit Assange' Tat.
Solche Festtage geraten durch distanzierte Beobachtungen aus dem Leitstand wieder in Vergessenheit. Aber es gilt diese sparsamen Festtage zu feiern, denn sie kommen wieder - die üblen Tage der Lüge, des Krieges, des Betruges und dann hilft es, wenn man an diese wunderschöne Niederlage des Imperiums denkt. Diese lebendige Volkstümlichkeit sollten wir uns nicht von Leute ausreden lassen, deren tägliches Geschäft darin besteht, uns für dumm zu verkaufen.
Sie denken doch auch an die spanischen Anarchosyndikalisten, und? hamse gewonnen? - natürlich nicht.
Hallo Jap! Meiner Meinung nach irren Sie sich, und zwar handelt es sich um den gleichen Irrtum, der in den gegenwärtig überall so gerne verbreiteten 'die da oben' Stammtisch-Parolen gang und gäbe ist, von korrupt über gierig bis hin zu Parasiten.
Das schreibe ich Ihnen allerdings nicht, um Sie in diese Ecke zu drängen und Ihnen dort den entscheidenden Hieb versetzten zu können, sondern weil mich seit langem freut, dass Sie diesem Geschwätz nicht aufsitzen.
Und nachdem meine nicht so sehr ernst gemeinte Stichelei oben Sie nicht nur zu einer lesenswerten Präzisierung des Analogieverbots in der Jurisprudenz verleitet hat, sondern Sie für sich durchaus auch die Fähigkeit zur Analogiebildung zu reklamieren scheinen, ist es vielleicht ein ganz guter Ausgangspunkt.
Macht kann man auch, zunächst wertfrei und unmystisch, als das Eröffnen von Möglichkeiten begreifen: natürlich gehört zu diesen auch der Missbrauch, aber schon dieser Begriff mit seiner impliziten ethischen Wertung deutet auf das Vorhandensein einer Alternative, eine Wahl(freiheit) auf der Grundlage übergeordneter Prinzipien ('alternativlos', diese im Bundestag seitens der Regierung inflationär vorgebrachte Qualifikation ihrer Vorhaben ist auch in dieser Hinsicht eine Bankrotterklärung).
Subversion ./. Insubordination: Ich habe lange gar nicht kapiert, wie Sie darauf kommen, jemand sehe in Assange einen Revolutionär, aber allmählich dämmert's. Und zwar über folgende Überlegung: Der APO hat vermutlich Willy Brandt den Todesstoss versetzt. Mit seinem 'Wir wollen mehr Demokratie wagen' - aus dem Munde eines Kanzlers, der, anders als sein direkter Vorgänger, eben nicht diese unerträglichen deutschen Kontinuitäten verkörperte - erfüllte er ganz offensichtlich eine echte Sehnsucht nach einem wirklichen Bruch mit der Vergangenheit.
Wie sehr das Leben derer, die die Shoa überlebt haben, von der Erfahrung geprägt ist, von staatlicher Gewalt in im Grunde unvorstellbarer Weise bedroht worden zu sein, ist mir bewusster, als mir lieb ist. In diesem Zusammenhang steht aber auch meine Überzeugung, dass es der Rechtsstaat ist - und nicht eine Willkürherrschaft, die sich das eine oder andere Fragment als Maske vorhält -, der ein Erwachen aus dem Alp ermöglicht.
Charlie Chaplin hat dafür ein treffendes Bild gefunden: als der kleine Frisör, der ja nicht mitgekriegt hat, wie sich die Verhältnisse geändert haben, sieht, wie die SA sein Schaufenster mit Nazi-Parolen beschmiert - wendet er sich an den Schupo an der nächsten Ecke, gestikulierend zeigt er auf das, was sich da für ihn so unfasslich abspielt. Und da fängts doch an: Der Polizist ist nur noch scheinbar einer!
Typischerweise lief ja eine 'Arisierung' so ab: Ein Fabrikant war scharf auf den Betrieb eines Konkurrenten im nächsten Ort, Synergieeffekte und so. Gab's da einen jüdischen Eigentümer, konnte er die SS 'zur Hilfe' rufen, und der Rest war einfach: Ein oder zwei von denen traten den Besitzer, unter von einem dritten vorgehaltenen Waffe, so lange zusammen, bis er den ihm vorgelegten Kaufvertrag unterschrieb und so seinen Betrieb zu einem Bruchteil des wirklichen Werts veräussert hatte.
Wissen Sie, es ist wirklich ein Lichtblick, wenn man glauben kann, dass man selbst Polizisten hierzulande dann vor Gericht bringen kann, man solchen Verbrechern mit den Möglichkeiten - oder anders gesagt: der Macht - des Rechtsstaats begegnen kann. Und es beunruhigt sehr, wenn es gut gefesselten Asylanten angeblich gelingt, sich in ihrer Zelle sozusagen unter den Augen der wachhabenden Polizisten selbst zu verbrennen. Oder wenn ein deutscher Oberst - und auch sonst fast jeder - nichts dabei findet, in Afghanistan die Tradition 'Vernichtunskrieg' wieder aufzunehmen.
In Ihre Ausführungen oben hat sich ein sehr interessantes Wort eingeschlichen: 'ehrwürdig'. 'Unter den Talaren der Muff von tausend Jahren': das ist eben nicht nur eine Anspielung auf die 12 Jahre tausendjähriges Reich, sondern benennt im selben Atemzug seine tiefreichenden Wurzeln.
Wikileaks sei mit AlQaida vergleichbar, hören wir beispielsweise vom ZEIT-Herausgeber Joffe, Assange also eine Art Taliban - so bedrohlich scheinen die Veröffentlichungen zu sein.
Es ist ein Spiegel, der uns da vorgehalten wird. Wer sich ernsthaft mit dem Islam beschäftigt, wird in ihm, wie in anderen Religionen auch, auch ein Ringen um eine ethische Orientierung in der Auswahl des Möglichen, also eine Einschränkung von Macht entlang moralisch akzeptierter Kategorien erkennen können.
Islam heisst Frieden - selbst unter der Annahme, ein Schurke hätte diesen Namen zur Tarnung erfunden: der erste, der darauf reinfällt, mitmacht und damit auch mitformt, tut dies im Sinne dieses Ideals.
Freiheitlich-demokratische Grundordnung, das ist hier in Deutschland, cum grano salis auch in der westlichen Hemisphäre, die Überschrift: Natürlich entsprechen Ideologen, die uns von der Alternativlosigkeit von AKW-Laufzeitverlängerungen oder der Notwendigkeit einer Klasse von Heloten überzeugen wollen, den Theokraten in Teheran, denen Freiheit ein Fremdwort ist. Und die seltenen Erden, mit denen die Elektronik z.B. unserer Handys gedüngt sein will, sind nur scheinbar ein Symbol für die Freiheit westlicher Demokratien (genauso wenig, wie Autobahnen - wer hat's erfunden? - bürgerliche Freiheiten erst ermöglichen), mithin kann auch keine Rede davon sein, unsere Freiheit werde am Hindukush verteidigt.
Das offene Wort, laute es etwa Islam oder auch Menschenrechtscharta, stellt schon eine Machtdemonstration dar, allerdings keine endgültige, sondern nur insoweit, als es die Hoffnung eröffnet, dass Sophismen Analysen weichen müssen.
Man kann es auch, denn dieser Kommentar bezieht sich natürlich in erster Linie auf die Wikileaks - Veröffentlichungen und ihrer im Ausgangsartikel behaupteten Belanglosigkeit, konkret herunterbrechen:
Akzeptieren wir, und sei es nur des Arguments wegen, die Prämisse, wir erlebten gerade den Beginn eines menschengemachten Klimawandels, der das Zeug dazu hat, menschliches Leben in einer Weise einzuschränken. Es scheint verschiedene Möglichkeiten zu geben, sich darauf vorzubereiten, bzw. ihm entgegen zu treten:
Variante 1 scheint zu sein, ihn als unausweichlich einzustufen, sich, mit welchen Methoden auch immer, so zu bereichern, dass man als sogenannter Superreicher Aussicht hat, den dann verbleibenden Raum für sich beanspruchen zu können.
Oder man versucht, in endlosen Komitees und Diskussionen auszuhandeln, welcher Staat welche Abstriche zu machen habe, damit die einflussreichsten - bislang die westlichen - ihren Lebensstil weitestgehend aufrecht erhalten können bzw. einen solchen Lebensstil erreichen können (China, Indien et al). Im Grunde entspricht dies Variante 1, masstäblich vergrössert.
Oder die Menschheit könnte damit aufhören, Erdöl zu verbrennen.
Leicht erreichbar wäre dies, wenn man durchsetzen könnte, dass in den erdölproduzierenden Staaten demokratische Verhältnisse geschaffen werden. Wenn man sich von der rassistischen Vorstellung befreit, es handle sich bei deren Bevölkerung um eine Art minderintelligente Untermenschen, lässt sich plausibel vermuten, dass wissenschaftliche Expertise und bereits vorhandene Evidenz in Kombination mit einer noch vorhandenen Bereitschaft, das eigene Handeln an ethischen Grundsätzen auszurichten unweigerlich dazu führen würde, dass der Export dieses kostbaren Guts, von dem diese Bevölkerungen nur sehr eingeschränkt profitieren und das sehr viel wertvoller ist, als seine Verwendung als Treibstoff (mal eben Zigaretten holen fahren) vermuten lässt, sehr schnell drastisch reduziert würde - hier ist es natürlich 'brandgefährlich', wenn diese Menschen erfahren, wie sehr sie beispielsweise in Hinsicht auf die Politik ihrer Herrscher in Hinsicht auf den Iran belogen werden.
Ein Alptraumszenario? Vielleicht. Ich stelle es mir apokalyptisch vor, wenn allein hierzulande die Industrie zusammenbricht - sich z.B. um Gefahrenstoffe niemand mehr kümmert, Gesetze dazu nicht durchgesetzt werden können oder auch AKWs auf Autopilot gestellt werden usw. Dieses Szenario ist aber auch mühelos realisierbar, wenn es in Mitteleuropa zur Kernschmelze in einem AKW kommt und wahrscheinlich ist es auch die wahrscheinliche Folge, wenn der Klimawandel und seine Folgen nicht abgewendet werden kann.
Joffes Haltung ist schon nachzuvollziehen - wie die des Vogels Strauss auch -, und auch die von Clement und Konsorten, als sie mit aller Gewalt einen Politikwechsel in Hessen und das damit verbundene Umdenken in der Energiepolitik verhindern wollten: wir haben es mit realen Gefahren zu tun.
Es ist allerdings nicht wirkliche Freiheit, die von diesen 'alten Männer' - Clement wurde sogar angesichts der 'Hexe' Ypsilanti' von Kastrationsängsten geplagt - als gefährdet eingestuft wird, sondern es sind die Pfründen dieser Ursupatoren gesellschaftlicher Schlüsselstellungen - die es tatsächlich fertig bringen, Alternativlosigkeit, ein offen benanntes Merkmal ihres Handelns, als Ausdruck von Freiheit zu verkaufen -, die verloren zu gehen drohen.
Und 'ehrwürdig', da sind wir uns, glaube ich, einig, sind diese 'Autoritäten' nun wirklich nicht. Wer sie dafür hält, befindet sich vermutlich in einer Art Geiselhaft, denn man kennt aus Entführungen einen ähnlichen psychologischen Mechanismus als 'Stockholm Syndrom'.
Sich davon befreit zu haben, den Bruch versucht zu haben, ist das Verdienst der 68er (Jeder 'ordnungsliebende' Politiker hat sie dann auch, je nach Grad seines gefühlten Autoritätsverlusts, mehr oder weniger inbrünstig gehasst, diese 'Revoluzzer' - denen man nur glaubwürdig Demokratie versprechen brauchte, um sie zu besänftigen...
Wissen Sie was? Was Sie, auch jetzt wieder, schreiben, macht auf mich den Eindruck, als seien Sie von den vielfachen Aspekten der Geschehnisse im Zusammenhang mit den aktuellen Wikileaks Veröffentlichungen überwältigt.
Wenn ich auch Ihren Artikel oben ziemlichen Mist finde: das kann ich Ihnen nachfühlen!
Mist sollte ich noch mal zu präzisieren versuchen (nein, ich lege jetzt nicht noch mal los): Ich finde, dass sich Ihre Überlegungen, angesichts der Tatsache, dass die Reaktionen auf die Veröffentlichungen so unterschiedlich ausfallen, so viele Aspekte beinhalten, zwangsläufig nur um Bruchteile des Geschehens drehen können und deshalb Ihre Folgerungen zu weitgehend sind (auch, was die Anklage in Schweden angeht: Juristisch gesehen unschuldig ist Assange deshalb, weil sich über seine Schuld ohne einen Prozess weder so noch so etwas aussagen lässt, es wäre eine enorme kulturelle Errungenschaft, wenn wir wirklich über 'kein Rauch ohne Feuer' hinausgekommen wären. Es ist nur ihre 'Timeliness', die sie fingiert erscheinen lassen können, was aber keinen Beweis darstellt. Assanges Aussagen, so weit sie mir bekannt sind, und auch die, die ihn belasten, sind nicht so, dass die Anklage als offensichtlich unbegründet sofort fallen gelassen werden müsste, sondern die Angelegenheit nicht leicht zu klären ist und der Ausgang völlig offen scheint. Ihr von mir zitierter Kollege ignoriert diese Offenheit und polemisiert anhand von nicht belegbaren Vermutungen, die er in die Nähe von Tatsachen rückt. Und ganz ohne Schramme lasse ich Sie auch nicht davonkommen: 'Vulgär' in einer Schlagzeile, die ja auch eine stand-alone Funktion zu erfüllen hat. ist vor diesem Hintergrund mehr als iih!)
