Kuschen vor dem großen Bruder

Überwachung Deutschland hat die Ermittlungen gegen die USA wegen des NSA-Abhörskandals eingestellt. So erwartbar das war, so empörend ist es trotzdem
Die Sympathien der Bundesregierung sind klar verteilt. Hint: Ihm gelten sie nicht
Die Sympathien der Bundesregierung sind klar verteilt. Hint: Ihm gelten sie nicht

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen wegen des NSA-Abhörskandals eingestellt. Er sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Behörden der USA und ihrer Verbündeten konkrete Straftaten gegen deutsche Bürger verübt haben. Die in den letzten Jahren aufgedeckte Massenüberwachung insbesondere der NSA reicht demnach nicht aus, um einen Anfangsverdacht zu rechtfertigen. Dieser Standpunkt ist in gewisser Hinsicht enttäuschend, aber ganz sicher nicht überraschend. Von Anfang an wurde der NSA-Skandal in Deutschland nur halbherzig aufgeklärt.

Kein konkreter Anfangsverdacht

Wie das Büro des Generalbundesanwalts in einer Pressemitteilung bekannt gibt, wurden die Ermittlungen gegen die Behörden der USA und ihrer Verbündeten, insbesondere Großbritanniens, eingestellt. Es hätten sich „keine belastbaren Hinweise für eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB) oder andere Straftaten“ ergeben, heißt es zur Begründung.

Zwar habe es massenhafte Überwachung durch die NSA und deren Verbündete gegeben, so die Erklärung. Es hätten sich aber weder in den Snowden-Dokumenten noch in anderen Quellen „konkrete Hinweise auf tatsächlich fassbare Spionagehandlungen der NSA in oder gegen Deutschland“ gefunden. Die Leaks hätten vielmehr nur die allgemeinen „Techniken und Fähigkeiten“ der Überwacher aufgedeckt. Diese seien den deutschen Behörden zudem bereits zuvor „als technisch machbar bekannt“ gewesen. Der NSA-Untersuchungsausschuss habe „keine Belege dafür gefunden, dass diese Techniken zielgerichtet gegen Deutschland eingesetzt worden sind“. Das gelte auch für die massenhafte Überwachung am Frankfurter Netzknotenpunkt De-Cix. Auch die Snowden-Dokumente könnten keine derartigen Beweise liefern. „Insbesondere geben die Dokumente keinen Aufschluss über konkret beschreibbare, tatsächlich durchgeführte Abhörmaßnahmen“, schreibt das Büro des Generalbundesanwalts weiter und kommt zu dem Schluss: „Vor diesem Hintergrund ist für weitere staatsanwaltschaftliche Untersuchungen von Gesetzes wegen kein Raum.“

Feigheit vor dem Verbündeten

Dem Buchstaben des Gesetzes wurde durch die nun für beendet erklärte Untersuchung wohl Genüge getan. Von einer umfassenden Aufarbeitung der bekannt gewordenen Grundrechtsverletzungen allerdings kann keine Rede sein. Rein technisch gesehen mag es stimmen, dass die Snowden-Dokumente und die anderen bekannt gewordenen NSA-Interna lediglich vorhandene Tools und technische Möglichkeiten aufzeichnen. Es bedarf aber keiner großen intellektuellen Leistung, sich auszurechnen, dass und in welch massivem Ausmaß diese Werkzeuge auch zum Einsatz kamen – gegen reale Menschen, darunter auch Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, deren Rechte der deutsche Staat nicht verteidigt, da er Angst hat, sich den Unmut seiner amerikanischen Verbündeten zuzuziehen. Genau darauf läuft es nämlich bei aller Rhetorik und juristischen Spielerei hinaus.

Überraschend ist die nun getroffene Entscheidung des Generalbundesanwalts keineswegs. Von Anfang an ermittelte der NSA-Untersuchungausschuss eher halbherzig und oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Weigerung der Bundesregierung, Whistleblower Edward Snowden Asyl zu gewähren, spricht eine deutliche Sprache: Deutschland ist nur dann gegen Massenüberwachung, wenn dieser Widerstand nicht die Gefahr einer Meinungsverschiedenheit mit den USA birgt.

Einsatz für die eigenen Bürger wie auch für grundlegende freiheitliche Rechte sieht anders aus. Enttäuscht kann man kaum über diese Entscheidung sein, dazu ist sie zu vorhersehbar. Empörung und die Forderung nach Veränderung sind aber sehr wohl angebracht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Netzpiloten.de

Annika Kremer schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.

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Annika Kremer | Netzpiloten

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