Jedem, der mit Frankreichs jüngster Geschichte vertraut ist, kommt dies bekannt vor: die Regierung bringt eine Reform heraus, die Bürger reagieren mit Empörung und Paris ist voller Demonstrationen und Streiks.
Die neuesten Unruhen begannen im März, als Präsident Hollande vorschlug, das französische Arbeitsrecht neu zu bearbeiten. Bekannt als „El Khomri-Gesetz“, das nach der verantwortlichen Ministerin Myriam El Khomri benannt wurde, teilt die Reform einige Elemente früherer Versuche, einschließlich der Freiheit für Unternehmen, was die Einstellung und Kündigung von Arbeitnehmern angeht, doch die Ergebnisse sind dieselben: weit verbreiteter Widerstand.
Alles begann mit einer Onlinepetition, die bereits nach zwei Wochen mehr als eine Million Unterschriften erhalten und sich seitdem in die Öffentlichkeit verlagert hat. Tausende von Demonstranten belagerten den Place de le République mit Treffen und Debatten, die die ganze Nacht gingen, daher ist die Protestbewegung jetzt als Nuit Debout bekannt (grob übersetzt als „die ganze Nacht stehend“).
Das Ziel ist es, einen gemeinsamen Raum zu schaffen, der es Bürgern erlaubt, sich auszutauschen, ihre Wut auszudrücken und sich eine bessere Welt vorzustellen. Erst vor kurzem hat sich die Bewegung über Paris hinaus nach Nizza, Bordeaux und Lyon verbreitet.
Anfang 2006 brachen ähnliche Proteste gegen einen vorgeschlagenen „Contrat Première Embauche“ (Vertrag zur Ersteinstellung) in Frankreich aus. Studenten, Gewerkschaften und linke Parteien vereinten sich gegen diesen Vorschlag, sodass der damalige Premierminister Dominique de Villepin nach Monaten des Protests, seine Idee schließlich aufgeben musste.
In Nuit Debout spielten der Autor, Filmemacher und Aktivist François Ruffin, dessen Film Merci Patron! ein Meilenstein für die Protestbewegung war, sowie der Ökonom Frédéric Lordon wichtige Rollen. Es finden sich Anklänge an die Occupy Wall Street und die spanische Bewegung Los Indignados („die Empörten“). In Spanien verhalf dieseProtestbewegung der Partei Podemos zum Aufschwung, die in den Wahlen vom Dezember 2015 einen erheblichen Zuwachs verzeichnen konnte und jetzt eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zur Regierungsbildung spielt.
Da die Proteste in Frankreich angestiegen sind, gingen die Befürworter über das ursprüngliche Ziel hinaus, die Rücknahme des Arbeitsgesetzes, wie es bereits 2006 geschehen war, zu erzwingen und streben nun die Ingangsetzung einer breiten politischen Bewegung an.
Das Gesetz, mit dem alles begann
Natürlich reicht Frustration alleine nicht aus, um eine Massenmobilisierung zu starten – es benötigt einen Auslöser. Die vorgeschlagene Arbeitsrechtsreform erlaubte der Bewegung, sich über die Kerngruppe der Schüler, Aktivisten und Gewerkschaften hinaus zu verbreiten und in den Massenmedien zu erscheinen. Das Gesetz bot auch die Rahmenbedingungen für eine Reihe an Demonstrationen und verhalf der Bewegung somit, Gestalt anzunehmen. WieFrédéric Lordon in der ersten Nacht der Nuit Debout am 31. März sagte: Wir werden dem El Khomri-Gesetz nie genug dafür danken können, dass es uns aus unserem politischen Schlaf geweckt hat.
Was soziale Bewegungen von einfachen Demonstrationen unterscheidet, ist, dass diese einen höheren Zweck haben und nicht nur eine ganz bestimmte Forderung stellen. Bereits bei den ersten Treffen von Studenten und Schülern am 9. März, bot das El Khomri-Gesetz Gelegenheit, die allgemeine Wut auszudrücken. In Protestflyern riefen die Studenten zum Widerstand gegen die „Regierungspolitik“ und nicht nur gegen den Gesetzesvorschlag auf. Während der Protestmärsche zeigten die Demonstranten ihre Enttäuschung über die Linke allgemein und über die regierende Sozialistische Partei im Besonderen.
