Zeitgeist Technik

Onlineportal Erinnert sich noch irgendwer an MySpace? Das einst so kreative Netzwerk ist heute nicht mehr wiederzuerkennen

Erinnert sich noch irgendwer an MySpace? Dieses Portal, bei dem man beinahe jeden Tag das Design seines Accounts geändert, Playlisten erstellt und gleich wieder gelöscht hat, weil die eventuell doch nicht cool genug waren? Ich habe mich in den letzten Tagen an die bunte und aufregende MySpace-Zeit erinnert und dachte mir, dass ich dem Portal einmal einen Besuch abstatte, um zu sehen, wer oder was da eigentlich noch so aktiv ist.

MySpace war eines der ersten sozialen Kanäle auf der ich aktiv war – sehr aktiv. Kein Design war gut genug, also wurde es immer und immer wieder geändert, bis es entweder grässlich bunt oder trist und grau war – gekrönt wurde das Ganze dann mit einem blinkenden Playboy Bunny. Aber das war es, was MySpace ausgemacht hat: Kreativität und Individualität.

Zudem konnte man Stunden damit zubringen Playlisten zu erstellen und zu hoffen, dass diese auch angesagt genug waren. Man konnte auch versuchen sich mit Stars zu vernetzen und dann damit prahlen, dass man mit Eminem oder sonst wem total gut befreundet war. Oder man spielte einfach seine eigenen Songs und versuchte sich – wenn man musikalisch wenigstens ein bisschen ambitioniert war – als Künstler groß rauszukommen. Gut, das habe ich wohl nicht geschafft, denn das Projekt habe ich nach nur ein paar Wochen wieder aufgegeben, aber man hatte immerhin die Möglichkeit. Schöne Zeit. Im Gegensatz zu Facebook, hatte man damals noch ordentlich was zu tun.

Plötzlich war es vorbei!

Aber wie die Zeit es so will, war auf einmal damit Schluss. Plötzlich war keiner mehr da. Ich weiß nicht mehr warum MySpace einfach aufgehört hat. Es war von einem Tag auf den anderen schlichtweg uncool. Facebook war jetzt in. „Was? Du hast kein Facebook?!“ – Das wollte man unmöglich hören. Also weg mit dem MySpace-Account und her mit Facebook. Vorbei war die schöne Zeit, sich auf einer sozialen Plattform kreativ und musikalisch ausleben zu können. Waren es damals noch zu sehr guten Zeiten 83 Millionen Mitglieder, verlor das soziale Netzwerk im Jahre 2011 ca. 20 Millionen Nutzer innerhalb von drei Monaten. Facebook hingegen wuchs täglich.

Die besten Jahre hatte MySpace definitiv 2006 bis 2008. Hier erlebte ich meine ersten online Gehversuche und muss sagen: Es hat echt Spaß gemacht! Aber wie kam es dazu, dass MySpace von einem Tag auf den anderen einer leeren Geisterstadt glich?

Vermutlich ist Facebook einer der Hauptgründe, warum die Plattform so kläglich in der Onlinewelt versunken ist. Schon 2008 konnte man gut erkennen, dass Facebook anfing, sich auszubreiten. Laut dieser Statistik führte MySpace noch in vielen Bereichen, dennoch kam Facebook dem Ganzen schon bedrohlich nahe.

Außerdem entwickelte sich MySpace mit der Zeit zu dem, was es eigentlich nicht sein sollte: Ein Netzwerk, auf dem sich jeder zu stark selbst präsentierte. Der eigentliche Sinn, dass Musiker sich mit ihren Fans vernetzen, kam nicht mehr wirklich ans Tageslicht.

Was findet man nun auf der Website?

