Pumpe, Klempner und die Vorstellungskraft

Energiesparen Vermieter brauchen finanzielle Sicherheit, und Mieter wollen funktionierende Anlagen: Warum sich trotz hohen Energieverbrauchs oft veraltete Technik durchsetzt
Ausgabe 48/2014
Veraltete Technik verhindert oftmals das Energiesparen
Veraltete Technik verhindert oftmals das Energiesparen

Foto: J. Wilds/Keystone/Getty Images

Der Klempner macht es kurz: „Die Pumpe ist hin.“ Er steht im Keller eines Berliner Gründerzeithauses. Mieter hatten ihn gerufen, weil bei ihnen kein warmes Wasser mehr aus der Leitung kam. Also analysiert der Meister den Heizkreislauf, schraubt hier, klopft da, schließlich baut er eine Pumpe aus. Sie muss repariert werden, ganz schnell, denn die Leute wollen duschen. Also wird exakt dieselbe Pumpe wieder eingebaut, das ist das Sicherste. Und keiner hat‘s bemerkt: Wieder einmal ist eine vorzügliche Gelegenheit für den Klimaschutz verpasst. Denn die Energieverschwendung geht weiter.

Szenen wie diese passieren in Deutschland etwa zwei Millionen Mal pro Jahr. Jeden Tag werden unzählige Motoren ausgewechselt. Elektroantriebe, die in Lüftungen, Kompressoren, Pumpen, Förderbändern oder Klimaanlagen stecken, laufen in der Regel auf Hochtouren. „Volllast“ sagt dazu der Fachmann. Zum Beispiel bei der Belüftung eines Bürohauses: Der Motor bläst und bläst und bläst – ein mechanischer Schieber sorgt dafür, dass nur so viel Frischluft in den Räumen ankommt, wie jeweils gerade erwünscht ist. Selbst wenn gar nichts ankommen soll und der Schieber ganz geschlossen ist, läuft der Motor auf vollen Touren.

„Man kann das natürlich auch anders regeln“, sagt Rainer Bechtold, Experte für Energieeffizienz beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Wie bei einem Dimmschalter, der die Beleuchtung auf die gewünschte Stärke regelt, könnte auch der Elektromotor des Lüfters über eine elektronische Drehzahlregulierung gesteuert werden. „Soll nur halb so viel Luft zirkulieren, läuft der Motor nur mit halber Leistung – 50 Prozent Strom wären so eingespart“, sagt Bechtold. Würde jeder dritte dieser Motoren in Industrie und Privathaushalten – statt bisher jeder 20. – über eine derartige Drehzahlregulierung verfügen, könnten sieben Großkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Einfach so. Ohne irgendeine Einschränkung.

Wissensmangel

Etwa 20 Millionen Pumpen gibt es in Deutschland, allein ihr Pumpenstrom beschäftigt zwei Großkraftwerke. Und damit genau eines zu viel: Längst gibt es effizientere Pumpen, die mit der Hälfte des Stromes den gleichen Dienst tun. Die dänische Firma Grundfos hat sogar eine Heizungspumpe entwickelt, die mit lediglich 5 Watt auskommt. Normale Heizungspumpen brauchen 70 Watt.

Die intelligenten Pumpen sind zwar teurer. Aber wegen der sich daraus ergebenden niedrigeren Energiekosten hätte sich die Investition spätestens nach drei Jahren amortisiert. Ab dann verdienen die Pumpenbetreiber rund sieben Jahre lang Geld, denn die normale Lebenszeit einer Pumpe beträgt etwa zehn Jahre.

Trotzdem bleibt die Chance in diesem Berliner Mietshaus ungenutzt. Die Gründe sind banal: Der Klempner interessiert sich nicht für den Fortschritt oder den Klimaschutz. Die defekte Pumpe hat eine Typenbezeichnung, die er sich notiert. Beim Großhändler gibt er diese Bezeichnung bei seiner Bestellung an – die alte Pumpe wird auf diese Weise durch eine neue alte Pumpe ersetzt. Immerhin: Manche Großhändler weisen ihre Kunden mittlerweile auf die effizienteren Nachfolgeprodukte hin, erst recht wenn es sich um den gleichen Pumpenhersteller handelt, die Anschlusssysteme also kompatibel sind.

Doch es gibt ein weiteres Problem: Die effizienteren Modelle sind deutlich teurer. Also ruft der Klempner seinen Auftraggeber, den Vermieter, an, und fragt, was zu tun sei. „Inzwischen mach ich das nicht mehr“, sagt der Berliner Klempner. „Die Auftraggeber dachten meistens, ich wolle sie übers Ohr hauen. Wieso sonst könnte die neue Pumpe plötzlich 60 Prozent teurer sein als die alte?“

Der Fortschritt krankt also daran, dass es schlicht am Wissen mangelt. Denn langfristig und betriebswirtschaftlich gesehen ist die teure, aber effiziente Pumpe natürlich deutlich billiger.

