Aus dem Vorwort
"ICH KENNE KEINE FEINDE"
"Es gibt nur Menschen, die ich noch nicht kennengelernt habe". Und: "Von seinen Feinden kann man am meissten lernen. In einem gewissen Sinne sind sie unsere besten Lehrer". So weise und gleichzeitig realistisch spricht der wohl prominenteste und zugleich auch einer der aeltesten Fluechtlinge der Welt nach 56 Jahren im indischen Exil. Obwohl er seit 1959 ausserhalbt seiner von China besetzten Heimat leben muss, hegt er keinen Hass gegenueber Chinesen und gegenueber den chinesischen Fuehrern. Im Gegenteil. "Selbstverstaendlich bete ich auch fuer die kommunistischen Fuehrer in Peking", sagte er, der sich selbst manchmal einen "kommunistischen Buddhisten" oder einen "buddhistischen Kummunisten" nennt, und fuegt lachend hinzu: "In Europa wuerde ich die Gruenen waehlen, weil die Umweltproblematik unsere Ueberlebensfrage ist."
Heute sagt er fuer einen Religionsfuehrer Einmaliges: "Ethik ist wichtiger als Religion. Wir kommen nicht als Mitglied einer bestimmten Religion auf die Welt. Aber Ethik ist uns angeboren". Immer haeufiger spricht er bei seinen weltweiten Vortraegen ueber eine "saekulare Ethik jenseits aller Religionen". Albert Schweitzer nannte das selbe Anliegen "Ehrfurcht vor allem Leben".
Diese saekulare Ethik des Dalai Lama sprengt nationale, religioese und kulturelle Grenzen und skizziert Werte, die allen Menschen angeboren und allgemein verbindlich sind. Das sind nicht aeussere, materielle Werte, sondern innere Werte wie Achtsamkeit, Mitgefuehl, Geistesschulung sowie das streben nach Glueck. "Wenn wir selbst gluecklich sein wollen, sollten wir Mitgefuehl ueben, und wenn wir wollen, dass andere gluecklich sind, sollten wir ebenfalls Mitgefuehl ueben", sagt der Dalai Lama. In unserem Streben nach Glueck und unserem Wunsch, Leid zu vermeiden, sind sich alle Menschen gleich. Daraus resultieren die groessten Errungenschaften der Menschheit. Dashalb sollten wir uns beeilen damit anzufangen, auf der Grundlage einer Identitaet zu denken und zu handeln, die in den Worten "wir Menschen" wurzelt.
Kriege im Nahen Osten und in der Ukranine, in Somalia und Nordafrika, ueber 20 Millionen Fluechtlinge weltweit, Buergerkriege in Nigeria und in Afganistan, der Klimawandel und die Umweltkrise, die globale Finanzkrise und der Welthunger: Der Dalai Lama meint, dass wir ohne eine saekulare Ethik all diese Probleme nicht loesen koennen. Was der Dalai Lama dabei vorschlaegt, ist eine Revolution der Empathie und des Mitgefuehls- eine Revolution aller bisherigen Revolutionen. Ohne Empathie und Mitgefuehl haette die Evolution gar nicht stattgefunden. Erschuettert ueber den islamistischen Terror, sagte der Dalai Lama im Januar 2015: "Ich denke an manchen Tagen, dass es besser waere, wenn wir gar keine Religionen mehr haetten. Alle Religionen und alle heiligen Schriften bergen ein Gewaltpotenzial in sich. Deshalbt brauchen wir eine saekulare Ethik jenseits aller Religionen. In den Schulen ist Ethik-Unterricht wichtiger als Religionunterricht. Warum? Weil zum Ueberleben der Menschheit das Bewusstsein des Gemeinsamen wichtiger ist als das staendige Hervorheben des Trennenden."
Ich bin sehr beeindruckt von den klaren, liebevollen und erkenntnisreichen Worten des Dalai Lama und moechte an dieser Stelle eine Empfehlung zum weiter lesen an interessierte Leser aussprechen und wuensche der Menschheitlichkeit ein gutes, schoenes, wahreres und friedlicheres neues Jahr.
Kommentare 544
"Ethik ist wichtiger als Religion. Wir kommen nicht als Mitglied einer bestimmten Religion auf die Welt. Aber Ethik ist uns angeboren."
Ob der letzte Satz so bestätigt werden kann, ist (noch?) offen. Sicher ist aber, dass sich das alle Konfessionen an die Wand nageln können, denn mit der Vielfalt der Überzeugungen gab es nur Probleme, wobei Probleme eine völlige Untertreibung ist.
Hier übrigens der gesamte Text frei: Ethik ist wichtiger als Religionen. (zum freien Download)
Ja. Und danke fuer den Link.
Wie läßt sich Ethik begründen?
Vielleicht so: Eine Lebensweise mit dem Bemühen, den Mitmenschen besser zu stellen? Ohne mit der Motivation zu handeln, dass das auf längere Sicht zu meinem Vorteil gereicht. Es wird aber zum Vorteil aller sein.
Wie laesst sich Ethik begruenden? Nach der Integralen Philosophie und des AQUAL-Modells Wilbers, stehen dem Menschen verschiedene Inteligenzen oder sogenannte Entwickungslinien zur Verfuegung, wie z.B. die kognitive Intelligenz oder Entwicklungslinie. So ist der Mensch eben auch mit grundsaetzlich mit moralischer Intelligenz ausgestattet, die bei dem einen allerdings mehr, bei dem anderen weniger entwickelt sein kann.
Na ja, damit ist lediglich in bestimmter Art (hier eben in Wilberscher) Ethik gesetzt, also behauptet, aber noch lange nicht begründet. Wo z.B. ist denn der Sitz der "moralischen Intelligenz" innerhalb der Intelligenz in deren Gesamtheit, und wo ist der Sitz der Intelligent überhaupt?
Hallo Nil.
AQAL heißt das. ;-)
Begründet ist Ethik damit streng genommen noch nicht, nur beschrieben. Wilber müsste zeigen, dass die "higher stages" tatsächlich welche sind und nicht nur anders.
Einen Anlauf dazu hat er in (dem ansonsten guten) Buch "Integrale Psychologie", bei den gefürchteten Fußnoten genommen und ist da leider kläglich gescheitert.
Ist dann denn nicht "Ethik" etwa nur eine unergründbare Emergenz? Wozu, wenn der Mensch aus Molekülen und Atomen besteht, sollte eine gewisse Verteilung derselben im Raum - also die Verteilung von Stoffen im Raum - sollen sich solche Vorstellungen daraus ergeben.
Welche Veranlassung haben Atomare Konfigurationen im Raum, nicht den reinen Status ihrer selbst, sondern z.B. "Ethik" stattdessen vorzugaukeln?
Es wäre das ja so, als würde B z.B. A vorgaukeln, da A das Ergebnis von B sei.
P.S.:
Oder ein anderes Beispiel: Eine gewisse Verteilung von atomaren Stoffen gaukeln einen Baum-Koeffizienten vor; oder eine gewisse Schwingung gaukelt die Farbe Rot, andere Grün vor.
Willst Du wirklich einen Einstieg in das umfangreiche Thema der Ethik? Ich hatte deshalb einen indirekten Weg vorgeschlagen, um zu vermeiden, auf der Ich-Position hängen zu bleiben und sich nicht auch noch in den philosophischen Zweigen zu verlieren. Ich bräuchte andernfalls eine Präzisierung (Einhegung) des Begriffs.
Stichworte: Gut und Böse, Moral, Sitte, Handlungen, Normen, Maßstäbe, Konsens, Instanzen, Glauben usw.
Oh ja, habe ich auch gerade gemerkt. Ich bin Legastenikerin. Mal geht es besser, mal schlechter.)
Es gibt ja inzwischen reichlich Forschungsmatarial zur Werteentwicklung oder Moralentwicklung z.B. hier https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlbergs_Theorie_der_Moralentwicklung
Ich wuerde sagen in der Seele.
Wie auch immer sich unser physikalischer Unterbau begrifflich definiert, er erklärt zumindest nicht für mich, wie sich daraus die Qualitäten ergeben, über die wir uns gerade schreiben. Darüber wurde kürzlich auch in einem anderen Blog kommentiert, wobei dessen Verfasser wohl davon ausgeht, dass ich "Letzterklärungen" in den Glaubensbereich verlagere, was, wie ich geschrieben hatte, alles und nichts erklären kann.
Die "atomaren Konfigurationen" selbst erklären nichts, da sie vermutlich auch keine "Eigenschaften" besitzen. Wenn Du aber von "gaukeln" sprichst, dann sind dies manche Ergebnisse unserer Transformation der "äußeren Welt", wie wir es vielfach von optischen Täuschungen her kennen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Zur Korrektur dieser Täuschungen schreiben wir uns z.B., was sich dann im Konsens der Vielen als gesellschaftlich (vorläufig) akzeptierte Wahrheit durchsetzt.
Muss jetzt kurz meinen Suessen abholen. Schaue spaeter rein.
Wollt auch nicht klugschei?erisch daherkommen, ich schreib' auch noch was Konstruktives, hab' nur jetzt keine Zeit mehr.
Bis denne.
"Willst Du wirklich einen Einstieg in das umfangreiche Thema der Ethik?"
Nee, nicht u n b e d i n g t. Ich dachte nur, der Dalai Lama müsse ja doch wissen, wovon er redet.^ :-D
"Willst Du wirklich einen Einstieg in das umfangreiche Thema der Ethik?"
Nee, nicht u n b e d i n g t. Ich dachte nur, der Dalai Lama müsse ja doch wissen, wovon er redet.^ :-D
Und womit nimmt man die Seele wahr, so daß von Ihrer Existenz gesprochen werden kann?
tja, Ethik. Nehmen wir mal so einen glühenden Nationalsozialisten. Der Mann brennt für seinen Führer, ist total überzeugt, er erkennt die Notwendigkeiten seiner Weltanschauung und billigt sie, er ist davon durchdrungen, und bereit, sein Leben dafür einzusetzen.
Wie machen wir dem Mann klar, dass seine Ethik für den Arsch ist, oder freundlicher, dass ihm etwas als Ethik unterschoben wurde, was keine Ethik ist? Ohne dass wir ihn vorher dazu bringen, seine Prämissen zu wechseln.
Mit dem GEIST wuerde ich sagen (nicht zu verwechseln mit dem Intellekt).
"Brennen" ist hier gleich das richtige Stichwort.
Dem Mann muss klar gemacht werden, besser, er sollte selbst erkennen, dass der beste Weg, Recht von Unrecht, Gut und Böse zu unterscheiden, der eigene Weg ist. Also das Zweifeln zu lernen und die Gefahren, die stets mit der Verabsolutierung von Ideen (Ideologien) einhergehen. Keine Frage, das bleibt schwierig.
Am effektivsten wahrscheinlich durch umtopfen, d.h. Perspektivwechsel.
Womöglich ist unsere Ausstattung, was die Fähigkeiten zur direkten (Sinnes-)wahrnehmung zu begrenzt, um alles vorhandene zu erfassen. An der Stelle kommen dann wieder Ahnungen und Glaubenskonstrukte ins Spiel.
Das ist ein im ethnozentrischem Denken veranderte Weltsicht, welches noch nicht zu universellen Werten vorgedrungen ist. Bleibt schwierig. Da muessen Profis ran.)
.......oder besser hier http://integralesleben.org/fileadmin/user_upload/images/DIA/Info-Material_Seminare/S_Cook_Greuter/9_Stufen_zunehmenden_Erfassens_-SCG___hg_IB.pdf
Wir können also festhalten, dass Ethik kein Allheilmittel ist, solange es sich nicht um unsere Ethik handelt. Oder anders gesagt, das Allheilmittel besteht darin, andere zu unserer Ethik zu bekehren. Was machen wir damit anders als die Gegenseite(n)?
Ausgehend von der Spitze der Pyramide würde ich mich herunterarbeiten, wo sich die Gemeinsamkeiten trennen, bzw., wie sich die Unterschiede friedlich leben lassen.
Diese Übereinstimmungen gibt es doch wohl. Gewaltlosigkeit als oberste Prämisse. Da wir aber auf einem evolutionären Erbe sitzen, steckt diese Problematik wohl immer noch so stark in unseren Strukturen (kein Staat wie die USA zeigt es klarer), dass es die Erkenntnis darüber zwar gibt, aber die Einsicht sich bei manchen nicht einstellen will. Da kommt auch die Bergpredigt an ihre Grenzen.
Es gibt keine unsere oder ihre Ehtik. Die Ethik ist einer Entwicklung oder Evolution unterworfen, wenn man so will. Der Mensch entwickelt sich (unabhaengig von Rasse, Nationalitaet, Religionszugehoerigkeit) im laufe seinses Lebens grob vereinfacht gesagt, von egozentrisch, zu ethnozentrisch, zu weltzentrisch, zu theozentrisch. Oder anders gesagt, von ich, wir, alle Menschen, alle Lebewesen.
........oder von ich zu wir zu alle Menschen zu alle Lebewesen.
Aus meiner Sicht steckt im Zentrum des Problems Ethik ein zentraler Aspekt unseres Menschseins: Wir strukturieren die Welt durch Differenzierung in Dualismen. Im Kontext: Wir - Die. Dieses Differenzierungsbestreben ist so stark, dass top-down-Konstruktionen genausowenig greifen wie konzentrische Ausweitungen.
Unterschiede, die sich friedlich leben lassen, betreffen uns, und wehe, da will jemand anderes mitspielen. Ich gegen meine Brüder. Meine Brüder und ich gegen meine Familie. Meine Familie und ich gegen unseren Clan. Mein Clan und ich gegen unser Dorf. Mein Dorf und ich gegen unser Land. Mein Land und ich gegen die ganze Welt.
Oder anders gesagt, von ich, wir, alle Menschen, alle Lebewesen.
Ja? Auf diesem unserem Planeten? Alle Menschen, oder auch nur eine Mehrheit? Wo sehen Sie das, außerhalb der holden Proklamation?
Und womit nehmen Sie Glaubenskonstrukte und/oder Ahnungen wahr?
Das wird nun meine dritte Frage - und ich meine sie wirklich ernst -: womit nehmen Sie den Geist wahr?
Stell sich denn hier nicht eher zunächst die Frage nach der Unterscheidung von Ethik und Ethikinhalt? Mir scheint, der Gedanke bzgl. "Bekehrung" ist geradezu eine fatale Verwechslung von Ethik selbst und etwaigem Ethikinhalt.
Wenn ich weit genug in meiner Selbstentwicklung vorangekommen bin, bin ich auch in der Lage immer mehr von dieser Welt zu Umarmen bis meine Werte sich auf alle Lebewesen bezieht oder ausdehnt. Ich muss dann nicht mehr in Opposition zu einem vermeintlichem Anderen gehen. Wenn Sie verstehen was ich meine. Dann bin ich transnational geworden und in der Lage ein groesseres Wir zu leben.
Mit meinem Zeugenbewusstsein wuerde ich sagen.
Ja GEBE, so ist es.
Kann es sein, daß sich mit Ihrer Antwort ein circulus vitiosus ergibt? Denn ich müßte ja weiterfragen: womit nehmen Sie Ihr "Zeugenbewußtsein" wahr?
Und, werte Nil, können Sie qua definitionem näher ausführen, was Sie unter "Zeugenbewusstsein" verstehen?
Tja, ja, so ist es ja auch inbezug auf "Seele"; es werden seelische Inhalte mit der Seele selbst verwechselt - ein äußerst narzißtischer Akt.
Tja, ja, so ist es ja auch inbezug auf "Seele"; es werden seelische Inhalte mit der Seele selbst verwechselt - ein äußerst narzißtischer Akt.
Wir strukturieren die Welt durch Differenzierung in Dualismen.
Differenzierung ohne Integration erzeugt Probleme, das ist richtig. Ich differenziere um ein umfassenderes Weltbild zu erhalten. Ein rein"entweder - oder" Denken erzeugt Dualismen. Es gibt auch jenseits dessen eine "sowohl-alsauch Wahrnehmung, welches den Ganzheits- und Teilheitsaspekt des in der Weltseins beruecksichtigt.
Das Zeugenbewusstsein wird durch stetige Meditaion eingeuebt. Durch fortschreitende Meditation entwickelt sich das Unterscheidungsvermoegen. Es werden koerperliche Zustaende von feinstofflichen Zustaenden, von kausalen Zustaenden, von nicht dualen Zustaenden unterschieden. Und der Zeuge bezeugt einfach nur was gerade auftaucht.
Ja, das macht auf dem Weg jeder durch. Durch Versuch und Irrtum lernt man bestenfalls dazu oder bleibt stecken.
Ja, ja, schon klar, was Sie meinen. Nur ist ja das "Zeugenbewusstsein" eben ein Bewußtseinsinhalt - [wenn auch ein spezieller (ich will auf die etwaigen Spezialitäten auch weiter gar nicht eingehen oder sie erörtern)]. Nur bleibt eben die Frage: womit nehmen Sie das Bewußtsein selbst - also nicht etwa irgendwelche Inhalte desselben - wahr?
Aber nun gute Nacht!
Das Zeugenbewusstsein selbst hat keinen Inhalt. Es kann koerperliche oder feinstoffliche oder kausale oder nicht duale Inhalte bezeugen.
Gute Nacht und schlaf gut.
Er hat zwar Recht, der Dalai Lama, aber psychologisch kommt er schnell ins Hintertreffen, weil z.B. 1, 5 Mrd. Christen und mindestens ebenso viele Muslime, sich ihre Religion und den Glauben daran, damit auch zugleich eine ultimative Ethik zu besitzen, nicht eifach ausreden lassen und in Weiterung, ihre Ethik als einzig, überlegen, machtvoll und wahr ausleben. - Der Aufwand an Bescheidenheit, auf alle diese Zuschreibungen zu verzichten, erscheint vielen religösen Menschen zu groß und zu bedrohlich.
Ich sage ja und schreibe es Ihnen, dass ich schon froh wäre, wenn mich, den Atheisten, die monotheistischen Religionen mindestens auf dem Status von Natureligösen und Voodoo- Magiern akzeptieren und schätzen könnten. Da wäre mir und anderen Nicht- Gottgläubigen sicher schon geholfen.
Ein paar Millionen Hindus müssten allerdings auch einsehen, dass es ethisch ist Muslime und andere Gläubige am Leben zu lassen und, wie immer, gilt das alles vice versa.
Ehrfurcht vor dem Leben, kann man sogar säkular besingen und als ethisches Prinzip anerkennen, womit ich schon wie der Dalai Lama klinge:
Violetta Para, "Gracias a la vida"
https://www.youtube.com/watch?v=w67-hlaUSIs
Beste Grüße und Glück im Jahreslauf
Christoph Leusch
Kein Problem. Ich freue mich von dir zu hoeren.)
Gibt es "Ethik an sich" losgelöst von ihrem Inhalt. Ist der Inhalt nicht die Ethik?
Wenn ich weit genug in meiner Selbstentwicklung vorangekommen bin, bin ich auch in der Lage immer mehr von dieser Welt zu Umarmen bis meine Werte sich auf alle Lebewesen bezieht oder ausdehnt.
Und wenn ich nicht weit genug in meiner Selbstentwicklung gekommen bin, vielleicht gar überhaupt nicht kommen will oder keinen Wert in der Selbstentwicklung in eine ethische Dimension sehen kann oder will? Wenn ich mich verweigere?
"Heute sagt er fuer einen Religionsfuehrer Einmaliges: "Ethik ist wichtiger als Religion. Wir kommen nicht als Mitglied einer bestimmten Religion auf die Welt. Aber Ethik ist uns angeboren".
Der Dalai Lama sagt das aus der Position eines Menschen heraus, der über einen starken Glauben verfügt. Genau das unterscheidet ihn aber von den meisten Menschen, an die er diese Botschaft richtet. Und genau hier liegt auch die Crux in diesem schlagwortartigen Argument: "Ethik ist wichtiger als Religionen". Natürlich hat er recht, wenn er sagt, dass wir "ohne eine säkulare Ethik all diese Probleme nicht lösen können". Aber das haben auch schon Andere vor ihm erkannt und es gibt genug rein vernunftbasierte Ansätze, die eine hervorragende Ethik zur Verfügung stellen. Der kathegorische Imperativ Kants ist in dem Zusammenhang sicher ein Stichwort. Das Problem ist, dass einer rein vernunftbasierten, humanistischen Ethik offenbar die Basis fehlt, aus der sie ihre allgemeine Gültigkeit, jenseits säkularer, kulturell definierter Konventionen und Kontrollmechanismen ableiten und aus der sie die Kraft und die Attraktivität gewinnen kann, die die Menschen offenbar brauchen um sie für sich als verpflichtend zu akzeptieren. Um sich ihr unterzuordnen oder sie sogar herbeizusehnen. Diese Funktionen wurden traditionell von einer metaphysischen Instanz oder von einem transzendenten metaphysischen Überbau übernommen, der auch für den Dalai Lama als Oberhaupt einer weltweiten buddhitischen Gemeinde absolute Gültigkeit hat. Ich glaube auch nicht, dass er dieses Zitat in einem Sinn gebraucht, der eine absolute Wertung zugunsten der Ethik enthält. Im Gegenteil bin ich mir sicher, dass er sich über die von mir dargestellten Zusammenhänge völlig bewusst ist, auch weil sie die Basis für seine eigene Ethik darstellen. Und natürlich hat er auch insofern recht, als dass die idealisierten Erlösungsvorstellungen der Religionen ohne eine effektive, das heißt auch vernunftbasierte säkulare Ethik keine weltlichen Problemlösungen beisteuern, sondern eher für Streit und Abgrenzung sorgen. Die unbeantwortete Frage bleibt jedoch, wie man den längst formulierten humanistischen Prinzipien eine ähnlich verpflichtende Bedeutung zurück geben kann, die sie für die Menschen durch den Glauben gehabt haben. Die sie zu Bedingungen auch für das eigene Glück macht, welche über deren eigene, begrenzte Zeit und Existenz hinaus gehen. So wie das der Fall war, als die Religion diese Basis quasi automatisch, durch den Glauben an ein Jenseits oder eine Wiedergeburt in weniger leidvollen Lebensumständen zur Verfügung stellen konnte. Und zwar so, dass die Menschen sich dem gar nicht entziehen wollten. Diese Basis ist für viele, wenn nicht die meisten Menschen für immer verloren gegangen. Gott ist tot, weshalb die beste Ethik bei denen nicht funktioniert, die nicht über den Tellerrand ihres Egos hinausschauen können oder wollen. Und das scheinen tendenziell immer mehr zu werden. Insofern ist Ethik vielleicht wichtiger als Religion. Aber was nützt eine Ethik, der die Kraft fehlt, die sie aus einem Glauben ziehen kann, der ihr eine Gültigkeit verleiht, die unseren begrenzten, sozialdarwinistisch legitimierten Horizont überscheitet?
Ja.
Ich kann sie nicht Wahnehmen wie etwa einen Geruch. Das sind Inhalte, die ich interpretiere in Eindrücke verschiedenster Genese, je nachdem, in welche meiner Kategorien sie schliesslich am besten hineinpassen.
Der Dalai Lama verweist indirekt auf die Menschenrechte, die 1948 für die Mitgliedsstaaten der UN verspflichtend wurden. Darin sind m.E. alle wichtigen ethischen Grundlagen festgelegt. Nun ist es so, dass nur wenige Staaten, wenn überhaupt, den Menschenrechten gerecht werden. Immerhin gibt es dadurch einen Maßstab, an dem man die Humantität eines Staates zwar nicht konkret ablesen, aber doch einigermaßen einordnen kann.
Ja. Das Stimmt. Es gibt eben noch mehr zu denken auf, gerade wenn der Dalai Lama als geistiger Oberhaupt des tibetischen Buddhismus ueber die real gelebten Irrwege der Religioesen spricht und damit besonders Klerikern Anlass zu denken geben soll.
Ja. Das ist richtig. Mit seinem Anliegen moechte Er die Nationen und alle die Willens und in der Lage sind ihn zu hoeren, daran Erinnern fuer eine bessere und konsequentere Umsetzung der universellen Menschenrechte Sorge zu tragen.
Ja, solange du nicht gegen die Grundgesetze deines Landes verstoesst, hast du natuerlich das Recht dich auf einer niedrigeren Bewusstseinsstruktur zu befinden.)
Schade. Columbus hatte gestern Abend auch einen interessanten Kommentar geschrieben, der aber verschwunden ist. Freitrag hatte gestern Nacht Server Probleme. Ist wohl irgendwie verschluckt worden.
Oh, doch nicht weg.)
