Echo in Nollywood

Retrospektive Ola Balogun gehört zu den großen, aber vergessenen Regisseuren Afrikas. Nun wird sein Werk gezeigt
Ausgabe 31/2015
Ola Balogun während der Dreharbeiten zu „Cry Freedom“
Ola Balogun während der Dreharbeiten zu „Cry Freedom“

Foto: Presse/Filmforum Höchst

Wer hat nicht schon von „Nollywood“ gehört, dem Videofilmgewerbe nach nigerianischem Modell, das seit den frühen 1990er Jahren in ganz Westafrika boomt? Weniger bekannt ist, dass Nigeria auf eine ältere Filmgeschichte zurückblickt, deren Echos überall im heutigen Nollywood nachhallen. Der wichtigste Vertreter dieser vergessenen Tradition heißt Ola Balogun, und im Frankfurter Filmforum Höchst wird dem weitgehend unbekannten Pionier des subsaharischen Kinos nun eine Retrospektive gewidmet, die selbst eine Pionierleistung darstellt. Gezeigt werden sämtliche erhaltenen Filme Baloguns – als selten aufgeführte Unikatskopien aus den Beständen der Cinémathèque Française. Verantwortlich für die einmalige Gelegenheit zeichnet das Filmkollektiv Frankfurt, eine Gruppe junger Kuratoren.

Baloguns Erstlingswerk Alpha (1972), ein intensiver und hochpersönlicher Experimentalfilm, entstand noch in Paris, wo er in den Jahren zuvor studiert hatte. Kurze Zeit später kehrte er nach Nigeria zurück, um seine Arbeit dort fortzusetzen. Anschluss an die nigerianische Bevölkerung suchend, wandte sich Balogun populären Formen zu. In enger Zusammenarbeit mit Darstellern des Yoruba Travelling Theatre erarbeitete er einzigartige Formhybride zwischen Film und Theater. Balogun selbst sah die so entstandenen Filme, beginnend mit Ajani-Ogun (1976), als nur bedingt gelungene Kompromisse.

Aus heutiger Sicht ist das unverständlich. Balogun agiert weniger als souveräner Autor denn als Geburtshelfer; zur Welt kommt der Geist der Improvisation – und der ist in seiner spontanen, durch keine Regieanweisung zu bändigenden Generativität ungemein ansteckend. Die ausufernden Heldengeschichten von Baloguns Wandertheaterfilmen sind ein Vorwand, um das Bild einer Gemeinschaft zu entfalten, zusammengesetzt aus einfachen Dorfbewohnern, korrupten Staatsdienern und übernatürlichen Wesenheiten – ein allegorisches Bild Nigerias, in dem Tradition und Moderne keine Antithesen sind.

1978 erging an Balogun die Einladung, einen Film in Brasilien zu machen. In A Deusa Negra begibt sich ein junger Yoruba auf die Suche nach seinen Ahnen, die einst als Sklaven nach Brasilien verschleppt wurden. Selbst Abkömmling so genannter returnees, beschäftigt sich Balogun mit Überbleibseln und Übersetzungen der Yoruba-Kultur im zeitgenössischen Brasilien. An der Seite des Protagonisten Babatunde verschlägt es den Zuschauer ins brasilianische Hinterland und in die Vergangenheit der Sklaverei – eine hypnotische, vom Afro-Jazz-Perkussionisten Remi Kabaka mit stolpernden Synthie-Beats umspielte magical history tour quer durch den Black Atlantic.

Cry Freedom (1981) beruht auf einem kenianischen Roman über den Mau-Mau-Krieg, Balogun reduziert die Vorlage jedoch auf eine Handvoll archetypischer Figuren und Situationen, sodass ein Traktat über antikolonialen Widerstand und nationale Befreiung daraus wird. Der britische Kolonialherr und der Anführer der Revolution (panafrikanisch besetzt mit dem Afroamerikaner Albert Hall) kennen einander aus Kindertagen – eine unwahrscheinliche Personalisierung des Politischen, die den realistischen Grundton des Films ins Parabelhafte verschiebt.

Daneben werden dokumentarische Arbeiten präsentiert, allen voran River Niger, Black Mother (1989), der entlang des Flussverlaufs eine Geschichte der Region (und implizit eine Gegengeschichte zu kolonialen Grenzziehungen) erzählt. Begleitend zur Reihe ist eine Buchveröffentlichung in Planung – mit Filmbesprechungen und einem Beitrag von Baloguns Frau Françoise, die aus persönlicher Perspektive abenteuerliche Produktionsgeschichten erzählt.

Die Balogun-Retrospektive in Frankfurt ist eine kuratorische Großtat nicht zuletzt im Hinblick auf (wie es im Programmheft heißt) „den prekären Überlieferungszustand seines Filmschaffens (und den des afrikanischen Kinos überhaupt)“.

Info

Retrospektive Ola Balogun 31. Juli und 1. August, Filmforum Höchst, Frankfurt/Main

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