Mit der globalen Durchschnittstemperatur verhält es sich wie mit der Körpertemperatur des Menschen: Zwei Grad markieren den Unterschied zwischen Alltag und Lebensgefahr. Steigt die globale Oberflächentemperatur im Durchschnitt um mehr als zwei Grad, nimmt nicht nur Extremwetter wie Dürren oder Überflutungen zu. Es können auch sogenannte Kipp-Elemente ausgelöst werden, die die Erderwärmung beschleunigen oder gar verselbstständigen.
In Paris verhandeln derzeit Politiker und Diplomaten aus aller Welt über die Zukunft des Erdklimas. Die globalen Treibhausgasemissionen müssen zurückgefahren werden, aber wer muss wie viel dazu beitragen? Ökonomen haben zwar längst errechnet, dass sich Klimaschutz unterm Strich für die Weltwirtschaft rechnet, aber einzelne Staaten fürchten Nachteile für ihre Industrien, wenn sie sich zu Emissionsminderungen verpflichten. Deswegen sind die bisherigen Vorschläge noch weit entfernt vom Zwei-Grad-Ziel. Bleibt es dabei, wird das fatale Folgen haben.
Wenn das Chaos beginnt
Die Wissenschaft hat mehr als ein Dutzend möglicher Kipp-Elemente identifiziert. Die Permafrostböden sind dafür ein Beispiel. Unter der dauergefrorenen Erde Sibiriens, Nordkanadas und Alaskas sind gigantische Mengen an Kohlenstoff eingesperrt. Taut der Boden auf, wird dieser Kohlenstoff zu einer Treibhausgasfracht aus Methan und Kohlendioxid, die vom Menschen nicht aufzuhalten ist. Einmal in die Luft entwichen, reichern sich die Wärmeblocker in der Atmosphäre an und treiben die Oberflächentemperatur des Planeten immer weiter nach oben. Methan trägt über einen Zeitraum von 100 Jahren sogar 21 Mal stärker zur Erderwärmung bei als Kohlendioxid. Würde der Mensch erst dann mit dem Klimaschutz beginnen – es wäre nutzlos. Der Prozess ist unumkehrbar und viel stärker als der menschliche Einfluss auf die Atmosphäre.
Ein zweites Kipp-Element ist am Nordpol zu befürchten. Wenn das dort schwimmende Eis schmilzt, kann die unbedeckte Wasseroberfläche die Sonnenstrahlung kaum noch reflektieren, das dunkle Meerwasser „schluckt“ die Energie, speichert sie und beschleunigt so die globale Erwärmung. Jenseits von zwei Grad dürfte auch der Amazonas-Regenwald, einer der größten Kohlendioxidspeicher der Welt, schwer geschädigt werden. Das im Holz gebundene Treibhausgas wird dann frei und reichert die Konzentration in der Atmosphäre weiter an. Und weil das Klimasystem der Erde geprägt ist durch viele sich gegenseitig beeinflussende Prozesse, beginnt jenseits von zwei Grad das Chaos.
„Natürlich kommt es nicht bei 2,01 Grad zum Weltuntergang, schon gar nicht schlagartig“, sagt der Physiker Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Schellnhuber gilt als „Erfinder“ des Zwei-Grad-Ziels. Von der Politik beschlossen wurde es im Jahr 2010 auf der Klimakonferenz in Mexiko. Es sei wichtig gewesen, „überhaupt eine quantitative Orientierung ins Spiel zu bringen, an der sich vorher die Klimarahmenkonvention 1992 noch elegant vorbeigemogelt hat“, sagt der Wissenschaftler. Die Politik habe gern klare Vorgaben, und eine einfache Zahl sei besser zu handhaben als ein komplexer Temperaturkorridor, sagt Schellnhuber.