Da ist natuerlich einiges dran. Trotzdem bleibt uns nichts anderes uebrig als diese Themen immer wieder anzusprechen, um im Dialog zu bleiben. Und vor allem selbst als positives Beispiel fuer andere ein Leuchtturm zu sein, wie es der Dalai Lama tut.)
Hallo Lethe.
„Wie machen wir dem Mann klar, dass seine Ethik für den Arsch ist, oder freundlicher, dass ihm etwas als Ethik unterschoben wurde, was keine Ethik ist?“
Das ist einigermaßen hoffnungslos, auf kurze Sicht. Auf längere Sicht nicht unbedingt. Eine schöne Begründung liefert in der Tat Ken Wilber in dem recht unbekannten Buch „Psychologie der Befreiung“ von Wilber, Engler, Brown u.a. Auf die Psychoanalytiker Blanck & Blanck bezug nehmend, differenziert er in den einzelnen Entwicklungsdrehpunkten (hierarchisch sich entfaltende Stufen immer höherer Komplexität) sogenannte Unterphasen, die immer dasselbe Muster haben. In der Unterphase a) ist man mit dem eben erworbenen Weltbild (oder Drehpunkt) vollständig identifiziert. Was übrigens so gut wie jeder selbst kennt: man hat so das Gefühl, jetzt, jetzt endlich habe man den Druchblick und begriffen, wie die Welt funktioniert, vielleicht nicht in allen Details, aber doch in groben Züge. In dieser Unterphase ist man vollkommen überzeugt und relativ immun gegen Kritik.
Das ändert sich normalerweise mit der Zeit, das aktuelle Weltbild oder der Drehpunkt büßt etwas na erklärender Kraft ein. Irgendwelche Daten passen nicht, zunächst werden sie negiert, bekämpft – wie es auch Kuhn beschrieben hat – doch der nagende Zweifel wird lauter und lauter. Unterphase b) ist erreicht, auf einmal sieht man sich genötigt sein Weltbildzu verteidigen und es ist unklar wie dieser innere Kampf ausgeht. Werden die Zweifel stärker kommt es entweder zu einer Regression, auf die Stufe davor, oder Reste des alten Weltbildes fusionieren mit Teilen des Weltbildes der Kritiker, beides zusammen gehen eine Synthese ein, in der das Alte gleichermaßen bewahrt und negiert wird und das ist die Unterphase c).
Beim Nazi in Unterphase a) müsste man warten, aber dann bestünde Grund zur Hoffnung. Doch man muss auf dem Schirm haben, dass Entwicklung irgendwann einmal ein Ende hat, nicht prinzipiell, aber für das eigene Leben. Nur sind die Hintergründe, wer sich als Nazi eignet und wer nicht, gut bekannt. Auch daran kann man schrauben, mt individuellen und/oder kollektiven Mitteln. Kennst Du zufällig Littells Buch „Die Wohlgesinnten“?
Na ja, da es verschiedenste Ethik-Inhalte, ihrem Auftreten nach, gibt, ist die Frage nach dem Prinzip von Ethik, also nach der Washeit von Ethik berechtigt, ebenso wie die nach der Genese von Ethik als solcher, ungeachtet der Modalitäten ihrer Ausprägung als Gewordenes.
Wenn ich dazu eine Anmerkung machen darf: Ein festes Weltbild zu haben, bietet enorme psychische Vorteile, weil die alltäglichen Handlungs- und Sichtweisen nicht in Frage gestellt werden müssen. Wer geht schon gerne davon ab und legt die Psyche stabilisierenden Krücken beiseite? Die ethischen Verhaltenssysteme halten eine Gesellschaft zusammen, wenn die Regeln innerhalb der Gemeinschaft akzeptiert und praktiziert werden. Deshalb gibt es in allen Systemen angedrohte unangenehme Konsequenzen, im Rechtsstaaat ein Paragraphenwerk, im religiös geprägten Staat eine Offenbarung, die in einer bestimmten historischen Situation Wenigen zugänglich wurde, jedoch nicht wiederholt werden kann. Das rechtsstaatliche Modell hat den Vorteil auf Grund von Konventionen der Beteiligten zustande gekommen zu sein. Deshalb ist eine Änderung rsp. Fortentwickung möglich. Offenbarungsmodelle werden üblicherweise verteidigt, haben es schwer, Anpassungen zuzulassen.
Wechselt nun jemand auf Grund von Dislozierung in ein anderes moralisches System, kann diese ihn bis dahin prägende Struktur nicht einfach ohne persönlichkeitsverändernde Folgen abgelegt werden. Denn das Weltbild müsste neu justiert und verinnerlicht werden.
Was ist ein Bewußtsein, wenn es keinen Inhalt hat, dessen es sich bewußt ist? Körperliches, "Feinstoffliches" und Kausales müssen ja doch erst einmal als Referenzen eines Vorgefundenen wahrgenommen werden.
Abgesehen davon stelle ich mir die Frage, ab wann, also mit welchem Parameter Stoffliches als feinstofflich bestimmt ist. Trifft es schon auf feinsten Staub zu, also auf stoffliche Kleinpartikel, die im Raum angeordnet sind; oder handelt es sich eher sogar um die Geringfügigkeit der Verteilung derselben im Raum? Vielleicht so, daß bei einer Geringfügigkeit der Verteilung im Raum noch einer gewisser größerer Zeitfaktor bei Aufsuchung der einzelnen Partikel hinzukommt, weil sie weiter voneinander entfernt sind?
Gerne liest man in dem Zusammenhang ja auch sogar von Feinstofflicher Energie.
Aber ist es denn nicht so, daß diesbezüglich Materie in der Vorstellung soweit verdünnisiert wird, bis sie in den Vorstellungen der Stofflichkeit entkleidet ist, bis sie sozusagen imponderabil ist und von ihr nur noch das übrigbleibt, was einer gewichtigen Phantasie angehört?
Und über die Vorstellung der so in die Subtilität verordnete Materie und über das, was die Phantasie dann über sie hergibt, wird die Phantasie zur Apodiktion, mit der hingepfählt wird: es gäbe Geistiges als verdünnisierte Materie.
Nur verlagert man damit lediglich das Erkenntnisproblem, das man als Materialist hat, nämlich Geist dingfest verorten zu wollen, in eine Phantasiewelt und beginnt die gleichen Fragen dort von vorne zu stellen.
Hallo Achtermann.
Stimme zu.
Zwei Details. Auch in religiösen Systemen sind Veränderungen möglich, nur endet der kulturelle Schwerpunkt, bezogen auf die Entwicklungshöhe der Mitglieder vermutlich eher, als in rechtsstaatlichen Systemen.
Zweitens, hat jeder Wechsel des Weltbildes oder der Entwicklungsstufe „persönlichkeitsverändernde Folgen“ und Wilber macht deutlich, dass wir alle drei oder sogar mehr dieser großen Wechsel leben und erleben. Er macht aber (mit Piaget) auch klar, dass wir uns in eklatanter Weise nicht nur nicht mehr an unser gestriges Selbst erinnern können, sondern es sogar aktiv leugnen – so war ich nie! - und auch, dass es vermutlich einen guten Grund gibt die Stufe davor zu verleugnen. Er führt aus, dass diese Stufe sogar in den meisten Kulturen verteufelt wird, vermutlich ist das ein unbewusster Schutz gegen Regressionen.
Hallo Columbus.
"Ich sage ja und schreibe es Ihnen, dass ich schon froh wäre, wenn mich, den Atheisten, die monotheistischen Religionen mindestens auf dem Status von Natureligösen und Voodoo- Magiern akzeptieren und schätzen könnten. Da wäre mir und anderen Nicht- Gottgläubigen sicher schon geholfen."
Wie sieht es denn anders herum aus? Ist eine ernst gemeinte Frage und soll keine Pöbelie sein.
Die Frage war ja nicht, womit "Glaubenskonstrukte" und "Ahnungen" n i c h t wahrnehmbar sind. Aber durchaus, wenn der induktive Weg nicht angegeben wird, ist durchaus der deduktive gelegentlch sehr hilfreich. Allerdings müßte dabei dann die Aufzählung, nämlich womit n i c h t wahrgenommen wird, im Ausschlußverfahren solange weitergeführt werden, bis übrigbleibt dasjenige, womit wahrgenommen wird.
Zum Interpretieren (wie auch immer) braucht man ja erst überhaupt ein Interpretierbares als ein Vorgefundenes; und dahin richtete sich meine Frage, wie und womit werden Sie sich eines Glaubenskonstruktes und/oder einer Ahnung bewußt, wie treten diese auf, welche Sie ja danach erst, nachdem Sie diese aufgefunden haben, interpretieren oder sonstwie anwenden (ja, sogar dann erst auch etwa ignorieren) können?
Hallo Schna'sel.
„Der Dalai Lama sagt das aus der Position eines Menschen heraus, der über einen starken Glauben verfügt.“
Mein Tipp ist, dass der Dalai Lama ziemlich ungläubig ist.
„…. es gibt genug rein vernunftbasierte Ansätze, die eine hervorragende Ethik zur Verfügung stellen“
Nämlich?
„Das Problem ist, dass einer rein vernunftbasierten, humanistischen Ethik offenbar die Basis fehlt, aus der sie ihre allgemeine Gültigkeit, jenseits säkularer, kulturell definierter Konventionen und Kontrollmechanismen ableiten und aus der sie die Kraft und die Attraktivität gewinnen kann, die die Menschen offenbar brauchen um sie für sich als verpflichtend zu akzeptieren.“
Da sagen Sie's ja selbst. Das ist dann eben nicht vernunftbasiert, sondern ein anderer Glaube. Kant macht das gut, kommt aber nicht ohne den Hinweis aus, man müsse das Gute schon wollen. Wenn diese Entscheidung bereits gefallen ist, ist Kants großartiger KI eine Gebrauchsanweisung, aber keine grundlegende Weichenstellung.
„Die unbeantwortete Frage bleibt jedoch, wie man den längst formulierten humanistischen Prinzipien eine ähnlich verpflichtende Bedeutung zurück geben kann, die sie für die Menschen durch den Glauben gehabt haben.“
Exakt. Mitten ins Herz.
„Die sie zu Bedingungen auch für das eigene Glück macht, welche über deren eigene, begrenzte Zeit und Existenz hinaus gehen.“
Das eigene Glück ist keine gute Grundlage für eine Ethik, dafür hätten wir dann ohnehin schon den Utilitarismus. Mit dem geht allerdings alles und genau das ist das Problem.
„Gott ist tot, weshalb die beste Ethik bei denen nicht funktioniert, die nicht über den Tellerrand ihres Egos hinausschauen können oder wollen.“
Auch diesen Satz kann man einrahmen.
„Insofern ist Ethik vielleicht wichtiger als Religion.“
Vielleicht führt ja ein Weg durch die Religion – und die oft damit verbundene konventionelle Stufe der Moral, vgl. Nils link zu Kohlberg – zur Ethik, die immer postkonventionell ist.
„Aber was nützt eine Ethik, der die Kraft fehlt, die sie aus einem Glauben ziehen kann, der ihr eine Gültigkeit verleiht, die unseren begrenzten, sozialdarwinistisch legitimierten Horizont überscheitet?“
Bingo!
das Recht dich auf einer niedrigeren Bewusstseinsstruktur zu befinden
Definiere "niedrig". Darum dreht sich doch alles. Unsere Vorstellungen überzeugen uns (idealerweise), das ist schon beinahe das einzige verallgemeinerbare wenn auch nicht perspektivenauflösende Kriterium für die "Höhe" einer Bewusstseinsentwicklung. Letztlich vergewissern wir uns dieser unserer Höhe durch die Diffamierung anderer Perspektiven, wie die zitierte Diffamierung zeigt (davon abgesehen: Die Argumentation mit unterstellten "niedrigen" Bewusstseinsstufen galt schon in den 70er Jahren als Beweis dafür, dass man für die vertretene Sache nichts besseres zu sagen weiß).
Aber selbst ohne den Diffamierungsaspekt: Ethik wurde hier als das Allheilmittel schlechthin dargestellt. Die "niedrige" Bewusstseinsstruktur ist ubiquitär. Ethik greift überhaupt nicht, nicht im allergeringsten. Man kann sie überhöhen und postulieren - sie bewirkt nichts, nichts im Sinne des Dalai Lama und fasst nichts für die etwas "niedriger" angelegte praktische Lebensführung, die sich in aller Regel im Wohlergehen des sozialen Nächstfeldes erschöpft..
Hallo Lethe.
"Definiere "niedrig". Darum dreht sich doch alles. Unsere Vorstellungen überzeugen uns (idealerweise), das ist schon beinahe das einzige verallgemeinerbare wenn auch nicht perspektivenauflösende Kriterium für die "Höhe" einer Bewusstseinsentwicklung. Letztlich vergewissern wir uns dieser unserer Höhe durch die Diffamierung anderer Perspektiven ,..."
Ja, exakt das ist der Knackpunkt.
Ich sehe das ähnlich so und ergänze: Religion als ein spezielles Glaubensbekenntnisse läßt sich transzendieren zur Ethik hin, da ein Ethisches zugleich immer auch einem religiösen Empfinden entspringt. Auch inbezug auf Agnostik und/oder Atheismus ist die möglich, sobald diese als Negationen von Glauben an speziell ausgelegte Glaubensbekenntnisse erfaßt werden und sich damit ihres eigenen religiösen Glaubenshabitus' bewußt werden.
Meine Beschäftigung mit Wilber ist schon ein paar Jahre her, von daher kann ich mich nicht dafür verbürgen, dass mir die Details seiner Darlegungen noch in letzter Detailtreue präsent sind. Was mich damals irritierte und letztlich verärgerte, so dass ich die Beschäftigung mit ihm einstellte, ist etwas, das mich schon im Hinduismus irritierte und verärgerte. Für die in der Sache unterstellte Seelenevolution als letztlich unvermeidliche Einbahnstraße ins Licht gibt es außer Hoffnung praktisch keinen Beleg. Du kannst natürlich fragen, was der Mensch ohne Hoffnung sei. Mir geht es aber nicht um Hoffnung, sondern um Wissen, und da "weiß" Wilber für meinen Geschmack viel zu oft, als dass er belegen könnte, dass die vertretenen Positionen Wissen sind statt Spekulationen. Nicht dass er damit allein steht. Letztlich verbreitet er Weltanschauung, nicht mehr und nicht weniger.
Egal. Mein zentraler Einwand lautet, Entwicklung ist kein Automatismus in eine feste Richtung. Entwicklung ist auch, immer sadistischer zu werden, immer bösartiger, immer überzeugter von totalitären Methoden usw. Entwicklung ist jede Bewegung der psychischen Dispositionen eines Menschen, und alle diese Bewegungen laufen in alle möglichen Richtungen gleichzeitig, nur nicht uniform Richtung Licht.
Natürlich besteht auch für einen Nazi Hoffnung, eine allgemeine Hoffnung, das irgendetwas passieren möge vor seinem Tod, dass ihm ein Licht aufgehe. Aber hier geht es um die Vermittlung von Ethik, und ich befürchte, die Hoffnung auf ethische Entwicklung, die auch noch für einen Nazi gilt, ist nichts anderes, als dass das Leben ihm alle Möglichkeiten kurz und klein schlägt, auf dass er kollabiert und im Kollaps nach Alternativen zu Sadismus Ausschau hält.
Klar kenne ich die Wohlgesinnten. Es fällt mir allerdings schwer, darin einen Beleg für mögliche Hoffnung oder gar zielgerichtete ethische Entwicklung zur Überwindung sadistischer Neigungen zu erkennen.
Mir stellt sich hierbei die Frage, was ist denn dann der inhaltliche Unterschied zwischen Ethik und Satzung, zwischen Ethik und moralischem Gesetz?
Das ist aber eine recht theoretische Frage, eher in erkenntnistheoretischer Hinsicht interessant als für die praktische Lebensführung, oder missverstehe ich Sie? In der Praxis dürfte die Einsicht in die Notwendigkeit eines anständigen Verhaltens Hand in Hand mit Vorstellungen, wodurch diese Anständigkeit gesichert werden kann, auftauchen.
Es gibt die immatarielle Welt im inneren von Menschen, Dingen oder Ereignissen und die materielle Welt im aeusseren ebendiesen. Diese stehen in einem kohaerentem Zusammenhang zueinander. Sowohl das Chakrensystem als auch Ken Wilber in seiner Theorie der subtilen Energien, und jeder Meditierende kann dieses selbst nachpruefen, werden dem Menschen neben den physischen Koerper, weitere Koerper zugeordnet, naemlich der subtile Koerper und der kausale Koerper. Der subtile oder feinstoffliche Koerper oder auch Traumkoerper ist nicht mehr fest materiell, aber Energie. Ein fortgeschrittener Meditierender entwickelt die Faehigkeit seinen feinstofflichen Koerper bewusst zu gebrauchen. Z. B. verliert er Nachts im Traum nicht sein Bewusstsein oder bemerkt irgendwann, dass er wohl gerade traeumt und wach im Traum in seinem Traumkoerper. Er kann sich mit seinem subtilen Koerper fortbewegen und die Umwelt im Traum formen.
Nun, ich verstehe dn Einwurf "recht theoretisch" nicht. Theorie ist ja nunmal nicht identisch mit Abstraktion. Theorie bedeutet rein gedanklich wissenschaftliches Vorgehen. Somit ist theoretisches Vorgehen die einzig real lebenspraktische Erkenntnismethode. Sie steht keiner anderen praktischen Lebensführung entgegen, vorausgesetzt: man möchte wissen was man tut und sich Selbstauskunft (d.i.: Bewußtheit) geben; dies betrifft auch die Vorstellungen, vorausgesetzt: man möchte sich nicht zu rein unbewußten Handlungsaffekten herunterwirtschaften - was ja durchaus von Grad zu Grad möglich ist, nämlich die Bewußtheit und die Selbstverantwortung aufzugeben.
Hallo Lethe.
„Meine Beschäftigung mit Wilber ist schon ein paar Jahre her, ...“
Immerhin, ich staune.
„Für die in der Sache unterstellte Seelenevolution als letztlich unvermeidliche Einbahnstraße ins Licht gibt es außer Hoffnung praktisch keinen Beleg.“
Doch. Du weiß, was der Wiederholungszwang ist?
Wenn nicht, kein Problem, ist nur, um das zu klären.
Darüber hinaus ist Wilber ein schrecklicher Besserwisser, ja, aber vieles weiß er tatsächlich sehr gut.
„Egal. Mein zentraler Einwand lautet, Entwicklung ist kein Automatismus in eine feste Richtung. Entwicklung ist auch, immer sadistischer zu werden, immer bösartiger, immer überzeugter von totalitären Methoden usw. Entwicklung ist jede Bewegung der psychischen Dispositionen eines Menschen, und alle diese Bewegungen laufen in alle möglichen Richtungen gleichzeitig, nur nicht uniform Richtung Licht.“
Eigentlich nicht. Es gibt natürlich die von Dir erwähnten Tendenzen, aber es war Kernberg, der nachweisen konnte, dass Entwicklungen in eine bösartige Richtung so gut wie immer mit entsprechenden Erfahrungen und deren Verinnerlichung/Internalisierung zu tun haben. In einem solchen sadistischen Umfeld, kommt es natürlich, auch hier, so gut wie immer, zu so einer Entwicklung in Richtung Sadismus und schwerer Persönlichkeitsstörung.
„Aber hier geht es um die Vermittlung von Ethik, und ich befürchte, die Hoffnung auf ethische Entwicklung, die auch noch für einen Nazi gilt, ist nichts anderes, als dass das Leben ihm alle Möglichkeiten kurz und klein schlägt, auf dass er kollabiert und im Kollaps nach Alternativen zu Sadismus Ausschau hält.“
Zum einen das, das ist aber normal. Narzissmus (Sadismus ist eine Eskaltionsform des Narzissmus, in der Liebe um Dienst der Aggression steht) ist im höheren Alter wesentlich besser heilbar, aufgrund der Enttäuschungen des realen Lebens. Zum anderen kannst Du diese Menschen nicht über einen Aufruf zu mehr Ethik oder Empathie packen, da sie per def egoistisch und unempathisch sind. Man muss sie über ihr Wohlbefinden packen und ihnen erklären, was Sie davon haben.
„Klar kenne ich die Wohlgesinnten. Es fällt mir allerdings schwer, darin einen Beleg für mögliche Hoffnung oder gar zielgerichtete ethische Entwicklung zur Überwindung sadistischer Neigungen zu erkennen.“
Klar? Na gut. Was dort schön illustirert ist, ist, dass auch hohe Intelligenz, Sensibilität und ein durchaus vorhandenes Reflexionsvermögen nicht davor schützen ein überzeugter Nazi zu sein. Wenn Du fragst, was denn davor schützt, bist Du eher bei einem integrierten Wertesystem und der Bereitschaft sich darauf einzulassen. Es hat auch mit Intelligenz zu tun, was Lawrence Kohlberg nachweisen konnte (alle moralisch integren Kinder waren intelligent, aber nicht alle intelligenten Kinder moralisch integer, so ziemlich wörtlich Kohlberg – also ist Intelligenz eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für Moral, allerdings muss man kein Einstein sein), aber das ist nicht alles.
Wenn Kognition und Emotion gespalten sind, wird dat nix.
"Auch inbezug auf Agnostik und/oder Atheismus ist die möglich, sobald diese als Negationen von Glauben an speziell ausgelegte Glaubensbekenntnisse erfaßt werden und sich damit ihres eigenen religiösen Glaubenshabitus' bewußt werden."
Grundsätzlich ist das möglich. Die Frage Theismus/Atheismus ist in dem Zuammenhang sowieso kein Muss, weil es auch andere transzendente oder immanente metaphysische Systeme gibt, wie zum Beispiel den Buddhismus oder den Taoismus. Die Probleme, die sich bezüglich einer effektiven Ethik ergeben, bleiben aber für agnostische und atheistische Zeitgenossen ganz ähnlicher Natur (wenn sie es ernst meinen mit ihrem Humansimus): Wie kann ich den Werten, die ich in meiner Ethik definiere eine Kraft und eine Attraktivität geben, die sie für jeden Menschen so wertvoll machen, dass dieser aus Überzeugung bereit ist, sein Ego hintanzustellen zugunsten von etwas, das über es hinaus geht? Auf diese Frage haben wir, glaube ich noch keine wirkliche Antwort gefunden. Deswegen richtet der Nihilsmus, als Werte zersetzende Erscheinung, als real empfundene Sinnlosigkeit dieses Nichts, das mich erwartet, wenn ich mich auflöse und mir die Welt vergeht, so viel Unheil an.
Lieber Lethe, es ist bereits gesichertes Wissen, dass es eine Entwicklung gibt die von niedrigen seichten und engen Sichtweisen zu hoeheren tieferen und weiteren Sichtweisen fuehren. Sogenannte Ebenen oder Stufen der Entwicklung. Aber das Problem ist, dass es auf jeder Stufe zu stufenspeziefischen Pathologien durch fehlentwicklung kommen kann, aus welchen Gruenden auch immer. Aber wenn wir von einer gesunden Entwicklung ausgehen, ist es so, dass die Hoeheren die niederen Stufen beinhalten, das bedeutet, dass sie sie lieben. Nicht dass sie sie hassen. Also aus einer gesunden hoeheren Stufe habe ich grosses Mitgefuehl fuer diejenigen, die sich auf niedrigeren Ebenen befinden. Denn offensichtlich wissen sie es ja gerade nicht besser. Weich zu den Menschen, aber hart in der Sache, muessen wir bleiben.
Ist das überhaupt so wichtig? Nehme ich die Menschenrechte, auf die ich weiter oben hingewiesen habe, habe ich eine Ethik eingeschlossen, die, denke ich, nur mit ziemlich verqueren Argumenten, die das gedeihliche Zusammenleben einer Gesellschaft besser befördern sollen, negiert werden könnten. Aber da will ich offen sein. Zumindest haben sie seit 1948 Bestand und sind von mehr als 150 Nationalstaaten als Zielformulierung zumindest formal - durch Unterschrift - aktzeptiert worden. Wir alle wissen ja, dass es zwischen idealen Vorschriften und gelebter Praxis Differenzen gibt, weil nicht alle zwischenmenschlichen Interaktivitäten antizipiert werden können.
Größere Probleme sehe ich dort, wo auf Götter oder ähnliches Bezug genommen wird, die als Quelle unveränderlicher Normen dienen sollen, da eine Kosmosmethaphysik mitgeliefert wird, die eine Deutung der Gesamtwirklichkeit für sich beansprucht und somit auch auf das gesellschaftliche Zusammenleben sich auswirkt. Denn dadurch können politische Ordnungen wegen ihrer kosmisch-religiösen Natur sakralisiert und damit immunisiert werden. Alternatives Denken, das auch Wirkung entfalten darf, ist damit unterbunden.