Ein Beispiel für diese ganz anderen Aspekte: Selbst die FAZ, bei mir seit Jahrzehnten in der Kategorie 'rechtes Hetzblatt' abgelegt, hatte kürzlich einen interessanten Artikel dazu, was es eigentlich für andere Unternehmen, die ihre Daten und Berechnungen ins Internet auslagern, bedeutet, wenn Amazon z.B., offensichtlich auf politischen Druck hin, den Stöpsel zieht.
Oder der Krake Ebay und sein Paypal: Die Vermutung, dass die von den Börsen so honorierten Gewinne dieses Konzerns nicht zuletzt darauf beruhen, dass accounts in den USA unter fadenscheinigen Gründen einfach geschlossen werden und das dort vorhandene Guthaben einbehalten wird - wie dies jetzt bei den Spenden an Wikileaks der Fall sein dürfte - liess sich schon seit langem in Internetforen, die sich mit diesem Bezahldienst beschäftigen, plausibel begründet finden - jetzt aber ist die Aufmerksamkeit da.
Sie haben Recht, wenn Sie von einem Puzzel sprechen, aber überlegen Sie doch noch mal, ob der Versuch lohnt, angesichts der vielen Akteure und ihrer jeweiligen Absichten in diesem dynamischen Prozess einen Auktor ausfindig zu machen und aus den Spekulationen über seine (politischen) Absichten irgendwelche Schlüsse zu ziehen, die mehr als eine Marginalie darstellen!
Dieser Kommentar, von 'Wissen Sie was' bis 'Marginalie darstellen' richtet sich natürlich an nbo, es ist mir nur nicht gelungen, ihn dort zu plazieren, wo er meiner Meinung nach eigentlich hin sollte.
Lieber keiner,
meinen Kommentar "Mist" zu finden, ist Ihnen unbenommen, und Sie haben ja auch gute Gründe dafür. Ich habe allerdings in dem bisher Geschriebenen keine Argumente entdeckt, die mich die Dinge plötzlich anders sehen lassen.
Ich stimme j-ap zu, dass sich die Debatte bislang zwischen zwei Polen bewegt: denen, die die Staatlichkeit bedroht sehen und Wikileaks deshalb unerhört bis gefährlich finden, und denen, die ein Erneuerungspotenzial der Demokratie aus dem Netz, einen wirkungsvollen Angriff auf das Empire sehen. Beidem kann ich mich bislang nicht anschließen.
In seiner jetzigen Operationsweise – und nur um die ging es mir bei meiner Kritik – ist Wikileaks für mich ein Angriff, den ich nicht im Sinne John Perry Barlows unterstützen möchte.
Ob Assange juristisch schuldig ist oder nicht, darüber lasse ich mich gar nicht aus. Wie sollte ich auch? Darum geht es nicht.
Noch zwei Dinge: Wenn Assange im Guardian-Chat Hinweise auf "Ufo"-Dokumente gibt, ist das lächerlich. Das ist genau die Scoop-Logik der Medien, die Wikileaks nicht gut zu Gesicht steht. Nach dem Scoop ist vor dem Scoop: Wir haben da noch was, bleiben Sie dran, schalten Sie nicht weg.
Zweitens: Bei aller Kritik an der US-Außenpolitik finde ich es merkwürdig, dass in diesem Jahr nur die USA belastet werden. Warum wurden nicht schon im Sommer die Bank-Dokumente veröffentlich? Ist dieses Thema nicht ebenso dringlich, ja dringlicher als die Ansichten von Botschaftern? Was ist die Agenda von Wikileaks in seiner jetzigen Aufstellung?
Wenn Wikileas seine Operationsweise ändert, werde ich auch gerne meine Meinung ändern.
Im Moment operiert es spiegelbildlich zur intransparenten staatlich verfassten Macht – es ist in seinem Inneren selbst intransparent. Es sollte aber eigentlich der Zweck schon in den Mitteln anwesend sein. Das kann ich nicht erkennen.
Noch eine Ergänzung zur Personalisierung: Ich halte es durchaus für möglich, dass eine vielköpfige Operation wie Wikileaks ohne zentrale/n Sprecher/in auskommen kann. Es wäre ja möglich, den Medien wechselweise regionale Vertreter zu präsentieren.
@nbo
Noch zwei Dinge: Wenn Assange im Guardian-Chat Hinweise auf "Ufo"-Dokumente gibt, ist das lächerlich. Das ist genau die Scoop-Logik der Medien, die Wikileaks nicht gut zu Gesicht steht.
Sie sollten den Guardian etwas genauer lesen!
achanth
Mr Assange,
have there ever been documents forwarded to you which deal with the topic of UFOs or extraterrestrials?
Julian Assange:
Many weirdos email us about UFOs or how they discovered that they were the anti-christ whilst talking with their ex-wife at a garden party over a pot-plant. However, as yet they have not satisfied two of our publishing rules.
1) that the documents not be self-authored;
2) that they be original.
However, it is worth noting that in yet-to-be-published parts of the cablegate archive there are indeed references to UFOs.
Assange wird gefragt, ob sie auch Dokumente erhalten haben, die von Ufos oder Ausserirdischen handelten. Er antwortet, daß einige weirdos (=Spinner) entsprechendes Material zugeschickt haben, das allerdings den Veröffentlichungsprinzipien nicht entsprach: es muss ein Original sein und nicht selbst geschrieben.
Allerdings gebe es in dem Depeschen-Archiv Referenzen auf Ufos.
Können Sie mir erklären, was daran lächerlich und ein Scoop sein soll, daß Assange die Wikileaks zugeschickten Ufo-Dokumente, als unglaubwürdig bezeichnet? Was ist lächerlich und ein Scoop, daß er einräumt, daß es Archiv Depeschen gibt, die Ufos zum Thema haben?
Hallo nbo!
>>Ich stimme j-ap zu, dass sich die Debatte bislang zwischen zwei Polen bewegt: denen, die die Staatlichkeit bedroht sehen und Wikileaks deshalb unerhört bis gefährlich finden, und denen, die ein Erneuerungspotenzial der Demokratie aus dem Netz, einen wirkungsvollen Angriff auf das Empire sehen. Beidem kann ich mich bislang nicht anschließen. - da lässt sich gut einhaken und vielleicht sogar, bis zu einem gewissen Grad, common ground finden: die, die vorgeben - so stumpf, wie er öffentlich argumentiert, kann Joffe nicht sein -, Staatlichkeit verteidigen zu wollen, verteidigen in Wirklichkeit Beute, die sie gemacht haben.
Juristisch gesehen gibt es kaum einen Unterschied zwischen einem klassischen Zeitungsherausgeber, dem klassifiziertes Material zugespielt wird und der es dann veröffentlicht und Wikileaks - der 'Dieb' ist in beiden Fällen ein dritter.
Und nein, einer Demokratieerneuerung bedarf es nicht, es reicht, die vorhandenen Regeln anzuwenden. Assange sei der 'Freedom of Information Act in Person' hat J.A.-P. oben treffend formuliert, Nicht-Juristen können auch mühelos eine Analogie zu den Steuerdaten-CDs herstellen, deren ursprünglich illegale Beschaffung, höchstrichterlich gesehen, nicht dazu führt, dass sie nicht im Rahmen der Strafverfolgung verwendet werdet werden dürfen, und insofern haben wir es hier nur dann mit einer 'Umwälzung' zu tun, wenn mit Staatlichkeit ein System gemeint sein soll, das Rechtmässigkeit nur vortäuscht - hier finde ich eben viele Reaktionen so interessant - und sich entlarvt fühlt.
Dieses Vortäuschen von Rechtmässigkeit ist es übrigens auch, dass mich in jener oben geschilderten Szene aus dem dritten Reich sehr frappiert: Warum überhaupt etwas zahlen, 10000 Reichsmark statt 100000 etwa, warum überhaupt ein Kaufvertrag?
Die UFOs: Lächerlich sind doch in Wirklichkeit die Berichte über den Chat im Guardian, die die in den Vordergrund stellen. Im ersten Bericht dazu, den ich gehört habe, hiess es (DLF oder WDR 5), Assange habe seine Humorlosigkeit unter Beweis gestellt, indem er die spassige Anfrage eines Lesers, ob Wikileaks auch Enthüllungsmaterial zu UFOs erhalte, ganz trocken antwortete, dass dies der Fall sei, das Material aber bisher einer Überprüfung nicht standgehalten habe.
Jetzt sind wir offenbar bei Assange ist ein Spinner, der an Ufos glaubt, angekommen.
Fallen Sie doch nicht auf jeden Bildzeitungsscheiss rein, oder, von mir aus auch doch, aber verzichten Sie doch darauf, ihn zur Beurteilung heranzuziehen, sondern machen Sie sich klar, dass es vermutlich gerade die Methode ist, klassische Medien an der Veröffentlichung zu beteiligen, die zu solchen diffamatorischen 'Schwerpunkten' führt.
Oder soll es ausschliesslich die Verbreitung von Schwachsinn sein, die die Pressefreiheit schützt?
(Vermutlich wären übrigens die gegenwärtig im Zusammenhang mit dem Klimawandel so heiss diskutierten Probleme leicht zu händeln, wenn es eine Art Return-Taste gäbe, mit der man alles Papier, das alleine Springer und Burda bedreckt haben, per Mausklick wieder in die Wälder zurückverwandelt werden könnte, aus denen es mal hergestellt wurde...)
Off-topic, @ thinktankgirl: es irritiert mich jetzt doch, dass Sie gefühlt wahrgenommen zeitgleich mit meinem nachfolgenden Kommentar einen in Teilen fast gleichlautenden eingestellt haben.
Hatten wir nicht neulich, mit Engagement und Sorgfalt, gemeinsam ein Fundament für eine gründliche Feindschaft betoniert? Sie erinnern sich, dieser U-Bahn-Schläger? (Trennte uns, so gesehen, nur das vermutlich Ihrer Ansicht nach überflüssige r in dieser, oder?)
@thinktankgirl @keiner
Diese Passage hatte ich auch gelesen.
"However, it is worth noting that in yet-to-be-published parts of the cablegate archive there are indeed references to UFOs."
Wikileaks könnte auf die Veröffentlichung der "Ufo"-Kabel verzichten, wenn es sich bei dem Thema um Weirdo-Kram handelt. Er kündigt ihre Veröffentlichung aber an: yet to be published. Er hätte auf diesen Satz auch ganz verzichten können.
Hat er aber nicht: Assange weiß doch, wie die Medien funktionieren, dass sie darauf anspringen. Beim "Bildzeitungsscheiß" spielt er mit. Im übrigen ist das nur ein Beispiel von mehreren.
Dabei geht es nicht darum, ob er selbst an Ufos glaubt, selbst ein Spinner ist. Habe ich das irgendwo geschrieben? Ich habe seine Scoop-Taktik kritisiert.
Na, hier werden wir wohl keinen common ground erreichen.
ttt, 14.05
Ich sehe nbo's Kritik am Thema "UFO" im GUARDIAN-Chat in keiner Weise entkräftet: allein die Nennung des Begriffs tut seine Wirkung im Sinne von "Bleiben Sie dran!" - was man auch an der Aufnahme dieses Themas in den Medien erkennen kann.
Und von daher wäre es m. E. wichtig zu wissen, ob der GUARDIAN die Fragen gezielt auswählte, die Assange zu beantworten geruhte oder auch nicht (dafür gleich ein Beispiel), ob Assange sie auswählte oder ein Zufallsmodus.
Am letzten Samstag waren nach meiner Erinnerung einige hundert Fragen auf der GUARDIAN-Seite verzeichnet, auf irgendeine Weise müssen ja davon einige ausgewählt worden sein - und zwar entweder nach Assanges Kriterien und Einschätzung oder nach denen des GUARDIAN oder nach einem Modus, auf den beide sich verständigten. Vielleicht gelingt es ja jemand, das herauszufinden - und dann weiß man auch, warum das UFO auftauchte.
Assanges Interesse ist es, im Gespräch zu bleiben und das Interesse der Öffentlichkeit zu halten - die wirtschaftlichen Interessen des GUARDIAN muß man wohl nicht näher erläutern: Assange dürfte jetzt schon eine "lohnende Investition" sein.
Aufschlußreicher noch als die o.gen. Antwort fand ich die auf die Frage eines ehemaligen britischen Diplomaten, der nach einer Schilderung aus seiner früheren Arbeit die Frage stellte:
"Why should we not hold you personally responsible when next an international crisis goes unresolved because diplomats cannot function."
Er wird von Assange kurz abgebügelt mit
"If you trim the vast editorial letter to the single question actually asked, I would be happy to give it my attention."
So sieht DIE TRANSPARENZ dann praktisch aus.