Ich war gerade dabei, die Seite anzuklicken und tierisch gespannt darauf, zu sehen, wer sich noch so auf dem Portal herumtreibt. Allerdings war die Überraschung ziemlich groß. Ich habe MySpace nicht mehr wieder erkannt. Keine Leute mehr, die mir irgendwie bekannt vorkommen. Keine bunten Accounts, die manchmal ziemlich danebengegriffen aussahen. Und überhaupt ist nichts mehr von dem über, was mir damals so gut gefallen hat. Um einmal genauer zu sagen: Ich verstehe die neue MySpace Seite nicht!

Was früher einmal ein auf Musik basierendes soziales Netzwerk war, ist heute in meinen Augen ein Musik-News-Portal, bei dem man ein eigenes kleines unscheinbares und vor allem unkreatives Profil anlegen und überwiegend Musik hören und News lesen kann. Zudem sind die Seiten auf Deutsch nicht mehr verfügbar.

Aber gut, man will ja jedem eine Chance geben und so habe ich die Seite genauer erkundet, um zu verstehen, was daraus schlussendlich geworden ist. Die Startseite ist gefüllt mit Star-Portraits, Star-News, Interviews mit Stars – überhaupt sind Stars stark vertreten.

Okay, sehen wir mal weiter: Nachdem ich erfahren habe, was gerade so zwischen Taylor Swift und Tom Hiddleston los ist, habe ich auch noch herausgefunden welche Top-Hits gerade ganz oben an der Spitze stehen. Und wenn mir danach ist, kann ich mir diese auch direkt anhören – wenn es denn klappt!

Da die Songs alle mit YouTube verknüpft sind, wird vorher entweder von wildfremden Leuten das Video vorweg kommentiert und man darf darauf warten, endlich die ersten Töne zu hören. Oder Coversänger geben lediglich einen dem Original ähnlich klingenden Song zum besten. Oder man wird mit nervigen Mitteilungen genervt, wie das allseits bekannte „Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar…“ oder„Dieses Video wurde entfernt, weil es gegen die YouTube-Richtlinien zu Spam, irreführenden Praktiken und Betrug verstößt.“ Super. Da macht das Musikhören richtig Spaß!

Nach dem gescheiterten Versuch, Musik zu hören – wofür das Portal ja nun eigentlich stehen sollte – habe ich mich weiter umgesehen. Klicke ich auf die Rubrik „People“, erwarten mich zahlreiche Profile, unter anderem von diversen Künstlern, Musikern, Models, Athleten und Fans. Athleten? Wenn man sich dann das Profil der Personen einmal anschaut, dann sind die Infos eher spärlich, veraltet oder es gibt gar keine.

Beispiel Ke$ha: Das Portfolio zeigt mir ein Album, welches ich nicht abspielen kann, zwei Videos, die in Deutschland nicht verfügbar sind und einzelne Songs sind gar nicht erst hochgeladen. Fazit: Für ein Starprofil ziemlich traurig!

Von DEM MySpace ist nichts mehr übrig

Ich finde es schade, dass aus diesem einst so kreativen und ausgefallenen sozialen Netzwerk nichts mehr wiederzuerkennen ist. Vielleicht bin ich da etwas voreingenommen, denn immerhin habe ich hiermit die Welt der sozialen Netzwerke betreten, aber es wäre doch schön, wenn man auf Plattformen wie Facebook sich auch mal wieder so kreativ auslassen könnte.

Ich dachte mir, es wäre lustig, auf MySpace mal wieder vorbeizuschauen und zu gucken, welche alten Profile sich hier noch so tummeln – ähnlich wie bei StudiVZ, hier findet man auch noch den ganz harten Kern – um in alten Zeiten zu schwelgen. Aber das hat sich hiermit erübrigt. Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als wieder bei Facebook auf mein weniger farbenfrohes Profil zu klicken…

Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de

Jennifer Eilitz kommt aus der Lüneburger Heide und studiert Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HAW in Hamburg und arbeitet nach ihrem sechsmonatigen Praktikum bei den Netzpiloten, dort weiterhin als studentische Aushilfskraft

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Geschrieben von

Jennifer Eilitz | Netzpiloten

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