Aus dem Takt

Hochwasser Wetter und Klima sind verschiedene Dinge und eine einzelne Flut lässt sich auch nicht eineindeutig auf die Erderwärmung zurückführen. Die Politik muss trotzdem handeln
Unfreiwilliger Kanuausflug in der Stadt Wehlen, Sachsen
Unfreiwilliger Kanuausflug in der Stadt Wehlen, Sachsen

Foto: Johannes Eisele/ AFP/ Getty Images

Halb Deutschland steht unter Wasser. Schon ist von einer neuen Jahrhundertflut die Rede, Kanzlerin Angela Merkel bereist die Krisengebiete und präsentiert sich als Helferin in der Not. Gerhard Schröder hatte dem Hochwasser im Jahr 2002 schließlich auch seinen Wahlsieg zu verdanken. Alles nur wegen des Klimawandels?

Nun betonen die Wissenschaftler immer wieder: Wetter und Klima sind verschiedene Dinge. Ein einzelnes Extremwetter lässt nicht eindeutig auf ein geändertes Klima schließen. Das ist sicher richtig. Die Messdaten zeigen aber auch: Seit 1970 ist der Anteil des Wassers in der Atmosphäre um vier Prozent gestiegen. Und die Durchschnittstemperatur erhöhte sich um 0,7 Grad. Der Mai 2013 ist der zweitnasseste seit Aufzeichnung der Wetterdaten im Jahr 1881, die Meteorologen bilanzierten im Schnitt 127 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Nasser war es nur 2007 im Mai.

Auch Extremwetter nehmen zu. Die Datenbank der Münchner Rück – einer der weltweit größten Versicherer gegen Naturkatastrophen – wies zwischen 1950 und 1959 weltweit 13 große wetterbedingte Versicherungsschäden auf. Zwischen 1990 und 1999 waren es schon 74.

Früher galt das Vorsorgeprinzip

In Deutschland sind die Bilder aus Grimma, Zwickau oder Passau schon längst bekannt: 2002 erreichte der Pegel der Elbe in Dresden den Höchststand von 9,40 Meter, im April 2006 schwoll der Fluss auf 7,49 Meter. Mitte der Woche stand der Pegel in Sachsens Hauptstadt bei fast neun Metern. Und in Passau hatte die Donau mit 12,50 Metern das dortige Jahrhunderthochwasser bereits um 40 Zentimeter überschritten.

Wird so etwas nun also alltäglich? Das Wetter ist weltweit längst aus dem Takt. In Afrika hat die Zahl der Dürren dramatisch zugenommen, Australien wird wechselweise überschwemmt oder von extremen Hitzewellen kahlgebrannt. Thailand versank 2011 in den Fluten, und die Tornadosaison begann in den USA 2013 so früh und heftig wie nie zuvor.

Zwar sagen Wissenschaftler: Eindeutig sei der Zusammenhang zwischen den Wetterextremen und der Erderwärmung nicht. Jedoch galt früher in der Politik das Vorsorgeprinzip: Gehandelt werden muss auch dann, wenn eine Gefahr in der Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann. Klimaschutz ist aber zur bloßen Floskel verkommen. Zuletzt stieg der Treibhausgas-Ausstoß der Bundesrepublik wieder an. Die Politik hat versäumt, das zu verhindern.

Weitermachen wie bisher wird teuer

Ursprünglich hatte sich die Welt 1997 mit dem Kyoto-Protokoll verpflichtet, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2013 um fünf Prozent zu senken. Heute liegen wir 40 Prozent über diesem Ziel. Statt mehr Geld für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu mobilisieren, streitet die Politik darum, wie der Ausbau gebremst werden könnte. Die Kosten seien niemandem zumutbar. Dabei hat schon 2006 der Report von Nicholas Stern aufgelistet, dass es viel teurer wird, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher. Der frühere Weltbank-Chefökonom war zu dem Schluss gekommen, dass ein Anstieg der Temperatur um zwei Grad mehr finanzielle Schäden verursachen wird als beide Weltkriege zusammen.

Nun hat es nach nur elf Jahren bereits die zweite Jahrhundertflut in Deutschland gegeben. Man wird wohl niemals nachweisen können, dass eine einzelne Wetterkatastrophe direkt mit dem Klimawandel zusammenhängt. Aber der Trend, der ist eindeutig. Die Politik jedoch zögert immer noch. Wenn sich das endlich ändern würde, hätte das Hochwasser zumindest eine gute Seite.

Nick Reimer schreibt auf klimaretter.info und ist Autor des Buches Als der Regen kam über die Flut in Sachsen 2002.

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