Bei anderen Fragen ähnlichen Umfangs z.B. nur kurz danach, ist Assange durchaus bereit und in der Lage ausführlich zu antworten.
@keiner
Off-topic, @ thinktankgirl: es irritiert mich jetzt doch, dass Sie gefühlt wahrgenommen zeitgleich mit meinem nachfolgenden Kommentar einen in Teilen fast gleichlautenden eingestellt haben.
Hatten wir nicht neulich, mit Engagement und Sorgfalt, gemeinsam ein Fundament für eine gründliche Feindschaft betoniert? Sie erinnern sich, dieser U-Bahn-Schläger? (Trennte uns, so gesehen, nur das vermutlich Ihrer Ansicht nach überflüssige r in dieser, oder?)
Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr daran....
@nbo
@thinktankgirl @keiner
Diese Passage hatte ich auch gelesen.
"However, it is worth noting that in yet-to-be-published parts of the cablegate archive there are indeed references to UFOs."
Wikileaks könnte auf die Veröffentlichung der "Ufo"-Kabel verzichten, wenn es sich bei dem Thema um Weirdo-Kram handelt. Er kündigt ihre Veröffentlichung aber an: yet to be published. Er hätte auf diesen Satz auch ganz verzichten können.
Sie verwechseln da was: es gab weirdos, die Ufo-Material an Wikileaks geschickt haben, das nicht veröffentlicht wurde, da nicht seriös;
und es gibt noch nicht veröffentlichte Depeschen, in denen Diplomaten wohl etwas über Ufos sagen.
Warum soll Assange das unterdrücken, wenn es tatsächlich geschrieben wurde und er die Originale vorliegen hat?
Den Scoop hat er doch schon längst mit der ganzen Veröffentlichung gelandet ;-)
Und bei den Ufo-Depeschen wird es vermutlich um Berichte über irgendwelche Paranoiker handeln: Diplomat 007 schreibt: Präsident XX der Bananenrepublik Y neigt zu merkwürdigem Verhalten. Bei unserem gemeinsamen Abendessen im Regierungssitz vertraute der Präsident XX mir an, daß er überzeugt sei, daß die Erde von Aliens bedroht sei. Er hätte nach einer schlaflosen Nacht im Morgengrauen 4 fliegende Untertassen gesehen.
007 merkt an, daß der Präsident unter starkem Stress stehe und psychopharmakaabhängig sei. Vermutlich sei die Sichtung der UFOs medikamenteninduziert.
@ thinktankgirl: Ich muss Sie wohl irgendwie verwechselt haben.
(keiner schrieb am 06.12.2010 um 12:18)
Lieber keiner,
Sie nähern sich langsam aber sicher, wahrscheinlich aber nach wie vor nolens volens, der Sache selber: Wenn Sie schreiben, daß es den Joffe et al. dieser Welt sehr wahrscheinlich nur darum geht, ihre »Beute« zu sichern, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.
Das stimmt nämlich haargenau und ist nicht erst seit gestern bekannt, sondern schon seit Marx und Bakunin. Bakunin schrieb: Was ihr den Staat und die Freiheit nennt, ist nichts als eine Schlächterei und ein einziger Friedhof. Der frühe Hegel hat's — lange lange vor der Dialektik von Herr und Knecht — auch gewußt, als er in den Programmentwürfen schrieb, daß der Staat schon seinem Wesen nach nicht anders könne, als die Menschen als Räder zu behandeln, weshalb er »aufhören« müsse. Notabene, da steht nicht aufheben, einreißen, zusammenschießen, sondern: Der Staat muß aufhören.
Ohne Staat kein Kapital, ohne Rechtsform keine Warenform und ohne Herrschaft keine Ausbeutung. Der Staat ist die Bedingung der Möglichkeit von Kapital, die Rechtsform die Bedingung der Möglichkeit der Ware, die Herrschaft die Bedingung der Möglichkeit von Ausbeutung.
Die Transformation der bürgerlichen Gesellschaft in ihre Formation als nazistische Volksgemeinschaft (oder, nach Adorno, die Verwandlung der Klasse in eine 100-prozentige Rasse) ist ein diesem Zusammenhang nicht nur entsprungenes (und anschließend doch entronnenes), sondern in ihm von Anfang an angelegtes Unternehmen der Krisenlösung, die übrigens auch heute wieder beunruhigend sichtbar wird gerade darin, daß die meisten Menschen sich im Angesicht der Krise völlig ruhig, völlig unpanisch verhalten und gerade keinen Bank-Run veranstalten. Scheinbar vertrauen insbesondere die Europäer nach wie vor auf die jederzeitige Faschismusfähigkeit ihrer jeweiligen Staaten.
Carl Schmitt hat in der deutschen Eisenbahnerzeitung, Ausgabe von 1949 — er hatte ja Publikationsverbot —, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland rezensiert. Seine Expertise: »Hätten wir dieses Grundgesetz schon 1933 gehabt, wäre der Nationalsozialismus gar nicht nötig gewesen.« — Sie hörten den Kronjuristen des Führers.
Warum Carl Schmitt völlig recht hatte damit, kann man übrigens schon in der (alten) Präambel des Grundgesetzes nachlesen, wo es gleich am Anfang heißt: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren ...« — die nationale und staatliche Einheit kann also 'gewahrt' werden, weil sie offensichtlich zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 23. Mai 1949 nie verloren gegangen, nie abgerissen ist.
Ich will mich an der Stelle nun nicht noch weiter darüber auslassen. Um es kurz zu machen: Ihr Vertrauen in den Rechtsstaat scheint mir genauso naiv zu sein wie das Urvertrauen von Charlie Chaplin in den netten Gendarm an der Straßenecke.
nbo, 15.27
nbo, Sie werden den im folgenden verlinkten Artikel vermutlich kennen, aber es lohnt vielleicht, ihn hier noch einmal zu verlinken: in Christoph von Marschalls Artikel vom August des Jahres vergleicht er die Berichterstattung zu Assange in den USA und Deutschland und die Online-Berichterstattung mit der in den Printmedien.
www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/maerchenstunde-mit-julian-assange/1909774.html
Nach einem aktuellen Blick in dieses Forum ist man durchaus geneigt, ihn zu bestätigen.
@ j-ap schrieb am 06.12.2010 um 20:30
>>>daß die meisten Menschen sich im Angesicht der Krise völlig ruhig, völlig unpanisch verhalten und gerade keinen Bank-Run veranstalten. Scheinbar vertrauen insbesondere die Europäer nach wie vor auf die jederzeitige Faschismusfähigkeit ihrer jeweiligen Staaten.
Aua. Aber das ist tatsächlich ein Phänomen. Ich erklärte mir dieses bisher mit der volkswirtschaftlichen Unbildung, der Sendung "Börse im Ersten" und Herrn Brüderle.
Es gibt ja diesen schönen Satz: "Versuche nicht mit Bosheit zu erklären, was mit Dummheit hinlänglich erklärt werden kann." Über Ihre böse These aber werde ich noch ein wenig nachdenken.
@ sweetheart schrieb am 06.12.2010 um 21:48
Ich mag es überhaupt nicht leiden, wenn Homestories von Künstlern veröffentlicht werden. Das zerstört die Kunstfigur. Die "wirkliche" Person des Schauspielers, Malers oder Schriftstellers interessiert mich nicht - mich interessiert sein Werk. Menschen, die gar keine Künstler sind, drängen an die Öffentlichkeit und müssen sich mit Ihrer erbärmliche Persönlichkeit nach vorn drängen.
Wenn Assange gegen das Gesetz (hier die Beispiele der Frauen aus dem verlinkten Artikel) verstoßen hat, soll er dafür verurteilt werden - das ändert aber überhaupt nichts an der Leistung einer breiten Öffentlichkeit einen Einblick in das Herrschaftswissen des Imperiums und dessen Zustandekommen zu geben.
Darüber sollten wir reden und nicht über Nebensächlichkeiten. Sonst schwätzen wir wie weiland über Lewinsky und nicht über die Gesundheitsreform.
sweetheart: Danke für den Link.
j-ap,22.22
My pleasure!
rapanui, 22.19
Kann es sein, daß Sie einen anderen als den von mir verlinkten Artikel gelesen haben?
Wie kommen Sie auf "homestory"? Wie auf Künstler? Wie auf eine Parallele zu Assange?
Zum Rest dessen, was Sie schreiben sehe ich keinerlei Anknüpfungspunkt für eine weitere Erörterung: sowohl vom "Werk" Assanges wie von den "Nebensächlichkeiten" haben wir wohl sehr unterschiedliche Auffassungen.
Ich habe auch weniger Interesse an "Kunstfiguren" als an Menschen, selbst wenn sie als "erbärmliche Persönlichkeiten" daher kommen.
Vielleicht liegt's daran, daß ich auch einen "gerade noch nicht abgespreizten kleinen Finger" habe.
Was die Vergewaltigungsvorwürfe angeht, die sie nicht sonderlich erheblich zu finden scheinen, wundert mich das wie mir scheint geringe Interesse von Öffentlichkeit wie Medien an ein klein wenig "investigativem Journalismus", um etwas Licht ins Dunkel zu bringen - besonders, wenn ich den öffentlichem Umgang mit Vergewaltigungsverdächtigen in Deutschland zum Vergleich heranziehe..
Wenn man von den von Ihnen zitierten Kronzeugen nur die gelten lässt, die das GG gekannt haben, fallen Marx, Bakunin und Hegel weg, Adorno zitieren Sie in anderem Zusammenhang.
Bleibt C. Schmitt. Und dessen - wie Sie richtig schreiben, also die durch Hitlers Kronjuristen - ad hoc Bewertung soll so hellsichtig gewesen sein, dass sich mit ihr jede Wertschätzung des Rechtsstaats als zu naiv beiseite wischen lässt?
Später Sieg, was?
Bleiben wir lieber bei Chaplins Schutzmann in dem 1940 gedrehten Film 'Der grosse Diktator': Statt uns an den zu wenden, machen wir - ja was denn, wenn wir nicht naiv sein wollen?
Verlassen wir uns auf unsere Fäuste oder heulen mit den Wölfen, wenn dazu die Kräfte nicht reichen? Und sorgen dafür, dass wir nicht zu den zukünftigen Nicht-Ariern gehören, indem wir diese Gruppe a la Sarrazin prophylaktisch so definieren, dass wir nicht eingeschlossen sind, genauso wenig, wie wir zum 'arbeitsscheuen Gesindel', den 'Parasiten' eines W. Clement gezählt werden wollen und also unseren Platz im 'Arbeitsleben' noch mit 67 mit Klauen und Zähnen verteidigen?
Sie übersehen, dass man fast alle Begriffe, die z.B. zur Rechtfertigung westlicher Raubzüge propagandistisch herangezogen werden, in ihr Gegenteil verdrehen muss (Newspeak), um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, anschaulichstes Beispiel ist wahrscheinlich die Landesverteidigung am Hindukush. Hintergrund hier ist natürlich die verfassungsgemässe Beschränkung der Bundeswehr auf die Rolle einer Verteidigungsarmee.
Zwangsarbeit - 'niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden', GG - muss deshalb zu 'fordern und fördern' bzw. 1 Euro Jobs umdeklariert werden usw. usf.
Ihre zynische Einschätzung des Rechtsstaats entspricht in weiten Teilen der Propaganda beispielsweise der FDP, der es offenbar zum einen darum geht, den rechtsstaatlich verhandelten und fixierten Interessenausgleich zwischen Bürgern zu unterminieren, um einzelnen Gruppen - ihrem sogenannten Klientel - auf Kosten der Allgemeinheit geldwerte Vorteile zu verschaffen und zum anderen populistisch die Dummheit des Pöbels ausschlachten will, der nicht einsehen mag, dass z.B. Sicherheitsbestimmungen per se nicht unbedingt eine Schikane darstellen müssen und in komplizierten Regeln an z.B. Hochschulen aufwendig erarbeites Expertenwissen seinen Niederschlag findet.
Ihre Einschätzung wird, das ist mein Eindruck, sehr weitgehend geteilt, und natürlich wird da jede zusätzliche Information lästig. Aus dem Ausgangsartikel und den weiteren Kommentaren seines Autors kann man ja fast schliessen, Assange hätte, um dem Vorwurf der Vulgarität zu entgehen, am besten irgendein Klo mit diesen Dokumenten tapeziert und anschliessend seine Zeit damit verbracht, alle Hinweise auf UFOs in ihnen zu schwärzen, statt das Konvolut Zeitungsredaktionen zur Sichtung zu übergeben - mir scheinen das Ausflüchte zu sein.
Apropos Klo: Händewaschen nicht vergessen - das ging vor geraumer Zeit auch nicht, schon gar nicht für Gynäkologen, bevor sie sich an ihren Patientinnen zu schaffen machten. Eine damals naive Vorstellung, dies könne Menschenleben retten.
Oder das arme Schwein, das den Neandertaler entdeckt hat und um die wissenschaftliche Anerkennung seines Funds rang: Da war die Koryphäe Virchow vor, auch einer, der schon alles kannte und wusste...
'keiner schrieb am 07.12.2010 um 02:50' ging natürlich an Jap...
sweetheart am 06.12.2010 um 21:48
Hi Mr. sweetheart,
so naiv können Sie nicht sein, dass Sie Christoph von Marschalls Beitrag im Tagesspiegel als seriös, unbeeinflusst und als auf irgendeine Art objektiv einschätzen.
