Chronik

vom 16. bis 22. April

Dauerstreit um Steueroasen

Wahlkampf vermieden

Nach langem Streit haben sich Union und SPD über ein Vorgehen gegen Steuerflucht geeinigt. Wer nicht ausreichend mit dem Fiskus kooperiert, hat Nachteile zu erwarten. Der Gesetzentwurf setzt aber nur den Rahmen für die Sanktionen. Welche Länder als Steueroasen gelten, soll später per Rechtsverordnung geregelt werden – womöglich erst nach der Bundestagswahl. Der Kompromiss verschafft der Union die Möglichkeit, die Regel doch noch zu blockieren und das Thema trotzdem aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Die „schwarze Liste“ der OECD, die als Grundlage bei der Benennung der Steuerparadiese dienen könnte, ist derzeit übrigens ohne einen Eintrag. TS

Tortur im Wasserbad

183 Mal

183 mal sollte Chalid Scheich Mohammed, der mutmaßliche Stratege und Planer der Anschläge vom 11. September 2001, glauben, er werde sterben. 183 mal sollte der Häftling spüren, er werde ertränkt, 183 mal wurde die Prozedur erst in letzter Minute abgebrochen. Die CIA musste in der vergangenen Woche einräumen, einen geradezu inflationären Umgang mit der Foltermethode des Waterboarding gepflegt zu haben, als diese Tortur noch nicht – so wie jetzt – durch eine US-Regierung verboten war. Barack Obama sieht in den Tätern jedoch keine Straftäter, die es verdienen angeklagt zu werden. Er will keine Urteile, sondern eine Zeit des Nachdenkens. LH

Lob der Realwirtschaft

Grüner Blaumann

Einen gelungenen Wahlkampfauftakt kann man Renate Künast und Jürgen Trittin nach dem grünen Aufstand gegen ihre koalitionären Ampel-Signale nicht nachsagen. Jetzt wollen sie mit einem „Lob der Realwirtschaft“ wieder in die Offensive kommen: Die Grünen müssten sich „von der Aufteilung in gute und schlechte Industrien“ verabschieden, heißt es, Chemiefirmen und Autobauer sollen nicht mehr als Feindbilder gelten. Die Botschaft des grünen Spitzenduos geht vor allem an die Beschäftigten der stark von der Rezession betroffenen „alten“ Branchen: Wir können mehr als Windräder-Ökonomie. Im Krisen-Wahlkampf haben Arbeitsplatzretter vermeintlich bessere Karten. TS

Wahlmarathon in Indien

Unberührbare setzt auf Sieg

Die größte Demokratie der Welt leistet sich die längste Wahl der Welt. In Indien dauert die Abstimmung über das neue Unterhaus und künftige Kabinett noch bis zum 13. Mai. Das Votum von 714 Millionen Wahlberechtigten wird auf fünf Phasen gestreckt, erfordert vier Millionen Wahlhelfer und zwei Millionen Polizisten. Notwendigerweise, denn schon am 16. April, dem ersten Wahltag, gab es bei Anschlägen auf Wahllokale 17 Opfer zu beklagen. Da in Indien immer schon Kasten-Loyalität wichtiger war als Parteiprogramme, hofft Kumari Mayawati, derzeit Chefministerin in Uttar Pradesh und Vertreterin der „Unberührbaren“, auf einen Achtungserfolg, wenn nicht gar Sieg. LH

Beitragseinnahmen der Pateien

Dramatischer Einbruch

Die Wirtschaft krankt, aber das ist bei dem politischen Personal kein Wunder. Die Parteien beherrschen nicht einmal ihr eigenes Geschäftsmodell. Der Absatz an Mitgliedsbüchern ist dramatisch eingebrochen. Immer öfter geben enttäuschte Kunden ihre Ausweise zurück oder stellen die Zahlungen ein. Die CDU hat so von 1997 bis 2006 über 16 Prozent der Beitragseinnahmen eingebüßt, die SPD gar 40 Prozent. Die Linke konnte ihre Bilanz nur per Fusion mit einem Mitbewerber stabilisieren. Pleiten im parlamentarischen Premiumsegment stehen aber nicht an: Politfirmen gelten als systemrelevant und können sich unter einen Rettungsschirm flüchten – die staatliche Parteienfinanzierung. TS

Kuba von vielen vermisst

Alles, alles, alles

Wenn die Sprache der Politik schon die Politik selbst wäre, wurde beim Lateinamerika-Gipfel auf Trinidad die viel zitierte Geschichte geschrieben. 34 Präsidenten überschlugen sich vor Verständnis für einander. 34 Präsidenten vermissten Kuba, der eine mehr der andere weniger. Barack Obama eher weniger, doch will er mit Havanna über Pressefreiheit, Menschenrechte und Gefangene reden, vergaß aber die Wiedergutmachung für 50 Jahre Wirtschaftsembargo. Raul Castro bot im Gegenzug einen deutlich größeren Themenkatalog an. Er wolle über „alles, alles, alles“ reden. Die Frage ist, wird sich Obama am Tauwetter-Einbruch innenpolitisch nicht die Finger verbrennen? LH

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