Der Elite die Stirn bieten
Die Studenten prangerten die Absprachen zwischen der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes an, so wie es zuvor schon die Occupy-Bewegung tat, die 2011 durch die Welt ging. Sie schlossen sich vielen Aktivisten, Intellektuellen und progressiven Politikern der „Linken der Linken“ an, einer politischen Bewegung, die 2014 einMisstrauensvotum gegen den Premierminister Manuel Valls erzwang.
Das Fehlen brauchbarer politischer Alternativen in Frankreich fördert die Mobilisierung der Wut und der Forderung nach einer mehr partizipatorischen Demokratie, die sich auf die Leute konzentriert. Die französischen Bürger identifizieren sich nicht mehr mit der nationalen und europäischen politischen Elite. Das System erscheint ihnen als „Demokratie, bei der sie keine Wahl haben“, bei der ein Wählen für die linke Sozialistische Partei und die rechten Republikaner kaum einen Unterschied bezüglich der Sozial- und Wirtschaftspolitik des Landes macht.
Diskussionen über das wirtschaftliche Programm (das nur durch das Umgehen einer Parlamentsabstimmung verabschiedet werden konnte) des Finanzministers Emmanuel Macron verstärkten diese Überzeugung nur noch. Ebenso tat dies die gescheiterte Verfassungsänderung, die verurteilten Terroristen mit doppelter Staatsbürgerschaft die französische Staatsbürgerschaft entziehen wollte.
Aufgrund der verbreiteten Enttäuschung über die Regierung und den etablierten linken Bewegungen wie der Grünen Partei und der Front de Gauche, die von inneren Meinungsverschiedenheiten zerrissen sind, sahen progressive Bürger ihren einzigen Ausweg darin, ihre Unzufriedenheit auszudrücken und eine „andere Politik“ der Straße aufzubauen. Bei Nuit Debout, so wie in den Occupy Camps, ging es nur darum, dass man „sich als Staatsbürger zusammenreissen“ und die Relevanz repräsentativer Demokratie hinterfragen soll.
Eine Jugend ohne Zukunft?
Während der Ereignisse am Place de la République und auf sozialen Netzwerken (#OnVautMieuxQueCa, #NuitDebout,#LoiTravail, #32mars) drücken Jugendliche ihre Ängste darüber aus, dass sie sich ihrer „Zukunft beraubt“ sehen.
Auch wenn Occupy, die Indignados und Nuit Debout keine Jugendbewegungen an sich sind, so sind junge Leute auf jeden Fall die treibende Kraft dahinter. Durch diese Demonstrationen bestätigen und drücken sie sich als Individuen und als treibende Kraft für Demokratie aus, die gewillt ist, die Welt neu zu interpretieren. Dieser all umfassender Wunsch kann anhand eines einzigen Tweets gesehen werden:
Wohin als nächstes?
Wird also Nuit Debout nun wie Occupy im Sande verlaufen oder wird es denselben Weg wie Los Indignados gehen, die einen politischen Wandel in Spanien entfachten?
Während sich beide Bewegungen weigerten, sich ins Wahlverfahren einzumischen, beschlossen manche ihrer Aktivisten genau dies zu tun. Jeremy Corbyns Kampagnen, der 2015 zum Parteiführer der British Labour Party gewählt wurde, und Bernie Sanders, der momentan bei den US-amerikanischen Vorwahlen der Demokraten für die Präsidentschaftswahlen gegen Hillary Clinton kandidiert, wurden von jungen Aktivisten bestärkt, die wie so oft über die Politik wütend und frustriert sind.
Der Aufstieg der Podemos Partei in Spanien war sowohl die Fortführung als auch der Wechsel der indignados Bewegung: sie zeigte, dass politischer Wandel möglich ist, aber nur wenn ein Umschwung von Entrüstung zur Organisation stattfindet. Um das zu ermöglichen, betrog Pablo Iglesias, Generalsekretär der Podemos seit 2014, bestimmte Kernwerte der Indignados, einschließlich ihrer führerlosen Struktur und der Bedingung, dass Entscheidungen von der größtmöglichen Zahl von Teilnehmern gefällt werden müssen.