Das hier...:
www.tagesspiegel.de/medien/digitale-welt/maerchenstunde-mit-julian-assange/1909774.html
liest sich wie eine Auftragsarbeit. Schon der Ansatz, von Marschall stelle "überraschende Unterschiede zwischen der Berichterstattung in den USA und in Deutschland sowie zwischen Print und Online fest"!
... weist hintergründig auf einen journalistischen Auftrag hin, der es dem Autor, "unser Amerika-Korrespondent", erlaubt, hin und her zu springen, um ganz nach Belieben Julian Assange in die Tonne zu kloppen.
Das ist in etwa so seriös wie Ihr Kommentar.
Lieber keiner,
Sie schreiben:
Sie übersehen, dass man fast alle Begriffe, die z.B. zur Rechtfertigung westlicher Raubzüge propagandistisch herangezogen werden, in ihr Gegenteil verdrehen muss (Newspeak) ...
@ sweetheart schrieb am 06.12.2010 um 22:52
>>>Wie kommen Sie auf "homestory"? Wie auf Künstler? Wie auf eine Parallele zu Assange?
Das nenne ich eine freie Assoziation.
Die Medien sind voll mit "Homestories". Jeder PresseShop dokumentiert, dass die "Homestorie" sowohl in Produktion als auch in Konsumtion den wesentlichen Teil der Publizistik ausmacht. Dies ist die "vulgäre Vorstellung von Transparenz", nicht die von WikiLeaks.
Auch die sogenannten seriösen Medien wechseln gern und systematisch in die "Homestory", wenn diese unwillig oder unfähig sind das Wesentliche zu diskutieren. Der von Ihnen verlinkte Artikel im Tagesspiegel behandelt die drittrangige Ebene, er berichtet von Ausführungsdetails und der Persönlichkeit Assange'. Er handelt nicht von den Anforderungen an den Tagesspiegel selbst, nicht von einer dringend notwendigen Selbstkritik auch dieser Zeitung, einer Veränderung Ihrer Arbeitsweise, der schluffigen Arbeit des Tagesspiegel... die durch das Prinzip WikiLeaks aufgeworfen sind. Das nenne ich ein gewerbsmäßiges Ablenkungsmanöver oder das "Prinzip Homestory".
Ich setze mich hier deshalb so vehement für das Prinzip WikiLeaks ein, weil mir die Standardmedien und auch dieses Blog jetzt zu sehr über zweit- und drittrangige Probleme berichten. Wenn das Prinzip WikiLeaks ordentlich befeuert ins Laufen gekommen ist, dann können wir später über ästhetische Fragen diskutieren.
Jetzt geht es erst einmal darum, diese wundervolle Dynamik am Laufen zu halten. Transparenz vor "Prinzip Homestory"!
@ J-AP
>>>Und der Julian Assange macht sich, in merkwürdiger Ähnlichkeit zur katholischen Soziallehre (»wenn sich nur alle etwas klarer, unverstellter, unverlogener, moralisch lauterer, öffentlicher verhielten und generell mehr am Riemen rissen, wäre schon viel gewonnen«) nun auf nicht etwa, um das Hamsterrad der Herrschaft zu brechen, sondern um zu seinem Treibsatz zu werden.
Sie aber, lieber J-AP, diskutieren viel zu viel über die subjektiven Befindlichkeiten und Absichten von Assange, was ja auch eine Art Ideologie zu nennen ist. Sie übersehen dabei, dass die Wirkung seines Werkes völlig unabhängig von dem was nun Assange will, genau die Richtige ist. Das ist es, was ich anhand der Dialektik "Werk - Künstler" gerade mit "Sweetheart" diskutierte. Das Werk von Assange hat sich längst selbständig gemacht, Sie aber versuchen es immer und immer wieder an die Person von Assange zu ketten. Statt die Wirkung des Werkes zu befeuern, versuchen Sie die "richtige" subjektive "Haltung" einzunehmen.
Hier nun sind wir bei dem, was ich auch an Ihrer "Haltung" nicht verstehe. Sie äußern sich so, dass Sie den Staat als bloße Herrschaft begreifen und berufen sich auf die Praxis der Anarchisten. WikiLeaks ist Anarchismus in der Praxis. Dieses Prinzip stellt Herrschaft als bloßen Deal einiger Hierarchen dar. Die Deals sind in Ihrer Trivialität nachlesbar, viele Leute fragen sich: und diese korrupten Kleinstadtbürgermeister wollen mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe?
Genießen Sie doch die Praxis der Anarchie, machen Sie sich die Manschetten etwas schmutzig, sonst muss ich Sie noch als einen "Salonanarchisten" bezeichnen.
Nichtsdestotrotz freue ich mich immer wieder über Ihre anregenden und tiefsinnigen Überlegungen.
Hallo Rapanui,
also bevor Sie mir nun noch virtuell an die Gurgel gehen, sollte ich vielleicht noch einmal daran erinnern, worum es in meinen Bemerkungen da oben geht:
Den Akt der Publikation selbst halte ich für richtig.
Nur irritiert mich, um es noch einmal zu sagen, die Ideologisierung, die nun in Folge dieser Publikationen den Blick auf sie verstellt. Wikileaks ist weder der neue Bundschuh noch der Ballhausschwur noch der Wohlfahrtsausschuß, noch nicht einmal anscheinsweise, sondern eine Art systeminterner Katarrh, der nur dazu dient, den Betrieb zu bereinigen und ihn moralisch zu läutern.
@ j-ap schrieb am 07.12.2010 um 09:13
>>>sondern eine Art systeminterner Katarrh, der nur dazu dient, den Betrieb zu bereinigen und ihn moralisch zu läutern
Na und! Aus diesem Schritt werden wir wieder etwas lernen.
Nicht ohne Grund schleppe ich immer wieder das 16. Jahrhundert heran. Es war die Zeit, als in Deutschland sich das bürgerliche Denken seine Bahn brach - im theologischen Gewand. Nach Ihrer Denke also genau als "systeminterner Katarrh" Der Luther und auch sein anfänglicher Gefolgsmann Müntzer haben mit großer Leidenschaft versucht die Fürsten zu belehren, vermittels einer Bibel Exegese. Der Luther ging seinen Weg und der Müntzer den seinen. Keiner von beiden hatte auch nur eine Ahnung in "wessen" Auftrag er eigentlich unterwegs war.
Auch wir erleben, dass sich die Gesellschaft wie im 16.Jahrhundert, heute eben die bürgerliche, auflöst es funktioniert einfach nicht mehr. Wesentlich daran ist die Auflösung des Begriffes vom bürgerlichen Eigentum. Ohne jetzt zu weit auszugreifen - das Patentrecht und das Urheberrecht sind letzte Versuche den bürgerlichen Eigentumsbegriff zu retten. Es wird nicht gelingen.
Assange' Tat zeigt wie sich diese überkommene Form von Besitz durch den Stand der Produktionsmittel nicht halten lassen wird. Ich verstehe hier bürgerliche Herrschaft als eine Form von Besitz -zum Beispiel den Besitz des "Geheimnisses", den Besitz des "Wissens". Es ist natürlich nicht entschieden, ob nicht eben jene Mittel die diesen Prozess vorantreiben, auch für besseren Schutz der "Geheimnisse" verwendet werden können. Vielleicht müsen wir noch einige Schleifen drehen, bis wir erkennen, dass all diese Versuche das Geheimnis als Besitz zu sichern, nicht möglich sind, weil sich dieser "Stoff" solchen Vorstellungen von "Besitz" entziehen wird.
Dieser Prozess beginnt mit Assange Großtat, egal ob er die Mächtigen nur belehren und bessern will. Das hat weder er noch jemand anders in der Hand. Sie können auch nicht wissen, ob aus Assange ein Luther oder ein Müntzer wird, oder ob er vielleicht in Vergessenheit gerät.
An die "Gurgel" will ich Ihnen natürlich nicht, dann hätten unsere ergötzlichen Gespräche ja ein End und das wär recht schad. Auch dann nicht, wenn Sie ein anderes "Klassenverhältnis" zum Wald haben als ich. Vielleicht sind Sie ja so ein "Aufgeklärter Fürst".
Rapanui, 7.37
Ich bin ganz ernsthaft angerührt von der Begeisterung, die aus Ihren Kommentaren zu Wikileaks spricht - es springt einen förmlich an!
Ich teile Ihre Kritik an den Homestory-Mechanismen der "sogenannten seriösen Medien" (ich bin auch ein "Fan" von Anne Will, die so schön Nachrichten vorlesen konnte), aber leider nicht Ihren Wikileaks-Enthusiasmus: vermutlich bin ich aus einem härteren Holz und schwerer entflammbar.
So wie Sie "die wundervolle Dynamik am Laufen" halten, verbreite ich hier meine Kritik am "Prinzip Wikileaks", meine Appelle an Nüchternheit, Wachsamkeit - und an was immer sonst "Bedenkenträger" wie ich so im Gepäck führen.
Was geleakt ist, ist geleakt, tut seine Wirkung wie selbst der Schlag des Schmetterlingflügels, und ich bin auch gespannt, was genau die mittelfristige Wirkung sein wird, aber ich reihe mich nicht ein in die kleine aber sehr präsente Schar der ASSANGE-ADVENTISTEN-DER-LETZTEN-(7)TAGE! (Ich hoffe, der Begriff ist wirklich von mir - hab' ihn jedenfalls noch nirgendwo gelesen.)
"The world will be elevated to a better place." schrieb Assange zuletzt im GUARDIAN-Chat vom Wochenende.
An der Stelle werde ich ärgerlich!
Die Welt wird nicht dadurch "besser" werden, daß einer Daten aus trüben Quellen sammelt und dann willkürlich kleinere und größere Datenfluten veranstaltet.
Nein, die Welt wird dadurch "besser" werden, daß jeder einzelne Mensch den Entschluß faßt, "besser" zu werden und versucht, das durchzuhalten! (Vielleicht reicht ja auch hier die berühmte - noch nicht erreichte - "kritische Masse".)
Die Menschen nutzen pauschal gesehen doch gar nicht die Möglichkeiten, die sie bereits seit langem haben - und da soll ausgerechnet "das Prinzip Wikileaks" die Welt verbessern!? Durch Datendiebstahl und -verbreitung im Schutz der Anonymität!? Ich kann's nicht glauben!
Aktuell hat "Wikileaks" zunächst einmal die Wirkung, daß es die Aufmerksamkeit vom bröckeligen Zustand Europas, von der Krise einer Wahrungsunion ablenkt, die keine politische, soziale oder wirtschaftliche Union
ist.
Abschließend "schenke" ich Ihnen, dem Thread, noch einen "Aufregerlink" vom kleinen lokalen Bruder von Wikileak, den "Ruhrbaronen", den ich aus dem Theread von Augsteins "Wir Untertanen" (welch ein Titel!) hierhin transportiere:
www.ruhrbarone.de/meine-kritik-an-%E2%80%9Cder-freitag%E2%80%9D/
Ob er Sie, irgendjemand "aufregt", werd' ich leider aktuell nicht mitbekommen - und bedaure abschließend, falls ich Ihre "Adventsstimmung" getrübt haben sollte.
sweetheart
@ rapanui, @ jap:
"Der Luther und auch sein anfänglicher Gefolgsmann Müntzer haben mit großer Leidenschaft versucht die Fürsten zu belehren, vermittels einer Bibel Exegese." schreiben Sie, Rapanui - im Grunde versucht er, sie auf eine Art Verfassung festzulegen. Irgendwann funktionieren die Verdrehungen nicht mehr, und sei es nur deshalb, weil z.B. der Scherge seinen Auftrag nicht mehr versteht und tatsächlich mit 'ner Halskrause ankommt und den so Beschenkten zum Fürsten macht, anstatt ihn per Strick ins Jenseits zu befördern.
(Luther hat grauenhaft versagt, wo er sich statt auf seine 'Verfassung' aufs 'gesunde Volksempfinden' verlassen hat. Vielleicht lässt sich das am besten so illustrieren: Das lutheranisch geprägte und in der Folge judenfreie Norwegen muss Hitler mit seiner Fixierung auf alles 'Nordische' irgendwann in den Blick gekommen sein, und damit auch die Folgen von Luthers tödlicher Judenfeindschaft...)
>>Und die Pseudolinken rufen sowieso immer nach dem Staat, weil sie ihn als Hebel zur Emanzipation begreifen und nicht geschnallt haben, daß der Staat schon immer der Hebel zur Knechtschaft gewesen ist. führen Sie aus, Jap.
Nehmen wir das Bild ernst: Neulich habe ich mithilfe eines drei Meter langen Balkens, 8/10, den Unterbau eines kleinen Fachwerkbaus so lange durch die Gegend gewuppt, bis er im Schnurgerüst lag - tolle Sache, es wäre ohne den Hebel nur mit sehr vielen Leuten zu machen gewesen.
Ich hätte den allerdings auch an anderer Stelle ansetzen können, ein , zwei kräftige Rucks, und ich hätte die Grundlage für eine umfangreiche Streichholzposition geschaffen.
