Ambivalentes Afrika

Rezension Daria Hagemeisters Roman "Mein Afrika" in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen.

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Afrika – der schwarze Kontinent. Er liegt nur wenige Flugstunden entfernt und für viele von uns ist er eine vollkommen andere Welt. Ein Kontinent, der eine einzige Hungersnot, ein einziger Bürgerkrieg und ein einziges Chaos zu sein scheint, der aber auch aus Sandstränden, Safaris und Naturschönheiten besteht. Ein Kontinent – wie ein Klischee.

"Spätsommerglühen über Afrika“ - so der Titel des neuen Buchs der studierten Ethnologin, Afrikanistin und Germanistin Daria Hagemeister - spielt mit diesen Klischees. Der Titel und der Einband erinnern eher an den großen „Sommerliebesroman“ als an die Geschichte einer Frau, die auf mehreren Ebenen im Spannungsfeld zwischen Afrika und Europa lebt. Doch dieser erste Eindruck täuscht, wie so vieles im Leben der namenlosen Ich-Erzählerin, die von Kindauf zwei Leidenschaften hat: das Schreiben und Afrika. Tatsächlich ist „Spätsommerglühen über Afrika“ eine überarbeitete Version des 2008 im Arovell-Verlag erschienen Buches „Mein Afrika“. Der ursprüngliche Roman ist bereits vergriffen.

Die Ich-Erzählerin führt ein Reisebüro in Wien, das sich auf „Touren in Afrika“ spezialisiert hat. In dieser Funktion wird die Hauptfigur immer wieder von Partnerorganisationen und Veranstaltern eingeladen. Außerdem ist sie mit einem Nigerianer verheiratet, der in Österreich Medizin studierte. Eines Tages bricht der Ehemann auf, zurück in die Heimat, ohne seine Frau und sein Kind. Er lässt beide in Österreich im wahrsten Sinne des Wortes sitzen. Doch die Erzählerin erweist sich als Kämpfernatur und folgt ihrem Mann unaufgefordert nach Afrika – mit dem Baby. Die angestrebte Vereinigung mit und in Afrika läutet die Trennung ein.

Daria Hagemeister zeichnet ein sehr ambivalentes Bild. Auf der einen Seite die Naturschönheiten und Tourismusattraktionen, auf der anderen Seite ein Afrika, wie wir es auch immer wieder über die Medien vermittelt bekommen. In diesem Spannungsfeld zwischen traumhafter Kulisse und bitterer Armut versucht die „Ich-Erzählerin“ ihr Afrika zu finden und zu dokumentieren.

Der schmale Roman arbeitet mit vielen Rückblenden und verwebt einige Erzählstränge. Der Beginn des Romans ist beispielsweise ein klassischer Reisebericht über São Tomé. Durch die Rückblenden wird die Geschichte der Ich-Erzählerin stückweise dem/der Leser*in vor Augen geführt. Einerseits ist da die bereits erwähnte schwierige Ehe mit einem Mann, der alles verspricht und nichts hält; eine Geschichte, die einen wahren Clash of the Cultures auf dem Mikrokosmos einer bikulturellen Ehe vorführt. Andererseits ist da das Reisebüro, das zusehends den Nil runter geht und das Bindeglied für die Besuche und Reisen nach Afrika darstellt, die immer mehr zu einer Flucht und gleichzeitig zu einem Nachhausekommen werden.

Stilistisch arbeitet Daria Hagemeister mit bemerkenswerten Brüchen, die auch sprachlich die Gefühlswelt der Ich-Erzählerin widerspiegeln. Es wechseln klassische Reisebeschreibungen mit den Erlebnissen in der Ehe ab. Von einer schwärmerischen Beschreibung von Land und Leuten bis hin zu trockenen, teilweise sehr rauen Reflexionen über die Beziehungen. Die Brüche sind deutlich und machen den Roman von Daria Hagemeister interessant. Sie spiegeln die Ambivalenz eines Kontinentes wieder.

Spätsommerglühen kann direkt bei der Autorin bestellt werden

Mehr Informationen unter: www.daria-hagemeister.com



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Geschrieben von

Neil Y. Tresher

Alle Angaben zu meiner Person sind Hörensagen mit Gewehr - äähm ohne Gewähr.

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