Sechs Wege um Falschmeldungen zu entlarven

Fake News Im digitalen Zeitalter verbreiten sich Nachrichten schneller als uns lieb ist. Leider kann man die Falschmeldungen unter ihnen kaum noch erkennen

“So fängt es an … ISIS-Flagge bei Flüchtlingen in Deutschland, die gegen die Polizei kämpfen”, schmetterte die Schlagzeile der Conservative Post; “mit diesem neuen durchgesickerten Bild scheint alles bestätigt.” Das besagte Bild gab vor, eine Gruppe syrischer Flüchtlinge zu zeigen, die die ISIS-Flagge hielten und deutsche Polizisten angriffen.

Für diejenigen, die sich weigern, Flüchtlinge in Europa zu akzeptieren, war das ein Geschenk des Himmels. Das Foto verbreitete sich schnell in den sozialen Medien, angetrieben durch rechtsextreme Gruppen wie die English Defence League und Pegida UK. Zum Zeitpunkt des Schreibens behauptet die Seite, dass sie über 300.000 Mal geteilt wurde.

Das Problem ist, dass das Foto drei Jahre alt ist und herzlich wenig mit der Flüchtlingskrise zu tun hat. Tatsächlich scheint es von einer Konfrontation zwischen Mitgliedern der rechten pro-NRW Partei und muslimischen Gegendemonstranten zu stammen, die 2012 in Bonn stattfand. Einige Nachrichtensendungen versuchten, die Falschmeldung zu betonen, unter anderemVice, Independent und Mirror, so wie auch viele Twitter-Nutzer.

Aber Neuigkeiten verbreiten sich im digitalen Zeitalter schneller als je zuvor und so auch Lügen und Falschmeldungen. Genau wie Widerrufe und Richtigstellungen in Zeitungen sorgen online Gegendarstellungen für deutlich weniger Aufruhr als die eigentliche Fehlinformation. Wie ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe, sind die Fähigkeiten digitaler Verifizierung essentiell für heutige Journalisten und akademische Einrichtungen beginnen, das dafür notwendige Training anzubieten.

Aber auch normale Leute beginnen, sich dem Inhalt, den sie online sehen, differenzierter zu nähern. Es ist nicht länger ausreichend, die Nachrichten zu lesen – nun wollen wir auch die Prozesse dahinter verstehen. Glücklicherweise gibt es ein paar recht effektive Verifikationstechniken, die weder Fachwissen noch teure Software benötigen. Im Folgenden sind sechs frei verfügbare, einfache Werkzeuge aufgeführt, die jeder neugierige Nachrichtenleser nutzen kann, um digitale Medien zu überprüfen.

1. Umgekehrte Bildersuche

Die umgekehrte Bildersuche ist nicht nur eine der einfachsten Methoden zur Überprüfung, sie ist auch die, die gezeigt hat, dass das “durchgesickerte” ISIS Flüchtlingsbild ein Fake war. Die beiden beliebtesten Dienste, Google Images und TinEye, fanden Seiten, die dieses Bild enthielten und aus der Mitte des Jahres 2012 stammten. Wie der Screenshot unten zeigt, konnte die “ISIS-Flüchtlings-Geschichte” in weniger als einer Sekunde entlarvt werden.

Als der Link zur Geschichte auf Reddit geposted wurde, befragten skeptische Nutzer schnell Google. Bald berichtete einer: “Die Google Bildersuche sagt, das Foto sei von 2012.

2. YouTube DataViewer

Wenn man das neueste virale Video auf YouTube schaut, ist es wichtig, Ausschau nach “Scrapes” zu halten: ein “Scrape” ist ein altes Video, das von YouTube heruntergeladen und von jemandem neu hochgeladen wurde, der betrügerisch behauptet, der ursprüngliche Augenzeuge zu sein oder versichert, dass das Video ein neues Ereignis zeigt.

Amnesty International hat ein einfaches, aber unglaublich nützliches Hilfsmittel, namensYouTube DataViewer. Sobald die Video-URL eingegeben wurde, extrahiert das Programm die Upload-Zeit des Clips und alle dazugehörigen Vorschau-Bilder. Diese Informationen — die auf YouTube nicht leicht zugänglich sind — ermöglichen es, eine zweigleisige Suche zur Überprüfung zu starten.