Obwohl Nuit Debout einige Anleihen an der spanischen Bewegung nahm, unterscheidet sich die politische Situation Frankreichs und Europa durch den Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien und den Sicherheitsbedenken von der Situation 2011 erheblich. Nuit Debouts Zentrum am Place de la République ist dort, wo die großen, öffentlichen Gedenkfeiern nach Charlie Hebdo und den Attacken vom 13. November stattfanden. Manche Politiker, einschließlich des früheren Premierministers und Präsidentschaftskandidaten François Fillon, kritisierten die Bewegung als Sicherheitsrisiko.
Durch Frankreichs erst kürzlich erweiterten Notstand, hatten die Behörden nicht nur potentielle Terroristen im Visier. Muslime und junge Leute werden regelmäßig von der Polizei brutal behandelt und manche Studentendemonstrationen sogar mit Gewalt unterdrückt.
Die Nuit Debout-Bewegung in Frankreich wird ihren eigenen Weg finden müssen, indem sie auf den Erfolgen und den Einschränkungen ihrer Vorgänger aufbaut. Ohne die Zukunft voraussagen zu können, kann jetzt schon gesagt werden, dass das Zusammenbringen Tausender Bürger aller Generationen, die bestätigen, dass „eine andere Welt möglich ist“ – dass es fortschrittliche Alternativen gibt, die auf Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Würde gerichtet sind, bereits jetzt ein großer Erfolg ist.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Netzpiloten
Kommentare 15
Das junge Menschen die Politik der etablierten Parteien und Regierungen nicht akzeptieren können ist nur zu verständlich. Aber: Es ist wie mit der brownschen Bewegung. Man erreicht den Siedepunkt – aber die Bewegung ist nicht zielgerichtet und deshalb leicht kontrollierbar.
Was fehlt ist die Organisation der Bewegung. Vielleicht ist hierfür auch ein bisschen Demagogie notwendig. Die Zeit wird kommen – die Frage ist nur, wer diese Bewegung nutzen wird. Wenn sich kein Linker findet werden es die Rechten tun.
sorry , aber das ist pseudoschlaues Gelaber. Man bekämpft heute nicht mehr den Kapitalimus und seine Phänomene, um in zu zerstören oder dessen Eliten abzulösen, sondern man macht einfach etwas anderes ... und das beinhaltet auch die Art der Selbstorganisation, die natürlich nicht so sein kann wie die der bestehenden Herrschaftsverhältnisse oder deren parteipolitischen Büttel, denn sonst wäre es nicht anderes und könnte auch nichts anderes werden.
Wer also hier meint, diese Bewegung daran erinneren zu müssen, dass sie sich doch bitte nach dem Vorbild der etablierten Politik organisieren müsse, sagt an sich, dass er Angst vor Anderem hat und lieber möchte , dass alles beim Alten bleibt , nämlich bei einer willkürlichen Welt der Ausbeutung und Zerstörung.
Ich möchte hiermit alle Eiladen, in Deutschland und anderswo auf der Welt, sich dringend mit dem Parteiprogramm einer wahrhaft Integralen Politik auseinanderzusetzen. Mit alten Rezepten kommen wir nicht mehr weiter, wie die Menschen bereits bemerken. Das dürfte jedem einigermassen intelligenten Menschen aufgefallen sein.
Es muss sich einiges ändern, wenn wir unseren Kindern eine lebenswertere Welt hinterlassen wollen, als mit dieser bisherigen wirtschaftweise mit Vollgas in den Abgrund zu fahren.
Hier einige Handlungsoptionen aus der Perspektive einer Integralen Politik:
Positionen
Integrale Erziehung und Bildung – kurze Fassung – Vollversion
Stellungnahme der IP zum Lehrplan 21
Integrale Gesundheit – kurze Fassung – Vollversion
Integrale Wirtschaft – kurze Fassung – Vollversion
Integrale Migrationspolitik – kurze Fassung – Vollversion
Integrale Friedensarbeit – Vollversion
Integrale Gesellschaft – Vollversion
Integrale Klima- und Energiepolitik – Vollversion
INTEGRALE WIRTSCHAFT Kurzfassung der Positionen
Eine Wirtschaft im Dienst der Welt – durch inneres Wachstum der Menschen
Die Wirtschaftsepoche, wie sie sich seit der industriellen Revolution bis heute entwickelt hat, geht ihrem Ende entgegen. Die Anforderungen an Produktivität und Wachstum entsprechen nicht mehr den heutigen oder künftigen menschlichen Bedürfnissen und den Herausforderungen unserer Mit- welt. Die Wirtschaft wird ihre Aktivitäten in den Dienst der menschlichen Gemeinschaft und unseres Planeten stellen. Die Wirtschaft wird so zu einer wichtigen Grundlage zur Schaffung einer neuen Gesellschaft.