Es gibt jedoch auch Kritiker: Zum einen sind da Menschen wie Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Politikberater hält das Zwei-Grad-Ziel für unrealistisch und plädiert dafür, jedes Zehntelgrad an Temperatursteigerung zu verhindern, egal wie warm es bereits ist. Zum anderen sind da Menschen wie Andreas Fischlin. Der Schweizer Professor für Systemökologie hat seit Anfang der 90er Jahre beim Weltklimarat IPCC am vierten Sachstandsbericht mitgearbeitet und sich dann als Mitglied der Schweizer Regierungsdelegation selbst mit in die Verhandlungen eingeschaltet. „Wir verstehen das Klimasystem keineswegs bis in jede Einzelheit, es verbleiben Unsicherheiten, zum Beispiel bei den Rückkopplungen in der Vegetation“, sagt Fischlin. Deshalb sei die Wissenschaft eben nur zu 67 Prozent sicher, dass das atmosphärische Wettersystem eine Erwärmung um zwei Grad verträgt. Andersherum bedeute dies, es bleibe mit der Zwei-Grad-Politik ein Risiko von 33 Prozent. Fischlin vergleicht das mit einem Bungee-Springer: Würde der sich in die Tiefe stürzen, wenn die Gefahr, das Leben dabei zu verlieren, bei einem Drittel liegt?
Auf der Klimakonferenz in Paris wollen daher auch Länder wie Bangladesch, Kenia oder die Philippinen nicht über das Zwei-Grad-Ziel verhandeln. „Wir brauchen 1,5 Grad als Obergrenze der Erderwärmung zum Überleben“, sagt Joyceline Goco, Mitglied der philippinischen Regierungsdelegation. „Bereits heute sind wir enorm betroffen von den steigenden Fluten.“ Der Präsident des Inselstaates Kiribati, Anote Tong, sagt: „Zwei Grad Erderwärmung bedeuten, dass wir unter Wasser stehen. Der höchste Punkt unserer Insel Tarawa erreicht beispielsweise kaum drei Meter. In Kombination mit dem Meeresspiegelanstieg könnte eine einzige Flutwelle den Lebensraum vernichten.“
Alle müssen zustimmen
Die betroffenen Länder haben sich deshalb vor der Klimakonferenz in Paris zu einer neuen Verhandlungsgruppe zusammengeschlossen – zur V20. Das V steht für „verwundbar“ und 20 für die Zahl der Länder. Mittlerweile sind der Gruppe jedoch viel mehr Staaten beigetreten. Sie wollen nur einen neuen Weltklimavertrag akzeptieren, der die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt. Das zu akzeptieren, dazu sind die Industriestaaten jedoch nicht bereit. Andererseits kommt ein neues Abkommen nur zustande, wenn alle Staaten zustimmen. Insofern hat die V20-Gruppe durchaus Gewicht auf dem Verhandlungsparkett.
US-Präsident Barack Obama hat sich in dieser Woche auf dem Klimagipfel mit der Allianz der kleinen Inselstaaten getroffen. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in ihrer Rede zu Beginn, die Erderwärmung solle „auf unter zwei Grad“ begrenzt werden. Freilich ohne die 1,5 Grad in den Mund zu nehmen.
Die Realität sieht derzeit jedoch ernüchternd aus. Der britische meteorologische Dienst Met Office hat im November gemessen, dass die globale Oberflächentemperatur inzwischen bereits um ein Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit gestiegen ist. Und Jahr für Jahr steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre. Wenn es so weitergeht, ist es irgendwann zu spät für die Umkehr.
Kommentare 13
Es ist ein Trauerspiel. Da ergehen sich mehrere tausend Teilnehmer an einem sogenannten Klimagipfel in der Vervollständigung der Liste mit Katastrophenszenarien. Weltuntergang ist das mindeste, was uns droht. Eine angeblich noch immer mögliche "Umkehr" wird beschworen.
Niemand wird die Nützlichkeit der Verringerung des CO2 Ausstoßes bestreiten. Doch die Möglichkeit einer Umkehr der Klimaveränderung?
Wer schreibt denn endlich die Liste mit den Reaktionsszenarien auf Unabwendbares? Kohleausstieg in Bangladesh? Wäre nicht die Planung der notwendigen Umsiedlungen der küstennaher Bewohner viel realitätsbezogener? Dürre in Ghanas Norden? Umkehr durch Senkung des CO2 Ausstoßes? Wie wäre es denn mit dem Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen? ...
Gelder fließen doch nahezu unbegrenzt in die sogenannten Entwicklungsländer. Warum nicht projektgebunden für wirklich Wirksames?
