Die Diskussion um Musik-Streaming-Anbieter wurde in letzter Zeit sehr verbissen geführt. Verschiedene Parteien vertreten verschiedene Standpunkte und die teilweise mit großer Vehemenz. Nun wurde eine Studie veröffentlicht, die all diese Standpunkte relativiert, denn Spotify und Co. haben zwar positive wie negative Auswirkungen auf verschiedene Bereiche des Musik-Business, insgesamt neutralisieren diese sich allerdings, so dass eigentlich niemand sich beschweren dürfte. Dass sich dennoch viele Beteiligte beschweren, liegt allerdings nicht am Konzept Musik-Streaming generell, sondern an ganz anderen Punkten.
Streaming ist schlecht für die Musikindustrie?
Nachdem Spotify an den Start gegangen ist, haben es sich die Major Labels unheimlich schwer getan, das neue Konzept des Musik-Streamings gut zu finden, bei dem Nutzer immer und überall Zugriff auf alle Musik haben. Nachdem der Boom von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets dafür gesorgt hat, dass die Nutzerzahlen in den letzten Jahren nahezu explodiert sind, hat sich die Haltung der Musikindustrie zumindest einigermaßen entspannt, wenngleich Spotify und Co immer noch eher skeptisch beäugt werden. Einer der Hauptgründe ist, dass die Musikindustrie das Geschäftsmodell der Anbieter nicht genügend Umsatz generiert. Dafür wird immer wieder vor allem das kostenlose Angebot von Spotify, das sich durch Werbung finanziert, verantwortlich gemacht. Die beiden Forscher Luis Aguiar vom Institute for Prospective Technological Studies in Sevilla, Spanien und Joel Waldfogel von der University of Minnesota sind der Sache mit einer Studie für das Joint Research Center der EU Kommission einmal auf den Grund gegangen, in der sie die wöchentlichen Verkäufe digitaler Musik, sowie die Piraterie per Bit Torrent für 8.000 Künstler zwischen 2012 und 2013 ausgewertet und diese dann den Daten von Spotify gegenübergestellt haben.
Die Studie hat dabei einige interessante Ergebnisse zutage gefördert. So hat Spotify einen deutlichen Effekt auf Musikpiraterie. In den Ländern, in den Spotify verfügbar ist, ist für alle 47 Streams ein illegaler Download weggefallen. „Das klingt erstmal vielleicht nicht nach viel, in Anbetracht der schieren Masse von Streams ist der Effekt aber deutlich zu beobachten,“ wie die Seite TorrentFreak schreibt. Doch dieser sehr positive Effekt auf den einstigen Erzfeind der Plattenfirmen wird durch einen negativen Effekt auf die Verkaufszahlen von individuellen Songs überschattet. Für alle 137 Spotify-Streams wird ein Song weniger auf den Download-Portalen gekauft. „Wenn man von den üblichen Umsätzen pro Download (0,82 US-Dollar) und denen eines Spotify-Streams (0,007 US-Dollar) ausgeht“, schreiben Aguiar und Waldfogel in der Studie, „ergibt unsere Schätzung der Sales-Verschiebung, dass die Verluste der rückgängigen Verkäufe durch die Zuwächse durch Spotify-Streams ausgeglichen werden. In anderen Worten zeigt unsere Analyse, dass interaktives Streaming für die Musikindustrie Umsatzneutral zu seien scheint.“
Streaming ist schlecht für die Künstler?
Spotify ist also nicht nur ein sehr viel effektiverer Weg gegen illegale Downloads als die bisherigen Strafen gegen die Musikpiraten, sondern auch in der Lage, die Umsatzeinbußen durch sinkende Verkaufszahlen auszugleichen. Doch wenn dies doch beides eher positiv gewertet werden kann, warum belklagen sich dann immer noch so viele Künstler wie Taylor Swift über Spotify? Ein Grund ist, dass in Anbetracht der Streaming-Zahlen gefühlt nur sehr wenig Geld ankommt. Geoff Barrows von der britischen Band Portishead hatte zum Beispiel im April erst über Twitter bekanntgegeben, dass er aus 34 Millionen Streams lediglich 1.700 Britische Pfund (nach Abzug der Steuer) erhält. Es wird wahrscheinlich niemand bestreiten, dass dies nicht viel ist, vor allem wenn man bedenkt, dass die Anzahl an Streams für kleinere Künstler absolut utopisch ist.
