Von wegen Krise als Chance: Habeck bindet uns LNG-Terminals ans Bein
Energie Heilsversprechen Flüssigerdgas: Deutschland baut gerade eine fossile Infrastruktur auf, die in neue Abhängigkeiten führt. Warum der beschleunigte LNG-Bau die Klimawende blockiert
Wer hat es gesagt? „Bis die Transformation unseres Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien … abgeschlossen ist, spielt Gas als emissionsarmer Energieträger in der Wärmeerzeugung … eine wichtige Rolle.“ Es ist die „Zukunft Gas GmbH“, die auf ihrer Webseite von Gas als angeblicher Brückentechnologie schwärmt. Die Zukunfts-GmbH ist allerdings keine gewöhnliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sondern ein Lobbyverband der Erdgaswirtschaft. Wenn nicht gar DER Lobbyverband: Neben Energiekonzernen wie Shell, Total, Wintershall Dea oder der Gazprom-Tochter Wingas sind auch 70 deutsche Stadtwerke Mitglied bei Zukunft Gas.
Der russische Angriff auf die Ukraine sei „auch für uns schockierend“, erklärte de
? „Bis die Transformation unseres Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien … abgeschlossen ist, spielt Gas als emissionsarmer Energieträger in der Wärmeerzeugung … eine wichtige Rolle.“ Es ist die „Zukunft Gas GmbH“, die auf ihrer Webseite von Gas als angeblicher Brückentechnologie schwärmt. Die Zukunfts-GmbH ist allerdings keine gewöhnliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sondern ein Lobbyverband der Erdgaswirtschaft. Wenn nicht gar DER Lobbyverband: Neben Energiekonzernen wie Shell, Total, Wintershall Dea oder der Gazprom-Tochter Wingas sind auch 70 deutsche Stadtwerke Mitglied bei Zukunft Gas.Der russische Angriff auf die Ukraine sei „auch für uns schockierend“, erklXX-replace-me-XXX228;rte der Verband nach dem Beginn des Krieges, der recht bald auch zu einer massiven Gasversorgungskrise führte. Und zur Frage, ob Deutschland wenigstens jetzt, da der Krieg die Gefahr der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten so klar offenlegte, reagieren würde? Sich nach Alternativen umsehen? Und umsteigen, auf erneuerbare Energiequellen, zum Beispiel? Doch die Leute bei Zukunft Gas wollen davon nichts wissen. Sie wissen anderen Rat in der Not: „Mit Liquefied Natural Gas, LNG, steht eine alternative Versorgungsquelle zur Verfügung“. LNG also. Ist das die Antwort auf die Frage, die der Ukrainekrieg gestellt hat?LNG ist flüssiges Erdgas. Um es herzustellen, wird sehr viel Energie benötigt, denn das geförderte Erdgas muss auf unter Minus 161 Grad Celsius abgekühlt werden. Dadurch wechselt das Gas den Aggregatzustand, dieselbe Energiemenge braucht dann nur ein Sechshundertstel so viel Platz, der Schiffstransport rentiert sich.LNG aus den USA ist sechsmal so dreckig wie Pipelinegas aus NorwegenEs stimmt: Erdgas ist weniger klimaschädlich als etwa Kohle. Weil aber in aller Regel fossile Energie zur Umwandlung eingesetzt wird, ist LNG wenigstens doppelt so klimaschädlich wie Erdgas, das via Pipeline aus Norwegen zu uns kommt. Stammt das LNG aus den USA oder Australien, ist es sogar bis zu sechsmal so dreckig, denn dort wird es durch Fracking gewonnen. Dabei wird in den Untergrund gebohrt und dann ein Chemikaliengemisch in das Gestein gepresst. Dadurch entstehen Risse, die das eingeschlossene Erdgas freisetzen – ein aufwendiges, auch energieaufwendiges Verfahren. Erdreichverpestend obendrein.Trotz des Lieferstopps von russischem Erdgas: Noch ist der LNG-Anteil am gesamten deutschen Erdgas-Import gering. Von den rund 3.300 Gigawattstunden, die in der vergangenen Woche täglich geliefert wurden, stammten lediglich 230 Gigawattstunden aus LNG-Tankern. Die erste Anlage dafür ging vergangenen Dezember in Wilhelmshaven ans Netz, die LNG-Tanker legen dort an einem FRSU-Schiff an, einer schwimmenden Regasifizierungsanlage. Dann folgten die Anlagen in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Lubmin (Vorpommern). Auch hier sind Regasifizierung-Schiffe im Einsatz, wobei das Anlanden in der Ostsee besonders aufwendig ist. Weil der Greifswalder Bodden sehr seicht ist, muss das LNG auf kleinere Tanker umgeladen werden, die es dann wie Shuttles zum eigentlichen Terminal transportieren. In Lubmin kommen die