Bürgerliche Natur- und Umweltbewegung heute. Und dabei ist trotz aller vergangenen und künftigen Katastrophen auch nichts anderes in Sicht.
Es ist wie im Sandkasten oder auf der Spielwiese. man möchte die Gesellschafts- und Herrschaftsformation der unwiderruflichen Naturvernichtung und Ausbeutung, den Kapitalismus und Imperialismus, mit Streicheleinheiten für die Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren gut-geschmierten ökonomischen, ideologischen und politischen Administration zur Selbstaufgabe bewegen.
Das Thema Klimawandel auf Kiribati hatte schon Sigismund Ruestig in seinem Klimawandel-Song thematisiert:
"Ich bin Anote Tong, Präsident von Kiribati (gespr. Kiribas).
Beantragte für mein Volk einst den Klimaflüchtlingspass."
Klimawandel, mal etwas anders erklärt, in 4 realen Szenarien:
Gletscherfreie Alpen, Eisfreie Arktis, versunkene Südseeinseln, wohnliches Sibirien,...
http://youtu.be/s7Ivdm2-ZCQ
http://youtu.be/-q0gF597WEA
Viel Spaß beim Anhören!
Rock-Blogger, Blog-Rocker und Roll'n Rocker Sigismund Rüstig posted auf multimediale Weise Meinungen und Kommentare zu aktuellen Reiz-Themen in Form von Texten und Liedern.
"Sie wollen nur einen neuen Weltklimavertrag akzeptieren, der die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt. Das zu akzeptieren, dazu sind die Industriestaaten jedoch nicht bereit."
Was fällt Ihnen zu Paris und Industriestaaten ein, die etwas nicht bereit sind zu akzeptieren? Mir jedenfalls fällt dazu eine ganze Menge ein. "Syrien" zum Beispiel, oder "TTIP", "IWF" und "Griechenland". Oder "Internationaler Strafgerichtshof" und "USA". Und im Zusammenhang damit z.B. "Le Pen" oder "Goldene Morgenröte" oder "AfD". Vielleicht ist es etwas weit hergeholt, immer gleich über das Ganze zu grübeln, wenn da jetzt "nur" Klimaverträge verhandelt werden. Ich kann mir nicht helfen, ich scheine dazu verdammt zu sein, frei zu assoziieren also drängen sich mir die Parallelen auf. Und ich bin mir sicher, in dem Maße in dem die Industriestaaten, die jetzt in Paris verhandeln und nicht bereit sind auf die Forderungen der Verwundbaren einzugehen werden sie weiterhin Katastrophen erzeugen, die dann auch soziale Kipp-Elemente triggern, die sie mit ihren PR-Maschinen nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Paris steht im Moment im Fokus dieser Entwicklungen. Dort zeigen sich in diesem Jahr bereits die ersten Vorboten der fatalen Folgen. Das kaputte Klima wird sich nicht auf die meteorologische Bedeutung dieses Begriffes begrenzen lassen. Hier haben sich nicht zuletzt auch die Folgen der Politik unserer demokratisch gewählten Volksvertreter, die Folgen der Gier und des neoliberalen Starrsinns gezeigt. Ich glaube, das wird auch nach diesem Gipfel so weiter gehen wie gehabt. An dem System wird das zunächst noch wenig ändern. Und wenn dann gar keiner mehr weiß, an welchen Werten er sich überhaupt noch orientieren soll, gibt es dann ja autonome Kampfroboter mit Lizenz zum Töten. Denen sind all unsere humanistischen Werte als Ethikprogramme implementiert und sie werden damit schon dafür sorgen, dass auch die Verwundbaren und Verwundeten, nicht wirklich vergessen können, was Recht und was Ordnung ist und wem die Welt gehört.
