Mit Newsstand hat Apple zwar bereits eine Nachrichten-App im Angebot, allerdings ist der virtuelle Zeitungskiosk nicht gerade ein großer Erfolg. Da Apple aber, was Nachrichten angeht, mit Facebook und Google mithalten will, bringt der Konzern mit der kommenden iOS-Version eine neue News-App heraus. Für diese stellt man derzeit Journalisten ein, die Inhalte speziell für das neue Apple-News-Format erstellen sollen. Dies sollte uns allerdings stark beunruhigen, denn Apple hat sich in der Vergangenheit nicht gerade als Freund von Journalisten dargestellt und könnte die Marktmacht zum eigenen Vorteil missbrauchen.
Warum ist das wichtig? Apple hat in der Vergangenheit bereits immer wieder viel Kontrolle über die Inhalte im eigenen Ökosystem ausgeübt und könnte diese Machtposition mit einem eigenen News-Kanal künftig noch stärker ausbauen.
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Nach der Vorstellung von Facebooks Instant Articles zieht Apple nach und sucht Journalisten, die Inhalte exklusiv für die neue News-App produzieren.
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In der Vergangenheit hat Apple eine sehr harte Linie gegenüber kritischen Journalisten gefahren und diese zu einer freiwilligen Selbstzensur erzogen.
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Apple erhält dadurch sehr viel Macht darüber, welche Meldungen die große Nutzerbasis über die Konkurrenz oder auch über das Unternehmen selber zu lesen kriegen.
Wettrüsten
Es ist noch nicht lange her, dass Facebook die Instant Articles vorgestellt hat, mit dem die Medien-Dominanz ausgebaut werden soll. Dabei handelt es sich um Artikel, die Publikationen direkt über ihre Facebook-Seite veröffentlichen können, ohne den Umweg über die eigene Seite gehen zu müssen. Exklusive Nachrichten-Inhalte sollen Nutzer also stärker an eine Plattform binden und so verwundert es auch nicht, dass Apple ebenfalls die große Nutzerschar stärker an die eigenen Produkte innerhalb des knallhart abgeriegelten Ökosystems binden will. Wo Facebook bereits relativ viel Einfluss auf die Inhalte ausübt, strebt Apple nach deutlich mehr Kontrolle über die Nachrichten.
Kürzlich ist eine Jobausschreibung aufgetaucht, in der Apple nach Journalisten sucht, die Inhalte für das neue Apple-News-Format erstellt. Darin wird nach “ambitionierten, Detail-orientierten Journalisten mit einer Obsession für großartige Inhalte und Mobile-News-Delivery” gesucht. Außerdem geht aus der Ausschreibung hervor, dass Apple weiß, dass es “fesselnde Geschichten” gibt, die “Algorithmen nicht identifizieren können”. Und dies ist der Teil, bei dem die Redakteure eine Menge Macht erhalten, was uns wiederum beunruhigen sollte. Denn die neue News-App wird automatisch auf Millionen Apple-Geräten installiert und besitzt dadurch und durch die tiefe Integration in das OS einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Apple kann somit Meldungen bevorzugt platzieren und unliebsame Artikel in den Tiefen des News-Stream verschwinden lassen.
Selbstverständlich können die Nutzer selber entscheiden, welche Inhalte sie lesen, allerdings haben die von Apple auf der eigenen Plattform gepuschten Inhalte einen gewaltigen Vorteil. Dieser Einfluss lässt sich bereits bei Apps, Podcasts oder Musik erkennen, wo die Downloadzahlen nach einer Empfehlung von Apple in die Höhe schnellen.
Im Apfel ist der Wurm drin
Das große Problem an der Sache, das ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend erzeugt, ist dabei die Möglichkeit für den Konzern, diese Macht zu missbrauchen. Verstärkt wird dieses Gefühl noch durch die Umgangsweise mit Journalisten in der Vergangenheit. Als die Computerbild vor einigen Monaten ein iPhone-kritisches Video veröffentlichte, erntete dies einen erbosten Anruf von Apples PR-Agentur und die Drohung, die Redaktion von künftigen Events auszuschließen und auch nicht mehr mit Testgeräten zu versorgen. Richard Gutjahr hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass der Konzern kritische Journalisten ganz hart ausgrenzt und dass als Resultat dessen, viele Journalisten Apple mit völlig überzogenen Respekt behandeln, aus Angst sich den Zorn des Herrschers über iPhones und iPads zuzuziehen. In dem sehr lesenswerten Artikel gibt Gutjahr noch ein paar weitere interessante und erschreckende Beispiele für die freiwillige Selbstzensur seitens der Journalisten. Zudem hat Apple sich in der Vergangenheit des Öfteren bereits in Zensur geübt und anstößige Inhalte aller Art ausgegrenzt. Auch bei den iOS-Apps fährt Apple eine knallharte Schiene. Anwendungen deren Name oder Beschreibung eine Erwähnung der Konkurrenz beinhaltet, werden rigoros abgelehnt oder, wie im Falle der Pebble-Smartwatch, unnötig hingehalten.