Der naive Blick unterscheidet sich vom zynischen m.E. vor allem darin, dass er gar nicht in erster Linie unbedingt an das Gute glauben will, sondern zunächst einfach nur alles für möglich hält. So entgeht ihm nicht, dass man Werkzeuge sowohl sinnvoll einsetzen als auch, natürlich, missbrauchen kann.
Und so eröffnet er Chancen, die das Verbreiten einer zynischen Einschätzung vernichtet (ich wäre, stelle ich gerade etwas entsetzt fest, wahrscheinlich auch ein ausgezeichneter Stalinist geworden, 'Negativismus' als Verbrechen lauchtet mir ganz ohne weiteres völlig ein):
Ihre Analyse perpetuiert doch gerade den Horror des dritten Reichs. Faktisch erklären Sie doch jenen Holocaust-Überlebenden: Ihr habt ganz Recht, geht da nicht rein, ihr werdet sonst bestialisch ermordet. Und können selbst ganz ungeniert im Amt ein und ausgehen, womöglich sogar, da unbeobachtet, fröhlich mit den Amtsträgern 'mauscheln' - es ist vermutlich diese ganz spezielle Art des deutschen Humors, der diesen Begriff, der ursprünglich 'jiddisch sorechen' bedeutet, nach '45 zu einem Synonym für das Verabreden unsauberer Geschäfte im Dunkeln geworden ist.
Für die so Ausgeschlossenen spielt es keine grosse Rolle, ob sie sich in ihrer ausweglosen Situation befinden, weil Rassismus zur Staatsdoktrin geworden ist oder weil jemand ihre Angst bestätigt, das Ende des Nationalsozialismus sei nur Schein, im Grunde sei er dem Konzept von Staat inhärent.
Einen 'Kronjuristen' - was für eine implizite Aufwertung Hitlers, wenn mans an der Adelsehrfurcht goldener Blätter misst - zitieren Sie nur scheinbar als Hauptzeugen: In Wirklichkeit befördern Sie ihn zum Sachverständigen, einer Autorität, deren Kenntnisse so weit reichten, dass das Urteil gar nicht mehr abgewartet zu werden braucht.
Natürlich haben Sie Recht, diese meine Überlegungen stellen 'das System' nicht in Frage, und auch nbo zitiert Assange oben mit "WikiLeaks is designed to make capitalism more free and ethical."
Mir fällt es allerdings schwer, zu glauben, dass sich gegenwärtig überall, wie auch hier, lauter Systemkritiker zu Wort melden, die ihren subversiven Kampf gefährdet sehen und sich schweren Herzens daran machen - weil sie sich damit natürlich outen -, Assange als einen zu entlarven, der nur scheinbar revolutionär sei, in Wirklichkeit aber sowas von Mainstream... Auch deshalb (fällt mir dies schwer), weil dies angebliche Guy-Fawkes-Pose ihm ja zunächst mit aller Gewalt untergeschoben werden muss, bevor sie widerlegt werden kann.
Hier so vehement zu Wort gemeldet habe ich mich, weil ich nicht einsehen mag, dass die Flanagans und Palins dieser Welt ganz unverhohlen ihre Fatwas verbreiten können sollen
www.msnbc.msn.com/id/40467957/ns/us_news-wikileaks_in_security/ , während hierzulande die Joffes, Schwartes, v. Marschalls und auch Boeings schon mal den Hintergrund so tünchen, dass ein Mord an Assange gegebenenfalls nicht mehr solches Aufsehen erregt: eine Art AlQaida-Kämpfer, ein mutmasslicher Vergewaltiger, der den Robin Hood gibt, ein Märchenonkel oder einfach nur ein vulgärer Zeitgenosse, der 'nen scoop landen will...
'Die Juden waren ja auch komisch, hat mir meine Mutter erzählt...', erklärte mir mal eine Kommilitonin vor zig Jahren.
Ach so. Nicht soo schade drum, wie?
mal eine anerkennung Ihrer ungebremsten authentizität hier im FC. .-) herz und hirn.
na, immerhin eine gelungene headline, die ihre wirkung bestätigt. lg
@ keiner schrieb am 07.12.2010 um 12:43
Wir sind uns, so hoffe ich Sie zu verstehen, beim Luther einig.
Es lohnt sich, die beiden Schriften "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" (Luther) "Fürstenpredigt zu Allstedt" (Müntzer) durchzulesen. Was für ein Unterschied!
Das ist es nach meinem Empfinden, was Sie mit Ihrer Unterscheidung zwischen dem "naiven" und dem "zynischen" Blick beschreiben. Der Luther ist theoretisch beschlagen, rhetorisch begabt, taktisch clever und doch ahnt man schon hier den Zyniker, der später schreiben wird "Wider die mörderischen Rotten der Bauern". Müntzer ist leidenschaftlich, er glaubt tätig - er ist "naiv".
Welches Unheil hat denn Müntzer über die Welt gebracht? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, welches Unheil der Luther verursachte. Welches Unheil hat denn Assange über die Welt gebracht? Aber man kann in den von ihm veröffentlichten Dokumenten nachlesen, welches Unheil das Imperium über die Welt bringt.
@keiner: Habe Ihre Kommentare mit großem Interesse
und teilweise völliger Übereinstimmung gelesen, wie dies Letzte. Genau diese menschliche Anteilnahme und der einfache Sinn für Gerechtigkeit, die mir bei den kühlen bis eiskalten "hoch intellektuellen" Einschätzungen von Assange/wikileaks gefehlt hat, ist hier bei Ihnen angeklungen ! Dankeschön !
Was unter uns Menschen abläuft, ist wohl 1:1 vergleichbar mit dem Verhalten von Bakterien: Es gibt die fäulniserregenden, die fermentierenden und die Mehrzahl der Mitläuferbakterien, die sich nur nach der zeitweiligen Machtposition richten.
@ nehmequitte: Und es gibt allergische Reaktionen, und so sehr mir Ihr Kommentar schmeicheln mag, setzt eine solche bei mir ein, wenn ich mich mit solchen Analogien konfrontiert sehe.
Die historische Erfahrung zeigt nämlich, wie leicht sie zu missbrauchen sind (jetzt schreibe ich mich gerade in die Bredouille, denn oben habe ich Jap seitenlang, in Hinsicht auf den Staat, vorgehalten, die Möglichkeit des Missbrauchs sei nicht mit einem unausweichlichen Zwang zum Missbrauch zu verwechseln)
Sei's drum, Ihr Bild hat den Nachteil, dass wer entlang dieser Kategorie eingeordnet ist, nicht nur vernichtend beurteilt ist, sondern auch ausweglos festgelegt: Welche Wahl hat denn ein Bakterium?
Da helfen nur Antibiotika, und damit ist eine andere Analogie evident: die zu Zyklon B, das sogar ursprünglich zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wurde.
Eine Diskussion wie diese hier hat demgegenüber doch sehr den Vorteil, dass Positionen nur scheinbar unverrückbar aufeinander prallen und wenig bis gar nichts über die Integrität derer, die sie vertreten, aussagen.
Natürlich findet sie nicht nur im luftleeren Raum statt, aber so, wie ich mich natürlich im Hintergrund entsinne, dass ich, angeregt zum Beispiel durch ein Buch des Physikers Moshe Feldenkrais - 'Bewusstheit durch Bewegung' - sehr überzeugt - und durchaus 'profitabel' - ganz ähnliche Vorstellungen, wie die, die ich hier in Bezug auf die Qualität des Staats zur mechanischen Funktionalisierung seiner Konstituenten als unausweichlich vehement abgelehnt habe, bis heute als eigentlich unwiderlegt betrachte, nehme ich an, dass mein Hinweis darauf, dass alles, was zur Zeit über Wikileaks oder Assange geschrieben wird, leicht auch von seinen Gegnern, die man z. T. getrost als skrupellos bezeichnen kann, instrumentalisiert werden kann und wird oder ihnen schon in die Hände spielt, längst durchgedrungen ist...
Natürlich: trotzdem danke für das Lob!
@keiner, hier kann ich ihnen nicht folgen. Mein Gemüt ist wohl schlichter, als ihres. Aber es geht mir gut dabei.
nicht die Veröffentlichung der Dokumente ist vulgär und auch nicht der Inhalt derselben. Vulgär ist allein, was die hiesige Presse daraus macht, allen voran spiegel-online. Die Information besteht nicht darin, dass wir jetzt nachlesen können, welche Hobbies Westerwelle pflegt, sondern die Tatsache, dass die amerikanische Politik solche Informationen für relevant hält. Desweiteren fand ich interessant, aus welchem Grund unser Verteidigungsminister zu Guttenberg in der amerik. Botschaft in Berlin so außerordentlich beliebt ist: Er will im Gegensatz zu Westerwelle das deutsche Truppenkontingent in Afghanistan ausweiten. Vor dem Hintergrund dieser Information, die mir vorher unzugänglich war, kann ich mir jetzt ein eigenes Bild machen, warum und gerade die "deutsche" Presse zu Guttenberg zum Star der deutschen Politik "hinaufschreibt". Jeder weiß, dass die öffentliche Meinung hierzulande gegen diesen Einsatz ist und jetzt jeder ein bißchen mehr über die Art und Weise, wie dem begegnet wird. - In der ehemaligen DDR musste man zwischen den Zeilen lesen können, weil keiner gefahrlos sagen konnte, was er wollte, heute muss man zwischen den Zeilen lesen können, weil Massenmedien interessensgeleitet "berichten". Danke an Wikileaks für ein paar Zeilen Klartext!!
"Nutzen uns die State Logs? Auch nein. Wie US-amerikanische Politiker über andere Denken, ist keine politische Frage. Das ist Polit-Klatsch."
Das ist ja doch nur ein Teil der veröffentlichten Dokumente.
Brisant und für die Transparenz sehr wichtig sind die Dokumente, aus denen hervorgeht, dass eine Reihe von Staaten im Nahen Osten eine Bombardierung der iranischen Atomanlagen stark befürworten, dies nicht öffentlich aber nicht äußern.
Damit sind all jene Lügen gestraft, auch hier in der FC, die den USA alleinige Aggressionsabsichten unterstellten.
Jetzt erscheint nämlich die Rolle der USA eher als moderat, denn als aggressiv und kriegslüstern.
Und unterschätzen sie nicht die Bedeutung des "Polit-Klatsches"! Wenn das alles nicht so brisant wäre, wozu dann die ganzen Anti-Wikileaks-Attacken? und warum dann die Aufregung und Erregung in der deutschen Politik-Elite? Auch Bloßstellung von Dritten schafft Transparenz.
Immer mit der Ruhe lieber Niels Boeing,
Sie lesen ja auch nur Zeitung und die Zeitungen, egal in welcher Form. Sogar recht viele berichteten und die wählten auch aus den Leaks aus. - Bezüglich des Spiegels und der ZEIT, habe ich da so meine Bedenken, bezüglich der investigativen Fähigkeiten und Wünsche, rund um die redaktionellen Spitzen. Bei der ZEIT ideologische (J.A.P. schrieb Ihnen dazu ausführlich), beim SPIEGEL, der irgendwie geschäftstüchtig wirkt, aber nicht unbedingt aufklärerisch, und gerne dem Menschen ans Private geht, eher prinzipiellere Bedenken. - Aber es sind die Bedenken eines Lesers. Über diesen Status, soviel ich bisher von Ihnen lesen durfte, sind Sie da auch nicht weiter hinaus, gerade bezüglich Wikileaks und Assange.
Dass Assange in einem Interview erklärt, den Kapitalismus nicht abschaffen zu wollen, erklären Sie zum Kritikpunkt! Nur freierer und transparenterer Kapitalismus reicht Ihnen nicht? - Derzeit gibt es aber auf dieser Erde nur eine verschwindend geringe Anzahl an Menschen, die den Kapitalismus abschaffen wollen, so wie die Zahl derer die Religionen grundsätzlich los werden wollen, klein bleibt.
Zwingen wollen Sie doch auch niemanden? Und Assanges Wikileaks macht freier und transparenter im Kapitalismus. Bitteschön!
Die vielen Leaks zwingen hoffentlich zu mehr Freiheit und Transparenz im Regierungs- und Bürokratiehandeln, das nun relativ gut belegbar, zumindest mehrbödig wahrhaftig ist. Vielleicht gelingt das bald auch für die Finanzwirtschaft offen zu legen und mit Quellen zu beweisen, wenn bis dahin nicht wieder die Friedhofsruhe durch Abschalten, Unterbinden der Geldflüsse und Reduzierung der Hostadressen hergestellt wurde.
Das geht übrigens privatwirtschaflich und mit vielen anwaltlich geprüften Vertragsklauseln viel eleganter, als per Staatsordere.
Auch Sie, Herr Boeing, tragen mehr zu Freiheit und Transparenz bei und fördern hoffentlich bald, bisher noch unbekannte Leaks, die zur Aufklärung solcher Dinge etwas beitragen. - Sonst müssen Sie weiter Meinungsartikel verfassen und weiterhin ein guter Leser, Hörer und Seher sein.