Es gibt eine nicht zu hinterfragende Prämisse (für mich) der Ethik, die da lautet: zur Lösung von Konflikten darf keine Gewalt angewendet werden. Dieses unumstößliche, selbst gegebene Gesetz, gilt für alle mit Vernunft (Selbsterkenntnis) ausgebildeten Menschen (also Kinder, psychisch Kranke usw.) fallen nicht darunter.
Die Asimov’schen Gesetze könnten durchaus als einfache Vorlage dienen:
1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen (wissentlich) Schaden zugefügt wird.
2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren (Hier wäre die Prämisse einzusetzen).
3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Das Problem liegt bei Artikel 3, da es beim momentanen Entwicklungsstand immer wieder Menschen gibt, die die Prämisse verletzen werden. Und dass nicht verlangt werden kann, dass zur Selbstverteidigung im Notfall nicht auch Gewalt angewendet werden darf. Immer bei der Annahme, das kollektive Gewalt (Kriege) durch internationale Institutionen verhindert (Kant) und keine Potentiale mehr in den Ländern vorhanden sind, Kriege zu führen. Es bliebe dann leider immer noch der Konflikt auf individueller Ebene offen.
Wenn nun jemand denkt, er müsste der Prämisse nicht gehorchen, dann bliebe der Gesellschaft nur die Möglichkeit einen Raum zur Verfügung zu stellen, wo diese Menschen ihre Form von „Freiheit“ leben können. Mit dem Raum ist jetzt kein Knast gemeint, aber zumindest ein Bereich, wo sich gut leben lässt, aber kein physischer Kontakt mehr mit dem friedliebenden Teil der Menschheit möglich ist. Im Grunde haben wir diese Situation doch heute in den USA. Die Mentalitäten dort, was die Gewaltanwendung mit Waffen betrifft ist so konträr, dass ich nur eine getrennte Lebensweise als Lösung sehe.
Auf einen Aspekt will ich eingehen, auf den des Nihilismus. Ja, auch hier stimme ich mit Ihnen soweit überein, möchte aber dahingehend erweitern, indem ich dem Nihilismus eine Mission beimesse, die ihm inhärent ist. Solange sich Nihilismus auf Gegebenheiten, Umstände, Angelegenheiten usf. bezieht und diese bestrebt ist aufzulösen, ja, insoweit kann er als Unheil stiftend angesehen werden. Sobald aber der Nihilismus sich selbst, seinem eigenen Wesen, zuwendet, wird er zu einem Erkenntnistor, da er sich als ein sich äußerst Liebefähiges erkennt, und er erkennt, daß alles dasjenge, was er aufzulösen trachtet, ihm ein Notwendiges ist, welches er nimmer missen kann, welches er um seiner selbst willen nicht wünschen und nicht wollen kann, daß es nicht sei. Und darin liegt die Aufgabe der Mission des Nihilismus: seine eigenes sich wollen als Metamorphose hin zur Liebe zur Ausgestaltung zu bringen; denn selbst auch der Nihilismus kann nicht anders als sich selbst wollen, und dazu braucht es sozusagen alles das, was er aufzulösen sich bestrebt. Seine Mission wird erfült sein, wenn er sich sebst ur noch hat.
Selbstverständlich ist das wichti! Denn ansonsten gäbe es nur eine Ethik der Umstände, eine Ethik von jeweiligen Epochen. Die Ethik wäre somit die reinste Reaktion auf die jeweilige Konfiguration der Umwelt.
Und die Frage nach Göttern (als Maßstab einer Ethikssetzung als Fügung durch sie) stellt sich überhaupt nicht, weil Ethik dann nämlich ebenso auch nur Ergebnis von externalisiertem Außerhalbigen wäre.
Möglicherweise führt mich die Analogiebildung ja in die Irre, aber eine Analogie: Sie möchten eine Bewegung durchführen, etwa einen anderen Menschen die Hand schütteln zur Begrüßung. Müssen Sie, um dies in einer angemessenen Weise durchzuführen, sich erst darüber rechenschaft ablegen, dass Sie über einen Körper verfügen, der durch ein Nerven- und Hormonsystem gesteuert wird, das teilweise von ihrem Willen abhängt, der teilweise von Ihrem Ich-Bewusstsein abhängt, das teilweise abhängt von was auch immer - oder geben Sie dem anderen einfach die Hand?
Ich erlaube mir, mich in Ihren Dialog hier einzumischen und zu behaupten, daß noch niemals ein Niederes sich zu einem Höheren entwickelt hat, da der Entwicklung immer das Höhere als die Idee vorausgeht! Wie könnte ein Niederes jemals etwas Höheres anstreben, wenn es keinerlei Idee von einem Höheren selbst in sich trüge und zu Höherem, der Idee nach, nicht schon begabt wäre?!
Das ist richtig. Es gibt die Evolution/Entwicklung und aus dieser Perspektive entsteht scheinbar das Hoehere aus dem niederen oder seichteren Vorstufen. Dem ist nicht so. Das ist korrekt beobachtet. Ich glaube an Reinkarnation und fuer mich ist dieses Problem mit Plotin, Wilber und anderen, geloest durch das Konzept der Involution. Bei dem Prozess der Involution kommt die Idee des Hoeheren und Hoehsten in die Welt und wird durch Evolution errinert oder entdeckt, wenn man so will.
Um Bewußtheit über sich und über den Vorgang zu erlangen, muß in der Tat dieser analytische Gedanke vorgelegt und durchexerziert werden - und sei es exemplarisch, um zu einer grundsätzlichen Abbidung des genuin seelischen Impulses zu gelangen; aber ja doch. Aber dann müssen Sie es vergessen, um es überhaupt tun zu können.
Nicht wahr, das ist wichtig: Vergessen um etwas zu können; so wie Sie z.B. vergessen haben müssen zu schreiben gelernt zu haben, um scheiben zu können.
Begegnen sich ein Tausendfüßler und eine Schnecke. Fragt die Schnecke den Tausendfüßler: "Du, sag mal, wie machst du das eigentlich mit den vielen Beinen. Wenn du den dritten Vorderfuß nach vorne stellst, was macht dann dein fünfhundertsiebenundahtzigster Fuß und dein dreihundertneunundzwanzigster?" Der Tausendfüßler fängt an zu überlegen und auszuprobieren und verheddert sich, kommt nicht mehr von der Stelle. Die Schnecke zieht gemächlich von dannen.
Du weiß, was der Wiederholungszwang ist?
Ich bitte dich^^ Aber davon abgesehen, was hat der an der Stelle zu suchen? Wiederholungszwang für "gute" Taten? Ich bitte dich abermals^^
dass Entwicklungen in eine bösartige Richtung so gut wie immer mit entsprechenden Erfahrungen und deren Verinnerlichung/Internalisierung zu tun haben. In einem solchen sadistischen Umfeld,
Ein sadistisches Umfeld wie unsere reale Lebenswelt zum Beispiel? Oder wenn dir Europa diesbezüglich ethisch zu hochwertig erscheint, in den USA, in China, in Brasilien, überall, wo Menschen gequält, unterdrückt, erpresst und allgemein unten gehalten werden? Die äußeren Bedingungen für diese Entwicklung in eine bösartige Richtung sind praktisch ubiquitär.
Narzissmus [...] ist im höheren Alter wesentlich besser heilbar, aufgrund der Enttäuschungen des realen Lebens.
Das mag sein, betrifft aber nur die Situation vereinzelter, isolierter Narzissten in einem ansonsten nichtpathologischen Umfeld. Davon, dass reale Umfelder nichtpathologisch wären, kann aber flächendeckend keine Rede sein, das ist die absolute Ausnahme.
Wenn Du fragst, was denn davor schützt, bist Du eher bei einem integrierten Wertesystem und der Bereitschaft sich darauf einzulassen. [...] Wenn Kognition und Emotion gespalten sind, wird dat nix.
Eben. Dat wird nix.
Das wird deswegen nichts, weil ganz viele der notwendigen Bedingungen zur Überwindung narzistischer Entgleisungen nur im Conditionalis vorliegen - es wäre toll, wenn es sie gäbe, aber es gibt sie nicht - während die Systemeigenschaften, die den Narzissmus erst ins Leben rufen und aufrecht erhalten, real vorhanden sind.
Ich wundere mich. Denn das geht ja nun in keiner Weise konform mit Wilbers „Holontheorie“, nach der alles Höhere aus dem Niederen emergiert, dieses zugleich negierend und bewahrend.
Wir leben in einer grossen Umbruchphase so der Kulturphilosoph Jean Gebser. Es ist der Versuch von einem rein dreidimensionalen Denken hin zu einer vierdimensionalen Wahrnehmung der uns umgebenden Wirklichkeit zu kommen. Die vierte Dimension, die Zeit, muss individuell und kulturell realisiert und integriert werden. Gebsers sogenannte Aperpektivische Weltsicht, als voellig neue Bewusstseinsstuktur.
es ist bereits gesichertes Wissen, dass es eine Entwicklung gibt die von niedrigen seichten und engen Sichtweisen zu hoeheren tieferen und weiteren Sichtweisen fuehren
Ein Wissen, in das ich kein sonderliches Vertrauen setzen würde, falls es sich in Art der zitierten Passage als Mischung von Behauptungen und Wertungen entpuppt.
Denn offensichtlich wissen sie es ja gerade nicht besser.
Solange wir wissen, dass wir es besser wissen, ist ja alles gut. Da stört es dann auch nicht, dass wir gar nicht wissen, ob wir es besser wissen, sondern es nur beanspruchen.
Das sind Aussagen der Phase Vier seines Schaffens. In Phase Fuenf erst, folgerichtig behandelt er in seiner Theorie der subtilen Energien das Konzept der Involution, welches natlos mit der Holontherorie uebereinstimmt.)
P.S.:
Darf ich Ihnen folgendes Buch ans Herz legen: Mieke Mosmuller, „Arabeske - Das Integral Ken Wilbers“
Ich weiß, sie sind ein Wilber-Fan und bedürfen keiner Informationen zu Wilbers Weltanschauung selbst. Dieses Buch ist eine geisteswissenschaftliche Erörterung der Weltanschauung Wilbers in Gegenüberstellung zur europäischen Spiritualität.
Es gibt eine nicht zu hinterfragende Prämisse (für mich) der Ethik, die da lautet: zur Lösung von Konflikten darf keine Gewalt angewendet werden.
Das heißt aber nur, dass du ein guter Mensch bist, ganz ironiefrei gesagt. Was machen wir mit denen, die Gewalt als selbstverständliches Mittel der Auseinandersetzung ansehen, also etwa 100% aller Menschen minus ein paar?
Die Asimov’schen Gesetze
Asimov selbst hat in seinen Romanen Der Aufbruch zu den Sternen und Das galaktische Imperium, zu erkennen gegeben, dass die drei Gesetze nicht ausreichen und sie um das nullte Gesetz ergänzt, was Anpassungen der drei anderen Gesetze notwendig machte:
Ein Roboter darf die Menschheit nicht verletzen oder durch Passivität zulassen, dass die Menschheit zu Schaden kommt.
Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen, außer er verstieße damit gegen das nullte Gesetz.
Ein Roboter muss den Befehlen der Menschen gehorchen – es sei denn, solche Befehle stehen im Widerspruch zum nullten oder ersten Gesetz.
Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange dieses sein Handeln nicht dem nullten, ersten oder zweiten Gesetz widerspricht.
Schlimmstenfalls führt das dazu, dass Roboter uns vor uns selbst bewahren werden^^ auch das hat Asimov schon thematisiert, in seiner Erzählung Vernunft, aus dem Jahr 1941.
Völlige Zustimmung zu deinem Vorschlag getrennter Lebensräume. Einwände: Steht quer zu allen Globalisierungsbestrebungen. Wer kontrolliert die Trennung?
Hallo Lethe.
Der Wiederholungszwang deutet in eine Richtung. Und es gibt noch andere merkwürdige psychische Mechanismen, die das tun. Immer mit dem „Ziel“ die Situation doch noch integrieren zu können, darum die Reinszenierungen. Das deutet aufwärts.
„Ein sadistisches Umfeld wie unsere reale Lebenswelt zum Beispiel?“
Augen auf bei der Partnerwahl. ;-)
„Die äußeren Bedingungen für diese Entwicklung in eine bösartige Richtung sind praktisch ubiquitär.“
Sieht ja auch alles nicht gerade prickelnd aus. Aber trotz aller Querelen gibt es Orte auf der Welt, wo Kinder stabil aufwachsen können und darum geht es.
„Davon, dass reale Umfelder nichtpathologisch wären, kann aber flächendeckend keine Rede sein, das ist die absolute Ausnahme.“
Folgerichtig wird ja auch die narzisstische PST gestrichen, mit der Begründung, das sei heute normal. Man muss sich trotzdem nicht damit abfinden. Schon Kernberg zuliebe.
„Das wird deswegen nichts, weil ganz viele der notwendigen Bedingungen zur Überwindung narzistischer Entgleisungen nur im Conditionalis vorliegen - es wäre toll, wenn es sie gäbe, aber es gibt sie nicht - während die Systemeigenschaften, die den Narzissmus erst ins Leben rufen und aufrecht erhalten, real vorhanden sind.“
Das ist nicht ganz falsch, aber da Du der Pessimist bist und ich der Idealist, sehe ich in jeder Krise eine Chance und bei den Griechen war die Krise doch der Umkehrpunkt, die Metanoia, oder so. Natürlich sieht das beschissen aus, aber wenn man wenigstens begründen kann, was alles schief läuft kann man ansetzen. Zudem baue ich darauf, dass Gott auch dann Humor hat, wenn es ihn nicht gibt … oder Dalai Lama und das wollte Gebe mal mit mir besprechen … vielleicht gibt es die higher stages ja doch.
Wir müssen schauen, ob wir sie von Spirituellen her definiert kriegen. Wilbers/Der Spiral Dynamics Aufschlag ist schon gar nicht so blöd. Was da als „second tier“ bezeichnet wird, soll den ethischen Anspruch haben das Wohl der ganzen Spirale der Entwicklung über das Wohl einer bestimmten Stufe zu stellen. Es müssen also nicht alle Demokraten oder Pluralisten werden, sondern man fördert ganz generell Entwicklung und hofft dann darauf, dass was Ordentliches bei raus kommt.
Das ist noch längst nicht spirituell, aber solide. Die Größere Herausforderung ist die Geschichte der Ethik top down auszubuchstabieren. Das wird gewiss nicht langweilig.
Interessanter Autor. Danke fuer den Tipp.
ansonsten gäbe es nur eine Ethik der Umstände, eine Ethik von jeweiligen Epochen. Die Ethik wäre somit die reinste Reaktion auf die jeweilige Konfiguration der Umwelt
Und woran erkennen Sie, dass diese Irreali keine Faktizität beschreiben?
Es lebe der (Anti-wie-auch-immer)-Schutzwall!^^
Den möchte ich mal auf einer Weltkarte oder auf einem Globus aufgezeichnet sehen.
Ich halte es da weniger geopolitisch und meine, da gibt es doch schon eine ganz praktische Einrichtung; oder reicht denn die eigene Haut als Grenze nicht mehr aus?
Solange wir wissen, dass wir es besser wissen, ist ja alles gut. Da stört es dann auch nicht, dass wir gar nicht wissen, ob wir es besser wissen, sondern es nur beanspruchen.
Ein simples Beispiel moege vielleicht helfen. Frage: Finden Sie lieber Lethe, dass es besser ist, Ihre Frau zu lieben oder finden Sie dass es besser ist sie zu schlagen oder gar zu erschlagen?
An der Konstatierung des Status.
Abraham Maslow, begruender der humanistischen Psychologie, kleiner Ausschnitt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Maslow
Bedürfnispyramide nach Maslow
5. Selbstverwirklichung
4. Anerkennung und Wertschätzung
3. Sozialbedürfnis
2. Sicherheit
1. Grund- oder Existenzbedürfnisse
Maslow hat aus seinem Menschenbild heraus ein Stufenmodell der Motivation (Bedürfnispyramide) entwickelt, welches sich in fünf Stufen unterteilt. Die physiologischen Bedürfnisse (Nahrung, Wärme etc.) sind die grundlegendsten und mächtigsten unter allen: „Die Bedürfnisse, die man gewöhnlich als Ausgangspunkt der Motivationstheorie benutzt, sind die sogenannten physiologischen Triebe.
Danach folgen, sofern die physiologischen Bedürfnisse weitgehend bedient sind, Sicherheitsbedürfnisse. Unter Sicherheitsbedürfnissen (2. Stufe) wird „Sicherheit; Stabilität; Geborgenheit; Schutz; Angstfreiheit; Bedürfnis nach Struktur, Ordnung, Gesetz, Grenzen; Schutzkraft verstanden. Als Nächstes entstehen soziale Bedürfnisse (3. Stufe). „Wenn sowohl die physiologischen als auch die Sicherheitsbedürfnisse zufriedengestellt sind, werden die Bedürfnisse nach Liebe, Zuneigung und Zugehörigkeit auftauchen […]“Im weiteren Verlauf können Bedürfnisse nach Achtung (4. Stufe) und Selbstverwirklichung (5. Stufe) bedient werden.
Maslow behauptet, dass es reale psychologische und funktionale Unterschiede zwischen den „höheren“ und „niedrigeren“ Bedürfnissen gebe. Die höheren Bedürfnisse zeichnen zwar den Menschen (im Gegensatz zu, z.B., dem Tier) spezifisch aus, sind aber nicht zwingend zu seinem Überleben notwendig. Die Bedürfnisse können auch nach Defizitbedürfnissen (niedrigen Bedürfnissen) und Wachstumsbedürfnissen (höheren Bedürfnissen) unterschieden werden;Defizitbedürfnisse müssen erfüllt sein, damit Zufriedenheit entstehen kann, die zusätzliche Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse bedeutet über Zufriedenheit hinausführendes Glück.
Erst wenn die Defizitbedürfnisse sicher befriedigt sind und sich auf physischer Ebene Zufriedenheit in Form von höherer Lebenserwartung, weniger Krankheit und einer besseren Ernährungssituation einstellt, treten die Wachstumsbedürfnisse, die zuvor subjektiv weniger dringlich waren, in den Vordergrund. Ihre Befriedigung wiederum führt zu tieferem Glück, Gelassenheit, Reichtum des inneren Lebens und verstärkter Individualität. Des Weiteren haben die höheren Bedürfnisse und ihre Befriedigung erwünschte bürgerliche und soziale Folgen.
Maslows Bedürfnispyramide ist das wohl bekannteste Entwicklungsmodell, aber schon lange vor ihm wurden ähnliche Einteilungen von Bedürfnissen durch europäische Gelehrte vorgenommen, so vor allem in Lujo BrentanosVersuch einer Theorie der Bedürfnisse (1908). Bereits in der Antike führte Platon aus: „Das erste und größte aller Bedürfnisse ist aber die Beschaffung der Nahrung um der Existenz und des Lebens Willen … Das zweite dann die Beschaffung einer Wohnstätte, das dritte die von Kleidung und was dahin gehört.“Darauf aufbauend entwickelt er die Bedürfnisse nach den höherwertigen Gütern Malerei, Stickerei, Gold und Elfenbein, nach Sicherheit, Wissen, Erziehung und Kunst.
Obwohl die Bedürfnispyramide ein bekanntes und vielbeachtetes Motivationsmodell ist, ist es aufgrund der stark reduktionistischen Sichtweise vielfacher Kritik ausgesetzt. Siehe dazu Maslowsche Bedürfnispyramide, Abschnitt „Rezeption und Kritik“.
Meine eingebauten Filter veranlassen mich dazu, nicht aber, wenn es um den Schutz Wehrloser geht (wenn ich es erlebe), denen Gewalt angetan wird. Das ist meine Schwelle! Mit anderen Worten, es gibt einen Unterschied zwischen der Erkenntnis und den Impulsen, die darunter liegen. Wobei ich nicht sicher bin, ob sich nicht zumindest ein Teil des Impulses wiederum durch die Erkenntnis ergibt (ergeben kann).
"Wer kontrolliert die Trennung?"
Das müsste eine gemischte "Truppe" sein, solange die zu Gewalt bereiten Menschen zumindest die Trennung akzeptieren und sich zum Prinzip von Wahrheit und Ehrlichkeit bekennen. Denn wenn es überhaupt keine Gemeinsamkeiten geben sollte (was ich bezweifle), könnten es nur die friedliebenden gewährleisten.
Aber die heute (zumindest in den USA) bewaffneten argumentieren ja stets so, dass es sich um reine "Verteidigungsbewaffnung" handelt. So wie es ja auch nur Verteidigungsminister gibt. Das ist so offensichtlich widersprüchlich, dass mir dazu nichts mehr einfällt.
Danke für die Ergänzung von Asimov.
"..oder reicht denn die eigene Haut als Grenze nicht mehr aus?"
Normalerweise schon, aber es gibt Situationen, wo sie dir "abgezogen" wird. :-)
Um Bewußtheit über sich und über den Vorgang zu erlangen, muß in der Tat dieser analytische Gedanke vorgelegt und durchexerziert werden.
Na ja, als ich das erste Mal in dieser analytischen Weise über Vorgänge meines Körpers und meiner Psyche nachdachte, geschah es lange nach Anwendung der körperlichen Aspekte und bereits unter längst alltäglicher Nutzung der Werkzeuge, über die ich da gerade nachdachte. Offenbar ist die Analyse zur Bewusstwerdung keine Voraussetzung zur Anwendung der Möglichkeiten von Bewusstsein, und ich halte es für möglich, dass sich eine erhebliche Anzahl Menschen gar nicht zur Analyse gelangt sondern bei der Anwendung bleibt.
Es ist ja nicht so, dass meine Psyche und mein Körper sich gegenüberstünden wie Schnecke und Tausendfüßler, sie scheinen ein eher intuitives Verständnis füreinander zu haben.
Das ist kontext- und situationsabhängig, liebe Nil. Ich habe noch nie geschlagen oder getötet, aber ich bin auch noch nie in Situationen gewesen, die mich mit der ernsthaften Notwendigkeit zu solchen Maßnahmen konfrontiert hätten. Sie dürfen sicher sein, dass ich mir im Falle ernsthafter Notwendigkeit entsprechende Optionen offenhielte und ganz sicher nicht durch eine ethische Theorie verbieten ließe.
Auf einer grundsätzlicheren Ebene ist außerdem anzumerken, dass eine Praxis vielleicht einen ethischen Duktus aufweist, aber weder zu einer ethischen Theorie führen muss noch einer solchen entnommen sein muss. Vielleicht bin ich einfach zu feige? Vielleicht bin ich einfach zu gutmütig? Vielleicht finde ich es eines Tages heraus, vielleicht nicht.
Sie gehen also von der Annahme einer übergeordneten Ethik aus, die nicht situationsgebunden ist?
Die Frage ist ja, wie entscheiden Sie, wann eine so oder so geartete notwendige Situation eingetreten ist? Also ich will damit sagen, wir koennen schon oft genug wissen und entscheiden was besser und was schlechter fuer uns Menschen ist. Darum ging es ja. Sie sagten, dass wir das nicht wissen koennten, und dass wir nur vorgeben wuerden es zu wissen. In so manchen Situationen wissen wir aber doch sehr wohl was besser und was schlechter ist.)
....der Kommentar ging an Lethe.)
Ja, davon gehe ich aus.
Der Wiederholungszwang deutet in eine Richtung.
Ja. Nur heben mehrere gleichzeitig anwesende derartige Zwänge einander gegebenenfalls auf^^
man fördert ganz generell Entwicklung und hofft dann darauf, dass was Ordentliches bei raus kommt
es kommt fast immer etwas "Ordentliches" dabei heraus. Nur nicht etwas Freundliches.
In so manchen Situationen wissen wir aber doch sehr wohl was besser und was schlechter ist.
Nein. Zumindest ist das nicht der Punkt. Wenn Sie "besser" und "schlechter" mit "unseren Absichten nützlich" oder "unseren Absichten zuwiderlaufend" übersetzen, dann schon, aber in einem ethischen Sinne von "gut" und "böse"? Nein.
Wissen Sie, ich glaube, dass wir in einer sehr realen Welt leben, die sehr konkrete und sehr reale Anforderungen an die Überlebensfähigkeit jedes einzelnen Menschen stellt. Eine Verzärtelung, Überästhetisierung, Überempathisierung halte ich für lebensgefährlich, in einem sehr konkreten Sinne. Mensch verliert mit seiner Robustheit seine Lebenstüchtigkeit. Das ist in einem Umfeld wie dem typisch mitteleuropäischen vielleicht nicht sonderlich auffällig, da hier viele Anstrengungen durch Systemstrukturen erleichtert oder abgenommen werden. Gehen Sie in andere Kontinente, da sieht die Sache in aller Regel sehr viel dramatischer aus, für allzu zarte, allzu besorgte, allzu empfindsame oder empfindliche Menschen.