Seit den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Marktwirtschaft stark im Interesse der Profitmaximierung und zugunsten des Finanzsektors ausgebaut. Es entstanden daraus problematische gesellschaftliche Entwicklungen wie die Verarmung der Mittelschichten und das Entstehen von Armut trotz Arbeit. Zudem verschlingt ein nicht nach ökologischen Kriterien reguliertes Wirtschaftswachstum die Ressourcen der Erde.
Vision
Wirtschaften dient der Erfüllung des Lebens und ist nicht Selbstzweck. Die entwicklungspolitischen Ziele der Wirtschaft (die derzeit auf Gewinnmaximierung und Massenkonsum ausge- richtet sind) richten sich vermehrt auf die Selbstentfaltung jedes Einzelnen und das Wohler- gehen der Gesellschaft und unserer Erde.
Ziel
Integrale Politik möchte den Wunsch nach persönlicher Freiheit mit der Verantwortung für das Gemeinwohl vereinen:
Der Markt findet ein neues Gleichgewicht zwischen Konkurrenz und Kooperation und orientiert sich neu am Ziel des Gemeinwohls und einer positiven Mitweltbilanz.
Wirtschaftsentwicklung und Selbstverwirklichung des Menschen basieren beide auf qualitativem Wachstum. Damit nimmt der Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen ab und es steigen der Respekt gegenüber ökologischen Aspekten und das Interes- se an nicht materiellen Ressourcen.
Die neue Wirtschaft verhält sich konstruktiv, das heisst verantwortungsvoll gegenüber allen Menschen und der gesamten Mitwelt, qualitätsbewusst, kooperativ und kreativ.
Konkrete Vorschläge
1. Förderung von Unternehmen mit Gemeinwohlbilanzen
Wir unterstützen Firmen und Organisationen, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien geführt werden. Wir tun das durch aktive Förderung pionierhafter Initiativen, mit innovativen Bildungsprogrammen und interdisziplinären Forschungsprojekten. Die Triple- Bottom-Line (Planet, People, Profit) kann helfen, den Sozial- und Umweltbeitrag einer Firma zu messen.
2. Entschleunigung der virtuellen Märkte
Haltefristen für Wertpapiere und Finanzprodukte, Besteuerung von Finanztransaktionen (inspiriert durch die Tobin-Steuer) sowie Alternativen zum Zinssystem könnten helfen, eine neue Spekulationsblase zu vermeiden.
3. Banken dienen wieder der Realwirtschaft
Statt der Ausrichtung auf Vermögensverwaltung und Investment banking werden Banken wieder ihrem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich mit Kreditvergabe und Dienstleistungen als Wertaufbewahrungsinstitute den Unternehmen der Realwirtschaft zur Verfügung stehen.
4. Lenkungsmassnahmen für nachhaltiges Wirtschaften
Die Preise beinhalten externe Sozial- und Umweltkosten (Internalisierung der Kosten). Ökologische Technologien und erneuerbare Energien werden finanziell und mit Steuererleichte- rungen gefördert. Giftstoffe und Verschmutzungen werden limitiert und ersetzt.
5. Höhere Konsumsteuern vermindern die Arbeitsbesteuerung
Eine gezielte Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Güter und Dienstleistungen mit einer negativen Sozial- und Umweltbilanz erlaubt eine Entlastung der Einkommenssteuer. Damit werden sowohl ein verantwortungsvollerer Konsum als auch die unternehmerische Kreativität gefördert.
6. Wir sorgen uns gemeinsam um Wasser, Erde und Luft
Die Sicherstellung einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen ist entscheidend zur Erhaltung einer lebenswerten Schweiz und einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Dazu müs- sen wir, – die Gesellschaft –, uns gemeinsam um die natürlichen Ressourcen kümmern können. Wir möchten diesbezüglich in Betracht ziehen, den privaten Grundbesitz durch ein lang- fristiges Nutzungs- und Pachtrecht zu ersetzen, das vererbt werden kann.
