Meta-Koller

Sondierung Journalisten müssen leider draußen bleiben. Und so erklimmt die Journaille Metaebene um Metaebene, dass einem ganz Gödel davon wird. – Darüber muss gesprochen werden.

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Und wieder einmal macht der olle Watzlawick-Klassiker vom Nicht-kommunizieren-Können die Runde. Und er dreht sogar noch eine Ehrenrunde: Denn wenn man nicht nicht kommunizieren kann, dann kann man auch nicht nicht metakommunizieren.

Was den ollen Heidegger-Klassiker auf den Plan bringt: Wenn nichts geschieht, geschieht mitnichten etwas nicht, sondern ein Nichts nichtet. Und das nicht zu knapp: Erst der inhaltsloseste Wahlkampf ever (so stöhnt es von den Dächern, weswegen auch die Gegenfrage, ob und wann es jemals anders war, überstöhnt wird). Und jetzt das seinem Wesen nach informationsarm sein müssende Sondieren, das halt nur dann vertrauensvoll sein kann, wenn es in vertrauensvoller Umgebung geschieht – und auch die muss ja erst geschaffen werden unter Parteien, die noch bis vor kurzem Kontrahenten waren und nun zwischen wirklich roten Linien und Halb-so-wildem Wahlkampfgetöse unterscheiden müssen. Und die Journaille? - Stagniert aufgescheucht zwischen Zudringlichkeit, Informationsbeschaffungs-Verpflichtung und Überflüssigkeitsbewusstsein.

Und das unter den verschärften und sich weiter verschärfenden Bedingungen des Internets. Denn musste in vordigitalen Zeiten, frei nach Karl Valentin, in der Welt so viel passieren wie in eine Zeitung passte, haben wir es nun mit dem Platz-Protz zu tun, der förmlich zu rufen scheint: passiere, Welt, geschehe endlos und bedenke: ich bin für alles zu haben, und wenn ich sage „alles“, dann meine ich: alles! Und selbst die Zeit, die beim Einspeisen ins Netz scheinbar draufgeht, ist bei mir gut angelegt, da der Augenblick zwischen Input und Output so echtzeitig zusammengeschrumpelt ist, dass am Ende fast die Null steht.

Was also machen, wenn in diesem hochverquasselten Medium „tut sich nix, also schreib‘ ich nix“ keine Option ist?

Zumal offenbar Profis der Kommunikationsvermeidung am Werk sind. Ein Christian Lindner, der nichts „durchsteckt“, ein Robert Habeck, der nicht glaubt, seine oft ja weitschweifigen Einlassungen seien per se unantastbar und in diesem Sinne: für die journalistische Weiterverwertungsindustrie unbrauchbar, weil zu eigensinnig; dazu ein Olaf Scholz, der sich, so möchte es einem vorkommen, schon während des Wahlkampfs auf Inhaltsvermeidungen aller Art vorbereitet hat.

Als würden sie sich vor allem darauf verständigen, einen Durchsickerminimalismus zu erarbeiten, der gerade auch den redegewohnten Beteiligten nicht zu viel Zurückhaltung abfordert. Wer kaum Zeilen produziert, schafft auch wenig Zwischenraum, in dem zu lesen wäre. Und auch, wer bei den Pressekonferenzfotos zwischen den Pixeln sucht, wird nicht fündig. Es werden Bilder performt, die gut austariert scheinen zwischen vorgreifend-staatsmännisch und Instagram-niedlich. Bilder, die nichts weiter sagen wollen als: „Wir wollen nichts weiter sagen.“ Das ist umso bemerkenswerter als sich die Regularien für ikonografische Askese in den letzten Jahren deutlich geändert, weil mit neuen Negativkriterien versehen haben dürften. Sodass dem, der sich an die Anfänge von Rot-grün-gelb erinnern will, nur vielsagend-nichtssagende Bilder von hübsch blau angeleuchteten, kaum frequentierten Rolltreppen bleiben, die eine breite Treppe flankieren, auf der die nichts mitzuteilen habenden potentiellen Vorkoalitionäre lachend und abwinkend runterschreiten.

Was alles wieder für die eben eingereichte These spricht, dass hinter den Huis clos vor allem darüber geredet wird, worüber man in der Öffentlichkeit nicht reden will. Aber, das ist natürlich auch nur die Spekulation desjenigen, der eigentlich nicht spekulieren will und dann eben ins Spekulieren übers Nichtspekulierensollen abdriftet.

