Cyber Sex 2.0

Virtuelle Ehe Ein Mann heiratet eine Computerfigur – ausgezeichnet! Der Freitag nennt zehn gute Gründe dafür, warum das Beziehungsmodell Mensch-Maschine Schule machen könnte.

Der Japaner mit dem klingenden Namen SAL9000 hat endlich seine geliebte Computerfigur Nene Anegasaki heiraten dürfen. Welch ein Traumpaar! Wir vom Freitag wünschen von Herzen alles Gute und sehen in dieser Beziehung viele Vorteile, die sie zu einer echten Alternative zum etwas überkommenden Mensch-Mensch-Modell machen könnte:

1. Saver Sex

Gerade war Welt-Aids-Tag. Die Zahl der Neuinfizierungen steigt (zumindest gefühlt) schneller als die der Schweinegrippe. Auch in der Ehe immer mit Gummi? Muss ja nicht sein. SAL9000 und Nene Anegasaki müssen sich diesbezüglich keine Sorgen machen: Sie berühren sich nur via Touchpad.

2. Tradition

Auto, Geige, Rührstab – dass sich Menschen an unbelebten Gegenständen erregen, ist nichts neues. Objektophilie heißt das in der Fachsprache und unterscheidet sich vom herkömmlichen Gummifetischismus dadurch, dass das Objekt nicht nur der Stimulanz dient, sondern tatsächlich als eigenständiges Gegenüber wahrgenommen und geliebt wird. Wenn Menschen nach 9/11 vor einem Modell der Twin Towers ob witwengleicher Trauer in Tränen ausbrechen, dann ist es doch nur verständlich, dass SAL9000 ein schnuckeliges Exemplar wie Nene heiratet.

3. Flexibilität

Fernbeziehung ade: Nenes heimischer Nintendo DS ist eine kleine, handliche Konsole, die sich bequem überall hin mitnehmen lässt. Nene ist jederzeit und überall für SAL9000 verfügbar und passt sich in guter Hausfrauenmanier seinem Leben an. Sie selbst ist nicht berufstätig.

4. Jugendschutz

Dating im Internet ist heutzutage zwar ziemlich normal, aber schließlich weiß niemand im Voraus, ob cuteboy123 wirklich Gitarre spielt und grade seine Zahnspange losgeworden ist oder doch schon 53 ist, einen Bierbauch hat sowie eine Vorliebe für kleine Mädchen. Bei der Verbindung von Mensch und Maschine fällt der Gefahrenfaktor Pädophilie weg: Nene ist ehemündig und ergo volljährig, obwohl sie in ihrem Faltenröckchen schon ziemlich nach Schulmädchen aussieht. Ausziehen kann man es ihr aber zum Glück nur nachts.

5. Gottgefälligkeit

„Mit priesterlichem Segen“ hat die Hochzeit laut Süddeutscher Zeitung stattgefunden, in einer Kirche auf der Pazifikinsel Guam. Na, und wenn schon Kirchenmänner die Verbindung von Mensch und Maschine gutheißen, dann dürfen wir Normalsterblichen auch nicht meckern.

6. Fun-Faktor

SAL9000 ist offenkundig ein Nerd, so einer, der früher auf dem Schulhof gedisst wurde. Er verbringt viel Zeit vor dem Computer, dass macht ihm Spaß. Mit der Ehelichung von Nene hat er sozusagen sein Hobby zum Beruf gemacht: Die Eheschließung hat ganz schön Staub aufgewirbelt und SAL9000 wird mit dem Medienmanagement erst mal alle Hände voll zu tun haben, bevor er wieder bei seiner Angetrauten die richtigen Knöpfe drücken kann.

7. Kavaliers-Qualitäten

Um im Computerspiel Love Plus, dem Nene entstammt, eine Frau aufzureißen, bedarf es guter Manieren: Ganz oldschool muss der Spieler seiner Angebeteten Blumen überreichen und sie zum Essen ausführen. Das ist doch wesentlich stilvoller als dumpfes Vollsallern nach drei Bier zu viel in der Eckkneipe und lässt zudem auf einen Trainings-Effekt hoffen.

8. Sorgerecht

Eine echte Alternative ist die virtuelle Ehe für Single-Väter: Statt sich mit der Ex um die Bälger zu kloppen, könnten sie Trost bei Nene oder einer Lara Croft-Lookalike finden. Mit der virtuellen Geliebten gibt's garantiert nie Streit ums Sorgerecht.

9. Vernunft

Die Wissenschaft hat, wenn auch indirekt, das Gelingen der virtuellen Ehe bestätigt: In seinem Buch „Lob der Vernunftehe“ schreibt der Paartherapeut Arnold Retzer, dass "dem Zustand des Glücks das Diktat des Sinns [...] fehlt.“ Außerdem empfiehlt er, die Ehe von zu großen Erwartungen (absolute Gleichberechtigung, aufregender Sex bis ins hohe Alter) zu entlasten.

10. Fortschritt

The Show must go on: Steffi Graf hat Andre Agassi geheiratet, Franz Müntefering wird demnächst seine 40 Jahre jüngere Freundin Michelle Schumann vor den Altar führen. SAL9000 und Nene reihen sich da ganz gut ein, denn was haben wir schließlich in knapp acht Millionen Jahren Menschheitsgeschichte gelernt? Richtig: Dass man immer noch einen draufsetzen kann. Und muss. Sonst wird's nämlich langweilig.

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Geschrieben von

Nele Jensch

Autorin des Freitag

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