Mögliche längerfristige Lösungsansätze
Zur Sicherung der Existenz aller Bürger schlagen wir ein garantiertes Grundeinkommen vor.
Wir möchten, dass der Begriff «Arbeit» um sämtliche Aktivitäten, die dem Gemein- wohl und der ganzheitlichen Entwicklung des Individuums dienen, erweitert wird.
Die Einführung von Mindest- und Höchsteinkommen in einem Betrieb und die Beschränkung des Gesamteinkommens pro Bürger schafft eine grössere soziale Gerechtigkeit. Durch diese Verminderung der Einkommensunterschiede wird eine ausgegli- chenere Wertschätzung der Arbeitsleistung erreicht.
Neue Bewertungsmassstäbe (z.B. die Gemeinwohlbilanz) erfordern ein neues Verständnis der Unternehmensführung: Unternehmen werden nach ethischen, sozialen und nachhaltigen Grundsätzen ökonomisch – effizient und effektiv – geführt.
Forschung orientiert sich an inter- und transdisziplinären Lösungsansätzen für eine nachhaltige Gesellschaft.
Eine Verringerung der Vermögensunterschiede durch entsprechende Änderungen der Vererbungskultur und der Erbgesetze und die Beschränkung der direkten Erbschaft auf ein angemessenes Maximum wird zu einer Erhöhung der Chancengleichheit führen. Ein noch zu definierender Erbenfond könnte geschaffen werden.
Wir freuen uns auf weitere Ideen und Initiativen dazu.
www.integrale-politik.ch
Sorry für die späte Antwort, wenn überhaupt erwartet, aber ich bin gerade in einigen der von dir aufgeführten Länder in Westeuropa unterwegs und kann deshalb nur selten auf dieses Portal gehen.
Wer also hier meint, diese Bewegung daran erinnern zu müssen, dass sie sich doch bitte nach dem Vorbild der etablierten Politik organisieren müsse, der meint wirklich falsch.
Wer aber glaubt auf übergreifende Organisation und Führung verzichten zu können, ebenso.
Also: Mein „Gelaber“ resultiert einfach aus der Befürchtung, dass ohne übergreifende Organisation (und das können und sollten durchaus auch neu entwickelte Formen sein, welche die jetzigen „Eliten“ (noch) nicht nutzen) von euch nicht viel übrig bleiben wird. Zu denen, welche die neuen Medien nutzen, gehören auch rechte Gruppierungen oder Bewegungen. – Diese sind in der Regel besser organisiert, besitzen mehr Medienaufmerksamkeit und ziehen sogar in die Parlamente ein. Dort versuchen sie eine gestalterische Mehrheit zu erreichen. Davon seid ihr leider weit entfernt.
Man verändert die Gesellschaft nur punktuell über Protestaktionen. Längerfristige politische Visionen bedingen auf Dauer angelegte Organisationsformen und
Strategien.
Die beste Strategie ist die , die der Gegenspieler nicht als solche erkennen kann. Und damit ist wohl alles gesagt.
Lieber IDOG, ich weiß nur, dass Du in F lebst und so möglicherweise andere Nachrichten über die Protest dort hast.
Hier in D ist eine Diskussion entstanden, welche zwischen Euphorie und Hoffnung die Pariser Nächte begleitet und neuerdings mit warnenden Stimmen zersetzt wird, welche Soros - wie am Maidan, arabischer Frühling und occupy dahinter vermuten.
Ich persönlich glaube dies nicht - weiß jedoch, dass die auch nicht schlafen werden.
Wie schätzt Du dies aus Deiner Sicht ein?
klar , skeptisch muss muss man wohl immer sein. Es gibt auch hier diese Stimmen, die sich ganz in Gegesatz zu den hier im Thread geäußerten Vermutungen, da gäbe es keine oder zu wenig Organisation, davon reden oder schreiben, dass es doch erstaunlich sei wie schnell diese Bewegung strukturell organisiert gewesen sei ... bzw. dann ja wohl organisiert und unterstützt worden sei, anstatt sich selber zu organisieren ...
... ich bin weit ab von Paris, weiß aber zumindest , dass die nuit debut hier in der Provinz zB. von attac oder den Gewerkschaften etc. organsisiert werden und meist zusammen mit anderen lokalen oppositionellen Gruppen.