Sind mehrere Versionen des selben Videos auf YouTube vertreten, ermöglichen Ihnen die Daten, den frühesten Upload zu identifizieren. Dieser ist höchstwahrscheinlich das Original. Die Vorschau-Bilder können auch in einer umgekehrten Bildersuche verwendet werden, um Webseiten zu finden, die das Video enthalten, was eine schnelle und effektive Methode zum Identifizieren älterer Versionen oder Nutzungen des selben Videos bietet.

3. Jeffrey’s Exif Viewer

Fotos, Videos und Tonspuren, die mit Digitalkameras und Smartphones aufgenommen werden, enthalten Exchangeable Image File (EXIF)-Informationen: Das sind wesentliche Metadaten über die Marke der benutzten Kamera, das Datum, die Zeit und den Ort, an dem die Aufnahme gemacht wurde. Diese Informationen können sehr hilfreich sein, wenn man skeptisch gegenüber der Angaben des Erschaffers über den Ursprung des Inhalts ist. In solchen Situationen ermöglichen es einem EXIF-Reader so wie Jeffrey’s Exif Viewer, die URL eines Bildes hochzuladen oder einzugeben und die entsprechenden Metadaten zu betrachten.

Unten sind die EXIF-Daten eines Fotos abgebildet, das ich von einem Busunfall in Poole im August 2014 gemacht habe. Das ist sehr aufschlussreich; hätte ich behauptet, das Foto wäre, sagen wir einmal, letzte Woche in Swanage aufgenommen worden, wäre es sehr einfach, das zu widerlegen. Gut zu wissen: Während Facebook, Instagram und Twitter EXIF-Daten beim Upload entfernen, enthalten Inhalte, die über Plattformen wie Flickr und WhatsApp geteilt werden, diese noch immer.

4. FotoForensics

FotoForensics ist ein Hilfsmittel, das eine so genannte “Error Level Analysis” (ELA) nutzt, um Teile eines Bildes zu identifizieren, die modifiziert oder “gephotoshopped” wurden. Dieses Werkzeug ermöglicht es Ihnen, entweder die URL eines verdächtigen Bildes hochzuladen oder diese einzugeben und hebt dann Bereiche hervor, in denen Qualitätsunterschiede nahe legen, dass Änderungen vorgenommen worden sein könnten. Es bietet außerdem eine Reihe von Freigabeoptionen, die helfen, dem Dauerumlauf falscher Informationen durch einen direkten Link zu Ihrer FotoForensics-Analyseseite entgegenzuwirken.

5. WolframAlpha

WolframAlpha ist eine “computerbasierte Wissensmaschine”, die es Ihnen ermöglicht, Wetterbedingungen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu überprüfen. Sie können mittels Kriterien wie “Wetter in London um 14:00 Uhr am 16. Juli 2014” suchen. Wenn nun, zum Beispiel, ein Foto eines außergewöhnlichen Schneesturms auf Ihrer Timeline geteilt wurde und WolframAlpha berichtet, dass es 27 Grad und heiter war, als das Foto angeblich gemacht wurde, dann sollten die Alarmglocken läuten.

6. Online Karten

Die Identifizierung des Ortes eines verdächtigen Fotos oder Videos ist ein zentraler Teil des Überprüfungsprozesses. Google Street View, Google Earth (eine Quelle mit historischen Satellitenbildern) und Wikimapia (eine crowdbasierte Version von Google Maps mit zusätzlichen Informationen) sind exzellente Hilfsmittel, um diese Art von Detektivarbeit durchzuführen.

Sie sollten überprüfen, ob es irgendwelche Anhaltspunkte zum Vergleichen gibt, ob herausstechende Orientierungspunkte übereinstimmen und schauen, ob die Landschaft dieselbe ist. Diese drei Kriterien werden häufig verwendet, um Videos oder Fotos mit Querverweisen zu versehen, um zu überprüfen, ob sie wirklich an dem Ort gemacht wurden, den der Hochladende angibt, oder eben nicht.

Insbesondere Google Earth wurde häufig von Eliot Higgins aka Brown Moses, von Bellingcat, einer Seite für investigativen Bürgerjournalismus, genutzt.

Dieser Text erschien auf netzpiloten.de und zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion

Pete Brown ist Mitgründer und Forschungsleiter bei Eyewitness Media Hub. Er machte seinen Doktortitel an der Universität Cardiff Schule für Journalismus, Medien- und Kulturwissenschaften

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Pete Brown | Netzpiloten

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