Das ist nicht unbedingt "schön" oder "gut". Es ist einfach Lebensrealität. Ich weiß nicht, ob es wirklich klug ist, sich für Abgase empfindlich zu machen, wenn es keine Chance gibt, Abgasen zu entkommen. In ethischer Hinsicht ist das genauso problematisch.
Die Naturwissenschaft kann immerhin soviel von der Welt erklären, dass diese, wie wir sie kennen, nicht existieren würde, wenn an einigen Konstanten auch nur minimale Änderungen vorgenommen würden. Es gibt das höchst anspruchsvolle Ziel (manche sind davon überzeugt, es gäbe schon hinreichende Begründungen), auch noch erklären zu können, warum die Konstanten so sind wie sie sind. Ich will aber jetzt nicht auch noch das anthropische Prinzip einführen.
In analoger Weise ließe sich eine "übergeordnete Ethik" als geistiges Grundprinzip denken, das sich aus der reinen Vernunft erkennen (erschließen) lässt. Warum sollte es den Geisteswissenschaften nicht gelingen, auf ihrem Gebiet das zu begründen, was Ziel der Naturwissenschaften ist? Wenn also diese „geistige Ethik“ nicht gelebt wird, dann wäre das so, als ob an den Naturkonstanten gedreht würde. Die Folgen für unsere Zukunft wären in beiden Fällen gravierend.
Ich vermute, sie lassen das Erahnen nicht gelten, weil man es nicht quantifizieren oder abbilden kann. Was ich direkt wahrnehme, im Alttagsbewusstsein sozusagen, gelangt durch direkte Sinneseindrücke, die natürlich auch schon gefiltert und bearbeitet sind, ins solche. Mein Bewusstsein kategorisiert es in diesem Zustand automatisch, mit der Zeit wohl immer differenzierter, auch unbewusst, so dass manchmal der berühmte Groschen fällt. Dabei entstehen evtl. Neue Kategorien, noch nicht erkannte Zusammenhänge werden wahrgenommen , allerdings nicht auf dem selben Weg wie die anfänglichen Impressionen, die den Ursprung des Ganzen ausmachten.
So oder so ähnlich. Ich denke (tatsächlich!) Sie sind da schon viel weiter und können entsprechendes wesentlich präziser wissenschaftlicher (?) darstellen. Helfen sie mir weiter. Oder geht es Ihnen darum, aufzuzeigen, das wenn icch nicht darlegen kann, wie meine Ahnung entsteht, habe ich auch keine. Platt gesagt stimmt das sogar. Aber da hab ich kein Problem mit, denn ich hab noch Zeit und es gibt genug schlaue Leute, von denen man lernen kann...
Ich verstehe was Sie meinen. Ich habe mich wohl etwas ungeschickt ausgedrueckt. )
Das ist auch eine gute Sichtweise lieber PLEIFEL. Uebrigens teile ich Ihre Ansicht mit der "Gewalt" nicht nur physisch auch verbale Gewalt ist abstossend, nicht zu verwechseln mit konstruktiver Kritik.
Nun, Gedanken sind ebenso Realitäten wie auch Ahnungen. Die Frage ist nur die, was man da denn ahnt.
Oft ist es so, daß geahnt wird, wozu Affinitäten bestehen und dajenige, was durchaus auch erahnbar wäre, wegen fehlender Affinitäten untergeht. Und insofern muß auch zwischen der Ahnung und dem Ahnungsinhat kritische Unterscheidung getroffen werden, - ansonsten erfüllt sich das Ahnen mit denjenigen Bedeutungsinhalten nur, die per se dem eigenen Wesen entsprechen. Was dann wahrgenommen wird, das ist dann in der Regel nur die eigenen Wahrnehmungs-Neigungen an sich; und das das ist Vergangenheit, impulsierte/angeregte Vergangenheit, jedoch keine neue Erkenntnis, weshalb einem die Ahnung ja auch plausibel erscheint.
Etwas vollkommen anderes als Ahnung, ist die Intuition. (Von jeher wurde eine Denkungsart, in der Form und Inhalt gleichzeitig auftreten, Intuition genannt)
Es ist ja so, daß der Erkenntnisakt die Synthese von Wahrnehmung und Begriff ist; und nun ist dabei darauf zu achten, sehr darauf zu achten!, inwieweit die Begriffe sich als individualisierte Vorstellungen erschöpfen. Wenn der Mensch den Blick auf ein Ding richtet, dann entsteht in ihm der Drang, mehr zu sehen, als ihm in der Wahrnehmung als Data der Erfahrung entgegentritt. Und so weit dieser Drang reicht, so weit reicht sein Erkenntnisbedürfnis. Und ohne eine Wahrnehmung - und sei es eine Ahnung - kritisch zu untersuchen nach dem, was an eigenen Neigungen in ihr steckt, wird man zu keiner klaren Erkenntnis einer Ahnung gelangen. Eine Automatik der Bewußtheit jedenfalls gibt es nicht. Es besteht allenfalls auch hier die Gefahr der Selbstreferentialität. Desweiteren ist hier nicht der Raum, Umfassenderes "wesentlch präziser / wissenschaftlicher" auszuführen. Es möge als Anstoß dienen.
Sinn-Korrektur: "... Gedanken sind ebenso Realitäten wie auch Ahnungen ebenso Realitäten sind."
Mein Fazit: Jeder ist gross an seinem Platz. Und wenn jeder seine eigenen Beziehungen, angefangen zu sich selbst, in seiner Familie, im Freundeskreis und in seiner Nachbarschaft liebevoll und aufrichtig in Ordnung haelt, wuerde das die Welt schon ein wenig besser machen.)
Das kann ich nur bestätigen liebe Nil; und ich würde dann noch die Form der indirekten Gewalt ergänzen, die sich durch gesellschaftliche Ungerechtigkeiten ergibt.
Ihrem letzten Kommentar von 22:41 Uhr stimme ich gerne zu.
Du weißt aber auch, mit welchem Bauchweh die Physiker das anthropische Prinzip anwenden, und die starke Version fasst außer IDlern oder Kreationisten eigentlich niemand auch nur mit der Kneifzange an (die starke Version läuft darauf hinaus, dass das Universum so gemacht wurde wie es ist, damit wir sein können, wie wir sind).
Wenn also diese „geistige Ethik“ nicht gelebt wird, dann wäre das so, als ob an den Naturkonstanten gedreht würde.
Es gibt einen kleinen Unterschied. Du brauchst nicht zu fordern, dass sich niemand schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen dürfe. Und du darfst solange an den Konstanten drehen, wie du willst, sie ändern sich nicht^^
Hallo Lethe.
„Ja. Nur heben mehrere gleichzeitig anwesende derartige Zwänge einander gegebenenfalls auf^^“
Mag sein, aber der Wiederholungszwang ist ungeheuer stark und bricht sich immer wieder Bahn, scheinbar ohne (äußerliche) Not. In festen Konstellationen intimer Zweisamkeit bringt der die Partner dazu, wechselseitig ihr größtes Trauma der Kindheit zu reinszenieren und führt zu charakteristischen Diskontinuitäten in der Beziehung.
Er betrifft gerade Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten und erscheint geradezu verrückt. Er erlischt, wenn das Trauma oder Thema integriert ist und man also in gewisser Weise „enttäuscht“ ist, dass die Welt doch nicht so ist, wie man befürchtete.
„es kommt fast immer etwas "Ordentliches" dabei heraus. Nur nicht etwas Freundliches.“
Ich weiß nicht. Wir haben hier einige Jahrzehnte ganz gut zusammen gelebt. Offenbar so gut, dass sich ein Eurozentrismus entwickeln konnte, der auch postkolonial noch die Auffassung vertreten konnte, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis wir die anderen auch ohne Gewehre von der beispiellosen Überlegenheit unserer Lebensart überzeugen können. Wir erleben eine Kränkung dieser Sichtweise und verstehen das nicht. Augstein hat es verstanden, wenn er an mehreren Stellen darauf hinweist, dass die anderen tatsächlich anders sind.
Hallo Pleifel.
"In analoger Weise ließe sich eine "übergeordnete Ethik" als geistiges Grundprinzip denken, das sich aus der reinen Vernunft erkennen (erschließen) lässt. Warum sollte es den Geisteswissenschaften nicht gelingen, auf ihrem Gebiet das zu begründen, was Ziel der Naturwissenschaften ist?"
Weil Kant exakt das bereits versucht hat. Herausgekommen ist der kategorische Imperativ. Er hat aber offensichtlich nicht so gezündet, wie sich diejenigen, die der Vernunft zu viel zutrauen, sich davon erhofften.
Kant, Marx und eigenartigerweise sogar noch Freud, waren KInder ihrer Zeit und begeistert von den Möglichkeiten der Vernunft. Heute schlägt das Pendel in die andere Richtung aus und man muss kurioserweise für die Vernunft werben, nicht zuletzt in der Wissenschaft.
Als Erkenntnis darf bleiben, dass die Vernunft nicht oder nur unzureichend motiviert. Aber wir wissen eigentlich nicht, was wir mit dieser Erkenntnis anfangen sollen.
Hallo Gebe.
"Es ist ja so, daß der Erkenntnisakt die Synthese von Wahrnehmung und Begriff ist; und nun ist dabei darauf zu achten, sehr darauf zu achten!, inwieweit die Begriffe sich als individualisierte Vorstellungen erschöpfen."
Da hast Du jetzt aber den gesamten Wittgensteinschen unterschlagen, der uns sagt, dass unsere individualisierten Begriffe und Vorstellungen eigentlich kollektivistische sind. Es gibt keine (anschlussfähige) Privatsprache!
Hallo Nil.
„Mein Fazit: Jeder ist gross an seinem Platz.“
Der alte Gedanke des Kosmos (oder Kósmos) steht da Pate. So ist es auch heute noch in vielen Spielarten.
Die eine Variante ist das große Geordnete in dem alles und jeder seinen, mehr oder weniger vorherbestimmten Platz hat.
Die andere ist das Wirken von blinden und an sich ziellosen Kräften, die zufällig sinnverarbeitende Systeme erzeugten.
Auf beiden Wegen kommt man zu netten Teilzielen, beide Ansätzen haben aber auch gravierende Erklärungslücken.
Unfug.
Ja, es müsste entweder Wittgenstein oder Wittgensteinschen Ansatz heißen, aber inhaltlich ist das okay. Wenn nicht, lass uns drüber reden, wo Du meinst, dass der Fehler liegt.
Na gut, ich ergänze noch. Kollektiv ist einzig und allein die Benamung im Sinn einer nominalistischen Bestimmung einer Sache. Ansonsten wrd es wohl deutlich, daß Begriff und Vorstellung im Sinne eines Erkenntnisaktes nicht kollektiv sind und nicht sein können. Keinem Begriff liegt jemals die gleiche Ersterfahrung zugrunde. Wenn Sie sich z.B. die Begriffe 'schön', 'rot' oder meinetwegen auch 'Liebe' vorlegen, wird daß wohl mehr als deutlich. (Z.B. auch der Begriff 'Neger', er ist in meiner Erst- und Grunderfahrung niemals mit einer rassistischen Bedeutung versehen gewesen, wodurch sich bei mir auch niemals rassistische Vorstellung ergeben haben.)
Vielleicht hierzu etwa auch noch die Hauptaussage des leider zu unrecht vergessenen Philosophen Afrikan Spir, aus dessen Hauptwerk "Denken und Wirklichkeit": nämlich daß „die Data der Erfahrung mit dem logischen Satze der Identität nicht übereinstimmen.“
Machen Sie einExperiment dazu, sammeln und listen Sie einmal alle Eigenschaften einer Sache auf, die Sie mit den äußeren Sinnen wahrnehmen können, z.B. die einer Rose, und legen Sie diese Eigenschaftsliste einem anderen Menschen vor, mit der Aufgabe, er möge Ihnen sagen, um welches Ding es sich handelt.
„Keinem Begriff liegt jemals die gleiche Ersterfahrung zugrunde.“
Gleichheit ist auch nicht gefordert – im Gegenteil, worüber sollten wir dann noch reden? - hinreichende Ähnlichkeit aber schon – worüber könnten wir sonst reden?
Sprachspiele funktionieren nur, weil wir was Ähnliches meinen und Empfinden. Wir haben bisweilen unterschiedliche Assoziationen, aber sehr ähnliche Wahrnehmungen und Bedürfnisse in den Basics.
Wir entdecken unsere Innenwelt mittels äußerer, öffentlicher Sprachspiele oder Begriffe. Woher weißt Du denn, dass es Hunger ist, den Du hast. Liebe ist, die Du empfindest und Rot ist, das Du siehst, wenn man es Dir nicht erklärt und entsprechend benennt?
„nämlich daß „die Data der Erfahrung mit dem logischen Satze der Identität nicht übereinstimmen.“
Das ist der zweite Schritt. Er ist auch richtig, aber man muss die Reihenfolge beachten, sonst landet man bei Descartes oder eine kruden Vorstellung von Konstruktivismus und fragt sich, ob es den Mond auch gibt, wenn man die Augen schließt und ob die Welt nicht nur erdacht ist.
„Machen Sie einExperiment dazu, sammeln und listen Sie einmal alle Eigenschaften einer Sache auf, die Sie mit den äußeren Sinnen wahrnehmen können, z.B. die einer Rose, und legen Sie diese Eigenschaftsliste einem anderen Menschen vor, mit der Aufgabe, er möge Ihnen sagen, um welches Ding es sich handelt.“
Damit wäre bewiesen, dass man Ganzheiten soweit fragmentieren kann, dass sie niemand mehr erkennt, aber was wäre damit gewonnen. Nimm ne Rose und frag jemanden was das ist. Der Erleuchtete wird lächeln, dran riechen oder sich damit den Rücken kratzen, die meisten werden sich fragen, wo der Trick ist, weil die Frage so simpel ist.
"... weil wir was Ähnliches meinen und Empfinden."
Irrtum. Was ein anderer Mensch äußert, wird nur insoweit verständig angenommen, als darin die eigenen Erfahrungen vorstellend wahrgenommen werden. Äußert ein anderer Mensch etwas, hinsichtlich dessen man auf keine eigenen Erfahrungen zurückgreifen kann, dem gegenüber man nicht auf eigene Vorstellungen zurückgreifen kann, bleibt es unverstanden. [Erzählt z.B. jemand einem anderen etwas von der Realität von Elementarwesen, so wird er unverstanden bleiben, solange der andere nicht über die entsprechenden Erfahrungen in Bezug auf Elementarwesen verfügt. (In aller Regel wird derjenige belächelt oder ein esoterischer Spinner geheißen; hier spielen nämlich insbesondere Affekte bezgl. der Begriffe eine äußerst große Rolle.) Wird ihm aber erläutert, daß er bitte seine Affekte einmal zügeln möge, um überhaupt, wie man so zu sagen pflegt, ergebnisoffen und/oder vorurteilsfrei sich der Angelegenheit zu widmen, und, wenn es ihm dabei leichter wird, Wesen etwa auch durch Washeit zu ersetzen oder wenn ihm das noch immer nicht unaffiziert, unesoterisch genug ist, sogar durch Entität ersetzen möge, mag es vielleicht gelingen, sich darüber auszutauschen ] Ansonsten aber schläft man bzgl. des anderen Menschen vollkommen ein. Einer der größten Weisheitserkenntnisse ist diese: Nur Gleiches erkennt Gleiches.
"Woher weißt Du denn, dass es Hunger ist ..."
Weil es die Wahrnehmung ein seelisches Erlebnis ist, unabhängig von dessen Benamung. Es ist ja auch durchaus so, daß die Begrifflichkeit ‚Erkenntnishunger‘, als Kompositum, für die meisten Menschen ein Fremdwort zu sein scheint, insbesondere, wenn sie einen vollen Bauch haben. Für den, der ihn verspürt, kann Erkenntnishunger jedoch ebenso quälend sein, wie ein leerer Bauch.
P.S.: Ich bitte, weiterhin beim ‚Sie’ zu bleiben.
P.P.S.: Und damit wären wir beim eigentlichen Thema des Blogs und bei meiner Eingangsfrage oben: Wie läßt sich 'Ethik' begründen und nicht nur setzen, resp. wichtiger als Religion behaupten? - (Wobei nicht der Verdacht entstehen soll, ich würde etwa behaupten wollen, Religion sei wichtiger.)^^
Also ich habe mal nach der Adresse der Ethik gegoogelt. Die wohnt am neutralen Fünfeckplatz der Metaphysik in der interaktiven Ecke. Oft verfahren sich Moraldefinitorische Aussagemobile in diese Gegend um dann zur links-rechts Abbiegestelle zu gelangen. Der Ethik ist das aber egal, die verhält sich zur Moral wie der Raum zum Ort.
greetings from the pit -abghoul
Hallo Gebe.
Mit manchen bin ich per Du, mit anderen beim Sie, da komme ich durcheinander, ist aber kein Problem.
„Was ein anderer Mensch äußert, wird nur insoweit verständig angenommen, als darin die eigenen Erfahrungen vorstellend wahrgenommen werden. Äußert ein anderer Mensch etwas, hinsichtlich dessen man auf keine eigenen Erfahrungen zurückgreifen kann, dem gegenüber man nicht auf eigene Vorstellungen zurückgreifen kann, bleibt es unverstanden.“
Nicht zwingend. Äußert ein Mensch etwas, was in unseren Sprachspielen nicht vorkommt, wird es unverständlich. Ein farbenblinder (oder rot/grün-blinder) Mensch, kann sich über diese öffentlich verfügbaren Sprachspiele derart orientieren, dass er recht zuverlässig Farben benennen kann, obwohl er über die dazu notwendigen Farbeindrücke eben nicht verfügt. Oft fällt das erst nach Jahren auf, bei der Musterung oder so.
„Erzählt z.B. jemand einem anderen etwas von der Realität von Elementarwesen, so wird er unverstanden bleiben, solange der andere nicht über die entsprechenden Erfahrungen in Bezug auf Elementarwesen verfügt.“
Ist es nicht gerade umgekehrt? Reden wir nicht über allerlei, was wir selbst noch nie erfahren haben, außer durch die Mitteilung?
Wir wissen zwar nicht, wie es ist eine Fledermaus zu sein, aber eigentlich auch nicht wie es ist unser Nachbar zu sein. Oder unser Zwillingsbruder. Oder das Kind, was wir dereinst selbst mal waren. Und doch reden wir über vielerlei erfolgreich. Wir streiten uns über die Beschaffenheit des Mondes … ich hab das nie erforscht, Sie wohl auch nicht.
Und besonders gerne über das was kommen wird, was an sich schon grotesk ist. Aber wir tun es. Wir kommunizieren auf eine hochabstrakten Ebene und die weitreichende Einigkeit der sinnliche Wahrnehmung setzen wir stillschweigend voraus: „Riechst du das auch?“ Klar, hier brennt irgendwo was? „Hast du das gehört?“ Klar, haben wir.
Wir sind schwer irritiert, wenn einer nicht so wahrnimmt wie wir. Wenn jemand tatsächlich von Elementarwesen redet, steht er unter Psychoseverdacht. In Bardon-Kreisen wird das anders bewertet, aber so im normalen Alltag…
„Einer der größten Weisheitserkenntnisse ist diese: Nur Gleiches erkennt Gleiches.“
Gleich ist zu viel verlangt und geht schon prinzipiell nicht. Ähnliches reicht. Unsere Fähigkeit zur Empathie besorgt den Rest.
„Weil es die Wahrnehmung ein seelisches Erlebnis ist, unabhängig von dessen Benamung.“
Nein. Es ist ein fundamentaler Unterschied Hunger, Angst, Wut oder Lust zu verspüren, was buchstäblich jedes Kind oder Tier kann und zu wissen, dass es Hunger (Angst, Wut, Lust …) ist, den man da verspürt. Das eine ist tierisches Dasein, das andere menschliches Sprachspiel.
Der Mensch der Jäger & Sammler Zeit war nicht nur fitter und geschickter als wir, er hatte auch ein größeres Hirn. Was ihm fehlte war eine ausgefeilte Sprache, die in jeder Hinsicht den Unterschied macht, einer ist der, dass wir Dinge eben gerade nicht selbst erleben müssen. Sie gerinnen zu Mythen, Mitteilungen und dergleichen und wir sind in der Lage die Berechtigung zu erben, sie zu verwenden, wir müssen das worum es geht idealerweise nur verstehen. Darum könnten wir uns auch über Elementarwesen unterhalten.
Gewöhnlich sagt man Moral sei das konkrete Gebot: "Du sollst (nicht) ..., Tu dies, Lass das" und Ethik das abstrakte Prinzip.
So findet man es z.B. bei Kohlberg.
Bindend ist das aber nicht, Kant macht diesen Unterschied nicht, Habermas auch nicht.
"Wie läßt sich 'Ethik' begründen und nicht nur setzen, resp. wichtiger als Religion behaupten?"
Ethik lässt sich nicht begründen, bzw. auf so viele Arten, dass nun wieder unklar ist, welche man wählen soll.
Einen Ausweg könnte die Spiritualität bieten, vor der Tür standen wir ja schon mal.
Wie wäre es, eine (Be)Gründung von Ethik aus den Tatsachen von wiederholten Erdenleben, Reinkarnation und Karma zu erkennen?
In festen Konstellationen intimer Zweisamkeit ...
Jetzt bist du aber wieder eher auf der Schiene meiner Argumentation, Wiederholungszwang als Bedrohung durch automatische Musterwiederholung. Dass dies so auch mit wünschenswerten Mustern funktioniert, müsste erst noch belegt werden.
Er erlischt, wenn das Trauma oder Thema integriert ist
Das gibt es nicht. Das beste, was erhofft werden kann, ist dass der Automatismus gebrochen werden kann, dass es einem Menschen bewusst wird, wenn der Automatismus startet und dass er die Stärke ansammelt, diesen Start zu verhindern. Dass der Impuls verschwinden würde, das kannst du vergessen.
Ich weiß nicht. Wir haben hier einige Jahrzehnte ganz gut zusammen gelebt. ...
Ein wundervolles Beispiel elaborierter Formulierkunst, der gesamte Absatz^^nur was darin eigentlich ausgesagt wird, ist nicht ganz so deutlich, oder war das vielleicht das Ziel der Kunst?^^
Dass wir anscheinend ein paar Jahrzehnte gut leben konnten, hat also zu einem Eurozentrismus geführt, der als Zeichen wofür gelten darf? Dass wir die anderen von der beispiellosen Überlegenheit unserer Lebensweise überzeugt haben, dass wir uns in dem Gefühl ergehen können, die anderen von der beispiellosen Überlegenheit unserer Lebensweise überzeugt zu haben oder der ein Zeichen der beispiellosen Überlegenheit unserer Lebensweise ist? Oder wie?
Und jetzt sind wir gekränkt, weil wir nicht umhin können zu bemerken, dass diese Auffassung von unserer zivilisatorischen und allgemeinen Bewusstseinshöhe nicht mehr von allen Menschen uneingeschränkt geteilt wird, weil denen möglicherweise das Blut, das sie dank uns verlieren, doch näher ist als unser Wohlergehen, das wir so freigiebig mit diesem Blut bezahlen? Oder was genau kränkt uns, und kränkt uns überhaupt was, und können wir nicht verstehen oder wollen wir einfach ignorant bleiben?
Und Augstein hätte das verstanden? Wow.
"Ethik lässt sich nicht begründen, bzw. auf so viele Arten, dass nun wieder unklar ist, welche man wählen soll."
Nun, das ist zunächst ein Widerspruch in sich, sogar eine permutative Retorsion, da 'bzw.' kein Antonym von 'nicht' ist. Desweiteren ist mit der Aussage von Ethik-Inhalten/Arten, nicht aber von Ethik selbst gesprochen.
Können wir versuchen. Sie müssen sich nur, wenn Sie ernst genommen werden wollen, davor hüten eine spekulative Theorie als Tatsache zu verkaufen.
Da dreht sich jeder um und winkt ab, zurecht.
Auf der wie wäre es denn, wenn es Reinkarnation etc. pp gäbe-Ebene können wir das ausbuchstabieren, aber ein notwedniger Schritt dabei ist die Klärung der Frage, ob es denn Reinkarnation überhaupt gibt.
Das können wir am Anfang oder am Ende beprechen, oder auch mitten drin, wir dürfen es nur nicht vergessen und müssen behutsam argumentieren.