Doch selbst wenn der Hauseigentümer seinen Klempner beauftragen würde, den Fortschritt im Heizungskeller einzubauen – er selbst hätte gar nichts davon. Ein Vermieter hat nach deutschem Mietrecht lediglich dafür zu sorgen, dass warmes Wasser zur Verfügung steht. Die laufenden Betriebskosten aber kann er vollständig auf seine Mieter umlegen. Warum also sollte ein Hauseigentümer viel Geld für eine effiziente Pumpe ausgeben, wo doch nur seine Mieter etwas davon haben? Solange er die Zusatzkosten nicht vollständig auf die Miete umlegen kann und auch sonst keine Steuervorteile oder staatliche Förderung bekommt, lohnt es sich für ihn nicht. Das Gleiche gilt für die Gebäudedämmung: Warum ein Haus sanieren, wenn die Heizkostenersparnis an den Mieter geht?

Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie hat berechnet, dass allein mit moderner Technik in Deutschland jedes Jahr 40 Milliarden Kilowattstunden eingespart werden könnten. Das ist etwa so viel, wie ganz Hessen jedes Jahr Strom verbraucht. „Man müsste dafür lediglich die heute schon verfügbaren energiesparenden Produkte und Technologien einsetzen“, sagt Rainer Bechtold. Das ist keine Utopie, das ist die Realität. Neben sehr viel Geld würde dadurch sehr viel Kohlendioxid eingespart: jährlich 22 Millionen Tonnen. Das ist doppelt so viel, wie der jährliche Zubau neuer Windräder, Solarzellen oder Wasserkraftanlagen erbringt.

Das Umweltbundesamt hat gigantische Einsparpotenziale ermittelt: Durch bessere Technik könnten bei Druckluftsystemen in der Industrie 48 Prozent Strom gespart werden. Bei Pumpen und Ventilatoren sind es 25 Prozent, bei der Beleuchtung sogar 77 Prozent. Insgesamt halten die Experten es für möglich, den Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 um 12 Prozent gegenüber 2008 zu senken.

Wer einen Kühlschrank der Energiesparklasse A++ kauft, spart gegenüber einem herkömmlichen Kühlschrank 100 Kilogramm Kohlendioxid pro Jahr. Über die typische Lebensdauer von zehn Jahren gerechnet, vermeidet er genauso viel, wie der Einwohner eines Schwellenlandes pro Jahr mit all seinen Aktivitäten verursacht. „Und er spart natürlich sehr viel Geld“, sagt Bechtold vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Aber erst nach sieben Jahren – dann hat der teure Energiesparkühlschrank die höheren Anschaffungskosten wieder wettgemacht. „Dieser Zeitraum liegt für die meisten Käufer außerhalb ihrer Vorstellungskraft“, sagt Bechtold. Inzwischen gibt es sogar Kühlschränke mit der Effizienzklasse A+++.

Vom Netz

Die teilstaatliche Deutsche Energie-Agentur hat ausgerechnet, was moderne Haushaltsgeräte an Stromkosten sparen, wenn sie zehn Jahre alte Geräte ersetzen: Beim Geschirrspüler sind es 32 Euro, beim Kühlschrank mit Gefrierfach 42 Euro, die Waschmaschine kommt auf 54 Euro, und der Wäschetrockner gleich auf 159 Euro. Jedes Jahr. Und wenn der Strompreis weiter steigt, wird es noch mehr.

Es gibt Dutzende weiterer Beispiele, wie in privaten Haushalten noch immer Energie verschwendet wird. Zwei Atomkraftwerke laufen in Deutschland allein dafür, um Strom für die Stand-by-Schaltungen von Haushaltsgeräten zu erzeugen. Eine Hi-Fi-Anlage beispielsweise verbraucht im Bereitschaftsleerlauf um die zehn Watt – nur damit der Besitzer nach dem Aufwachen die CD per Fernbedienung starten kann. Zwölf Euro an Stromkosten schlagen für diesen Luxus jedes Jahr zu Buche – und etliche Kilogramm an Kohlendioxid.

Nach Erhebungen der Deutschen Energie-Agentur kostet der permanente Bereitschaftsmodus eines Fernsehers 7,24 Euro im Jahr, der DVD-Player 8,32 Euro, das Radio 2,11 Euro. Obwohl sie doch eigentlich ausgeschaltet sind und nur das rote Lichtlein Dienstbereitschaft signalisiert. Ein ausgeschalteter, aber nicht vom Netz getrennter Computer nebst Monitor und Drucker: 24,12 Euro. Der DSL-Anschluss: 14,47 Euro. Dagegen kostet eine einfache Steckdosenleiste mit Ausschalter lediglich 3,49 Euro.

Ganz einfach und billig wäre es, den elektronischen Heimgerätepark vollständig vom Netz zu trennen. Stattdessen zahlen viele Haushalte lieber knappe 100 Euro im Jahr, nur für Stand-by. Manche Menschen müssen für diese Summe einen ganzen Tag lang arbeiten. Trotzdem bleiben Geräte mit Stand-by-Technik der Renner, Steckdosenleisten mit Schalter hingegen viel zu oft der Ladenhüter.

Nick Reimer ist Chefredakteur des Onlinemagazins klimaretter.info

Lesen Sie zum Thema Energieeffizienz auch den Text "Ein Erfolg ist nicht zu sehen"

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