Seit 1927 zeichnet das Time Magazine Menschen, Personengruppen und sogar Gegenstände aus, die das Weltgeschehen eines Jahres entscheidend beeinflusst haben. Bereits sechs Mal gingen die Auszeichnungen an Personen und einen Gegenstand aus dem Bereich der Digitalisierung. Das 1923 gegründete Magazin trug damit den weltbewegenden Leistungen der Internet- und Digitalpioniere Rechnung. Wer waren die Ausgezeichneten und was machen sie heute?
Maschine des Jahres 1982
Der erste Träger des Titels “Mann des Jahres” – erst im Jahr 1999 änderte man den Namen zu “Person des Jahres” – war 1927 Charles Lindbergh, dem im Mai desselben Jahres der erste Nonstopflug von New York nach Paris gelungen war. 55 Jahre später wurde erstmals ein Gegenstand a
sselben Jahres der erste Nonstopflug von New York nach Paris gelungen war. 55 Jahre später wurde erstmals ein Gegenstand ausgezeichnet. Und was für einer! Zur Maschine des Jahres wurde 1982 der Computer gekürt. Die Urteilsbegründung ist ein heute noch unterhaltsamer Text, der vorausschauend den Stellenwert des neuartigen Geräts aufzeigte. Dort ist etwa die Rede von der Zeit, die der Computer den Menschen erspart, dem zu entdeckenden Territorium, das durch die Rechenmaschine eröffnet wird, und die neue Welt, die am Desktop heraufzieht.Und wie der Computer die Welt verändert hat! Hätte man 1982 die Computerwelt und das Internet noch getrost “Neuland” nennen dürfen, so sind Computer im Jahr 2015 allgegenwärtig. Bereits 2008 wurde die Marke von einer Milliarde Geräten weltweit überschritten und im November 2015 nutzten rund 3,35 Milliarden Menschen das Internet. Entscheidenden Anteil am Erfolg der Computer hatte unter anderem Andrew Grove. Der Mitbegründer von Intel wurde im Jahr 1997 zum Times-Mann des Jahres gewählt. Die Intel-Chips seien der “Dynamo einer neuen Wirtschaft, die geprägt ist von niedriger Arbeitslosigkeit, vernachlässigbarer Inflation und einem überschwänglichen Aktienmarkt”,begründete Walter Isaacson am 29. Dezember 1997 die Wahl Groves, der die “größte Verantwortung trägt für das sagenhafte Wachstum des Leistungs- und Innovationspotenzial von Microchips.” Heute wird Grove mitunter noch immer als der Mann gefeiert, der das Silicon Valley aufgebaut hat.Vom Buchhandel zum RaketenunternehmerBloß zwei Jahre später kam es zur Auszeichnung des Mannes, dessen Firma gerade in der jetzigen Vorweihnachtszeit geradezu heiß läuft. Jeff Bezos, Gründer von Amazon, war Times-Mann des Jahres 1999 und bekam zu seinen Ehren wohl eines der amüsantesten Time Cover. In einer Kiste mit Styroporbuchstaben, Büchern und einer Computermaus lag Bezos’ Kopf, ein schelmisches Grinsen im Gesicht – der Film “Seven” lässt grüßen. Der mittlerweile viertreichste Mensch der Welt hatte 1994 in Seattle Amazon ins Leben gerufen und damit den Handel weltweit auf den Kopf gestellt. Gab es anfangs auf amazon.com lediglich Bücher zu kaufen, findet man heute für alle Zwecke etwas in den virtuellen Regalen.Autor Joshua Cooper Ramo würdigte Bezos als einen der wenigen Menschen, die Schwingungen in der Wirtschaft schon wahrnehmen, lange bevor der Rest von uns die richtungsweisenden Veränderungen bemerkt. “He’s helped build the foundation of our future”, schrieb Ramo vor 16 Jahren und behielt recht. Wir können uns heute vom Bett aus beinahe jedes Gut nach Hause liefern lassen, ohne aufzustehen – außer natürlich, wenn der Paketbote bereits am nächsten Tag die Bestellung liefert und jemand die Tür öffnen muss. Und was macht Bezos heute? Er arbeitet weiter an der Revolution, zum einen der privaten Raumfahrt, zum anderen der Paketlieferung.Du bist die Person des Jahres 