Es geht übrigens gar nicht darum, zu zeigen, dass Reinkarnation usw. mit der Brechstange bewiesen werden muss, sondern es ist fruchtbarer zu zeigen, was von dem angeblich Bewiesenen tatsächlich unbewiesen ist.
"Nun, das ist zunächst ein Widerspruch in sich, sogar eine permutative Retorsion, da 'bzw.' kein Antonym von 'nicht' ist."
Ich bin für Posing zu alt und zum nachschlagen zu faul. Hab's aber kapiert. Es geht um die Frage der übergeordneten Kriterien.
a) Wer sagt, welche das sind und b) Was tun, wenn sich niemand dran hält?
"Sie müssen sich nur, wenn Sie ernst genommen werden wollen, davor hüten eine spekulative Theorie als Tatsache zu verkaufen."
Tolle Show und Witzveranstaltung! Lesen Sie manchmal Ihre eigenen Sätze?
Haben wir Zugriff auf diese "Tatsachen"? Gibt es Evidenz dafür? Und selbst wenn, was sollte Menschen davon abbringen, über einen identischen Satz von Tatsachen verschieden ausfallende Ableitungen zu bilden, also etwa in Form von Auffassungen, was daraus für Rückschlüsse zu ziehen sind?
Es gibt ja noch den kleinen, aber entscheidenden Schritt vom Erkennen zur Umsetzung, also den Handlungen. Das Problem liegt also weniger an der Vernunft, sondern am Willen zur Umsetzung. Dieser Mangel kann nun wieder verschiedene Ursachen haben.
Das individuelle Erkennen von Ethik halte ich für eine "geistige" Eigenschaft (Fähigkeit), die sich aus den Prinzipien des Miteinanders ergibt. Dem kann man sich verschließen, bedeutet dann aber auch eine bewusste Absetzung von den Werten des Menschseins, des Lebens allgemein.
Hallo Lethe.
„Wiederholungszwang als Bedrohung durch automatische Musterwiederholung. Dass dies so auch mit wünschenswerten Mustern funktioniert, müsste erst noch belegt werden.“
Nicht die Muster sind wünschenswert, die Auflösung der Konstellation/Muster, die immer wieder reinszeniert wird. Der „Wunsch“ ist da die Muster zu durchbrechen.
„Dass der Impuls verschwinden würde, das kannst du vergessen.“
Gut, die automatisierte Reaktion auf den Impuls.
„Oder wie?“
Dass wir das Gefühl haben, anderen dieses Modell zu empfehlen und wenn sie das ablehnen uns damit trösten und schützen, dass die eben noch nicht so weit sind. Da bin ich bei Deiner Kritik.
„Und jetzt sind wir gekränkt, weil wir nicht umhin können zu bemerken, dass diese Auffassung von unserer zivilisatorischen und allgemeinen Bewusstseinshöhe nicht mehr von allen Menschen uneingeschränkt geteilt wird, weil denen möglicherweise das Blut, das sie dank uns verlieren, doch näher ist als unser Wohlergehen, das wir so freigiebig mit diesem Blut bezahlen?“
Ja, gut gemeint, aber oft naiv und unreflektiert, vor allem gegenüber den eigenen Problemen.
Wir müssen nicht noch über Stilfragen diskutieren.
Wollen wir jetzt, oder nicht? Ich wäre dabei.
Das a. Prinzip ist ja auch so eine Art Zirkelschluss. Popper hält die für durchaus relevant für die Wissenschaft, da es auf den Gehalt des neuen Begriffs, der Theorie ankommt, die ein altes Phänomen besser beschreiben kann.
Es war ein kleines Gedankenspiel, womit ich zeigen wollte, wohin sich eine von der direkten Evolution losgelöste Spezies bewegen kann, wenn sie die mit den neuen geistigen Fähigkeiten verbundenen "Ordnungen" (hier also die Ethik) ignoriert und sich dann die eigenen Grundlagen zerstört. Es ist ein spekulativer Gedanke, aber ich finde, als Arbeitsmodell durchaus brauchbar.
„Das Problem liegt also weniger an der Vernunft, sondern am Willen zur Umsetzung. Dieser Mangel kann nun wieder verschiedene Ursachen haben.“
Ja, die Willensschwäche hat als bekanntes Problem ihren festen Platz in derPhilosophie.
„Das individuelle Erkennen von Ethik halte ich für eine "geistige" Eigenschaft (Fähigkeit), die sich aus den Prinzipien des Miteinanders ergibt.“
Des symmetrischen Miteinanders vor allem. So wollte es Kant.
„Dem kann man sich verschließen, bedeutet dann aber auch eine bewusste Absetzung von den Werten des Menschseins, des Lebens allgemein."
Nicht zwingend. Es kann auch bedeuten, dass man eine Einsicht in die prinzipielle Richtigkeit hat, aber nicht glaubt, dass man unter diese Prinzipien fällt. Letzten Ende zieht einem da Kant zwar halbwegs schön den Zahn, aber das setzt ein recht hohes Reflexionsvermögen voraus, über was nicht viele verfügen und was daher vermutlich nicht hinreicht eine Ethik breit zu streuen. Auch bei Kant landet man bei der Erkenntnis, das dem Einsichtigen unmittelbar einsichtig sein muss, was dem Uneinsichtigen nicht erkennbar ist.
Aber das ist nicht das einzige Problem.
Dieses hohe Reflexionsvermögen ist nicht einmal notwendig. Es gibt den theoretischen Zugang über die Vernunft und die des Herzens. Letztere entzieht sich ein wenig dem Verstand, ist aber so wie eine unbewusste innere Landkarte, um sich nicht zu verlaufen.
Der Ethik ist das aber egal, die verhält sich zur Moral wie der Raum zum Ort.
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Bei der Vernunft des Herzens oder Bauches bin ich immer skeptisch, aber ich glaube, dass die Formulierung und Sanktonierung basaler Spielregeln der Moral richtig und wichtig ist.
Da kommen wir dann vermutlich wieder zusammen, weil dass was Sie als Herzenswärme ansehen ungefähr dem entsprechen wird, was ich als grundlegend (und verinnerlichte) Tabus, Gebote und Verbote ansehe.
"Ethik lässt sich nicht begründen, bzw. auf so viele Arten, dass nun wieder unklar ist, welche man wählen soll."
Nun, das ist zunächst ein Widerspruch in sich, sogar eine permutative Retorsion, da 'bzw.' kein Antonym von 'nicht' ist. Desweiteren ist mit der Aussage von Ethik-Inhalten/Arten, nicht aber von Ethik selbst gesprochen.
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Ethik ist gegeben, insoweit Ethos gegeben ist, und muß nicht begründet werden. Und Ethos ist von den freien und verantwortlichen Menschen über die Unfreien/Abhängigen und dennoch Mitverantwortlichen, über die (noch) Unfähigen (Kinder) bis hin zu vielen Tieren vorhanden/gegeben, indem es offenbar dort je Vorstellungen/Normen/Werte von dem gibt, was gut ist und sein soll und dem was schlecht ist, und nicht sein soll, bis hin zu einem Gerechtigkeitsgefühl, zumindest was die je "eigene" Behandlung durch die Mit- u. Um-Welt betrifft.
(Sogar das Persistente der unbelebten Materie folgt zumindest einem Selbsterhaltungsgrundsatz/"Ethos"/Persistential-Paradigma insoweit alles, was PERSISTENT ist, nur mittels Symmetrieverletzungen/-aufhebungen durch Agglomeration/Akkumulation/Verdichtung (->Gravitation/Masse/Steine/Planeten/Sonnen/Protonen/Neutronen ... ->weitere Kräfte/weitere persistente "Partikel"/Symmetriebrüche) als Struktur aus dem entropen Brei in einen Zustand tritt, in dem wir wenigstens von einem "Etwas" überhaupt erst sinnvoll sprechen können.)
Da jede menschl. Existenz auf erfülltem Basis-Ego-Ethos/erfüllten primären Ansprüchen beruht, und sei es sogar, den libidinösen Kreislauf aus Bedürfnisbildung u. Bedürfnisbefriedigung überhaupt erst anzustoßen (Libidoübertragung) und immer wieder zu fördern - vom Neugeborenen bis zum Kleinkind - kann sich niemand von entsprechend ausgereiftem Verstandesvermögen der Pflicht zum inhaltlichen Diskurs über die allgemein sowieso gegebene(n) und die persönliche(n), ebenfalls sowieso gegebenen Ethik/Normen/Werte usw. entziehen, wenn es da Konflikte gibt.
Entzieht sich jemand eines solchen Diskurses (s. o. Nazi, der sich verweigert) trotz klaren Konfliktes, muß man dafür schwere, natürlich an dem Gewicht der in Frage stehenden Werte & Handlungsnormen bemessene, Sanktionen austeilen (statt einen wie Breivik, der ohne Reue oder auch nur Zurückhaltung geblieben ist, an einer Uni aufzunehmen und Politik studieren zu lassen)
Hallo DOS.
"kann sich niemand von entsprechend ausgereiftem Verstandesvermögen der Pflicht zum inhaltlichen Diskurs über die allgemein sowieso gegebene(n) und die persönliche(n), ebenfalls sowieso gegebenen Ethik/Normen/Werte usw. entziehen"
Der übliche Knackpunkt.
"Entzieht sich jemand eines solchen Diskurses (s. o. Nazi, der sich verweigert) trotz klaren Konfliktes, muß man dafür schwere, natürlich an dem Gewicht der in Frage stehenden Werte & Handlungsnormen bemessene, Sanktionen austeilen..."
Kann man machen.
Ja, Ethik muss vermutlich nur gesetzt und dann nachjustiert werden.
Den Nida-Rümelin habe ich dazu glaube ich schon mal verlinkt, hier noch mal:
http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3705/
Ich bitte Sie, werter Lethe, ich werde den Deibel tun, hier eine inhaltliche Disputation widerzubeleben, die wir schon diverse Mal durchgeführt haben, und welche jeweils zum Ergebnis hatte, daß Sie der heiligen und ansonsten eigenschaftslosen Emergenz und der heiligen und ebenfalls ansonsten eigenschaftslosen Kontingenz huldigen.
Es geht nicht um Stilfragen, sondern darum, daß Sie mich aufmerksam machen wollen, welche Methodik ich gefälligst anzuwenden hätte. Sie wissen was double-binding ist?
Dann zeichnen Sie doch mal den Unterschied zwischen Tradition, Konvention und Satzung einerseits und Ethik andererseits.
Das ist schon okay, werter Gebe, ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, dass Sie sich auf eine inhaltliche Diskussion einlassen. Sie werden trotzdem damit leben müssen, dass es aufgrund der offenbaren Überschneidungen unser beider Interessenlagen immer wieder mal zu Interferenzen kommen kann.
"Ja, Ethik muss vermutlich nur gesetzt und dann nachjustiert werden."
Nicht ganz, Ethik (= ca.: Daß es überhaupt Werte/Ethos gibt, zunächst mal offen WELCHE/s) ist (nicht:wird) gesetzt, denn ohne TATSÄCHLICHE Selbstförderung/Eigenansprüche & ggfls. Fremdförderung, die ja allesamt Wertsetzungen/Ethoi enthalten, gibts kein Subjekt, das Ethik in Anspruch nimmt oder von Ethik in Anspruch genommen wird.
Den Rümelin habe ich verärgert abgebrochen, - immer dasselbe mit dem Kerl -, als er behauptete,
"Wenn wir nicht fest davon überzeugt sind, dass Menschen Rechte haben, unabhängig davon, ob diese Rechte akzeptiert sind, unabhängig davon, ob man zu einer Gemeinschaft gehört, die diese Rechte kulturell entwickelt hat, haben wir große Probleme, denn dann kann man beispielsweise gar nicht mehr kritisieren, wenn zum Beispiel in bestimmten Regionen Afrikas Albinos so schrecklich behandelt werden – das ist dort ja eine kulturelle Praxis! Oder warum Mädchen beschnitten werden, um als erwachsene Frauen gelten zu können, die Mütter wollen das so! – was wollte man noch dagegen sagen können, wenn man nicht in der Hinsicht moralischer Realist ist und hervorhebt, solche Rechte seien unabhängig von jeweiligen Praktiken, der Anerkennung."
Selbstverständlich kann man auch ohne A-Priorität ("fest davon überzeugt" zu sein, daß "Rechte unabhängig" von ihrer Genese/Semiose Anwendungssituation usw. gelten müssten/valide Rechte sind) besser: auch ohne die Suprematie dt. Philo-Profs., ganz exzellent z. B. Frauen-/Mädchen-Beschneidung kritisieren:
Denn es gehört zu den empirisch gesetzten wie auch synthetisch/abstrakt ableitbaren Basiswerten, Schmerz und Wunden (auch innere!) zu vermeiden ("Schlechtes") , also körperliche Unversertheit anzustreben/zu beanspruchen.
Nur greift diese Kritik eben nicht a priori durch, sondern muß gegen die Sinnaufladungen dieser Praktiken abgewogen werden.
N.-R. trauert dem Kartenhaus des dt. Idealismus nach, das in sich zusammgefallen ist und wonach Herrenmenschen a la Rümelin ein paar Gewehre zusammentrommeln durften, um die Neger mal zivilisatorische Mores zu lehren, statt sich um der hohen Werte willen mit den alten Beschneidungs-Vetteln Afrikas auseinandersetzen zu müssen.
Ja, ich weiß das.
Also Karma und Reinkarnation. Meine Nase sagt mir, dass Sie sich da auskennen, ich auch, womit fangen wir an?
Sollen wir voraussetzen, dass es R. gibt und fragen, was das heißt? Für die Ethik heißt?
Oder wollen wir gleich mit den Probemen beginnen?
Ethik ist gegeben, insoweit Ethos gegeben ist, und muß nicht begründet werden.
Ein Minenfeld^^ steht die Ethik dem Ethos nicht gegenüber als Korrekturfaktur für in die Irre gehendes Ethos à la überzeugter Nationalsozialist? Woran machen wir denn fest, dass ein Ethos in die Irre geht, ohne auf übergeordnete ethische Maximen zu verweisen? Und "übergeordnet" auf welcher Grundlage?
Entzieht sich jemand eines solchen Diskurses ... trotz klaren Konfliktes, muß man dafür ... Sanktionen austeilen
Und was machen wir mit denen, die sich des Diskurses nicht entziehen, aber durch Diskurs nicht von ihren Positionen abzubringen sind, z.B. weil sie bestimmte Prämissen nicht teilen? Anders Breivik, den Sie hier erwähnen, war ja hochgradig daran gelegen, einen derartigen Diskurs zu führen, was ihm verweigert wurde. Aus gutem Grund? Und viele Ur-Nazis, die Amnesie erhalten hatten, haben noch Jahrzehnte später den nationalsozialistischen Staat verteidigt, also zumindest einen einseitigen Diskurz gepflegt, denn mit ihnen gestritten hat praktisch niemand von der Gegenseite.
Ich bedauere dich jetzt schon^^
Selbstverständlich kann man auch ohne A-Priorität ("fest davon überzeugt" zu sein, daß "Rechte unabhängig" von ihrer Genese/Semiose Anwendungssituation usw. gelten müssten/valide Rechte sind) besser: auch ohne die Suprematie dt. Philo-Profs., ganz exzellent z. B. Frauen-/Mädchen-Beschneidung kritisieren:
Denn es gehört zu den empirisch gesetzten wie auch synthetisch/abstrakt ableitbaren Basiswerten, Schmerz und Wunden (auch innere!) zu vermeiden ("Schlechtes") , also körperliche Unversertheit anzustreben/zu beanspruchen.
Nur greift diese Kritik eben nicht a priori durch, sondern muß gegen die Sinnaufladungen dieser Praktiken abgewogen werden.
Aber nein. Sie kommen ohne die Annahme der Priorität Ihrer Prämissen argumentativ nirgendwo hin. Auch ihre "Basiswerte" sind nichts als Prämissen. Sie kommen natürlich auch unter Annahme der Priorität ihrer Prämissen nirgendwo hin. Ihre Kritik steht dann im Raum und verhallt ungehört bei denen, an die sie sich wendet. Letztlich läuft es dann doch wieder nur auf Machtabgleich hinaus, und wenn die stärker sind, ist es schön für Sie, dass Sie von Ihren Prämissen und Argumenten überzeugt sind.
Hallo DOS.
Da haben Sie die richtige Stelle getroffen.
„Denn es gehört zu den empirisch gesetzten wie auch synthetisch/abstrakt ableitbaren Basiswerten, Schmerz und Wunden (auch innere!) zu vermeiden ("Schlechtes") , also körperliche Unversertheit anzustreben/zu beanspruchen.“
Aber was sollen das für Basiswerte sein, wo kommen die her? Wenn ich weiß, dass der andere Schmerzen hat, wie ich, warum sollte mich das interessieren? Warum sollte ich es nicht, für meine Zwecke ausnutzen?
„Nur greift diese Kritik eben nicht a priori durch, sondern muß gegen die Sinnaufladungen dieser Praktiken abgewogen werden.“
Aber schon im Rahmen einer Einigung und eben einer, die wir vernünftig und fair – wobei das schon voraussetzt, was erst noch begründet werden soll – nennen würden. Vermutlich ist es auch hier so, dass wir uns bereits als Geworfene vorfinden.
„N.-R. trauert dem Kartenhaus des dt. Idealismus...“
Ich weiß, Ihre Lieblinge. Dennoch, schöne Anregungen, vielen Dank.
Solange ich mir nicht von Hardcore-Feministinnen erklären lassen muss, wie ich wirklich denke und fühle, bin ich ziemlich schmerzfrei. Okay Dawkins-Jünger wären auch noch was, aber die habe ich innerlich schon begraben.
"steht die Ethik dem Ethos nicht gegenüber als Korrekturfaktur für in die Irre gehendes Ethos à la überzeugter Nationalsozialist?"
Nein, "Ethik" (hier verstanden als grundlegendes Sittengesetz, wie ich es oben und andernorts begründet hatte) steht der stets bloß angeblichen Wertelosigkeit/dem stets bloß angeblichen Nihilismus gegenüber, nicht falschen Einzelwerten.
(Man kann nicht GAR KEINE Werte haben, zumindest als Baby/Kind muß man welche gehabt haben, und insoweit man darauf besteht, z. B. indem man sich auf freie Setzbarkeit von Wert/Nicht-Wert/Un-Wert beruft, dann können keine Argumente gegen irgendwelche Normen vorgebracht werden, so daß jedwede Norm bzw. die Werte anderer akzeptiert werden müssen, denn dann ist "alles wurscht". Ist es nicht wurscht, muß auch irgendwo ein Wert stecken, an dem sich die Norm/ein Wert anderer, im "Nihilisten" bricht.
"Woran machen wir denn fest, dass ein Ethos in die Irre geht, ohne auf übergeordnete ethische Maximen zu verweisen? Und "übergeordnet" auf welcher Grundlage?"
"Übergeordnet" ist a priori erstmal nichts, sondern das ethische Prinzip (weniger die eth. "Maxime", jdfls. im Kantschen Sinne nicht) leitet sich aus der Selbstbewertung/den Selbstförderungen dessen, was ist, als Vorordnung/Erstbegründung ab.
"Entzieht sich jemand eines solchen Diskurses ... trotz klaren Konfliktes, muß man dafür ... Sanktionen austeilen
Und was machen wir mit denen, die sich des Diskurses nicht entziehen, aber durch Diskurs nicht von ihren Positionen abzubringen sind, z.B. weil sie bestimmte Prämissen nicht teilen? "
Zunächst mal sollte man die eigenen Werte/Positionen soweit wie möglich von rein synthetischen Prämissen befreien, und soweit wie möglich auf empirisch nachprüfbare/erfahrbare Tatsachen gründen. Und wenn das nicht hilft: Sanktionen.
"Anders Breivik, den Sie hier erwähnen, war ja hochgradig daran gelegen, einen derartigen Diskurs zu führen, was ihm verweigert wurde. "
Falsch, er ist mit seinem Vorbringen diskursiv gescheitert, bzw. hat ERST GEHANDELT, gerade UM seinen Diskurs nochmal auf's Tableau zu heben.
Und sein diskursives Scheitern mag nicht wundern, wenn seine Argumente genauso unlogisch wie seine Handlungen waren:
Die Nördler sterben aus, also muß ich welche erschießen.
"Aus gutem Grund? Und viele Ur-Nazis, die Amnesie erhalten hatten, haben noch Jahrzehnte später den nationalsozialistischen Staat verteidigt, also zumindest einen einseitigen Diskurz gepflegt, denn mit ihnen gestritten hat praktisch niemand von der Gegenseite."
Letzteres ist empirisch falsch, - wobei es natürlich oft "mehr Diskurs" aus Sicht der Unterlegenen sein kann. Aber zurückgezogen haben sich stets die Nazi- u. a. Rechts-Kreise, soviel ist meine Erfahrung und die nahezu aller, die in polit. Diskussion/Aktion involviert waren/sind.
Und das tun sie auch heute noch, z. B. indem sie sich dann auf individuelle Vorlieben berufen wie Botho Strauß, der im Spiegel schrieb "Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen."
Blöd für ihn halt, daß darin ein relativer Nihilismus steckt, indem "lieber" ausgestorben wird, - man erinnere sich der Parole "lieber tot als rot" -, als "vital" zu sein. Eine solche Haltung verrät alle Werte, die sich für B. S. mit "Volk" usw. je verbinden könnten, weil diese "Werte" mit dem Tod ihrer Träger eben erst recht zu Grabe gehen, während es in der "Vitalität" wenigstens den Hauch einer Chance des Überlebens dieser Werte gibt (sofern man diese Todes-/Vitalitätskiste ZUNÄCHST überhaupt so stehen lässt), und sei es um den Preis, in mancher Hinsicht ein (leicht) anderer werden zu müssen, als man bisher war.
"Auch ihre "Basiswerte" sind nichts als Prämissen."
Falsch, empirische Genese und synthetische Stellung/Ableitung von Basiswerten habe ich dargelegt, sie sind also Zwischenergebnisse der Suche nach der Begründung von Werten und keine Prämissen, und erst recht kein a-priorisch, qua "Zivilisationanspruch" oder einem "wer es fassen kann, der fasse es" bloß behaupteten Vorrang, wie der Dt. Idealismus das tut. Vergl. K. Grundlegung ... Metaphysik der Sitten, unter anderem den letzten u. ggfls vorletzten Absatz.
Und was das "Verhallen" angeht, nun, da hat die a-priorische Suprematie derer, die behaupten qua spekulativer Metaphysik einen ideeenmäßigen Hintergrund aller Dinge etc. geschaut zu haben, was ihre a-priorische Suprematie in ethischen Fragen belegt/rechtfertigt und sie zur "Überordnung" z. B. eines völlig mißratenen "Kategorischen Imperativs" berechtige, meiner evtl. fehlenden Wirkung doch noch einige Minuspunkte voraus.
Und: Wo es eine Ihren Bedürfnissen nach Zwang entsprechend zwingende Ethik gäbe, gäbe es auch keine Freiheit mehr, die ich nicht missen möchte (schon aus Gründen der Aufrechterhaltung evolutionärer Optionen), und für die die Machtfrage/der Machtmißbrauch in Kauf zu nehmen ist gegenüber einer Lösung, die qua, dann notwendig generalisierter, "Macht für's ethisch einzig Richtige" operiert.
Liebe Nil,
zufällig stosse ich auf Deinen Beitrag. Gut, dass es die Meistkommentierten noch gibt.
Wir beide sind ja wohl schon lange der gleichen Meinung wie der Dalai Lama. Das Bedeutende an seinen Aussagen ist wohl, dass er sie als "Religionsführer" gemacht hat. Was wäre, wenn der Papst, jüdische und moslimische Religionsgelehrte der gleichen Ansicht wären? Damit wäre den Herrschern der Welt eine wichtige Waffe aus der Hand genommen. Aber patriarchalische Gesellschaften schaffen es immer wieder, ihre Herrschaft zu rechtfertigen. Wir müssen wieder zu mehr matriarchalischen Gesellschaftsentwürfen, bzw. humanistisch anarchistischen kommen. Wie ich schon lange vorschlug, wir sollten ausgehend von den universalen Menschenrechten eine allgemein verbindliche Ethik menschlichen Verhaltens entwickeln. Das wäre auch sehr hilfreich im Kontext der "Integration". Die Aufklärung muss weiter entwickelt werden.
Dir noch ein gutes Neues Jahr, das leider verheerend begann.