Stellen Sie sich einmal vor, Wikileaks hätte seine Fähigkeiten schon dezentralisiert und Sie währen nun der Deutschlandbeauftragte. Welche Leak-Informationen von Wert hätten wir wohl zu erwarten? - Keine! - Warum? Weil Sie ohne eine zentrale Stelle und ohne die direkte Zusammenarbeit mit drei, vier großen Zeitungen, nichts geleakt bekämen und man Sie noch schneller abgestellt hätte. - Aber, wenn Sie über Möglichkeiten verfügen, dann helfen Sie der Wau-Stiftung. Da tun Sie für die neue Transparenz was Gutes.
Assange hat aber auch etwas ganz Entscheidendes gesagt, was ich ihm besonders hoch anrechne. Er betont nämlich, dass ihn das Private, Intime der Leute, auch der Mächtigen, nicht interessiere. Das ist ganz wesentlich und wird gerne vergessen.
Auch als Linker sollte man realistisch bleiben. Und ob Assange und Wikileaks links oder rechts, systemverändernd oder gar stützend denkt, interessiert mich, den denkenden Leser, angesichts des bisher in vier Jahren publizierten Materials, eher nicht. Dafür interessiert mich aber was im Irak war und ist, und warum; was in Afghanistan war und ist, und warum; was eine, meine Regierung und deren Bürokratie wirklich denkt und tut und warum. Punktum.
Sehr merkwürdig finde ich allerdings, wenn Journalisten beginnen, selbst Politik zu machen oder dazu neigen, es zu versuchen. Das finden Sie z.B. beständig in den zitierten Blättern (ZEIT,Spiegel,Focus) und z.B. auch bei der SZ in München, in deren außen- und sicherheitspolitischen Spitzen. In Deutschland wird man dafür sogar mit Preisen geehrt, die man sich gegenseitig umhängt und manchmal auch von genau den Politikern, die man gut findet.
Ich vermute aber, es hat Sie nur John Perry Barlow wirklich aufgeregt, der sie rekrutieren wollte. Das hängt aber auch an der Herkunft und an der Sprache, die im angelsächsischen Öffentlichkeitsraum militärischer daher kommt, als sie es meint. - Wir schaffen ja gerade die Wehrpflicht ab, damit die Berufssoldaten besser schießen lernen und es wieder können.
Liebe Grüße
Christoph Leusch
@nbo
Was für eine unterdurchschnittliche Recherche.
Der Nährwert der State Logs soll nicht mehr als was enthalten?
"Das lässt sich von den State Logs allenfalls hinsichtlich der Bespitzelungsversuche von UN-Mitarbeitern behaupten. Der Rest ist gut orchestrierte Wikileaks-PR in eigener Sache."
Ach so. Wie wäre es, sich darüber nicht bei unserer nichtsnutzigen "Presse" zu infomieren, die sich natürlich auf die harmlosesten Heimlichkeiten kapriziert, sondern evtl. mal im Ausland, z.B. im Times Magazine, wie wäre das? Oder sich selbst mal ein Stück weit durch jene Dokumente zuwühlen, bevor so eine infame Behauptung aufgestellt wird?
Schon gehört?
Diese Dokumente offenbaren höchst interessantes über Guttenberg; äußerst beliebt sei er, plane er doch den erweiterten, beflissen dienstsamen Schulterschluss mit der USA in : Afghanistan.
Erfreulich, nicht wahr?
Oder Ihrethalben sogar: Begrüßenswert, weil notendig?
Großverweser Guttenberg mit seiner kleinen, aber sehr fein ausgestatteten Bundeswehr im Jahre 2011? Und mit genügend Toten im Keller bald daraufhin auch zum: Kanzler gekrönt?
Klatsch? Uninteressant? Egal? "Unabwendbar"?
Ja? Nein?
Das die Pionierarbeit von Wikileaks viele Schläuele vom Dienst in Wahrheit dermaßen beeindruckt, dass Sie jetzt Perfektion verlangen, geschenkt. Dass die Mitarbeiter von Wikileaks, so wie auch ihr Gründer nur Menschen sind, die unter enormen Belastungen, unter Aufwendung ihrer persönlichen Freiheit und ihrer Zivilcourage dieses bislang einzigartige Projekt lanciert haben und natürlich auch Fehler begehen, sich spalten (so dass als positives, progressives Ergebnis unabhängige Ableger von Wikileaks entstehen), nein, nein, dass wird nicht erwogen.
Assange hat in Schweden offensichtlich Mist gebaut. Aber welcher Größenordnung, DAS weiss niemand bisher. Und selbst wenn er privat ein Lebemann, ein Wohlfühlmensch ist. Es braucht über die piefige Seite von John Young hinaus MEHR Aufmerksamkeit, um aufzuzeigen, was für einen beschissenen Job die weltweite Presse macht.
Wer in diesem Zuge Assange zum Robin Hood macht, ist halt einfach ein wenig schlicht, voreilig. Denn es geht mitnichten um ihn.
Und deshalb: Ruhig bleiben und nicht nonchalant vom sicheren Schreibtisch aus lauwarme "Tips" geben, was es wohl wert sei, veröffentlicht zu werden und was nicht. Siehe: Die Causa Guttenberg.
Sie sind offensichtlich nicht ansatzweise in der Lage diese "State Logs" zu beurteilen.
Und wer glaubt, dass die westliche Diplomatie in ihrer bisherigen "klassischen" Ausprägung nur einen Jota wert wert war, ist entweder gefährlich naiv oder im Einklang mit der "Arbeit" unserer Regierungen.
Und ob das Material brandneu ist, oder bereits einer kleinen Gruppen
von Journalisten zugänglich war und jene Bücher darüber veröffentlicht haben, einerlei. Die Masse soll sehen, wieviel Blut fließt, wieviel an Waffen verkauft wird, wer für unsere Bewquemlichkeit mit Leib und Gliedern bezahlt.
"I am not getting upset about the "newness" of the files, i am getting upset about the "fucked upness" of the files"
(J. Stewart über die Stimmen der amerikanischen Presse zu den Wikileaks-Veröffentlichungen über den Umstand, dass amerikanische Truppen seit Jahren regelmäßig Waffen an die Taliban liefern- Dank an Streifzug nochmal)
@ nbo Da Sie noch immer durch nichts zu verstehen geben, dass Sie 'in dem bisher Geschriebenen' 'Argumente entdeckt' hätten, die Sie 'die Dinge plötzlich anders sehen' liessen, finden Sie vielleicht den Hinweis auf diesen Artikel hier
www.freitag.de/wissen/1049-cloud-busting
interessant. Ihre oben dargelegte Position mauert Sie, den 'Journalisten und Technikbeobachter', doch in Wirklichkeit so ein, dass Sie, statt selbst solche Artikel zu schreiben, uns das Gemaule da oben vorsetzen, ‘vulgär’ fänden Sie den Wikileaks-Transparenzbegriff.
Wissen ist Macht, auszuwählen, was Bürger wissen dürfen sollen, erst Recht.
'Vulgär', ursprünglich verstanden also ‘in der Sprache des gemeinen Volkes’, nutzen Sie ganz im Sinne der ‘gehobenen’ Gesellschaft, zur Abgrenzung und dem damit verbundenen Machterhalt nämlich.
Und so wählen Sie auch aus: Ich habe mich gewundert, wie Sie in Ihrer Präzisierung oben - nbo schrieb am 05.12.2010 um 14:15- zum Begriff der Folk Theory gelangen -"vulgär als gewöhnlich, oberflächlich. Im Englischen gibt es den Begriff der "Folk Theory": nichtwissenschaftliche Theorieansätze, die durch Mutmaßungen und Anekdoten, aber nicht durch systematische Empirie geprägt sind. In diesem Sinne ist für mich die Transparenz, wie sie Wikileaks zumindest in diesem Jahr praktiziert, eine "Folk Theory of Transparency"."
Im New Yorker, Juni 2010, - jenem Blatt, in dem auch Seymour Hersh - de.wikipedia.org/wiki/Seymour_Hersh#My_Lai - publiziert, führt Assange aus:
“I want to set up a new standard: ‘scientific journalism.’ If you publish a paper on DNA, you are required, by all the good biological journals, to submit the data that has informed your research—the idea being that people will replicate it, check it, verify it. So this is something that needs to be done for journalism as well. There is an immediate power imbalance, in that readers are unable to verify what they are being told, and that leads to abuse.”
Das Internet - z.B. durch Wikileaks - soll also eine neue Qualität ermöglichen: Wo sich ein Journalist auf Quellen bezieht, sollen diese einsehbar, die Schlussfolgerungen also nachvollziehbar werden - per Mausklick.
Genau dies leisten Sie nicht, Sie erwähnen Assanges Anspruch noch nicht mal, wenn Sie ihn als ‘Folk Theory’ abtun.
www.newyorker.com/reporting/2010/06/07/100607fa_fact_khatchadourian?currentPage=all
In einem gewissen Sinne haben Sie Recht, dieser Transparenzbegriff ist vulgär. Allerdings in einem aufklärerischen Sinn, Rapanui hat oben darauf hingewiesen: im Sinne der Lutherschen Bibelübersetzung nämlich, die es jedem ermöglichte (und ermöglichen sollte), den Originaltext zu lesen. Natürlich wirft das Probleme auf, nicht zuletzt auch hermeneutische. Ohne darauf ausgedehnt eingehen zu wollen: Auf die aktuelle Diskussion übertragen, wird man genau so wenig auf Journalisten verzichten können (ausser die Mann-beisst-Hund-Sorte, natürlich), wie Theologen seit der Reformation überflüssig geworden wären. Die Qualität allerdings hat sich geändert.
Columbus hat oben vermutet, Sie liessen sich nicht gerne rekrutieren. Mir kommt es eher so vor, als ob Sie nicht desertieren und als Überläufer gelten wollen...
Liebe emma in uniform,
von meinem "sicheren Schreibtisch" aus möchte ich nur noch einmal klarstellen:
"Die Idee einer Whistleblower-Plattform im Netz gegen staatliche und ökonomische Macht (und deren Missbrauch) ist zeitgemäß, notwendig und sinnvoll."
Das steht ausdrücklich oben in meinem unterdurchschnittlich recherchierten Text. Wir sind doch hier in dieser Diskussion längst weiter, als uns entweder bedingungslos pro oder klar contra Wikileaks zu positionieren.
Sie schreiben: "Dass die Mitarbeiter von Wikileaks, so wie auch ihr Gründer nur Menschen sind, die unter enormen Belastungen, unter Aufwendung ihrer persönlichen Freiheit und ihrer Zivilcourage dieses bislang einzigartige Projekt lanciert haben und natürlich auch Fehler begehen,..."
Mit seinen Mitstreitern ist Assange bekanntlich nicht zimperlich umgegangen. www.wired.com/threatlevel/2010/09/wikileaks-revolt/
"...sich spalten (so dass als positives, progressives Ergebnis unabhängige Ableger von Wikileaks entstehen), nein, nein, dass wird nicht erwogen."
Dass sich das Wikileaks-Projekt dezentralisiert, z.B. durch die Arbeit von Domscheit-Berg, ist hervorragend. Genau dafür hatte ich mich oben auch ausgesprochen. Aber ich muss darin jetzt nicht ein weitsichtiges Verhalten von Assange anerkennen.
Ansonsten: Was wir von Guttenberg zu erwarten haben, war wohl schon vor Cablegate klar, oder etwa nicht?
viele grüße, nbo
Lieber keiner,
ich habe Ihre Kommentare gelesen und finde sie bedenkenswert und belesen. Entdecke viel Interessantes drin.
Sie schreiben: "'Vulgär', ursprünglich verstanden also ‘in der Sprache des gemeinen Volkes’, nutzen Sie ganz im Sinne der ‘gehobenen’ Gesellschaft, zur Abgrenzung und dem damit verbundenen Machterhalt nämlich."
Guter Punkt. Der geht an Sie. Denn um Macht und Gegen-Macht geht es mir vor allem.
Das wollten Sie doch gerne einmal lesen, dass ich an einer Stelle klein beigebe, nicht wahr? Aber der Punkt geht ehrlich gemeint an Sie.
Nichtsdestotrotz wundert mich, dass Sie über mein "Gemaule" nun am Ende der Postings selbst etwas maulig und gar persönlich werden, wenn Sie mir implizit vorwerfen, besser solche Artikel wie den über das Cloud-Busting zu schreiben statt diesem, nun ja, Gemaule eben.
Ich werde diesen Community-Blog gerne für weiteres Gemaule nutzen. Denn darum geht es hier: subjektive Einwürfe, Debatte, Streit.
Artikel können wir alle anderswo schreiben – und selbstverständlich anders.
Eine Frage noch: "Überläufer" - wohin?
Viele Grüße, nbo
Lieber Columbus,
Sie schreiben: "Dass Assange in einem Interview erklärt, den Kapitalismus nicht abschaffen zu wollen, erklären Sie zum Kritikpunkt!"
Ja, sicher ist das für mich ein Kritikpunkt. Wenn Sie es nicht kritisieren wollen, ist das auch in Ordnung.
"Nur freierer und transparenterer Kapitalismus reicht Ihnen nicht?"
Mir und manchen anderen nicht. Ein Grundzug des Kapitalismus ist die Kapitalakkumulation, die zu Machtungleichgewichten führt. Rührt ein "freierer und transparenterer" Kapitalismus an dieser?
"Derzeit gibt es aber auf dieser Erde nur eine verschwindend geringe Anzahl an Menschen, die den Kapitalismus abschaffen wollen..."