2006Nach dem viertreichsten Menschen ging die Auszeichnung des Time Magazines 2005 unter anderem an den reichsten Mann der Welt. Bill Gates, seine Ehefrau Melinda und U2-Sänger Bono wurden als gute Samariter für ihren Einsatz im Kampf gegen Armut, Krankheiten und Ungerechtigkeiten ausgezeichnet. Bill Gates, der 1975 Microsoft gegründet hatte und damit wohl zu einem der Männer des Jahrhunderts wurde, rief mit seiner Ehefrau 1999 die Bill & Melinda Gates Foundation ins Leben und legte so den Grundstein für sein humanitäre Hilfe. Bis 2013 hatten Melinda und ihr Vorzeige-Nerd über die Stiftung nach eigenen Angaben 28,3 Milliarden US-Dollar an Fördergeldern vergeben und Bill Gates setzt sich auch 2015 weiter für die Verbesserung der Lebensbedingungen weltweit ein.Ein Jahr nach dem Gates-Ehepaar und Bono ging die Auszeichnung an jemand ganz Besonderen: Dich! Zwei Jahre nach der Gründung von Facebook würdigte Time jeden Einzelnen, der sich in den sozialen Netzen des World Wide Web herumtrieb und damit zum Wachstum des Weltwissens beitrug. Als Beispiele nannte Lev Grossman das Engagement im kosmischen Wissenskompendium Wikipedia, beim Netzwerk der Millionen Kanäle YouTube und in der “online metropolis MySpace”. Was heute so selbstverständlich erscheint – Online-Reviews schreiben, Podcasts aufnehmen, Facebook-Profile erstellen – war vor nur neun Jahren einer der berühmtesten Zeitschriften der Welt noch eine herausragende Würdigung wert. Der Wert der sozialen Interaktion über das Internet spiegelte sich hier auf beeindruckende Art wider.Jeder, der seinen noch so kleinen Beitrag zur Informationswucht des Netzes leiste, trage laut Time Magazine dazu bei, eine neue internationale Übereinkunft zu schaffen – eine Übereinkunft, die nicht zwischen Politikern oder großen Menschen besteht, sondern Bürgern und einfachen Menschen. Wer vor fast einem Jahrzehnt also seine Spur im World Wide Web hinterlassen hat, darf auf jeder Party behaupten, schon einmal Person des Jahres gewesen zu sein. Die Rasanz der Entwicklung hat seit 2006 nicht abgenommen. Wikipedia und YouTube sind stetig gewachsen, MySpace hingegen ist mittlerweile zur Musiknische des Netzes geschrumpft. An die Stelle des ehemals größten Netzwerks ist Facebook getreten, neue Verständigungsplattformen wie etwa Twitter, Instagram und Snapchat bestimmen online das soziale Miteinander und wir alle sind daran weiter beteiligt.Marks ImperiumApropos Facebook: Gründer Mark Zuckerberg wurde 2010 als bislang Letzter aus der Riege der Digitalen zur Person des Jahres ernannt. Sein so unschuldig wirkendes Babyface zierte das Cover der Ausgabe vom 27. Dezember 2010. Gewürdigt wird vor allem seine Leistung, innerhalb von fast sieben Jahren rund 700.000 Nutzer über sein Netzwerk miteinander zu verbinden. Fünf Jahre später nimmt Zuckerberg nun nach der Geburt seiner Tochter eine zweimonatige Auszeit, während sich rund 1,55 Milliarden Menschen auf Facebook vereinen. Die etwa vier Milliarden Menschen, die noch nicht den Weg ins Netz gefunden haben, ins Internet zu bringen, ist mit dem Projekt Aquila sein nächstes Ziel. Und mit Oculus Rift gehört mittlerweile auch einer der Big Player im Bereich Virtual Reality zum Facebook-Imperium.Es ist zu erwarten, dass zukünftig noch mehr digitale Weltveränderer das Cover der “Person des Jahres”-Ausgabe des Time Magazines zieren werden. Auch wenn man immer wieder denkt, dass Ende der Fahnenstange sei erreicht, so werden weiterhin digitale Vordenker die Welt auf den Kopf stellen und uns neue Horizonte aufzeigen. Wer das sein wird, ist noch nicht abzusehen.
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