LG, CE
Statt eines eigenen Beitrags kommentiere ich einmal die für mich auffälligsten einzelnen Gedanken des threads, zunächst zur Exposition von Nil: Man kann als gläubiger Mensch nicht nur ein gottgefälliges, sondern auch ein menschengefälliges Leben führen. Und viele Menschen wären vom Anspruch zu einem solchen Leben überfordert ohne Religion. Der Dalai Lama scheint allerdings begriffen zu haben, daß man nicht die Religionen für zuständig halten darf, wenn es um unsere allgemeinen Werte geht. Das ist lobenswert.
Zu Pleifel: Ethik ist der Anspruch, daß die Einzelnen sich in ihrem Verhalten so leiten lassen, daß ein allgemeiner Nutzen entsteht, d'accord.
Zu Nil: Es ist absolut richtig, daß Universalismus ein wesentlicher Bestandteil ethischer Werte ist, der KI von Kant ist eine notwendige Bedingung. Daher ist Lethes Nazi zwar wertorientiert, aber nicht im mindesten ethisch. Mit der ethischen Stufenfolge habe ich begriffliche Schwierigkeiten. Ich würde es als Stufenfolge der Intelligenzentwicklung sehen, unterscheiden kann man natürlich zwischen Moral und Ethik, konventionellem und postkonventionellem Verhalten, Außen- und Innenleitung. Der Übergang von einer anthropozentrischen auf eine biozentrische Einstellung widerspricht jedoch dem allgemeinmenschlichen Nutzen. In dieser Perspektive kann man sich gezwungen sehen, dem biologischen Gleichgewicht zuliebe Schaden oder Belastung für den Menschen in Kauf zu nehmen. Das wäre dann keine ethische, sondern eine ästhetische Haltung.
Zu Lethe: Ja, wir strukturieren die Welt in Polaritäten. Aber Ethik ist primär nicht die Spaltung in Wir und Die, sondern die des anerkannten Unterschieds von gewünschtem und ungewünschtem Verhalten im möglichen, wobei das Kriterium des Gewünschten der zu erzielende allgemeine Nutzen ist. Das ist zunächst eine Selbstverpflichtung, eine Eingrenzung der eigenen Handlungsmöglichkeiten, eine Spaltung im Subjekt. Sie kann nur freiwillig sein, sonst sind wir auf einer kategorial anderen Ebene, nicht der der Sittlichkeit, sondern der der Moral. Wieweit es einen Gesellschaftsvertrag gibt, der die Ahndung des Brechens der Selbstverpflichtung erlaubt, ist eine andere Frage.
Zu Columbus: Nochmals, Religionen haben Werte, die aber großenteils keine ethischen Werte sind, vielfach entsprechen sie nicht einmal der menschlichen Natur (Sexualmoral). Es stimmt, sehr weit mit der ethischen Steuerung ist die Menschheit noch nicht gekommen. Und mit Religionen wird es wohl nicht gehen.
Zu Schna'sel: Erst im Überfluß ist die Freiheit der ethischen Selbstbestimmung des eigenen Handelns zu schätzen – Ethik muß man sich leisten können. Daher werden Menschen in Not, auch in der künstlich erzeugten des Kapitalismus, sich nicht ethisch verhalten können. Allerdings wird auch Überfluß subjektiv definiert. Die Voraussetzungen von Ethik sind demnach eine andere Gesellschaft und eine andere Einstellung der größeren Bescheidenheit, die Abkehr vom heutigen Konsumismus. Da Religionen immer Indikatoren von Not sind, ist in ihnen nur Moral, keine Ethik möglich. Ethik ersetzt nicht einen Verlust der religiösen Moral (auch @ Moorleiche).
Zu Nil – Maslow: Ich halte es nur mit einer Zweiteilung, den erhaltenden, reproduktiven, und den gestaltenden, produktiven Bedürfnissen (bei Maslow wohl Defizit- und Wachstumsbedürfnisse). Die allgemeinbiologischen, tierischen sind die erstgenannten, die spezifisch menschlichen die anderen. Die reproduktiven sind allesamt lebensnotwendig, ein gesellig lebendes Tier braucht die Anerkennung in der Gemeinschaft genau so notwendig wie die tägliche Nahrung, was soll da die Hierarchisierung. Was über das vormenschliche Tierreich hinausführt, zum Subjekt macht, ist die Reflexion der eigenen Lebensverhältnisse und darin die bewußte Vorstellung der Handlungsmöglichkeiten. Hier kann man von einer Höherentwicklung sprechen, es gibt allerdings selbst in der Community Leute, die einen solchen Übergang leugnen, und andere, die ihn als Fehlentwicklung, als Niederentwicklung bedauern. Ich teile die Mainstreamansicht einer Höherentwicklung, nicht aber die maßlos übertriebenen Vorstellungen und Hoffnungen und ebenso wenig die eines Bruchs zwischen Tier und Mensch, bei genauerer Betrachtung ist der Übergang durchaus fließend.
Zu Lethe (7.-19:17): Ja, wir müssen uns Ethik leisten können. Und wenn wir den ethischen Luxus wollen, müssen wir die Welt so verändern, daß wir ihn uns leisten können.
Zu Pleifel (7.-19:33): Die Wissenschaften helfen uns, Zusammenhänge, Folgen ethischen Handelns zu erkennen. Es bleibt das voluntaristische Element im Ethischen, was wollen wir als das allgemein Gute anerkennen. Selbst in der Beurteilung der Gewalt ist die Sache nicht unkompliziert. Aber ich stimme zu, mit Vernunft hinreichend lösbar.
Zu Dos: Man kann angeborene oder sozialisatorisch, sozialnormiert aufgeprägte Gerechtigkeitsempfindungen als „natürliche Ethik (Ethos)“ betrachten, kommt aber dann in das von Lethe beschriebene Dilemma divergierender Werte/Wertsysteme. Daß Unversehrtheit ein unhintergehbarer Wert sei, ist nur auf den ersten Blick richtig. Er kann mit dem allgemeinen Nutzen des Ethischen kollidieren, was andrerseits kein Freibrief für die Inkaufnahme von hinnehmbaren Opfern bedeutet. Er kann bis hin zum Tyrannenmord verletzt werden, wenn auch nicht Ethik, sondern Notwehr die Legitimationsbasis für Tyrannenmord ist. Begrifflich ist es nicht sinnvoll, die Ebene von unbewußten Verhaltenstendenzen mit der der ethischen Selbstbestimmung zu vermengen, es gibt den integrierenden Begriff der Sittlichkeit.
Danke für deine Mühe der Zusammenfassung! Da gibt´s noch was zum Nach-Denken für mich.
Eine Nachbemerkung noch: Befinden wir uns mit dem Thema nicht auch in dem Dilemma der zweiwertigen aristotelischen Logik, eine Nichtentscheidbarkeit, die immer dann auftritt, wenn Selbstbezüglichkeit im Spiel ist?
Mit den Gottesbeweisen beweist der Mensch (Kant) immer nur seine eigenen Vorstellungen von Gott und nie Gott selber. Er dreht sich also immer im Kreise um sich selber und bleibt damit gefangen in der Selbstbezüglichkeit mit seinem Problem der Nichtentscheidbarkeit. - Als später, etwa um 1900, Gottlob Frege, Bertrand Russel, David Hilbert und andere die Logik und die Mathematik, auf eine absolut sichere Grundlage stellen wollten, zeigte sich am Ende, ich erinnere an den berühmten Satz von Kurt Gödel (1931), daß dieses Kreter-Paradoxon nicht auszurotten ist, daß es auch hier eine Nichtentscheidbarkeit gibt, die selbst in so einfachen mathematischen Strukturen wie der Arithmetik nicht zu vermeiden ist.
Es gibt wahre Sätze, die nicht beweisbar sind, Sätze, bei denen man nicht entscheiden kann, ob sie wahr oder falsch sind. Immer wenn es darauf ankommt, kann man gerade nicht wissen, was wahr und was falsch ist. Und was gut oder böse ist, das kann man schon überhaupt nicht (sicher) wissen.
(Gedanken entnommen, gekürzt und leicht geändert von Hans Millescu, Abschiedsvorlesung 2002).
Gern geschehen, aber strapazieren Sie mich nicht zu sehr, sondern lesen Sie bitte:
"Aber was sollen das für Basiswerte sein, wo kommen die her?"
Zum Xten-Mal:
1. Empirisch aus der Evolution/der Phylo- u. Soziogenese
2. Synthetisch/abstrakt/semantisch-semiotisch aus der notwendigen Selbstförderung (1. Wert) von allem, was persistiert, damit es überhaupt persistiert.
"Wenn ich weiß, dass der andere Schmerzen hat, wie ich, warum sollte mich das interessieren?"
1. empirisch weil sie wohl nicht ohne Grund Spiegelneuronen besitzen, die ihnen die Schmerzen des/der anderen in mehr oder minder starker/schwacher Form selbst injizieren. Das widerspricht zunächst dem 1. Wert der Selbsterhaltung/Selbstförderung, der sie Schmerzen zumindest zunächst als "schlecht" bewerten läßt.
2. Synthetisch insoweit kein Begriff von Ihnen erhältlich ist, der Sie sinnvoll als reines Singulum beschreiben könnte, - Sie wie auch alle anderen sind stets auch zugleich "andere" (- vergl. Sie dazu auch ihr Forums-Motto "eigentlich bin ich ganz anders, komme bloß so selten dazu" o. s. ä.)
Dies nicht berücksichtigt zu haben, sondern zur Eingangsgrundlage seiner Überlegungen lediglich die damals/zuvor üblichen abgehobenen Konstrukte singulärer Einzelwesen als "Bürger" usw. gemacht zu haben, die sich auf einmal, seltsam, seltsam, einander begegnen, ist einer der Urfehler Kants. Vergl Eingangs- u. a. Kapitel zur "Grundlegung ..."
(Eine Synthetik, der die Psychologie eine, wenn auch sehr wackelige, meist kaum beweiskräftige, empirische Dimension abgewinnen konnte, - große Leistung immerhin!, - was Ihnen als Narzissmus-Spezi aber geläufig sein sollte)
3. nehmen Sie bitte davon Abstand, sich für ALLE Schmerzen zu interessieren (falls das so sein sollte), das ist nämlich mit Sicherheit längst NICHT ALLEN (Menschen u. Tieren), die Schmerzen haben, auch recht.
"Warum sollte ich es nicht, für meine Zwecke ausnutzen?"
Das hängt doch von ihren Zwecken und den Umständen/Ursachen der Schmerzen ab, -z. B. sehe ich keinen Grund, warum Sie z. B. im Rahmen einer Medikation nicht von den vorangegangenen Leiden/Krankheiten anderer, die zur Pharmakonentwicklung beitrugen, NICHT profitieren sollten.
Im Gegenteil: so verleihen sie erlebten Schmerzen eher einen weiteren Sinn, neben deren Eigensinn u. evtl. weiteren, wenn (wenigstens) Sie davon profitieren ...
„Nur greift diese Kritik eben nicht a priori durch, sondern muß gegen die Sinnaufladungen dieser Praktiken abgewogen werden.
Aber schon im Rahmen einer Einigung und eben einer, die wir vernünftig und fair – wobei das schon voraussetzt, was erst noch begründet werden soll – ... "
Letzteres ist falsch, das möglichst Zwangsfreie (eine faire, vernünftige Einigung) leitet sich unmittelbar aus dem 1. Wert ab, und IST damit schon begründet, weil sämtliche RELEVANTEN Zwangsmittel die Unversehrtheit des/der Gezwungenen bedrohen und von daher, der Selbstbehauptung/dem Persistential-Paradigma gemäß, ZUNÄCHST ZU RECHT Tabu sind.
Wenn Sie aus den dargelegten Gründen glauben, etwas gegen die Frauen- & Mädchenbeschneidung tun zu müssen/zu wollen, dann fahren Sie dahin, wo das passiert, und verzichten dafür mal auf die Rezeption von Heldenverklärungen ("Reconciling Heroes") im Zusammenhang mit Kant u. Hegel.
"Vermutlich ist es auch hier so, dass wir uns bereits als Geworfene vorfinden."
Vorsicht, "Schwalm"! (das hybride Früchtchen aus der Mesalliance von Schwulst und Qualm). Sicher ist an mancher Heideggerei auch mal was dran, wie das Binsen halt so an sich haben, und die das Schlechte/Falsche nötig hat, um auf dem schmalen (insoweit man sich auf Binsen stützt) Rücken des Richtigen in die Stadt reiten zu können.
Aber gerade hier, an dieser Stelle, finde ich diesen Rekurs auf die "Geworfenheit" sinnlos bis deplatziert, sry.
Und bürsten Sie die ethische Katastrophe des Dt. Idealismus, die Hunderte von Millionen Toten auf dem Gewissen hat, nicht ständig als meine persönliche Liebhaberei ab.(Die gilt ganz andere/n/m ...)
Ethik ... dem stets bloß angeblichen Nihilismus gegenüber, nicht falschen Einzelwerten.
Über Nihilismus sind so viele falsche, verzerrende und diffamierende Vorstellungen und Behauptungen im Umlauf, die sich alle zyklisch gegenseitig stützen, dass ich es aufgegeben habe, darüber eine sinnhafte Diskussion führen zu können. Ihre hier zitierte Aussage nebst den Ausführungen im Folgeabsatz reiht sich da nahtlos ein.
"Ethik" (hier verstanden als grundlegendes Sittengesetz ...) steht ... nicht falschen Einzelwerten [gegenüber].
Und wie könnte Ethik, verstanden als grundlegendes Sittengesetz, es vermeiden, falschen EInzelwerten gegenüberzustehen? Das Gesetzt der Sitte besagt, dass die Tradition gemeinsamer Werte über dem falschen Einzelwert steht.
das ethische Prinzip ... leitet sich aus der Selbstbewertung/den Selbstförderungen dessen, was ist, als Vorordnung/Erstbegründung ab.
Und ihre Hoffnung lautet, dass die Selbstförderung dessen, was ist, also z.B. Ihre und meine Selbstförderung, zu kompatiblen Ergebnissen und Einsichten gelangt? Die Selbstförderung dessen was ist, das ist witzig. Ihr Egoismus und mein Egoismus - oder was ist mit Selbstförderung sonst gemeint? - sollen zu einem ethischen Prinzip gelangen, noch dazu einem, das verhandelbar zu sein hat. Das ist wirklich witzig. Erinnert mich an den alten Witz: Alle denken nur an sich, nur ich denke an mich.
Zunächst mal sollte man die eigenen Werte/Positionen soweit wie möglich von rein synthetischen Prämissen befreien, und soweit wie möglich auf empirisch nachprüfbare/erfahrbare Tatsachen gründen. Und wenn das nicht hilft: Sanktionen.
Eine Empirie, deren Ergebnisse wieder für alle gleich ist, vermute ich, weil die Empirie der Wertsetzungen ja zu einer exakten Wissenschaft der Wertvorschriften führt, die alle zu teilen haben, die keine in die Fresse haben wollen.
Ihnen geht es gar nicht um Ethik oder Ethos, Sie propagieren Moral.
Und sein diskursives Scheitern mag nicht wundern, wenn seine Argumente genauso unlogisch wie seine Handlungen waren
Und auf Grundlage von wessen Prämissen mögen seine Handlungen wohl so dermaßen unlogisch gewesen sein, dass man sich noch nicht mal die Frage stellen muss, ob sie es waren? Ob Breiviks Prämissen das sooo hergeben?
Egal, wir sind die Guten^^ schon allein deswegen, weil wir Breiviks Prämissen nicht teilen^^ ein Schuft, wer auf die Idee kommt, Breivik könnte genauso argumentieren^^
empirische Genese und synthetische Stellung/Ableitung von Basiswerten ... sind also Zwischenergebnisse der Suche nach der Begründung von Werten und keine Prämissen
Wer sucht, wer formuliert Zwischenergebnisse und wer validiert sie? Alle? Und für wen?
Ich halte es eher mit Absprachen zwischen intelligenten Menschen. Wertegemeinschaften sind mir zutiefst suspekt.
Guten Abend liebe Freunde. Ich bin gerade nach Hause gekommen und freue mich sehr ueber soviel konstruktive intelligente Gedanken zum Thema. Nur muss ich leider gleich wieder los,( freue mich aber jetzt schon darauf in den naechsten Tagen in aller Ruhe auf eure Kommentare einzugehen.
Nochmals vielen lieben Dank an alle Beteiligten. Bis spaeter....
Wichtiger als all die systematischen und philosophischen Exkurse und Einlassungen darüber, was Ethik sei, woher sie komme, wo sie "sitze" usw. ist doch die Aussage "Deshalbt brauchen wir eine saekulare Ethik jenseits aller Religionen." Meinetwegen kann die dann auch wieder Religion heißen.
Danke für deine Mühen, die Ethik ist ein sehr wichtiges Thema das viel zu wenig wahrgenommen wird. Ethik geht alle an, auch Denen, denen es nicht angeht, das es sie angeht.
greetings from the pit -abghoul
"Über Nihilismus sind so viele falsche, verzerrende und diffamierende Vorstellungen und Behauptungen im Umlauf, die sich alle zyklisch gegenseitig stützen, dass ich es aufgegeben habe, darüber eine sinnhafte Diskussion führen zu können."
Gut zu wissen, dann fällt ja ein zukünftiges Thema komplett weg. ;-)
Nietzsche sieht im Nihilismus eine dekadente Entwicklung der abendländischen Kultur seit Sokrates und ein notwendiges Übergangsstadium (Umwertung aller Werte). Dann die Spielarten des Nihilismus. Letztlich muss sich der Nihilismus aber selbst aufheben, denn die bedingungslose Verneinung ist dann rekursiv.
Vielleicht doch mal zwei Links zur Etymologie von Ethos. Das Altgriechische hatte da zwei Worte, die, wie ich finde, ganz gut ein ergänzendes Licht auf die Erläuterungen von DOS und auch W. Endemann hier werfen können (v.a. das zweite, ēthos):
ἔθος
ἦθος
Hallo DOS.
„1. empirisch weil sie wohl nicht ohne Grund Spiegelneuronen besitzen, die ihnen die Schmerzen des/der anderen in mehr oder minder starker/schwacher Form selbst injizieren.“
Kein gutes Argument. Gesetzt, ich bin mit jemandem zusammen, der depressiv ist. Was machen meine Spiegelneuronen? Ziehen mich runter. Ergo, erschieße ich den depressiven Vogel. Das zwingt mich nicht zum guten Handeln.
„2.“
Ja, gute Überlegungen.
„3. nehmen Sie bitte davon Abstand, sich für ALLE Schmerzen zu interessieren (falls das so sein sollte), das ist nämlich mit Sicherheit längst NICHT ALLEN (Menschen u. Tieren), die Schmerzen haben, auch recht.“
Soweit bin ich schon vorgedrungen. ;-)
(Und ich weiß auch, dass man manche Menschen mit nichts mehr bedrohen kann, als mit der Aussicht, ihnen tatsächlich helfen zu wollen und schlimmer, es eventuell zu können.)
„Im Gegenteil: so verleihen sie erlebten Schmerzen eher einen weiteren Sinn, neben deren Eigensinn u. evtl. weiteren, wenn (wenigstens) Sie davon profitieren ...“
Ich meinte es etwas anders, verstehe aber Ihren Hinweis.
„Und bürsten Sie die ethische Katastrophe des Dt. Idealismus, die Hunderte von Millionen Toten auf dem Gewissen hat, nicht ständig als meine persönliche Liebhaberei ab.(Die gilt ganz andere/n/m ...)“
Die Leichenberge kann man noch jedem nachtragen.
Aber Ethik ist primär nicht die Spaltung in Wir und Die, sondern die des anerkannten Unterschieds von gewünschtem und ungewünschtem Verhalten im möglichen, wobei das Kriterium des Gewünschten der zu erzielende allgemeine Nutzen ist.
In der Theorie ist das möglicherweise so, wobei ein Nutzenkalkül dem ganzen schon wieder einen erheblichen Drall in Richtung Utilitarismus gibt, und den als ethisch aufzufassen, ist mir noch nie gelungen. Das ist aus meiner Sicht Moral pur. Darüber hinaus wird dieser theoretisch nicht an Zugehörigkeiten festzumachende Unterschied, den du ansprichst, in der Praxis allzuoft auf Zugehörigkeit zurück geführt, jedenfalls in der öffentlichen Auseinandersetzung. Da reicht es dann eben nicht zu sagen "1000 Menschen", es waren "1000 Männer" und dann "1000 Männer arabisch-nordafrikanischer herkunft" usw.^^
Gut zu wissen, dann fällt ja ein zukünftiges Thema komplett weg. ;-)
kann schon sein^^ aber da ich bekanntermaßen ein optimistischer, hoffnungsfroher und glaubender Mensch bin, glaube ich ganz fest daran, dass ich irgendwann mal angenehm überrascht werde und die Leute anfangen, sich mit der Sache auseinander zu setzen, statt Gespenster ihrer Sozialisationsgeschichten zu beschwören^^
Hallo Gebe, Interessierte und Reinkarnierte.
Mit dem Thema Reinkarnation bin ich sehr vertraut.
Üblicherweise meint man mit Reinkarnation Seelenwanderung, d.h., die ist Idee ist grob: nach dem Tod zerfällt der Körper in seine Bestandteile, während ein Rest, eine Seele, ein Informationspaket oder was auch immer irgendwo „zwischengeparkt“ wird oder die Bardoreiche durchwandert um dann in einem neuen (neu gezeugten) Körper zu reinkarnieren. Was karmisch bereits bearbeitet oder gelöst ist fällt weg und neue, bislang ungelöste Aufgaben warten auf den neuen Menschen – oder ein anderes Wesen, da gibt es verschiedene Vorstellungen. Das ist ist knappen Zügen das Reinkarnations-Standardmodell, wenn man so will. Haben Sie da Einwände oder Ergänzungen?
Eine der schweren Fragen, die sich aus der Sicht unseres Weltbildes ergibt, ist einfach die, wie das gehen soll.
Eine andere, die sich z.B. aus einem buddhistischen Kontext ergibt wäre: Wenn das Ich tatsächlich eine Illusion ist, wer lebt dann die vergangenen Leben?
Meine Situation ist Folgende: Ich finde die Hinweise auf Reinkarnation nicht schwach, sondern ziemlich eindrucksvoll. Ian Stevenson wäre da vorrangig zu nennen. Ich finde auch die Daten aus dem Bereich der Nahtod-Forschung eindrucksvoll, hier macht vor allem Pim van Lommel eine gute Figur. Beide Bereiche sind nicht identisch, aber verwandt. Es gibt Daten anderer Forscher, wie Stanislav Grof, die ich beachtenswert finde.
Man muss drei (und in unserem Kontext vier) Dinge unterscheiden:
1) Gibt es einen therapeutischen Nutzen von außerkörperlichen Nahtod. oder Reinkarnationserfahrungen (oder dem, was man dafür hält)?
Die Antwort zerfällt in zwei Bereiche, deren Darstellung zu weit vom Thema wegführen, aber für beide Bereiche ist die Antwort in meinen Augen ein klares Ja.
2) Gibt es subjektive Einstellungs- und Lebensveränderungen in der Folge von außerkörperlichen Nahtod- oder Reinkarnationserfahrungen (oder dem, was man dafür hält)?
Hier ist die Antwort ein mitunter noch viel klareres Ja. Manche dieser Erfahrungen sind so eindrucksvoll und tiefgreifend, dass sie ein Leben für immer verändern können und mit überragender Häufigkeit zum Besseren.
3) Ist das, was man da erlebt real und im Rahmen unserer naturalistischen Weltsicht irgendwie erklärbar?
Hier lautet die Antwort nein (bitte die Konjunktion beachten) und es kann bedeuten:
a) Die Erlebnisse sind subjektiv real, aber objektiv nicht nachvollziehbar, also „Phantasie“ im besten Sinne. Das muss die Erfahrungen nicht entwerten!
b) Die Erlebnisse sind subjektiv real, objektiv auch, aber es gibt noch keine Erklärung für sie.
Das kann einmal bedeuten, dass es im Kontext des Naturalismus keine gibt Erklärungen gibt (1. noch keine = könnte noch kommen, und 2. prinzipiell keine = kann niemals kommen) und das könnte heißen, dass wir ein ganz neues Erklärungsmodell brauchen.
Man muss hier aber beachten und das ist wichtig, dass ein neues Modell auch das erklären können muss, was der Naturalismus heute erklären kann!
4) Welche ethisch-moralischen Implikationen ergeben sich, wenn Reinkarnation tatsächlich real wäre?
Hier muss man einfach aufpassen, dass man nicht Dinge folgert, die man bereits stillschweigend voraussetzt, das ist oft die größte Gefahr.