Taylor Swift beklagte sich medienwirksam über das kostenlose Angebot von Spotify, da es den Nutzern suggeriert, dass man Musik etwas ist, für das man nichts bezahlen muss. Doch die Studie zeigt nun, dass Swift mit Spotify den falschen Feind auserkoren hat. Zwar steigen durch Spotify die Umsätze nicht, aber sie sinken eben auch nicht. Wenn nun also die Einnahmen der Künstler sinken ist die Schuld nicht beim Geschäftsmodell von Spotify zu suchen. Vielmehr hat Barrows in seinem Tweet den eigentlichen Schuldigen n den niedrigen Einnahmen bereits genannt: die Plattenfirmen. Die Studie von Aguiar und Waldfogel unterstützt dies zudem: Wenn die Einnahmen nicht, wie allgemein angenommen, sinken, sondern gleich bleiben, sind das Problem nicht die Streaming-Anbieter, sondern die Deals zwischen den Plattenfirmen und den Künstlern, die festlegen, wie viel von den Einnahmen direkt bei den Musikern und Rechteinhabern ankommt. Der Unmut der Künstler sollte sich entsprechend gegen die Plattenfirmen richten, aber nicht gegen die Streaming-Anbieter und die Fans, die darüber ihre Musik hören.
Dieser Text erschien zuerst auf netzpiloten.de
Kommentare 3
dieser artikel ist so plump, das es fast schon lächerlich ist.
die künstler haben in den meisten gar keine möglichkeit mit den labels über bessere bedingungen zu verhandeln. die meisten streams fallen sowieso unter altverträge, die nachträglich nicht mehr verhandelt werden können.
und ein blick auf die streamingerlöse zeigt sofort: selbst wenn die labels garnichts verdienen würden und der künstler 100% der ausschüttungen bekäme, sind die bträge ein witz. von diesen 0,00005 cent beträgen kann KEIN künstler existieren.
daher ist es völlig richtig, daß diese ihre musik von spotify, youtube ect. abziehen.
echte fans unterstützen ihre lieblingskünstler, indem sie die musik direkt bei ihnen oder deren labels kaufen und spotify/youtube nicht im alltag nutzen.
"die künstler haben in den meisten gar keine möglichkeit mit den labels über bessere bedingungen zu verhandeln. die meisten streams fallen sowieso unter altverträge, die nachträglich nicht mehr verhandelt werden können."
Aber genau das benennt der Artikel ja als Problem, und er empfiehlt den Musikern (vor allem solchen wie Taylor Swift, die relativ handlungsmächtig sind), sich dagegen aufzulehnen und eine Neuverhandlung speziell im Bezug auf Streamings zu fordern, statt sich den Streamingdienst als Feind auszusuchen.
Fakt ist doch: Streaming is here to stay, und es verändert die Musikindustrie, wie zb auch die Einführung der CD sie verändert hat. Heute sind eben Konzerte und direkter Kontakt zum Fan wieder (!) wichtiger, um Einnahmen zu generieren. Gleichzeitig werden die Strukturen durch das Internet dezentraler, es gibt Bands, die nur über YouTube bekannt werden und ohne das Internet nie von ihrer Musik leben könnten. Alles hat seine Vor- und Nachteile, und das zeigt der Artikel erfrischend unhysterisch auf.
Ich persönlich sehe das eher so: "Echte" Fans unterstützen ihre Lieblingskünstler, indem sie auf ihre Konzerte gehen, dort ne Platte und n Shirt kaufen, Musikvideos auf Facebook teilen, ihre Freunde zum nächsten Konzert mitnehmen - und ihre Musik auf Spotify hören, um ihnen zusätzlich bei jedem Stream Geld zukommen zu lassen, das die Band vom Platten/CD-abspielen nicht bekommen würde.
Die Frage ist doch, womit das Streaming zu vergleichen ist: dem Radiohören oder dem Albumkauf. Es springt immer noch mehr als beim Radio raus, das nur die Lieder runterdudelt von Leuten, die eh schon prächtig verdienen. Man sollte nicht den Fehler machen, zu denken, dass jeder gestreamte Song ein entgangener Single/Album-Kauf ist.
Des Weiteren haben sich die Künstler die Sache auch ein wenig selbst eingebrockt. Man hört von der Seite kaum Kritik an einem Starsystem, das einige wenige Sänger, Bands, Manager, Werber superreich werden lässt und sich dazu noch kräftig aus intransparent gemanagten Zwangsgebühren (GEZ, Gema etc.) bedient. Der Topf ist groß genug, versucht den doch erst mal gerecht zu verteilen.
Außerdem haben postdemokratische Lobbyisten, Abmahnanwälte und ahnungslose Publikumsbeschimpfer wie Sven Regener die Branche als Ganzes in Verruf gebracht. Dass da der erste Impuls lautet: Musikindustrie, die kriegen von mir so wenig wie möglich, kann ich allzu gut nachvollziehen.