Zwischen Aufklärung und Symbolpolitik

NSAUA Nach drei Jahren Arbeit bleibt der NSA-Untersuchungsausschuss eher ein Feigenblatt

Der NSA-Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit beendet. In den letzten drei Jahren sollte der Ausschuss aufdecken, wie und in welchem Umfang die westlichen Geheimdienste gegen deutsches Recht verstoßen haben und inwieweit die deutschen Behörden, insbesondere der BND, dabei mitwirkten. Im Ausschuss kamen einige interessante Erkenntnisse ans Licht. Dennoch hätte mehr getan werden können und müssen, wäre es um eine wirkliche Aufklärung gegangen. So bleibt der Ausschuss eher ein Feigenblatt.

Interessante Erkenntnisse in 66 Sitzungen

In insgesamt 66 Sitzungen beleuchtete der NSA-Untersuchungsausschuss (oder, wie er insbesondere auf Twitter gern abgekürzt wurde, „NSAUA“), die Verfehlungen der Geheimdienste. Dabei kamen einige interessante Fakten ans Licht.

Journalistisch wurde der Ausschuss sehr engagiert begleitet. Die Pressearbeit wird hoffentlich wegweisend. Insbesondere das Blog Netzpolitik – das hier eine zweistündige Zusammenfassung der Ausschuss-Arbeit in Form eines Podcasts anbietet – und die Journalistin Anne Roth sorgten unermüdlich dafür, die Bevölkerung über die Vorgänge im „NSAUA“ zu informieren – zumindest immer dann, wenn Geheimhaltungs-Vorschriften das nicht verhinderten, doch dazu später mehr.

Unter anderem wurde im Rahmen des NSA-Untersuchungsausschusses bekannt, dass der BND bereits seit 2009 den deutschen Internet-Knotenpunkt De-Cix in Frankfurt am Main in großem Rahmen überwacht. Diese Überwachung war seitdem immer wieder Thema und wird unter anderem auch im neuen BND-Gesetz thematisiert.

Auch die Fernmelde-Überwachung in Bad Aibling, bei der der BND unter anderem Wirtschaftsspionage gegen europäische Unternehmen auf Geheiß der USA betrieb, wurde im Ausschuss thematisiert. Nach massiver Kritik wurde diese Form der Geheimdienst-Kooperation zeitweise eingestellt.

Vom Scheitern und Gar-nicht-erst-Versuchen

An anderer Stelle allerdings waren dem NSA-Untersuchungsausschuss die Hände gebunden. Sei es aufgrund mehr oder weniger subtiler Drohungen der US-Bündnispartner (angeblich drohten die USA damit, die Geheimdienst-Kooperation einzustellen und ihrerseits keine Informationen mehr an Deutschland weiterzugeben, wenn der NSA-Untersuchungsausschuss durch zu gründliche Aufklärung „die nationale Sicherheit gefährdet“ hätte), aufgrund eines Mangels an Interesse am Offenlegen eigener Verfehlungen oder schlichtweg, weil die Bürokratie dagegen war – an vielen Stellen blieb die Aufklärung eher unvollständig und oberflächlich.

So gelang es dem BND teilweise mit leicht durchschaubaren Schutzbehauptungen, das Vorlegen von Beweisen zu umgehen. Auch das Bundesverfassungsgericht verhinderte dies nicht und entschied sich in einem enttäuschenden Urteil dagegen, den BND zur Herausgabe der sogenannten Selektorenlisten, anhand derer die Telekommunikation bei der Überwachung gefiltert wird, zu verpflichten.

Auch die umfassende Geheimhaltung erwies sich als Problem. Es ist kaum anzunehmen, dass in all den unter Ausschluss von Presse und Öffentlichkeit stattfindenden Sitzungen tatsächlich kompromisslos versucht wurde, Verfehlungen der deutschen Geheimdienste aufzuklären. Wieder einmal bewahrheitet sich der Grundsatz, dass die Möglichkeit, im Verborgenen und ohne öffentliche Kontrolle zu agieren, den Geheimdiensten nur allzu oft ermöglicht, einerseits ihre Kompetenzen zu überschreiten – oder stillschweigend auszudehnen – und andererseits eigenes Fehlverhalten zu vertuschen.

Zudem wurden selbst da, wo Fehlverhalten aufgedeckt wurde, nur allzu oft keine oder nur symbolische Konsequenzen gezogen. Die Überwachung am De-Cix ist mittlerweile durch das BND-Gesetz legalisiert. Eine Klage gegen diese Praxis läuft aktuell. Auch in Bad Aibling wurde die Überwachung einige Monate nach der Zwangspause stillschweigend und lediglich mit einigen offensichtlich nur pro forma eingeführten „Sicherheitsmaßnahmen“ wieder aufgenommen.

Edward Snowden: Bundesregierung zeigt Feigheit vor dem Freund

Am schwerwiegendsten ist wohl das Versäumnis des Ausschusses zu bewerten, Edward Snowden, den Whistleblower, der den NSA-Skandal ins Rollen brachte, zu befragen. Aus Angst vor den diplomatischen Implikationen war die deutsche Politik dazu nicht bereit und verzichtete so auf wertvolle Informationen.

Wir alle verdanken Edward Snowden sehr viel. Er hat Besseres verdient als die Feigheit der Bundesregierung – und auch wir, die Bevölkerung, hätten Besseres verdient gehabt als eine Regierung, die nur so tut, als wolle sie den Skandal aufklären, und ebenso nur so tut, als sei ihr am Schutz von Whistleblowern gelegen.

Zukunftsperspektiven dank mündiger Bürger

Der NSA-Untersuchungsausschuss bot einige spannende Einblicke in die Arbeit der deutschen Geheimdienste. Hochachtung gebührt den Journalistinnen und Journalisten, die diese komplexen Sachverhalte über Jahre hinweg unter Nutzung verschiedenster moderner Medien immer wieder beschrieben und erklärt haben.

Sein eigentliches Ziel, den NSA-Skandal lückenlos aufzuklären, hat der NSA-Untersuchungsausschuss jedoch nicht erreicht. Oder es wäre wohl eher zu sagen: das Ziel, das er im Sinne des Allgemeinwohls hätte haben sollen. Ziel der Bundesregierung war es wohl eher, die Bevölkerung zu beschwichtigen und so zu tun, als tue man etwas gegen die Exzesse der Geheimdienste. Ob das gelungen ist, sei dahingestellt. Ein Gutes nämlich haben die Geschehnisse der letzten Jahre: zunehmend mehr Menschen sind durch die Snowden-Enthüllungen auf die Themen Überwachung und Geheimdienste aufmerksam geworden und setzen sich kritisch damit auseinander. Das zumindest ist eine uneingeschränkt positive Entwicklung, die hoffentlich in den nächsten Jahren noch viel Gutes bewirken wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de

Annika Kremer schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt

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Annika Kremer | Netzpiloten

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