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Mein Standpunkt ist, dass ich die Daten über Nahtod, Reinkarnation, OBEs usw. ernst nehme und sie erst mal so gut und gründlich (aber nicht mit ideologischer Wut = es kann nicht sein was nicht sein darf) es geht standardmäßig interpretieren würde.
Inklusive Wunschdenken (Trost), Pathologie, Suggestion. Bezieht man das alles mit ein – und wenn man weiß, wie man das testet, was diejenigen, die gerne Pathologien als Erklärung anführen in aller Regel nicht wissen – dann erklärt das vieles, aber nicht alles. Es bleibt ein Rest, den ich skurril und imposant genug finde, um nach ernsthaften Erklärungsalternativen zu suchen. Gemäß dem naturalistischen Weltbild kann ich es nicht erklären, also muss ich, wenn ich die Daten ernst nehme, nach anderen Modellen suchen.
Ich glaube, dass das Standard-Reinkarnationsmodell falsch ist. Die Idee, dass es in der beschriebene Weise eine (personale) Seele gibt, die den Körper verlässt, sich irgendwo aufhält und dann reinkarniert, nein, daran glaube ich nicht. Aber die Berichte von Menschen, die in der Lage sind (gezielt und viel häufiger zufällig) von „anderen“ Leben zu berichten, dabei mitunter so detailliert, dass das einfach kein Zufall sein kann, die erzählen nicht nur von ihren vorherigen Inkarnationen, sondern manchmal können sie „sehen“, was ein anderer (naher) Mensch jetzt gerade macht (und eben auch, wenn es keine völlige Routinehandlung ist, wie die Mutter, die jeden Tag um 11:30 im hellblauen ärmellosen Kittel vor dem Kochtopf steht und eifrig rührt und bruzzelt).
Der Normativismus (von Robert Brandom) geht m.E. schon einen schönen Schritt weiter und erzählt die Geschichte der Welt aus der Perspektive des die Welt entschlüsselnden Dialogs von normativen und diskursiven Wesen. Menschen, die sich Geschichten darüber erzählen, wo das alles herkommt und wie das alles funktioniert und dafür geben sie einander bessere oder schlechtere rationale Gründe.
Der Naturalismus ist ein Teil dieser Geschichten und seine Lesart ist, alles was möglich ist, auf die Interaktion physikalischer Teilchen/Energie und die im Hintergrund wirkenden vier großen Kräfte zurückzuführen.
Der Normativismus könnte es immerhin aushalten, dass die Idee der Reinkarnation einfach eine Geschichte ist, auf die man sich einlassen kann und die, wenn man sich drauf eingelassen hat, bestimmten inferentielle ( d.h. aus den angenommenen Prämissen logisch zwingende, den Glaubenden theoretisch und praktisch verpflichtende oder festlegende) Folgerungen ableiten lassen.
Das ist nicht schlecht, klärt aber nicht den entscheidenden Punkt, die Behauptung, dass das was manche erlebt haben einfach nicht geschehen oder wahr sein kann und die Behauptung der anderen Seite, dass dies aber exakt so war. Der Normativismus rückt das Geben und Verlangen von Gründen in den Vordergrund, aber was, wenn wir die Geschichte als Ballung von Bewusstsein oder Informationen ausdeuten? Nicht ob und wo wir Materieballungen finden, ist entscheidend, sondern ob oder wo wir Bewusstseinsballungen finden.
„Mein früheres Leben“ müsste dann gar nicht im wörtlichen Sinne mein Leben sein, es reicht, wenn es ein Leben ist, zu dem ich jetzt gerade eine Beziehung habe. Ob damals oder heute, mein Bruder oder eine früheres Leben von dem auch immer. Wieso diese Idee? Nun, auch in unserem „realen“ Leben sehen wir nur das, was wir sehen wollen (und können). Wir interpretieren, projizieren und irgendwas treibt uns (und vermutlich auch die Welt) in Richtung Entwicklung, Evolution. Es spricht viel dafür.
Hier muss die Frage untersucht werden, ob Entwicklung tatsächlich bedeutet, höher oder einfach nur anders, angepasst, an die jeweilige Situation. (Denn es gibt ja auch Regressionen, Demenzerkrankungen usw.) Die Frage ist nebenbei auch für die Ethik entscheidend.
Soweit mein Aufschlag, macht mal was draus.
Richtig, wenn es heißt ""1000 Männer arabisch-nordafrikanischer herkunft", so wird suggeriert und, zumindest unterschwellig, eine Spaltung in "wir" und "die" versucht. Es wird derart versimplifiziert, als hätten "wir" unsere Ethik und "die" eben ihre.
Zurück zum Blogtext hier, ist doch das Thema die Anmahnung einer allgemeinen, verbindenden und säkularen Ethik. Und irgendwie schwingt mit - auch einige Kommentare gehen in diese Richtung -, als sei die an sich auch vorhanden und müsse nur (wieder-)entdeckt werden. Daran ist sicher schwer zu glauben, aber zu einem gewissen Teil stimmt es wohl auch wieder. Ethik kann nicht an Einzelereignissen festgemacht werden - etwa, wenn "Männer arabisch-nordafrikanischer herkunft" Frauen bedrängen und misshandeln. Ethik muss in sozialen Systemen auch immer verhandelt werden oder sich eben als Willen oder auch Einsicht durchsetzen. Es muss die Schnittmenge gefunden werden, mit der alle innerhalb des Systems am besten leben können. Hierbei ist eben auch die Herkunft des Wortes interessant. Das altgriechische ἦθος bezeichnet im Spektrum der damaligen literarischen Verwendung sowohl die für Spezien typischen Lebensräume und Habitate als eben auch Bräuche, Sitten, typisches und angewöhntes Verhalten. Das legt nahe, dass es auch für den Menschen einen typischen, gebräuchlichen und vor allem besten Lebensraum und eine beste Lebensgestaltung gebe. Insofern hat Endemann schon recht. Problematisch scheint dabei aber die Entwicklung des Menschen zu sein. Und hier kommen wohl Ihre Bedenken ins Spiel. Die sozialen Systeme des Menschen sind weitaus komplizierter als die von Tieren. Menschen streben nach Fortschritt und Entwicklung, entwickel(te)n Ideen und Pathos und letztlich Gesetze (nomoi, s.a. der Link), die wiederum die Ethik formen. So ist ἦθος auch die Einheit von Idee, Pathos und Nomos, kann aber auch einen individuellen Charakter und Dispositionen bezeichnen. Und da haben wir schon ganz früh in der menschlichen Geistes- und Literaturgeschichte die Malaise, die Sie, wie ich meine, ansprechen. Und da bliebe die Frage, ob etwa angesichts der Ereignisse der Silvesternacht in Deutschland vermeintlich verschiedene Ethiken behauptet, konstruiert und gegeneinander ausgespielt werden oder ob das eben grobe Verallgemeinerungen und Pauschlisierungen sind (worüber wir uns vermutlich einig sind), die zu einem möglichen Prozess der Entdeckung einer allgemein verbindenden Ethik im Sinne des Dalai Lama dazugehören. Ethik muss unter Menschen - wie oben angesprochen - offenbar verhandelt und auch ausgefochten werden. Insofern würde ich auch Ihnen zustimmen, dass "unter uns" eine Ethik an sich nicht wirklich vorhanden ist.
Oha Moorleiche, das ist doch jetzt "Beitragslänge" und sie könnten mit Reinkarnation einen eigenen Beitrag schreiben.
Nur eins, da Sie viele Aspekte angesprochen haben, es gibt verschiedenste Kategorien zum Entwicklungsverständnis. Und bei allen Reinkarnationsgedanken ist für mich zumindest eins naheliegend (zwingend), wenn ich nichts davon weiß, ist es eine nette Geschichte ohne Relevanz für mich. Denn ansonsten wird "Entwicklung" zu einem inhaltsleeren Wort, denn wo bliebe dann der Vergleich?
"Nur eins, da Sie viele Aspekte angesprochen haben, es gibt verschiedenste Kategorien zum Entwicklungsverständnis."
Eigentlich doch nur zwei, oder?
Entwicklung ist entweder Entwicklung zum Besseren, Höheren, Komplexeren oder reine Anpassung, Veränderung.
Was käme noch in Betracht?
Fragmentierung und Entropie.
Ja stimmt, wenn man das große Ganze betrachtet und die Prognosen stimmen. Auf der Basis wäre Ethik dann allerdings ein Nichtthema.
Man kann versuchen, es ganz allgemein zu beschreiben Oberbegriff). Bei ihren Stichworten stellen sich aber gleich weitere Fragen ein, was ist besser, höher usw.
Worauf soll sich dann Entwicklung überhaupt beziehen? Ich denke, es dürfte die geistige Entwicklung hier im Rahmen von Ethik gemeint sein. Mitten im Zentrum steht dann gleichzeitig der Begriff "Evolution".
Also, Entwicklung im Sinne physikalischer, chemischer, biologischer, geistiger, gesellschaftlicher, Aspekte? Verstehen wir darunter mehr Wissen, Harmonie, Freiheit, was auch als Fortschritt bezeichnet werden könnte?
Entwicklung wäre also präzise einzugrenzen, um nicht den "Faden zu verlieren".
"Man kann versuchen, es ganz allgemein zu beschreiben Oberbegriff). Bei ihren Stichworten stellen sich aber gleich weitere Fragen ein, was ist besser, höher usw."
Klar, in der Ethik geht es ja genau darum.
"Verstehen wir darunter mehr Wissen, Harmonie, Freiheit, was auch als Fortschritt bezeichnet werden könnte?"
Genau das gilt es zu klären.
Ethik zielt auf das Gute (zumindest Bessere) ab und versucht zu erklären, warum wir danach streben sollten. Ethik ist ein Sollen.
Aristotoles hatte da ein Zauberwort für: Aesthetik, was die Ethik betrifft wäre dann interaktive praktische Aesthetik das Strickmuster für den Faden der Neo-Sittlichkeit. Aesthetik ist aber sehr multiplex auf alles und jedes, nicht nur Ethik anzuwenden.
Hallo Moorleiche, für eine Leiche im Moor sind solche Fragen bemerkenswert :-)
Muss ich nicht erst einmal bei mir selber anfangen, so wie der Hamlet „to be or not to be“? In die –ismen kann ich nicht so differenziert wie Lethe oder Gebe einsteigen, dennoch…ich erlebe mich ständig nicht nur als vordergründig Wirkende, sondern als Verantwortung-Übernehmende, Impulsgeberin, Ideen-Entwicklerin usw. Natürlich ist mein Ich nicht „dingfest“ zu machen, aber ich erlebe ICH BIN, welches sogar die Schlafphasen übersteht, denn dieses Erlebnis ist am nächsten Morgen wieder da, ich knüpfe ohne viel Gedanken zu machen , daran an. Ferner müsste ich als Mensch, der sich entwickelt und verändert, im Leben auch schon einige Tode sterben, d.h. eine Veränderung an mir wahrnehmen oder bewusst herbeiführen, sei es in Gedanken, in Gewohnheiten... Die ständige Veränderung lässt mir das Erleben meines Ichs doch nicht bezweifeln. Es sei denn, ich ergehe mich in Abstraktionen, die besagen, mein Ich sei nur ein Konstrukt des Gehirns u.dgl.
Was den Buddhismus betrifft, kenne ich zwei Strömungen: Die einen, die mein „ewiges“ Ich leugnen und das Ich während meiner Inkarnation als „Erleber, aber nicht Gestalter von innen definieren, welches nach dem Tod sich auflöst. Die anderen, die den geistigen Wesenskern weiterleben und in anderer Form wiedererstehen lassen…Die Frage, gesetzt den Fall, man nimmt ein Weiterleben NACH dem Tod an, ob es nicht schlüssig wäre, zu denken, man habe dann aber schon VOR der Geburt gelebt, erscheint mir als überlegenswert, denn nur das führt zur Ewigkeit.
Hallo Roswitha/Elke.
„Hallo Moorleiche, für eine Leiche im Moor sind solche Fragen bemerkenswert :-)“
Halb so wild, als Leiche hat man mit Reinkarnation ja direkt zu tun. :-)
„Natürlich ist mein Ich nicht „dingfest“ zu machen, aber ich erlebe ICH BIN, welches sogar die Schlafphasen übersteht, denn dieses Erlebnis ist am nächsten Morgen wieder da, ich knüpfe ohne viel Gedanken zu machen , daran an.“
Ja, und das ist in der Tat erstaunlich. Und übrigens auch so eine Art Tor. Wenn man erwacht und noch nicht so recht weiß, wer und wo man ist … ein kleines Fenster nur, aber das gibt es, das ist so ein Stück weit Sein ohne Ichsein, worum es irgendwann mal gehen könnte. Und dennoch, ja, das ist schon ein Wunder, in welcher Windeseile sich das Ich täglich wieder zusammensetzt. (Und schon Hegel fragte, wieso das überhaupt so ist.)
„Ferner müsste ich als Mensch, der sich entwickelt und verändert, im Leben auch schon einige Tode sterben, d.h. eine Veränderung an mir wahrnehmen oder bewusst herbeiführen, sei es in Gedanken, in Gewohnheiten...“
Ja, exakt so argumentiert auch Ken Wilber. Und wohl zurecht.
„Die ständige Veränderung lässt mir das Erleben meines Ichs doch nicht bezweifeln. Es sei denn, ich ergehe mich in Abstraktionen, die besagen, mein Ich sei nur ein Konstrukt des Gehirns u.dgl.“
Spannender ist da die Meditation, wenn man irgendwann entdeckt, wie scharf wir auf unser Denken sind. Ständig dreht die Denkmaschine wie verrückt und lässt und lässt sich nicht beruhigen. Und wenn es dann gelingt den Strom der Gedanken nur zu beobachten, reißt dieser Strom uns schon wieder weg. Aber manchmal gelingt es draußen zu bleiben, den Körper und seine Sensationen nur zu beobachten, die Gefühle nur zu beobachten und auch den Gedanken beim kommen und gehen zuzuschauen … ganz bewusst und doch nur als Zeuge der nichts tut, nicht mal denkt. Wer bin ich in diesem Moment, wo doch all das mit dem ich mich ansonsten identifizieren unter mir ist, durch mich durchfließt oder was auch immer?
„Die Frage, gesetzt den Fall, man nimmt ein Weiterleben NACH dem Tod an, ob es nicht schlüssig wäre, zu denken, man habe dann aber schon VOR der Geburt gelebt, erscheint mir als überlegenswert, denn nur das führt zur Ewigkeit.“
Klar, das ist ja das Standardmodell. Aber streng genommen muss man zwischen Ewigkeit und Unendlichkeit differenzieren. Unendlichkeit ist ausgedehnte Zeit, Ewigkeit die Abwesenheit von Zeit. Die Mystiker meinen, dass es drauf ankommt im berühmten Hier und Jetzt zu sein, das ist dann Ewigkeit, auch wenn man sieht, dass die Uhr da tickt. Und alles was Leid erzeugt tut dies nur, weil wir aus dem Hier und Jetzt fallen und wieder woanders sind. Denkend eben. Und sie versuchen uns immer wieder ins Hier und Jetzt zu bringen. Emotional hoch aufgeladen und dann lassen sie die Luft raus – Hörst du die Autos vorbei fahren? Das ist es - , weil es ja nichts Besonderes ist, das Ding mit der Erleuchtung. Aber es löst eben angeblich unser Karma auf. Das ist kein Berg der abzutragen ist (gut die einen sagen es so, die anderen so), aber schön sagt es Hakuin in seinem berühmten Chorgesang:
„Wem nur ein einmaliger Sitz sich vollendet, dem löst sich alles Karma auf, angehäuft in zahllosen Leben.“
( http://www.zenkreis.de/download/zenkreis.de_rezitationsunterlagen.pdf Seite 10)
Weil sich kein Ort mehr für das Karma oder Übel findet, wenn das Ich futsch ist.
Es ist schwieriger als man anfangs meint, wenn man das theoretisch fassen will. Weil man die Ebenen unterscheiden muss. Man kann nicht einfach so tun, als habe man kein Ich und alles ist in Butter. Denn man hat eins, ist eins und kommt m.E. auch nicht davon los. Darum geht es aber auch nicht, wie der Dalai Lama und seine Mönche in dem Buch „Gespräche mit dem Dalai Lama“ von Daniel Goleman erklären. Im Buddhismus geht es darum das Leid zu mindern, wo immer man es findet. Man muss es nicht suchen, denn es ist ja ständig da. Und wenn man selbst tierischen Hunger hat, dann leidet man und der beste Weg das Leid der Welt zu mindern, ist was zu essen. Da ist nicht so viel – reichlich angestrengter – Märtyrergedanke im Spiel. Aber, man rennt auch nicht weg, weil etwas gerade die eigene Komfortzone ankratzt. Dieses dynamischen Gleichgewicht gilt es zu halten und nicht zu viel zu theoretisieren. Man spürt schon, wo der Schuh wirklich drückt, wenn man sich nicht mit Gewalt dumm anstellt und dann gibt es da ja noch die Meditationsübungen in denen das Mitleid vertieft werden soll und wird. Aber, eben kein Idiotemitleid, wie der umstrittene und brillante Chögyam Trungpa Rinpoche (einer von Wilbers Lehrern) ausführt. Idiotenmitleid ist dem Trinker die nächste Flasche Schnaps zu kaufen, damit er sich wieder gut fühlt. (Als Trungpa in Amerika lehrte, stand er in dem Ruf ständig besoffen oder auf Droge gewesen zu sein.)
Wollte er nur mit unseren Erwartungen spielen und sie zerstören? Es gibt da nen schönen Artikel von Wilber in dem er beschriebt, wie Trungpa die Leute, die zu der Zeit offen waren wie nix und lernen wollen, schockiert. Nicht weil er einen im Schuh hatte, sondern anfangs, weil er lehrte: Es ist total einfach, alles ist Ati (GEIST), das war's. Alle waren heillos überfordert und dann erst begann er Stufen einzuführen und es entstand das wunderschöne „Spirituellen Materialismus durchschneiden.“ Genial, aber noch immer anspruchsvoll.
Und auch darin sagt er unverblümt worum es geht. Da ist nichts und niemand, der uns retten wird. Das wollen wir nicht hören, sondern wir wollen die Schleichwege hören. Reinkarnation ist oft so ein Schleichweg. Ja, eigentlich stirbt man ja, aber … . Tröstung. Echte Mystik zerfetzt das. Radikal. Aber, sie versetzt uns in die Lage das auszuhalten, was wir jetzt nicht aushalten wollen. In einem Kommentar zum tibetischen Totenbuch schreibt Trungpa ebenfalls Wichtiges. Die Bardoreiche, die Zwischenzustände, Lücken finden gar nicht zwischen Leben und Leben statt. (Das ist laut buddhistschem Mythos nur ein guter Moment der Offenheit. Wer stirbt klammert weniger.) Sie finden buchstäblich immer statt, zwischen zwei Augenblicken. Das Fenster ist da und der Zenmeister weist drauf hin, wenn er den Finger hebt und fragt: Was fehlt hier? Genau hier und jetzt? Nichts! Da große „Ja, aber …“ zu dem wir ansetzen wollen ist schon wieder ne Projektion. Es kamen große Leute nach Amerika damals. Shunryu Suzuki ein Zenlehrer redete seinen Anhängern ins Gewissen, sei Trungpa sei ernst zu nehmen, egal welchen Lebenswandel er hätte.
Wilber hat in der Szene ein Tabu gebrochen und klar gesagt, dass auch Erleuchtete bekloppt sein können. Das ist schwer einzuordnen, weil wir oft und gerne denken, wenn wir erleuchtet sind, ist alles gewonnen und der Rest ein Spiel. Aber wenn man krank, arm oder verrückt ist, dann ist man zwar vielleicht erleuchtet, aber noch immer krank, arm oder verrückt. Und doch kann es der wichtigste Zug im Spiel sein, vielleicht alles worum es geht.
Mir ist es immer so vorgekommen, als wenn die Amis die Erleuchtung hochgehalten hätten und mit dem Rest etwas geschlampt hätten. Der Rest ist vor allem Schattenarbeit. Die deutsche Esoterik in ihrer Glanzzeit hat die Erleuchtung vielleicht etwas aus dem Blick verloren. Dafür ein grundsolides System der Schattenarbeit vorgestellt. Bezeichnenderweise unter dem Namen Reinkarnationstherapie. Heute fusioniert beides. Seit Jahren ist die Schattenarbeit bei Wilber aufgewertet und die deutsche Esoterik und integrale Bewegung ist noch zersplittert. Aber die Pflänzchen wachsen, auch wenn das Ding nie mehr Esoterik heißen wird und die integrale Bewegung, der ich noch immer im Herzen verbunden bin, es eher nicht sein wird, die diesen neuen Impuls setzten.
Wir müssen uns trauen alles zu zerkloppen. Dethlefsen tot, Wilber ist seit Jahren schwer krank, vielleicht ist es ganz gut, wenn jemand wie ich aus der vierten Reihe zu Wort kommt.
Ja, das Ich. Was ist das eigentlich? Können wir es überwinden und was würde das abseits des Kitsches heißen?
Diese vielen Gedanken muss ich erst einmal sortieren (kenne ja den Wilbers gar nicht...), am besten im Schlaf. :-) Melde mich wieder morgen. Vielen Dank für die Anregung.
Eine Nachbemerkung noch: Befinden wir uns mit dem Thema nicht auch in dem Dilemma der zweiwertigen aristotelischen Logik, eine Nichtentscheidbarkeit, die immer dann auftritt, wenn Selbstbezüglichkeit im Spiel ist?
Das, lieber Paul, ist richtig und doch etwas komplizierter. Man muß zwei Ebenen unterscheiden, auf denen das Problem auftaucht, erstens die Subjekt-Objekt-Dialektik und zweitens die Unvollständigkeit mathematischer Systeme.
Zum ersten: So sicher wir auch sind, die korrekte Kenntnis einer objektiven Wahrheit zu besitzen, es ist doch immer unsere subjektive Wahrheit von der Sache (dem Ding an sich), eine Subjektivität, die sich darin ausdrückt, daß ich das Ding mit Begriffen, Vorstellungen, Visualisierungen, Verbalisierungen in der Regel erkennbar abstraktiv abbilde, und aus der Korrespondenz von Sache und Abbild auf Wahrheit schließe. Damit kann ich immer falsch liegen, und daher versucht Wissenschaft, das subjektive Moment zu reduzieren, unsere Vorstellungen zu objektivieren, unsere Sprache und unsere Modelle anzupassen. Die Situation in Natur- und Geisteswissenschaft unterscheidet sich insofern, als ich das eine Mal den Gegenstand der Wissenschaft als Objekt, das andere Mal als Subjekt fasse. Im letzteren Fall verdoppelt sich das Problem, der rekursiven Objektivierung gesellt sich die rekursive Subjektivierung, eine durch Reflexion betriebene Annäherung von beobachtetem und beobachtendem Subjekt, auch dies ein unabschließbarer asymptotischer Prozeß.
Wir haben also immer eine subjektive Differenz zu dem, was wir uns als objektive Wahrheit vorstellen. Darin wiederum eine prinzipielle und eine relative, durch wissenschaftlichen Fortschritt zu minimierende Differenz. Letzterem Fall versucht die dreiwertige Logik gerecht zu werden, es gibt neben dem gesichert als wahr oder falsch Geltenden dasjenige, dem wir durch Unwissenheit keinen Wahrheitswert zuschreiben können, wir belegen es dann mit dem Wert unbestimmt. Die dreiwertige Logik sagt uns, wie wir damit schlußfolgern können. Sodann gibt es die objektive Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit der Quantentheorie oder von Gegenstandsbereichen, die nur oder nicht unwesentlich durch Wahrscheinlichkeitsaussagen charakterisiert sind. Darum die Bemühungen um eine Quantenlogik, die mehr will als die vorher beschriebenen drei- oder mehrwertigen Logiken.
Noch ganz anders der Fall der Geistes-, Kultur-, also Subjektwissenschaften. Das Subjekt als Gegenstand der Wissenschaft verletzt die Grundvoraussetzung der Naturwissenschaften, Dinge in der Form des Objekts, als im Wesentlichen sich gleichbleibend oder sich auf charakteristische Weise ändernd zugrundezulegen. Denn nur solche sind streng formallogisch zu behandeln. Eine gebundene Variable meint im Geltungsbereich eines Quantors immer ein eindeutig bestimmtes Objekt, eine ungebundene Variable ein über den Geltungsbereich der Variablen reichend austauschbares, aber innerhalb der Aussage festgehaltenes Objekt. Attribute, Zustände können wechseln, ein substantieller Kern bleibt gleich. Über den wird eine Aussage gemacht. ZB eine Bewegungsgleichung aufgestellt. Oder ihm abhängig von seiner Relativbewegung eine Masse zugeschrieben. Oder ein System verändert sich unter gegebenen Bedingungen in vorhersagbarer Weise. Das gilt nicht für ein Subjekt. Ein Subjekt verhält sich nicht determiniert. Aber ebensowenig unmotiviert. Das versucht die dialektische Logik abzubilden. Im Unterschied zur dreiwertigen Logik, in der die „Eigenwerte“ w und f die beherrschte Normalität sind, der Zwischenbereich eine ärgerliche, vorläufige terra incognita oder eine nur statistisch beherrschbare Überlagerungszone ist, sind in der Dialektik w und f Polstellen, real ist nur das changierende Dazwischen.