Diese überflutete Achterbahn ist schon ein sehr symbolträchtiges Bild. Rummelplatz passt einfach und ich musste sofort an die Aufnahmen aus Tschernobyl (Prypjat) denken. Oder an die Teams von CNN und MSNBC, die,die Wohnung der Terroristen in San Bernadino für ihre interessierten Zuschauer gefleddert haben. Es gibnt keinen Unterschied mehr zu anderen Sehenswürdigkeiten. Terror, Umweltkatastrophen, menschliches Elend: Man kann das alles besichtigen und vermarkten wie den Eifelturm oder das Taj Mahal. Was nicht für nur die nihilistische Motivation der "bösen kommerziellen Medien" steht, sondern für das Mainstream Bewusstsein unserer Demokratien generell. Am Wochenende habe ich auf n-tv einen Bericht über das ehemalige Atomtest Gelände der USA in Nevada gesehen, für das man jetzt touristische Führungen buchen kann. Der Kommentar wies darauf hin, dass es nun möglich sei, mit dem Auto ganz bequem bis an die Ränder der dicksten Megatonnen Atombombenkrater zu fahren. Sogar ohne Schutzkleidung! Das hat doch was... Ich wollte mir das unbedingt vormerken und habe ein Foto von meinen Fernseher gemacht: Touristenführer Atomtestgelände
Was zum teufel war denn anderes in Paris zu erwarten? Dass die kapitalverwertung von heute auf gleich der vernunft geopfert wird? Dass das feilchen um sinnentleerte zahlen jemals aufhört? Das irgendetwas neues heraus kommt? Dass "unsere" politiker/innen "vernünftig" werden?
Es gibt nichts neues mehr zu erwarten! Die zahlen liegen seit langem auf dem tisch. Was zu machen wäre, ist längst bekannt. Das spiel ist ausgespielt - die vernunft der vernunftbegabten affen hat nicht ausgereicht, um sie selbst vernünftig werden zu lassen... Solche idioten haben das aussterben einfach verdient; ab jetzt darf nur gehofft werden, dass es schnell und schmerzarm abläuft...aber selbst das wäre unverdient.
Das Geile: dass sich da Reformköstler auf Kosten der dritten Welt (wiedereinmal) ihren Generalablass abholen wollen zur Not auch mit Emissionszertifikaten.
Ja wie kleinbürgerlich ist das denn gedacht angesichts von Metazyklen, die kaum jemand im Blick zu haben scheint?
Eigentlich sind sie ja alle für Demokratie: nur, dass sie ihnen vollkommen schnuppi ist
Ist das Geil oder ist das Geil?
Natur wirkt sowas von logisch
dass man sich Logik besser abschminken sollte
Schrecklich, dieser Klimawandel, ganz schrecklich. Das geht schon über viereinhalb Milliarden Jahre so, und keiner hat bis jetzt was dagegen getan. Gut, daß wenigstens bei uns unsere Ex-Umwelt(!!!)ministerin am Ruder ist. Das beruhigt doch ungemein ...
"Solche idioten haben das aussterben einfach verdient" ... – da sagen Sie was; und es klingt ja so viel hübscher als "unwertes Leben", gelle?
"Gletscherfreie Alpen, Eisfreie Arktis ...." – das ist alles gar nicht lange her: 2000 Jährchen vielleicht; fragen Sie mal Herrn Hannibal. Oder die dämlichen Helvetier, die ihre Dörfer unter Gletschern errichtet hatten, welche das "ewige(!!!) Eis) jetzt wieder (uuups!) freigibt ...
In Deutschland macht die Braunkohleverstromung 50 % der Emissionen an der gesamten Stromproduktion aus. Um die schlimmsten Folgen der Erderwärmung zu verhindern, müssen wir also aus der Braunkohle aussteigen und stattdessen flexible erneuerbare Kraftwerke fördern, die den Platz der Braunkohlekraftwerke einnehmen. Zusätzlich muss sich aber gerade bei stromintensiven Verbrauchern die Stromnachfrage dem Angebot von Wind- und Solarenergie anpassen. Mit dem Demand Side Management ( https://www.next-kraftwerke.de/stromverbraucher/stromverbraucher-regelenergie ) bietet Next Kraftwerke Stromverbrauchern ab 100.000 kWh pro Jahr die Möglichkeit ihre Flexibilitätsspielräume bei Netzschwankungen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen – und damit auch etwas zu verdienen. Diese Netzschwankungen können aufgrund von volatilen Erzeugungsanlagen auftreten.
Viele Grüße
Björn Karlsson
Next Kraftwerke