Was also tun?

Die konservative Presse hat es da vergleichsweise leicht: sie muss nur den Linksruck bekämpfen, den sie darum so ausdauernd beschwört. Hier rentieren sich die ideologischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, bei denen man sich erst etwas herbeihalluziniert und anschließend die betreffenden Phantasmen so lange künstlich beatmet, bis es vielleicht doch wieder was zu berichten - oder eben: zu erfinden - gibt.

Wie meta-ieren uns empor (frei nach Gerhard Vollmer)

Schwieriger ist es für die Publizisten, die das Spekulieren scheuen. Denen bleibt nur ein Weg: der nach oben. In die Wolkigkeiten des Trotzdem- und Darüber-Redens. Bzw. in die Selbstreflexionszwänge des Nicht-darüber-schweigen-Könnens. Sie verfassen erlesene Meta-Essays über die Kunst des Nichts-zu-sagen-Habens und wie man (schreibend) damit umgeht. So halten sie eine Spirale des Nicht-Schweigens in Gang, dass einem ganz Gödel davon werden kann. Und im Hamsterrad der Beschreibung und Beschreibungsbeschreibung hadern sie unentwegt mit ihrer Rolle als unbewegte publizistische Beobachter. Und sie wissen, dass sie es der nachfolgenden Metaécrit-Generation damit noch schwerer machen (sehr frei nach Francois Lyotard), denn wie soll man immer wieder aufs Neue sagen, dass man nichts zu sagen hat, und dass man weiß, dass man nichts Neues zu sagen hat, weil man bereits denen folgt, die auch nichts Neues zu sagen hatten und diesbezüglich bodenlos auskunftsfreudig waren. Und weil Es-für-sich-Behalten berufsbedingt sowieso keine Option ist, weswegen man also von dem, wovon man nicht schweigen kann, immer weiter reden muss – und da hilft es einem dann auch nicht, dass man es „frei nach Wittgenstein“ tut. So wird „Meta“, obwohl immer höhere Höhen erklommen werden, zum Schwundraum, weil die unterschiedlich hohen Sprecherpositionen nicht mehr sprachlich separat abgebildet; in unterschiedliches Vokabular überführt werden können. Sodass irgendwann gar nicht mehr Redundanz-los vermeldbar ist, dass es nichts zu vermelden gibt.

Es ist also höchste Zeit für den Meta-Journalismus, wieder auf die Höhe der Zeit zu kommen. Und dabei hilft ausgerechnet die kaum vorhandene Höhe der Zeit. Hier könnte nun von Vorteil sein, dass der Handlungsdruck bei den politisch Agierenden größer ist als der bei den Schreibtischtätern. Also kann man sich umschauen, wer sich noch vor verschlossenen Türen herumlümmelt, und die Chancen stehen gut, dass man jemanden findet, der noch dringender reinmöchte als der neugierige Bürger bzw. seine publizistischen Stellvertreter.

Genau, die Rede ist – oder vielmehr: sie könnte für die, die von ihrem hohen Pegaross runterwollen, sein - von der werten Union. Wer der derzeitigen Selbstzerstörung der CDU zuschaut, der möchte glauben, es hier mit einigen eingeschmuggelten Rezos on speed zu tun zu haben. Klare, selbstzerfleischende „Bodenebenen“-Statements fast im Stundentakt – wer braucht da noch eine Metaebene, die ihre eigene hochgezüchtete Nichtigkeit beklagt.

Es gibt also genug zu beobachten. Und hinreichend Grund, diese Beobachtungen auch zu Papier zu bringen, um es mal old fashioned zu sagen, denn sollte sich die Wir-müssen-wieder-unser-konservatives-Profil-schärfen-Fraktion oder die mit der größten Korruptionskompetenz durchsetzen, dann kann einem jede Meta-Gemütlichkeit nämlich schnell mal als eine solche bewusst werden und im Anschluss noch schneller mal vergehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Niklas Buhmann

Selbstironie ist die schlechteste aller Umgangsformen mit dem durch sämtliche Kränkungen zersetzten "Ich" - abgesehen von allen anderen.

Niklas Buhmann

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