Hier bei uns (sud westen) haben ich also noch nichts von manipulativen Aktionen gehört. Natürlich gibt es aber auch in Frankreich die üblichen Infiltrationen in die Opposition zB. als randalierender "schwarzer Block" oder ....
An sich denke ich aber , dass die Soros Nummer hier wenn , dann anders läuft, denn man müsste eigentlich davon ausgehen können, dass ja der "Wunschkandidat" à la Soros schon an der Macht sei. Und um die pure Destabilisierung , um dannach an irgendewelche Rohstoffe etc. zu kommen, kann es wohl auch kaum gehen. Es ginge also wenn dann um die ideologische Manipulation der Massen und speziell der Jugend, um Assimilierung und Umlenkung der Energien ...
Diese Sache ähnelt eher Griechenland oder Spanien: Austerität nein Danke ... die neoliberalen Pseudolinken klammern sich an die Macht ... bzw. laufen im Hamsterrad der Plutokratie ... und von dieser wird die unausweichliche Oppositionsbewegung so weit es geht in einen Pseudodiskurs entführt , wenn möglich behindert, verhindert... was erwartet man anderes?
Versetzt man sich in die Lage des Herrschenden, wird schnell klar , dass die mit allem gerechnet haben - Hase und Igel also !
Man wird also den Diskurs genau beobachten müssen, denn an den Worten erkennt man nicht nur die Akteure, sondern auch die Hintergründe. Ab welchem Moment/Inhalt wird "das Wort" der Opposition massiv behindert, was wird geduldet und warum, gibt es Inhalt ... oder wird alles zur Zirkusmussmer? Man kann es jetzt noch nicht sagen.
Persönlich denke ich : je eigenartiger der Aufstand desto authentischer ist er. Werden nur altbackene oder hohle Parolen beworben, dann ist es ein Blitzableiter von der Stange.
dass die Soros Nummer hier wenn
die neoliberalen Pseudolinken klammern sich an die Macht ... bzw. laufen im Hamsterrad der Plutokratie ... und von dieser wird die unausweichliche Oppositionsbewegung so weit es geht in einen Pseudodiskurs entführt , wenn möglich behindert, verhindert... was erwartet man anderes?
Ich denke auch, dass diese Bewehung authentisch ist und die Wut gegen Hartz4-Ideen für F mit all den europäischen Erlebnissen der letzten Jahre durch die Gewerkschaften relativ leicht zu organisieren waren (sind die Gewerkschaften in F integere Interessenvertreter? In D ist ja auch dies vorbei - außer bei Wiselsky, der auch noch klein gemacht werden soll)
Ich denke es ist eine pseudolinke Aktion, die da spalten will und als "Beweis" u.a. eine fehlende politisch-korrekte "Kapitalismuskritik" anführt, welche dann ihrer Meinung nach auf Soros-Handschrift verweisen MUSS und so Verunsicherung und Zweifel streut.
Wir brauchen ganz viel schlaue und integere Igel, die den falschen Hasen zum Erliegen bringen - pardon, wenn ich Dein Beispiel etwas anders interpretiert habe. Ich sehe "uns " als Igel ... wir tauchen an allen Stellen auf - auch wenn wir nicht so lange Beine haben.
Übrigens "warnten" die Kritiker davor: "wenn der Begriff "Demokratie" auftaucht = ist Soros im Spiel - ebenso die geballte Faust als Symbol ... hmmm
venceremos:-)
ja , die Symbole sind aufällig, das stimmt - und bizarr, gerade weil es die Richtigen sind und weil es keine neuen sind. Traut man sich selber t also nicht mehr über den weg , weil das Kapital mittlerweile allee kaufen kann dun assimiliert?
Und Demokratie fordert man nicht auf einem großen Platz stehend, oder ? ... , sondern man steht auf einem großen Platz wenn diese adäquat und sinnreich am Konkreten vorgebrachte Forderung nicht von denen erfüllt wird , die sie angeblich umzusetzen hätten als "Volksvertreter". Das ist zumindest der sinnvolle wie bekannte Spielzug m, nämlich die "demokratischen" Vertreter der Eliten mit ihren eeignen ideologischen Lügen in die Ecke zu drängen.