Russland-Pipelines Nordstream 1 und Nordstream 2 an, deshalb lag es nahe, LNG hier ins deutsche Erdgas-Netz einzuspeisen.Schwimmende Terminals als Notlösung, OK. Doch die Bundesregierung will es dabei nicht belassen. Sie will den LNG-Anteil am deutschen Erdgasverbrauch stark steigern. Deshalb sollen neue, feste LNG-Hafenanlagen gebaut werden. Weil die schwimmenden Terminals nur gechartert sind und den Steuerzahler Milliarden kosten. In Stade in Niedersachsen ist eine LNG-Hafenanlage geplant, ebenso in Wilhelmshaven und in Brunsbüttel. Zudem soll in Saßnitz auf Rügen ein großes LNG-Terminal gebaut werden. Dagegen gibt es heftigen Widerstand: Zu Ostern formierte sich eine Menschenkette vom Hafen Mukran über Prora und Binz bis zur Halbinsel Mönchsgut. 60.000 Menschen haben eine Petition an den Deutschen Bundestag unterzeichnet, der sich nun mit der Sache befassen muss. Vor allem die Tourismusindustrie fürchtet Einbußen, wenn die riesigen Tankschiffe vor Saßnitz auf der Reede liegen. Einer der Vorwürfe: So viel LNG-Kapazität, wie die Regierung plant, wird gar nicht gebraucht.Der Singsang der GaslobbyTatsächlich gibt es eine Studie, die genau das untermauert: Die elf geplanten LNG-Anlagen an den deutschen Küsten seien angesichts der Klimaschutzpläne der Bundesregierung überdimensioniert, so das Kölner „New Climate Institute“. Würden alle Terminals gebaut, käme eine Importkapazität von jährlich über 70 Milliarden Kubikmeter Erdgas zustande, das ist 50 Prozent mehr als vor dem Krieg aus Russland bezogen wurde. Dabei sollen ja aber Erdgasheizungen sukzessive durch nicht-fossile Systeme ersetzt werden; das Wirtschaftsministerium rechnet bis 2030 mit mindestens sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland. Und weil die Gasheizungen ein großer Verbraucher sind – bis vergangenem Dezember wurde ihre Anschaffung vom Staat subventioniert – wird, so das Institut, die Nachfrage stark sinken. Was im Umkehrschluss heißt: Wenn wir die Wärmewende früher angepackt hätten, bräuchten wir schon heute weniger Gas. Wären weniger angewiesen auf teure, und klimaschädliche Importe.Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) verteidigte vergangene Woche seine LNG-Pläne. Es müsse immer ein „Sicherheitspuffer“ mitgeplant werden. Bis zu ihrem Regierungseintritt waren die Bündnisgrünen vehement gegen das klimaschädliche LNG. Aber da war ja auch noch kein Krieg in der Ukraine: Jetzt setzte das Habeck-Ministerium den Bau der Regasifizierungs-Stationen sogar ohne Umwelt-Prüfung nach FFH-Richtlinien durch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte es „das neue Deutschlandtempo“. Extra dafür hatte der Bundestag vor einem Jahr das LNG-Beschleunigungsgesetz verabschiedet.Auch „Zukunft Gas“ lobte die Geschwindigkeit: „Sie sollte als Vorbild dienen für weitere Infrastrukturprojekte.“ Aber der Verband ist skeptisch, was das geplante Gebäudeenergiegesetz betrifft. Der Habeck-Entwurf sieht vor, dass ab 2024 in Neubauten keine rein fossilen Heizungen mehr installiert werden dürfen. „Zukunft Gas“ findet, die „Pläne der Bundesregierung sind sozial ungerecht und bedeuten untragbare Härten für Millionen Haushalte“. Wenn es um das Zementieren fossiler Abhängigkeiten geht, entdeckt die Gas-Lobby auf einmal sogar die soziale Gerechtigkeit. Aber zurück zum LNG: Vergangenen Herbst reiste Minister Habeck nach Katar, um dort eine „Energiepartnerschaft“ mit dem autoritären Emirat zu vereinbaren. Herausgekommen ist unter anderem ein Vertrag, nach dem das Emirat Deutschland bis zu zwei Millionen Tonnen LNG jährlich liefert. Start ist 2026, die Laufzeit beträgt mindestens 15 Jahre. Eine Schlagzeile lautete: Der „Bückling-Deal“.Moment: 15 Jahre ab 2026? Aber das bedeutet doch, dass die Bundesrepublik 2041 immer noch fossiles Erdgas importiert! Ganz kurz, bevor Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein will. Wie geht das zusammen? Warum binden wir uns schon wieder an eine fossile Infrastruktur, anstatt nach Alternativen zu suchen? Es scheint, als glaube die Bundesregierung – schon wieder einmal – dem Singsang der Gaslobby. So tönt nämlich „Zukunft Gas“: „Nur LNG-Transporte bieten nachhaltige Alternativen zu russischem Pipelinegas“.