Wenn man all das nun auf die kommende News-App überträgt, ergibt sich ein sehr bedenkliches Bild. Wie reagiert Apple auf Meldungen, die den Konzern oder seine Produkte kritisieren? Wie wird die Konkurrenz behandelt? Finden positive Meldungen über Samsung und Google eine gleichermaßen präsente Position wie die positive Meldungen über Apple selber? Oder werden negative Meldungen über die Konkurrenz gar höher eingestuft? Oder aber, wie stark beeinflusst die harte Linie des Konzerns die Journalisten beim Aussuchen und Recherchieren der Meldungen? Wir steuern auf eine Zukunft zu, in der Facebook, Google und Apple uns nicht nur Zugang zu Meldungen geben, sondern auch die Grenzen dessen immer stärker kontrollieren. Ein Effekt dessen ist, dass viele Publikationen sich entschließen, sich nicht in einer Art zu verhalten, die die Götter erzürnen könnte. Viele stehen lange schon dem Einfluss großer Medienkonzerne kritisch gegenüber, und zurecht. Doch sollten wir es mindestens genauso kritisch sehen, wenn die großen Tech-Konzerne unsere Perspektiven verzerren.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de
Kommentare 1
Die Krautreporter haben mit dem Hauptargument, dass sie Artikel schreiben und veröffentlichen möchten, die nicht von Firmen gesponsort sind, um Mitgliedsbeiträge geworben. Ich glaube nicht, dass die Krautreporter da nur eine Marktnische entdeckten und abernten wollten, indem sie die Verschwörungstheoretiker mit dem Thema "die Konzerne lenken den Journalismus" einsammeln.
Dass nun die Konzerne anfangen, selbst zu Torwächter von Nachrichten aller Art werden, ist auf der anderen Seite die logische Weiterentwicklung der Einflussnahme auf Konsumenten.
Microsoft versucht schon seit Jahren mit seinen MSN-Diensten ähnliche Macht über die Konsumentenrundumfütterung zu bekommen, ist damit aber größtenteils gescheitert. AOL hatte die Idee des "Info-Dienstes für alles und nichts" als Kern seines Geschäftsmodells. T-Online hat auch lange versucht, ausufernde Informationsmacht über seine Kunden auszuüben. Die Langezeiterfolge sind eher bescheiden.
Jedoch, wenn Apple bisher eines bewiesen hat, dann, dass Apple jenen Techniken zum Durchbruch verhelfen kann, an denen andere gescheitert sind oder nur mäßigen Erfolg hatten.
Ob nun Apple der neue News-Superdienst wird oder nicht, ich bin sehr überzeugt, dass die Konzentration bei den Leitmedien und ihrem Mainstream weiter fortschreiten wird. Was Griechenland anging, war Deutschlands Mainstream besonders eng und unleidlich gegenüber abweichenden Meinungen. Allerdings haben auch schon Nato-Themen wie Syrien oder Ukraine gezeigt, dass europaweit eine beängstigend große Bereitschaft zur Meinungs- und Analyse-Vereinheitlichung vorhanden ist. Pluralismus seit Jahren rückläufig.
Ich schiebe das auf den Umstand, dass nicht nur Deutschlands Journalisten sich vom Internet bedroht fühlen (und bedroht sind), sondern, dass diese Tendenz überall bei den Journalisten die Bereitschaft zur Linientreue mit dem Chefredakteur fördert.
Apple-kritische Journalisten gibt es aber nicht nur bei den Krautreportern (die alle auch noch für andere Redaktionen arbeiten), sondern auch bei Formaten wie c't uplink. Letztlich finde ich die Schere im Kopf gegenüber eines externen Konzerns wie Apple auch weniger schlimm und verhängnisvoll, als die Schere im Kopf gegenüber dem Chefredakteur, von denen manche, so wurde es mir durch Erzählungen zugetragen, mehr und mehr in einer Art Paralleluniversum zu schweben beginnen, weil sie seit Jahren nicht mehr fürchten müssen, dass zusammenredigierte Texte und monotone Themen- und Interpretationsgewichtungen zu Frustkündungen von Redakteuren führen.
Es herrscht eine Realitätsferne, die an die Führungselite autokratischer Staaten erinnert. Macht über Untergeben zu haben, wird als Macht über die Realität missverstanden.
Wenn Chefredakteure heute gefeuert werden, dann nicht weil sie ein Blatt zu einseitig ausgerichtet haben, sondern weil diese Ausrichtung zu zusätzlichem, wirtschaftlichen Nichterfolg führt. Mitunter heißt das allerdings nur, dass der Verlagsbesitzer nicht mehr 20 % Kapitalrendite bekommt. Bis unsere Medien alle in der Hand von Hardware-Konzernen sind, wird es also noch dauern. Andererseits gehören die meisten Verlage eh schon lange zu milliardenschweren Konzernen, die sich von Apple lediglich dadurch unterscheiden, dass sie eine publizistische Vergangenheit haben.