Da bin ich mir nicht mehr so sicher.
Sie schreiben noch: "Ich vermute aber, es hat Sie nur John Perry Barlow wirklich aufgeregt, der sie rekrutieren wollte."
Das hat mich in der Tat aufgeregt, aber längst nicht nur. Meine grundsätzlichen Bauchschmerzen mit Wikileaks sind älter, und ich habe sie an anderer Stelle im Sommer geäußert. www.heise.de/tr/blog/artikel/Der-Cyberwar-des-Julian-Assange-1046601.html
Barlow hat seinen Satz auf meine Nachfrage hin präzisiert, und in dieser Formulierung verstehe ich ihn besser: "if they can silence WikiLeaks, they can shut anyone up. Don't fight for Assange. Fight for yourself."
Viele Grüße, nbo
Lieber Nbo,
Sie missverstehen mich. Denn, das was Wikileaks und was Assange wollen und tun, hat eben mit der Frage, ob der Kapitalismus abgeschafft (überwunden, aufgehoben) werden sollte, nichts zu tun.
Denn auch in einer Gemeinwirtschaft (wie auch immer organisiert) bräuchten wir die Transparenz für alle öffentlichen Angelegenheiten und eben nicht ein solche, heute überall existierende, journalistische und auch webbasierte Pseudo-Transparenz, die hauptsächlich den Privatmenschen in den Eingeweiden und Intimteilen so lange herumwühlt, und sie mit der Bloßstellung bedroht, über ihr Privatleben, ihren Alkoholkonsum, ihr Fahrverhalten oder ihre Sexabenteuer so lange zu berichten, bis sie von alleine ihr ernsthaften öffentlichen Anliegen aufgeben.
Ich glaube, da sind wir letztlich sogar einer Meinung.
Was die Bauchschmerzen angeht, so rühren die bei Ihnen und anderen aus der angeblichen und tatsächlichen Personalsierung, die aber gar nicht hauptsächlich von Assange stammt, sondern medial erzeugt ist und etwas sehr Naturgesetzliches hat.
Das ist der Ist-Zustand und er ist auch nicht durch Fundamentalkritik zu umgehen, weil in der Personalsierung auch viele völlig normale und notwendige, alltagspsychologische Momente stecken.
Ein Hinweis: Schauen Sie sich die Mitschnitte der Sendungen an, in denen Assange in Schweden zu sehen ist, bei der Präsentation der von Wikileaks mit den großen Zeitungen publizierten Ergebnissen, auch in der Rückschau auf das Irak und Afghanistan Material, bei denen er Auskunft über den Stand der Arbeit gibt, bei denen er, nebenbei, auch seinen privaten "Fallacies" freundlich begegnete.
Der ist dabei so ruhig und gelassen und so wenig medienorientiert und persönlichkeitsfixiert, wie kaum einer seiner Kritiker. Er wirkt da, wie der einsame, aber aufrechte, demokratische US-Senator, der jüngst gegen die Steuergeschenke für Superreiche plädierte.
Ich komme zu dem Schluss, dass für Assange kämpfen absolut notwendig ist, denn er repräsentierte und repräsentiert das Prinzip Wikileaks. Er hat das vier Jahre lang gut gemacht und die Zukunft sieht für ihn nicht einfach gut aus und die Zukunft der Leaker ohne ihn nicht rosig. - Mag sein, er hat Anteil daran, dass es so kam.
Fehlende Solidarität und fehlende Fairness mit ihm, wird sich bald rächen, denn die wünschenswerten Teil-Wikileaks auf nationaler Ebene, andere Leak-Seiten Foren, andere Leak-Methoden, sind auch auf Persönlichkeiten und öffentliches Auftreten angewiesen.
Sie können das an dem guten Interview des "dF" (Steffen Kraft) mit Daniel Domscheit-Berg nachempfinden. Das Anliegen Domscheit-Bergs ist sicher gut und richtig. Es spricht aber nicht gegen Wikileaks.
Jedoch, ob der und seine Mannschaft in der Lage sein werden, diesem Anliegen auch Gehör, Beachtung, Mitarbeit und Unterstützung der Medien und Sponsoren zu sichern, ob ihnen "Leaks" gelingen, die beachtet werden und nötig sind (Assange und Co. gelang das bisher und tröpfelnd weiter, z.B. heute zu Nigeria und Shell !), steht in den Sternen.
Am Ende droht, dass aus einer global wirksamen Idee ein paar Handbücher zur Software und Verschlüsselungstechnik und eine Art Organisationskritik der prinzipiell unorganisierten Whistleblower-Information wird.
Und dann, ja und dann, die Bücherschreiber, der "Wahrheiten über Wikileaks", als Experten in den Medien auftreten, ein wenig Kohle machen, aber von ihnen gar keine Leaks mehr kommen.
Das wäre dann eine Art Verwertung der Krtitik an Assange, wie sie medienüblich, aber nicht aufklärerisch ist.
Darauf deutet hin, dass Domscheit-Berg so sehr auf der Personalsierung herum reitet und dazu auch noch kund tut, die gefundenen "Leaks" müssten sofort und auf einen Schlag zugänglich sein.
Ich persönlich denke, dass dies der beste Weg wäre, die Idee Wikileaks endgültig zu beerdigen und die bisher erreichte Glaubwüdigkeit, streng zwischen Privat und Öffentlich zu unterscheiden, und den Informantenschutz soweit wie Menschen überhaupt möglich auszubauen und gleichzeitig die Regierungen unter permanentem Druck zu halten, konterkarieren würde.
Personen haben ganz unterschiedliche Talente und es gehört auch Mut dazu, zu erkennen, wozu man selbst, im Bezug auf die Öffentlichkeit, nur darum geht es, gar kein Talent hat. - Ich wäre kein guter Assange, Sie vielleicht auch nicht.
Freundliche Grüße
Christoph Leusch
Lieber Columbus,
vielen Dank für Ihre klärenden Worte, die ich durchaus schlüssig finde. Wir müssen abwarten, ob sie sich bewahrheiten.
Ich glaube aber schon, dass es einen Spielraum gibt, "wieviele Köpfe" ein Projekt, eine Bewegung präsentiert.
In der Hamburger "Recht auf Stadt"-Vernetzung haben wir uns dagegen entschieden, irgendwelche Sprecher oder Repräsentanten zu bestimmen. Die Medien haben damit ihre Schwierigkeiten. Wirkungslos ist Recht auf Stadt deswegen nicht. Aber vielleicht funktioniert das nur lokal.
Die Zapatisten haben es im größeren Maßstab ebenfalls anders gemacht. Es war ja keine lustige Maskerade, für die sich Subcomandante Marcos entschieden hatte, sondern Konzept.
Ich bin in den Fragen der Repräsentation und Gegen-Macht ganz bei John Holloway. Vielleicht ist das naiv. Ich weiß es nicht. Aber anders sehe ich nicht, wie man aus dem Spiel der medialen Verwurstung und aus der Bedrohung massiver Gegenschläge (wie jetzt auf Wikileaks) herausfinden könnte.
Viele Grüße, nbo
@ nbo schrieb am 09.12.2010 um 11:40
Interessant: "Das wollten Sie doch gerne einmal lesen, dass ich an einer Stelle klein beigebe, nicht wahr? ...", schreiben Sie oben, und schon dieser Ihr Eindruck hat eine gewisse Evidenz, mühelos in Teilen zu bestätigen, wenn ich mir die Diskussion und meinen Stil noch einmal vergegenwärtige, und es drängt sich mir die Frage danach auf, wie sachlich ich sie meinerseits führe.
Bestes Ergebnis bisher: die Leidenschaft, mit der ich zu Werke gehe, hat ihren Grund darin, dass mir Ihre Position vermutlich sehr viel näher ist, als ich mir gerne eingestehen möchte.
Und in dieser Hinsicht hat mir diese Diskussion sehr viel interessantes gebracht, nicht zuletzt, dass ich z.B. völlig baff feststelle, dass ich Luthers aufklärerische Leistung anerkannt habe.
Wie eine Art Dienstleister stelle ich mir den Staat idealerweise vor, im Grunde wie dieses Cloud Computing - und würde nie im Leben ne CAAD-File online bearbeiten, noch nicht mal auf einem Rechner, der am Netz ist oder war - interessante Parallele, die sich da auftut, oder?
Und könnte man solche Probleme nicht schon am Modell erkenne, beispielsweise hier in der FC - danke, Emma! -, ein Gedanke, der sich mir bei ZEIT-online aufdrängte: mit welchem Recht entschieden dort die Macher mit ihren Sperrungen, mit wem ich dikutieren dürfe und mit wem ich dies zu lassen habe? Oder wie toll ist es, wenn da ein Relaunch stattfindet und private mails oder auch Grafiken in Beiträgen auf Nimmerwiedersehen verschwinden?
Sie haben Recht, Staat ./. Bürger ist natürlich als Machtfrage, Macht und Gegenmacht, hochinteressant, sie hat mich schon im Zeitforum ausführlich beschäftigt.
Nein, rasend hat's mich in Wirklichkeit gemacht: wie da kleingeistige 'Redakteure' Leuten spiessig übers Maul gefahren sind, die mindestens zehnmal so klug waren wie sie, die dann rausgeschmissen haben, weil sie angeblich zu krakeelig oder ordinär, in Wirklichkeit aber, weil sie ihnen über waren.
Ich finde den (bei Zeit online gelungenen) Versuch, intelligente Menschen im Interesse der Werbeindustrie in eine Art Kindergartenschar zu verwandeln, unerträglich, und J.Augsteins Artikel 'Wir Untertanen' stellt eine ähnliche Relation im Zusammenhang mit der Beurteilung der Wikileaks-Veröffentlichungen her.
Zu wem könnten Sie also überlaufen? Zu den Krakeelern, den ordinären Weibern und Maulhelden - wären Sie Joffes oder Blaus* Kuhn**, hätte Sie das den Job gekostet.
Sie sind aber freelancer, noch so ein bellizistischer Ausdruck, wie 'infowar': Worauf setzen Sie?
Da steckt der grundlegende Fehler in Ihren Überlegungen: Wenn Sie sich für neutral erklären, sind Sie's mitnichten, diese Erklärung allein ist schon eine Parteinahme für die, die am Bibelleseverbot festhalten wollen
de.wikipedia.org/wiki/Bibel%C3%BCbersetzung#P.C3.A4pstliche_.C3.9Cbersetzungsverbote
Bleibt die zuvorletzt die Frage, wo die Grenzen der Analogie sind, die Bibel soll vergleichbar mit den Botschaftsmails sein?
Öffentlich bekannt und verständlich ist, im Gegensatz zur Lutherzeit die Grundlage - 'We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, ...' -, und daran können die Botschaftskabel nun gemessen werden, das ermöglicht Wikileaks.
Vielleicht. Denn Assange sitzt im Knast, amerikanische Politiker sprechen von Assassination und die Joffes und Schwartes hierzulande sekundieren journalistisch. Wie sie es auch bei der Hessenwahl getan haben, weil da eine Erosion der Macht hinsichtlich einer Energiewende drohte.
So, und jetzt ist's genug, ich seh' ja ein, dass Sie das alles auch noch abgekriegt haben.
Ne, doch nicht. Sie irren an noch einer Stelle: Sie haben nicht klein beigegeben, als Sie mir oben den Punkt in Sachen Vulgarität zuerkannt haben, im Gegenteil.
Mit freundlichen Grüssen!
P.s. Die letzte Frage, vielleicht an Sie als Wissenschaftsjournalist: Wie kommt man mit all diesem Open-Source und GNU Zeug an seine Brötchen? Paypal-Spendenkonto scheints ja nicht zu sein ... (Vermutlich lenken die gerade so schnell ein, weil sonst rauskommt, wie mies sie ihre Privatkunden in Übersee behandeln.)
* Chefredakteur oder so, Zeit-Online
** lange Zeit Hauptverantwortlicher für Streichungen in Kommentaren und Sperrungen von Usern ebendort
Lieber nbo,
wie kommen Sie darauf: "Aber ich muss darin jetzt nicht ein weitsichtiges Verhalten von Assange anerkennen."
Sie haben mich oben missverstanden. Ich meinte etwas arg grob mit "schlcht recherchiert": Sie betreiben mit ihrem Beitrag ein gutes Stück weit Boulevard-Journalismus. Was nicht per se verwerflich wäre, allerdings ist Ihr Anspruch an die Pressefreiheit doch bekundetermaßen ein ähnlicher wie der meine, dachte ich?
Auch wenn Assange erst durch seinen Personenkult die massenhafte Aufmerksamkeit auf Wikileaks gelenkt hat, heisst das nicht, daß es statthaft wäre, seine Person, seine Taten hier in den Mittelpunkt von Kritik zustellen. Ich sagte doch: Die Pionierarbeit von Wikileaks ist einzigartig, die Dezentralisierung der wünschenswerte Effekt, gegen ein weiteres Monopol der Infarmationen, selbstverständlich sind wir uns da einig.
Die Probleme die Assange hat, sind polemisch runtergebrochen, oftmals bei künstlerischen Projekten, auch bei Bands zu finden sind, einer, der charismatischste, oft ein Hallodri, treibt da ganze Projekt zu großer medialer Aufmerksamkeit, badet darin zu übermäßig, verprellt die anderen irgendwann und schon steht die Trennung ins Haus.)