Nun ist es ja aber so , dass Parteipolitik und die politische Klasse noch nie für die Interessen der Allgemeinheit stand, also solchermaßen eine konkrete Forderung der demokratischen Mitbestimmungan an die gerichtet würde, die genau das gewöhnlich professionel zu verhindern haben.
Da sind wir bei besagter Absurdität - Du erinnerst Dich sicher, die sich als scheinbar logischer aber um so mehr als faktischer Widerspruch zwischen Ideologie und Wirklichkeit manifestiert. Jede Bewegung , egal ob ökonomisch-ökologisch und/oder politisch, ist daher zuallererste mit diesem Widerspruch konfrontiert. Er muss aufgelößt werden können durch einen quais initialen Akt, eine Proposition/Proklamation mindestens zur Neudefinition der Begriffe und damit der akuten Wahrheit , der zu verteidigenden Werte. Von da aus kann eine kommunikative Kampagne erst sinnvoll sein, um die notwendige Aufklärung = einen allgemeinen Informationsstand zu erreichen , der effektive Gegenmacht ist. Dieser Prozess ist ein Kampf um Begriffe und Symbole. Die Gegenspieler sind hochdotierte Profis in diesem Spiel, aber gleichzeitig durch ihre immer selben Ziel rigide bis zur paralytischen Ohnmacht. Der Widerstand, die Opposition , die echte, scheißt auf diese Regeln, erfindet sie neu, überrascht. Die wenigen temporären und/oder lokalen Erfolge der letzten Jahre waren immer bis dato unbekannte Spielzüge. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt.
ach so : Gewerkschaften in FR , ich werd mich am Donnerstag erkundigen können , dann ist ein Nuit Debut in der hiesigen Departmentalhaupstadt angekündigt - bekam die Info von attac, wie ich schon sagte.
ja , die Symbole sind aufällig, das stimmt - und bizarr, gerade weil es die Richtigen sind
Danke für Deine Antwort - obwohl es mir schwerfällt dazu etwas von Substanz zu erwidern. Ich habe wohl in erster Linie Fragen dazu und denke an andere große Bewegungen der letzten Jahre und was daraus geworden ist.
Ist das traditionsreiche Symbol passend zu dieser Generation, welche in der Mehrheit in Paris unterwegs ist?
Stimmt es, dass die Arbeiter ausgeschlossen sind, weil sie morgens zur Arbeit müssen und nicht die ganze Nacht da rumstehen können?
Also wer steht da rum? Arbeitslose? Schlimmstenfalls gekaufte/bezahlte Arbeitsslose ?
Also: ich bin immer noch optimistisch, weil ich es richtig finde, sich gegen Hartz4 für Frankreich zu wehren!
Wäre dies in D passiert und nicht zerschlagen worden - einiges wäre besser hier im Land - und vielleicht auch in der EU - wenn wir höhere Löhne hätten?
Hab gerade noch einen Artikel von einer Besucherin aus Paris gefunden: mein Optimismus bleibt:-)))
http://berlinergazette.de/marina-sitrin-nuitdebout/#more-73314
ja , hört sich gut an soweit der Artikel - erinnert an Inhalte aus Graebers Büchern zur Occupy Bewegung.
Ich melde mich später nochmal zu den Fragen und vor allem nachdem ich morgen Nacht selber bei der nuit debut war ...
unser Kollektiv vor Ort wird auch demnächst zu einer aufrufen ... die kommt dann garantiert von unten.... :-))
Bis dato teile ich Deinen Optimismus ... ebenso aber auch Deine Fragen ... es hat mich von Anfang an irgendwie genervt , dass Arbeitende und Menschen mit schuldpflichtigen Kindern es sehr schwer haben werden teilzunehmen ...
auch ich könnte da nicht jeden Tag hingehen - zu viele Verpflichtungen ... und freiwilliges Engagement anderswo
dass Arbeitende und Menschen mit schuldpflichtigen Kindern es sehr schwer haben werden teilzunehmen ...
Deshalb könnte es ja AUCH eine tolle Arbeitsteilung im besten Sinne sein - die Zukunftsgestaltung ist ja wirklich vor allem der Job der Jungen - und wenn sie den Platz halten und die Arbeiter schauen am Wochenende mal vorbei - bleibt die Präsenz des Widerstandes gewahrt.