:)
Sagen Sie bitte lieber etwas zu den Inhalten der State-Logs,...sehen Sie sich an, wie sich jeden Tag die sich immer weiter verbösernde Fahrlässigkeit unserer Politik, bar jeden parlamentarischen Vorbehalts und fern notwendiger medialer Transparenz, mehr ans Licht drängt;
vernachlässigen Sie bitte vordergründige Klinkerlitzchen, die unsere steindoofe Presse, wie z.B. Spieglein und Anne Will, sich erfrecht überhaupt zu thematisieren.
Das Sie wussten, was man von Guttenberg zu erwarten hat in Ehren, aber, Hand aufs Herz:
Die State Logs, in ihrer aufgearbeiteten Form, sozusagen light, könnten das u.a. auch unseren arg desinformierten oder unterbelichteten Mitbürgern
plastisch veranschaulichen, welche Marschrichtung uns allen zugedacht ist.
Oder etwa nicht?
Grüße zurück - Emma Rothschild
Expertenbefragung Leitfaden:
1. Ausbau der Netzinfrastruktur:
@keiner: Dies ist ein Paradebeispiel dafür, wie man durch verschiedene gedankliche Paradigmen missverstanden werden kann. Anscheinend sind Bakterien für Sie per se etwas minderwertiges. Für mich aber nicht. Ich habe hier ein ganz einfaches Gesetz aus der Natur beschrieben. Und ich habe desgleichen auch in der Menschengesellschaft beobachtet. Ich hätte auch schreiben können, dass es Menschen gibt, die aus verschiedenen Gründen sich automatisch nur immer nach der Macht ausrichten und solche, die sich nach ihrem eigenen Herzen ausrichten. Gehören Sie etwa auch zu denen, die hier überall die "rechte Gefahr" wittern ?
Das scheint hier so eine Art Infektionskrankheit zu sein !
Ist ja furchtbar ! Ich mußte mir erstmal von einem Freund erklären lassen, was Ihr Kommentar überhaupt bedeuten könnte ! Schade, dass Sie auch diese Macke haben, wo sie doch das Herz auf dem rechten Fleck zu haben scheinen. Dies soll aber, wie das andere, kein schmieriges Lob sein, sondern eine Feststellung.Sie brauchen sich also nicht noch einmal so angeekelt bedanken !
Aus dem oben schon mal verlinkten Artikel zum New Yorker scheint hervorzugehen, dass die von Domscheit-Berg angekündigte Idee eines sicheren Briefkastens schon länger bei Wikileaks intern vorangetrieben wurde:
"WikiLeaks is a finalist for a Knight Foundation grant of more than half a million dollars. The intended project would set up a way for sources to pass documents to newspaper reporters securely; WikiLeaks would serve as a kind of numbered Swiss bank account, where information could be anonymously exchanged. (The system would allow the source to impose a deadline on the reporter, after which the document would automatically appear on WikiLeaks.)"
www.newyorker.com/reporting/2010/06/07/100607fa_fact_khatchadourian?currentPage=all
Möglich, dass dieses Stipendium durch die gegenwärtige Art der Veröffentlichungen gefährdet ist oder durch frühere schon längst perdu, 500000 Dollar jedenfalls sind kein Pappenstiel, und wer sie annimmt, wird sich dreimal überlegen, ob er anschliessend auf eine andere Weise als die prämierte weiter macht. Es geht also auch, wahrscheinlich, um Unabhängigkeit.
Zur Personalisierung: Was wäre denn, wenn Assange Pickel hätte und schielen würde? Gut, hätte er wohl diese Probleme in Schweden nicht, aber wäre er weniger glaubwürdig? Finde ich nicht. Mir persönlich ist es eher unheimlich, wenn einer angesichts von Fernsehkameras, unter den Blicken der Weltöffentlichkeit nicht schwitzend ins Stottern gerät, sondern völlig cool bleibt - aber auch dieses mein Gefühl kann doch im Ernst kein Kriterium sein, nachdem ich das Tun und die Äusserungen von Leuten beurteile.
P.s. Versteht jemand, was an dem leak über die Materialbeschaffung der Armee so fantastisch war, dass es Assanges Enttäuschung, dass kein Journalist es aufgreifen wollte, erklärt? (Ein Absatz weiter oben, “This was such a fucking fantastic leak: the Army’s force structure of Afghanistan and Iraq, down to the last chair, and nothing.”)
Entgeht mir, was hätte man darsus machen können?
Wie der Zufall so spielt: jener Johannes Kuhn, vormals Redakteur bei der ZEIT, betreibt sein eigenes Blog und der aktuelle Beitrag beschäftigt sich mit
>>Wikileaks oder “was ist Transparenz?”
Über den Wert der aktuellen Wikileaks-Enthüllungen.
Unter einem Bild von Julian Assange - in der Bildunterschrift freut er sich offenbar, dass der noch den Kopf auf den Schultern hat (oder missverstehe ich das?) - führt er, ähnlich wie nbo oben, aus: "Bei genauerem Hingucken stellt sich jedoch die Frage, welchen Mehrwert die Veröffentlichungen haben – denn wirklich brisant ist das alles nicht, es handelt sich eher um Gossip und Sichtweisen, die jeder nachvollziehen kann."
Vulgär findet er's allerdings nicht, dafür verlinkt er aber zu einem gewissen Frank Lübberding, der von 'journalistischer Pornographie' schreibe.
Danch geht's zur SZ, bei der ist er jetzt im Digitalressort oder so. Vermutlich - ich bin beiden links noch nicht gefolgt - den mit der journalistischen Pornographie finde ich so spektakulär, dass ich mir gerne noch ein bischen ausmale, was da wohl stehen wird und dann erst nachsehe
.
Über die SZ gibts hier nen interessanten link (was Rechtsanwälte so mit Streichungen rüberbringen, tolle Anregung)
www.kanzleikompa.de/2010/12/01/suddeutsche-basht-wikileaks/
Der Fairness halber sei noch auf einen lesenswerten Artikel in der SZ, dessen Mitautor Kuhn ist, hingewiesen, herrlicher Titel:
>>Ku-Klux-Klan ja, Wikileaks nein
www.sueddeutsche.de/politik/kreditkartenfirmen-lieber-ku-klux-klan-als-wikileaks-1.1033641
Und die ZEIT nach Kuhn, jenes einstmals begeisternde Projekt, das zeitnahe und unzensierte Online Diskussionen ermöglichen sollte?
Ist auch in erster Linie ein privates Unternehmen, die Geschäftsbedingungen ändern sich rasant, je nach Bedarf, und wer zu sehr aneckt, fliegt raus.
Und erzogen wird dort, strenger Pauker-der-alten-Schule - (vulgo: Steisstrommler)Ton. Nehmen Sie jenen Artikel über den Angriff britischer Studenten auf die Limousine von Charles und Camilla, der von einem hohen Polizeioffizier dahingehend kommentiert wurde, dass die anwesenden Sicherheitsleute bewaffnet gewesen seien und grosse Zurückhaltung dadurch bewiesen hätten, dass sie nicht auf die Demonstranten geschossen hätten (manches enthüllt sich auch ganz ohne Wikileaks).
Erdreistet sich doch so ein ZEIT-User, in der umfangreichen Diskussion folgendes zu schreiben:
>> 7. Wer schreibt eigentlich solche Artikel?
Ich frage mich auch, warum man nicht einfach mal auf Demonstranten schießt. Die sind doch alle selber schuld, also gleich mal abknallen, haben die Royalisten in Europen 1000 Jahre so gemacht, warum eigentlich heute nicht auch. Dann können wir Frauen auch entlich wieder auf dem Scheiterhaufen verbrennen, mensch an den Pranger stellen, Taschendiebe erhängen, das arme Volk vor den Stadtoren verhungern lassen, Ungläubige foltern, Kinder in Bergwerke schicken, Indianer ausrotten, etc. Jaja die guten alten Zeiten. (IRONIE)
Det kann natürlich nicht unredigiert bleiben, deshalb steht dadrunter:
>>Bitte äußern Sie sich sachlich zum Thema des Artikels. Danke. Die Redaktion/wg
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-12/sicherheitsdebatte-koenigsfamilie-protest
Und so geht das da die ganze ZEIT. (Das Gute ist, dass die bald bei 'Reden Sie nur, wenn Sie gefragt werden' angekommen sein dürften, und dann ist voraussichtlich Schluss)
In der Architektur baut man Modelle, in städtebaulichen 1:1000 z.B. sind Menschen meistens gross wie Ameisen, 1:50 erklärt räumliche Zusammenhänge schon zuverlässig (unschlagbar: der Bühnenbildner - Masstab 1:33 (jedenfalls in Frankreich) - die reinste Magie, als wär's echt): So fasse ich solche Analogien wie die zum ZEIT-Forum auf, und die Vorstellung, dass die Verfassung - Meinungsfreiheit - nur den Staat binde, ist m.E. in Kombination mit der Maxime, die Demokratie ende an den Werkstoren, sei also auch nichts für den ZEIT-Verlag und seine Aktivitäten, völlig unzeitgemäss.
Ich weiss nicht, unter welchem Namen Blackwater jetzt die Menschen abschlachtet, aber es ist genau dieses Privatisierungsprinzip, nur in einem anderen Masstab. (Bedeutet immer auch immer eine Änderung der Qualität, versuchen Sie mal, sich ein Fensterdetail in 1:500 klar zu machen)
Nachtrag: Kuhns Blog, bitte das Versäumnis zu entschuldigen, hier
www.kopfzeiler.org/?p=953
@nemequitte
Weder bin ich angeekelt, noch hielt ich Ihr Lob für schmierig, mein Dank war nicht ironisch.
Ihr Bild finde ich sehr problematisch, das habe ich ja auch dargelegt - überlegen Sie mal, Hitler hat doch die Juden als eine Art Parasit in dem, was er 'Volkskörper' nannte, bezeichnet, und erst dieser Vergleich hat bei vielen dazu geführt, dass sie die Schwelle zum Mörder überschritten, es war gekonnte Propaganda -, und natürlich sind die Verbrechen der Nazis - so lange her sind 75 Jahre nicht, ich habe noch Lehrer gehabt, die nach dem Krieg noch überzeugt vom 'Führer' waren, oder Grosseltern, die ihre Enkel beeinflusst haben - so, dass man auch heute gegen Rechts nicht vorsichtig genug sein kann.
Ich bin aber nicht unbedingt davon ausgegangen, dass Sie es in diesem Sinn meinen, Ihr anschliessender Kommentar zeigt das ja auch.
Mein Herz übrigens, ich habe noch mal nachgefühlt, schlägt da, wo es hingehört, links natürlich!
@keiner: Seltsam, Früher hatte das linke Spektrum in der Bevölkerung für mich immer vor allem etwas mit Gedankenfreiheit und Vorurteilslosigkeit zu tun, aber das ist weitestgehend verloren gegangen. Als ein Symptom davon empfinde ich diesen hysterischen Eifer,überall "rechtes Gedankengut" aufzuspüren. Ich verorte gefühlsmäßig heute nicht wenige dort, wo ich früher etwa die CDU verortet hatte,von der Borniertheit her. Ich meine da jetzt nicht direkt Sie,sonst hätte ich sie garnicht erst angeschrieben. Aber ein gewisser vorurteilhafter Dünkel ist doch auch in Ihrem Text wieder spürbar für mich,indem Sie mir erklären wollen, wie gefährlich und gewärtig ja doch immer noch diese Nazis seien.
Ich finde, die Linken haben sich zu sehr auf ein einziges
Feindbild eingeschossen. Schwachsinn und schädliches oder gefährliches Gedankengut,engstirnige Vorurteile, gibt es überall und ich nehme es ständig wahr
sogar auch immer einmal wieder bei mir selbst. Was ich eigentlich mit all dem sagen will: Ich finde es traurig und schade, dass ich heute bei dem Wort LINKE eher etwas beklemmendes, einengendes oder muffiges empfinde.
Ich habe mich sowieso nie irgendwo fest verorten können auf dieser Ebene, aber ich dachte früher eben
mit Zuversicht an die Linke, heute sind sie für mich nur noch ein Anachronismus, wie alle anderen politischen Strömungen auch. Für mich gab und gibt es immer nur diese oder jene Menschen und auch das ohne den Willen zum Abstempeln.
Und noch einmal: Bakterien sind Kleinstlebewesen und können gutes wie schlechtes tun , kein Ungeziefer!
Vielleicht sollten die Linken mal eine Konversations- Verbotswörter- Liste herausbringen, damit normale Menschen wissen, was da an Worten so alles mit der Hitlerzeit in Verbindung gebracht werden kann ! Ich frage mich manchmal, ob das etwas ist, was die DDR-Diktatur als Schatten hinterlassen hat in den Gemütern, weil man doch da immer so aufpassen mußte, was man sagt ! Wenn es so wäre, müßte das auch einmal bedacht werden, denn es schafft unnötige und ungute Kluften zwischen Menschen und es verletzt unnötig. Schöne Weihnachszeit Ihnen noch.
Danke, Ihnen auch! (Unseren Austausch können wir als kleinen Exkurs sehr gut so stehen lassen, finde ich)