Nun komme ich zur Mathematik. Die Alternative Realismus oder Idealismus möchte ich hier nicht ansprechen, weil sie ein Riesenthema ist. Ich ignoriere also die Nominalisten, die als Gegner der Realität von Universalien in der Mathematik nun gerade Realisten oder Konstruktivisten sind, weil die große Mehrzahl der Mathematiker dem Platonismus anhängt. Jedes widerspruchsfreie System ist ein legitimes Mitglied der Ideenwelt der (mathematischen) Wahrheit, läßt sich in der Darstellung der Realwelt einsetzen und ist in der Ideenwelt gleichberechtigt. Allerdings spielt das Prinzip der Einfachheit eine große Rolle, die Fähigkeit, die (mathematischen) Ideen in paradigmatischer Einfachheit formulieren zu können. Eine mathematische Theorie soll also widerspruchsfrei, vollständig und einfach sein. Da bedeutet der Gödelsche Unvollständigkeitssatz eine Revolution. Er besagt nämlich, daß das nicht möglich ist. Die Tatsache, daß eine einfache widerspruchsfreie Theorie nicht vollständig sein kann, also Sätze enthält, die hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts nicht innerhalb des Systems entscheidbar sind, heißt vom vorherrschenden Standpunkt der Mathematiker aus freilich nur, daß zwei gleichberechtigte Theorien möglich sind, eine, die dem Axiomensystem die Aussage hinzufügt und eine, die ihm die Negation der Aussage hinzufügt. Es stellt sich nicht die Frage, ist der Satz, den ich nicht beweisen kann, wahr oder falsch, sondern nur, brauche ich ihn oder sein Gegenteil für eine nützliche, anwendungsfähige mathematische Theorie.
Du siehst, das ist etwas ganz anderes als das Problem mit dem unendlichen Regress, der Russellschen Antinomie und dem lügenden Kreter, auch wenn es einen Zusammenhang gibt, die Zirkularität der Renummeralisierung der interpretierten Zahlen (Gödelisierung und Diagonalverfahren). Es ist eine kleine Korrektur an Deinem letzten Absatz (es sind unentscheidbare Aussagen, nicht wahre Aussagen, die unentscheidbar sind – solange man keinen ganz harten Realismus vertritt).
Hat das alles noch mit dem Blogthema zu tun? Ja, denn Ethik ist ein geisteswissenschaftliches Problem. Zwar könnte man auch von einer natürlichen Ethik sprechen, aber hier ist ja nicht eine Analyse natürlicher Verhaltensweisen das Thema, sondern wie Menschen ihr Verhalten ändern können, sollen oder wollen. Also Ethik als Bestandteil der menschlichen Freiheit.
wobei ein Nutzenkalkül dem ganzen schon wieder einen erheblichen Drall in Richtung Utilitarismus gibt, und den als ethisch aufzufassen, ist mir noch nie gelungen
Mir auch nicht. Ich hätte wohl überhaupt nicht von Nützlichkeit reden sollen, dann wäre allerdings die Abgrenzung gegen die Ästhetik schwierig geworden. Also, man stelle sich das Gute als das Nützliche im Sinne dessen, was wir für ein sorgenfreies, reichhaltig gestaltungsfähiges, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch bezogen auf die Natur harmonisches, usw. Leben halten, vor. Ich hoffe, damit gleichweit von Utilitarismus und Ästhetik entfernt zu sein. Gegen eine Weiterentwicklung in Richtung Ästhetik habe ich allerdings keine Einwände. Wohlgemerkt: Weiterentwicklung, nicht Ersatz. Und Ästhetik ist sehr viel weniger Menschen zuzumuten als Ethik.
dass "unter uns" eine Ethik an sich nicht wirklich vorhanden ist.
Dem werde ich nicht widersprechen. Die freie Wahl (Selbstbestimmung) des Guten hat noch nicht stattgefunden. Im Kapitalismus ist die frühere Sittlichkeit, etwa von religiösen Systemen, die durchaus fragwürdig waren, den Menschen aberzogen worden, der Ersatz der Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft ist bescheiden, wird von vielen hier sicher als zutiefst unsittlich empfunden (wenngleich ich da großzügiger urteilen möchte). Vielleicht kommt es einmal zu einem Aufstand des Gewissens, das wäre schon besser als was ist, es wäre aber ein moralischer Aufstand, mit der Gefahr einer Diktatur des Guten, daher hoffe ich auf mehr, auf den Akt der Freiheit, der jenen Aufstand rechts liegen läßt, der kommunikativ im Zusammenhang mit der Überwindung der kapitalistischen Verhaltens- und Denkformen eine neue Ethik inauguriert, die zu einer neuen Sittlichkeit gerinnt.
Bald ist es wieder soweit, die fünfte Jahreszeit kommt an ihr wohl verdientes Ende und alle Jecken packen die Badehose wieder aus. Bye bye, mach et jot, bes zom nächste Mol...
Am Aschermittwoch ist alles vorbei
verbrennen die Narren
und sind wieder frei
von Sünden und Gründen
und was sie sonst noch erfinden
das wird einerlei
dann ist alles vorbei
(Originaltext und Melodie Jupp Schmitz)
"eine Subjektivität, die sich darin ausdrückt, daß ich das Ding mit Begriffen, Vorstellungen, Visualisierungen, Verbalisierungen in der Regel erkennbar abstraktiv abbilde,"
Zumindest kommunizierbar mache.
"Sodann gibt es die objektive Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit der Quantentheorie oder von Gegenstandsbereichen, die nur oder nicht unwesentlich durch Wahrscheinlichkeitsaussagen charakterisiert sind."
Interessanterweise soll sich diese Unbestimmtheit in bestimmten Versionen der Vieleweltentheorien nur jeweils dem Einzelnen so präsentieren, im "Gesamtsystem" wäre es deterministisch.
"Ein Subjekt verhält sich nicht determiniert."
Das Fass mache ich aber jetzt nicht wieder auf. :-) Was den "Zwischenbereich" angeht, ist das doch genau die Lebensqualität in allen Schattierungen und Abstufungen, die das Leben so farbig, vielgestaltig, unübersichtlich, unsicher, überraschend usw. macht.
Bei Gödel ist mir nur in Erinnerung geblieben, dass sein Beweis zeigt, dass gewisse gehaltvolle mathemathische Systeme ihre eigene Widerspruchsfreiheit nicht beweisen können.
Ich bin nicht sicher, ob ich alles verstanden habe, aber ich arbeite noch daran. :-)
Mit 20 Millionen Flüchtlingen liegst du weit unter dem UNHCR.
Was umfasst in deiner Definition die Ethik?
Immanuel Kant bringt die Ethik auf die Kurzform:
"Was soll ich tun?"
Da schwingt viel Sitte und Moralin mit.
Ich frage darum nach der Ethik mit: "Warum (soll ich)?"
Guten Abend liebe Freunde. Leider finde ich gerade immernoch nicht die Zeit um zu Antworten, aber wir haben ja Zeit und koennen den Dialog spaeter jederzeit wieder aufnehmen. Ich habe hier aber vorerst ein kurzes Video, dass mit tanzen und lachen gegen die Wirrungen und Irrungen des Lebens vorgeht.)Auch eine gute Freizeitbeschaeftigung wie ich finde. Mich bringen tanzende und lachende Menschen jedenfalls immer gut drauf.) Lieben Gruss, Licht und Liebe
Hier also der Link https://www.youtube.com/watch?v=xJ6eAAP27LY . Viel spass beim hoeren.)
Hallo Moorleiche – reinkarnierte Leichen? Um Himmels willen! J
Was du als „Sein ohne Ichsein“ beschreibst, könnte ich nicht besser formulieren; die Frage ist, ob unser Alltags-Ich oder Schein-Ich nur ein Teil unseres wahren, ewigen Ichs ist. Mein Schein-Ich stirbt die Tode, macht die Veränderungen mit und mein wahres Ich beobachtet, lernt, ist sozusagen mein innerer Wesenskern. Kennst du Jimenez? „Ich bin nicht Ich./Ich bin jener,/der an meiner Seite geht, ohne dass ich ihn erblicke,/den ich oft besuche,/und den ich oft vergesse./Jener, der ruhig schweigt, wenn ich spreche,/der sanftmütig verzeiht, wenn ich hasse,/der umherschweift, wo ich nicht bin,/der aufrecht bleiben wird, wenn ich sterbe“. Gedichte sind kein Beweis, gewiss, aber sie verdichten manche Wirklichkeitserfahrung.
Du schreibst: Wer bin ich in diesem Moment, wo doch alles, mit dem ich mich ansonsten identifiziere unter mir ist, durch mich durchfließt oder was auch immer? Ich würde sagen, du befindest dich im Quell deiner Möglichkeiten.
Das Hier und Jetzt als Ewigkeitsanteil zu erleben, damit kann ich viel anfangen. Warum wird das Herausfallen aber immer als Leid angesehen? Weil man seinem eigenen Kern entfremdet ist? Auf dieser Ebene erlebt man auch Freude. Hier in NRW habe ich oft den Ausdruck gehört: „Magst du das leiden?“ – Da steckt wohl Buddhistisches drin, indem alles, was man gerne hat, als Leiden angesehen wird, wahrscheinlich, weil man sich darin verstricken kann.
Wie ich lernen soll, durch Meditation mein Mitleid zu vertiefen, ist mir ein Rätsel. In dieser Frage ist Meister Eckart immer noch mein Leitstern, der selbst die Erfahrung der höchsten Verzückung aufgeben würde, um einem Hungernden ein Süppchen zu reichen. Nur wer sich selber nicht kennt, ist unfähig, Mitleid zu empfinden. Würden wir uns alle wirklich selber kennen, würden wir anders handeln (Aus diesem Grunde sind spirituelle Themen, von vielen auch belächelt, ständig anwesend in der FC. Wer sich selbst nicht kennt, interessiert sich nicht für gesellschaftliche Fragen.).
Reinkarnation als Schleichweg? Ist möglich. Menschen, die eine Rückführung versuchen, um vorherige Inkarnationen aufzuspüren, erinnern mich an Karrieristen, denen ein spirituelles System die Möglichkeit gibt, ihr Schein-Ich zu erweitern. Wenn ich wüsste, wer ich war, was dann?
Ein bisschen mehr als bekloppt sein können, erwarte ich von einem Erleuchteten schon. Aber ich fülle den Begriff wahrscheinlich gar nicht richtig.
Gehe ich von einem ewigen Anteil in mir aus, ist Reinkarnation ein schlüssiger Gedanke. Karma?- Ich belasse es dabei: Im Moment erschaffe ich Karma. Was ich nicht beurteilen oder erfahren (früheres Leben) kann, lasse ich mir offen. Kann ich gut aushalten.
Beste Grüße, Ro/El
Das sagst du in deinem jugendlichen Leichtsinn so einfach. Ist ja gut. Aber was machen diejenigen, die nicht katholisch sind? Wohin mit meinen Sünden? Übertreten kann ich nicht, da ich als Frau keine Aufstiegschancen zum höchsten Amt habe. Kenne ein paar bärig gute Katholiken und auch linke Satansbraten. Das eine wie das andere schließt menschlich nichts aus. Aber das weißt du ja.
Bye und gute, gewissensbissunbeladene Nacht. :-)
« – reinkarnierte Leichen? Um Himmels willen!»
Nur keine Panik, daraus hatte Hollywood einmal einen Film gemacht: Die Rache des Pharao.
"Gehe ich von einem ewigen Anteil in mir aus, ist Reinkarnation ein schlüssiger Gedanke."
Ich kann mir aktuell nur zwei Gründe vorstellen, warum man nichts mehr davon weiß (abgesehen von der Überflüssigkeit der Vorstellung selbst):
1. um immer wieder (wie ein Kind) eine Welt neu entdecken zu können,
2. um sich vor dem Wahnsinn zu schützen, wenn man einmal auf den Gedanken gekommen wäre, wie sinnlos das doch alles ist, wenn das endlos so weitergehen sollte.
Also der Gedanke einer reduzierten Allmacht in der Vielfältigkeit des Lebendigen mit eingebautem Vergessen. Somit die Aufhebung der Vollkommenheit, die im Grunde schon immer bereits alles erkannt, durchschaut und folglich nichts Neues mehr eintreten kann, kurz, eine grauenvolle Vorstellung.
Hallo Elke.
„Mein Schein-Ich stirbt die Tode, macht die Veränderungen mit und mein wahres Ich beobachtet, lernt, ist sozusagen mein innerer Wesenskern.“
Ja, so stellt man sich gerne Reinkarnation vor. Ich lieb den Gedanken sehr, ist einfach ein sympathisches Modell und erklärt auch Dinge – gibt ihnen Sinn – die man sonst nicht verstehen würde. Man hat halt nur die lästigen Naturwissenschaftler am Hintern, die fragen: Schön und gut, aber wie und wo? Die Frage ist fies, aber nun mal berechtigt und ich habe keine gute Antwort darauf.
„Gedichte sind kein Beweis, gewiss, aber sie verdichten manche Wirklichkeitserfahrung.“
Ja, es gibt diese Erfahrung. Auch Erleuchtung ist garantiert real und das könnte am Ende wichtiger sein, als die Frage, nach der Reinkarnation, weil die nur ablenkt.
„Ich würde sagen, du befindest dich im Quell deiner Möglichkeiten.“
So wird es tatsächlich oft beschrieben, als Quelle. Auf jeden Fall ist man, wer immer man ist, mehr als diese Erlebnisse, denn man macht die Erfahrung, dass man nicht weniger ist, wenn man all das hinter sich lässt. Vielleicht ist es unnötig das aufzubauschen, aber es gibt einfach noch eine weitere Ebene der Erfahrung, die meditative Ebene.
„Das Hier und Jetzt als Ewigkeitsanteil zu erleben, damit kann ich viel anfangen. Warum wird das Herausfallen aber immer als Leid angesehen?“
Weil Raum für 1000 Gedanken entsteht, auch reflexive erzeugen Leid. Das ist insofern heikel, weil wir ja darauf stolz sind und ich sage an jeder passenden und unpassenden Stelle, dass ein reflektiertes Leben besser ist, aber nur da kann Leid auftauchen. Wenn man ganz in der Situation ist, (fast) egal welche das ist, ist glaube ich nicht sehr viel Raum da, für Leid.
Das Problem ist hier wirklich, dass man das nicht zynisch interpretieren darf. Es geht nicht darum Leidenden konkrete Hilfe zu verweigern – du frierst, hast Schmerzen oder Hunger: meditier' doch – so eben nicht. Sondern es geht darum, von dem Anhaften loszukommen, was heißt: Das will ich, das will ich nicht. Dem, was Leid erzeugt, auch wenn man eigentlich alles hat. Das geht auch überraschend oft gut, nur bei der Liebe habe ich da Probleme und Gott sei Dank sieht der Dalai Lama das ähnlich.
„Wie ich lernen soll, durch Meditation mein Mitleid zu vertiefen, ist mir ein Rätsel.“
Indem Du Mitgefühl und alles was ein Mensch braucht erst Dir schenkst, dann Deinen Liebsten, dann den Menschen, die Du neutral siehst und dann Deinen Feinden.
https://www.tibet.de/fileadmin/pdf/tibu/2007/tibu082-2007-16-ur-tonglen.pdf
„In dieser Frage ist Meister Eckart immer noch mein Leitstern, der selbst die Erfahrung der höchsten Verzückung aufgeben würde, um einem Hungernden ein Süppchen zu reichen.“
Das reicht doch auch. Meditation ist in aller Regel sehr selten Verzückung.
„Aus diesem Grunde sind spirituelle Themen, von vielen auch belächelt, ständig anwesend in der FC. Wer sich selbst nicht kennt, interessiert sich nicht für gesellschaftliche Fragen.“
Schön. Stimmt, so derbe Polemiken habe ich hier noch nicht gelesen.
„Reinkarnation als Schleichweg? Ist möglich. Menschen, die eine Rückführung versuchen, um vorherige Inkarnationen aufzuspüren, erinnern mich an Karrieristen, denen ein spirituelles System die Möglichkeit gibt, ihr Schein-Ich zu erweitern. Wenn ich wüsste, wer ich war, was dann?“
Richtig, Dethlefsen und Dahlke – die Begründer der deutschen Reinkarnationstherapie haben genau davor gewarnt.
„Gehe ich von einem ewigen Anteil in mir aus, ist Reinkarnation ein schlüssiger Gedanke.“
In dem Moment, wo Du mit mehr als nur mit Dir identifiziert bist, lebst Du ja weiter. Nicht in der Weise wie man sich das erhofft, aber die Frage was Leben eigentlich ist, ist von Biologen bis heute nicht beantwortet. Wenn es die Weitergabe von Informationen ist lebt man schon weiter, wenn auch nicht in oder mit einer Ich-Identifikation. Wenn man aber merkt, dass man dieses Ich tatsächlich für mindestens kurze Zeit (manche sagen auch für längere oder immer) abgeben kann und nichts fehlt, nur halt das Gefühl Ich zu sein, dann ist das schon eindrucksvoll. Aber eben auch kein Selbstzweck, denn man kann davon auch besoffen werden.
Aber das sind wirklich spannende Fragen, wenn man mal ernst macht: Was ist das eigentlich: Ich, Leben, Bewusstsein?
„Karma?- Ich belasse es dabei: Im Moment erschaffe ich Karma. Was ich nicht beurteilen oder erfahren (früheres Leben) kann, lasse ich mir offen. Kann ich gut aushalten.“
Mit hat an Dethlefsen u.a. gefallen, dass der das Thema Karma sehr geerdet hat. Karma erzeugt man immer und ständig, ob man einen Apfel isst oder Text schreibt. Das ist gar nicht der Punkt. Karma ist also nichts ganz großes außerhalb der Welt oder Wahrnehmung. Wie man zu seinen Ich „Ich“ sagt und damit auch mehr meint, als nur den Körper, ist auch Karma eine Zuschreibung. Und gar nicht mal so blöd.
Wie lange dauert eigentlich die Ewigkeit?
Hallo Moorleiche,
Vielen Dank für diesen Aufschlag in Richtung Reinkarnation etc. Habe ich sehr gerne und interessiert gelesen. Habe ich das richtig verstanden, dass Du auch nicht Reinkarnation an sich für möglich hälst bzw. lediglich im erweiterten Sinn?
Ich habe dazu auch so meine Gedanken. Meinen Disclaimer bzgl. des bereits Gedachten/ kalten Kaffees schrieb ich Dir bereits, also möge man mir die fehlende Belesenheit nachsehen ;)...
"In dem Moment, wo Du mit mehr als nur mit Dir identifiziert bist, lebst Du ja weiter." Dazu erstmal: Auf der grob-stofflichen Ebene stimmt das ja auch, Kohlenstoff/Energiekreisläufe...
Davon ausgehend, auf anderen Ebenen: Könnte man evtl so weit gehen, dass wir alle im Grunde Eins sind? Diese Vorstellung lässt mich so vieles andere, im Grunde so ziemlich alles, integrieren. Ich persönlich meditiere nicht, jedenfalls nicht bewusst, aber bin soweit mir das möglich ist, offen für Erfahrungen. Ich akzeptiere die Dinge, die ich Wahrnehme, gestehe ihnen zu, dass sie einfach da sind. Denkverbote sind nicht hilfreich, weil die Welt nun mal aus so viel mehr zu bestehen scheint, als wir messen, in Worte fassen oder auch nur erdenken können. Ich kenne den Ich-losen Zustand im Halbschlaf, den Du beschriebst, und habe dort schon mehrfach Erfahrungen gehabt, die vielleicht nicht zu erklären sind, aber die halt da waren. Die mir im Alltagszustand im ersten Moment vielleicht sogar Angst gemacht hätten, was aber eben in diesen Momenten nicht so wahr, ein reiner Wahrnehmungszustand, man ist selbst wie ein Feld, durch das alles mögliche hindurchwandern kann.
Ob alles einen Sinn ergibt dadurch? Warscheinlich muss man sich irgendwann von der klassischen Sinnsuche verabschieden. Es liegt wohl nicht in unserer Macht, alles zu ergründen, wir können uns aber fragen, welche Rolle wir in dem ganzen spielen sollen. Also wennim Grunde alles eins ist und sich bei allem Wandel früher oder später alles wieder vereint, was ist ist dann unsere Aufgabe? Das hier unter anderem angesprochene Leid und das Erkennen dessen, ist für mich ein wichtiger Ansatzpunkt. Was ist Leid? Ich kann es nicht genau definieren, es fasst eine Kategorie von (Gefühls-)Zuständen, die an sich von den meisten lebenden Wesen zu meiden versucht wird. Es ist im Grunde die dunkle Seite, der Schatten, die andere Seite der Medaille. Folglich gehört es zur Existenz. Dualität, wo kein Leid, da keine Freude und umgekehrt. Man muss die Existenz des Leidens akzeptieren, so lange es Menschen/Leben gibt wird es auch, in unterschiedlichen Formen, Leid geben. Doch da extremes Leid lebensfeindlich ist, ist es platt gesagt, unser Job, Ausgleich zu schaffen, um das Leben zu erhalten. Unsere Bemühungen sollten in die Richtung gehen, die Extreme zu mildern. Diese Extreme sind greif-und sichtbar geworden (z.B. global gesehen total ungerechte Verteilung von...so ziemlich allem), da könnte Mensch mit seinen Mitteln durchaus was tun. Nicht umsonst haben wir Anlagen in uns, die dieses soziale, "ethische" Verhalten eigentlich fördern müssten. Früher oder später wird es diesen Ausgleich der Kräfte sowieso geben und wir werden wieder ein Stück weit näher an der Ursuppe bzw. am Gleichgewicht sein. Doch das wird nicht unbedingt mit friedlichen Mitteln geschehen. Wer weiss, was kommt, wenn das alles so weitergeht.
Nochmal zur Reinkarnation bzw. dementsprechenden Erfahrungsberichten. Ich denke auch, dass es wohl eher so ist, dass manche Menschen/ Bewusstseinsstrukturen durchaus in direkten Kontakt mit anderen Erfahrungsfeldern treten können, einfach über die Ebenen, die uns alle miteinander verbinden. So kann man auch diverse Hellsichtigkeiten erklären. Kann man nicht anfassen, gibts aber trotzdem;) Diese Felder, die miteinander verschränkt sind über unendlich viele Eben und Kategorien, sind wohl das Karma, was wir unablässig produzieren. Lustig wäre die Frage, ob wir damit ein Gefäß füllen, das irgendwann voll ist, oder wie weit reicht die Unendlichkeit?
uups, da ist mir wohl tatsächlich einen Moment lang mein Kopftuch verrutscht... Asche auf mein Haupt! Tja, die alten Sünden. Die holen einen doch immer wieder ein. Und nun? »Was tun?«, spricht Zeus. Kamelle? Abwarten? Tee trinken? Ok, ich oute mich. Persönlich glaube ich nämlich, dass die Zeit, so wie wir sie erleben eine Illusion ist. Und in der Unendlichkeit sollen sich parallele Linien ja angeblich kreuzen. Außerdem wären wir dann auch noch gar nicht raus aus dem Paradies und die Früchtchen vom Baum der Erkenntnis hätten uns die Augen noch nicht geöffnet, für Gut und Böse. Und damit würde sich die Frage nach der Endlösung unserer angeblichen Sünden auch für Alle erledigen; worüber sich sowohl die katholischen Bärchen, als auch die angebrutzelten Linken sehr freuen dürften...
Soweit meine heutige, hoffentlich inspirative Initiative für diesen ergrauten Regentag. Leider erweist sich in der Praxis die Illusion der Zeit als sehr hartnäckig und auch mir fällt es immer wieder schwer, diesen alten Aberglauben jedesmal aufs Neue ablegen zu müssen. Deshalb: mein vollstes Verständnis für die absolut verwickelte Lage, in der Du Dich zu befinden scheinst...
LG
Zu:
"...Ich bin sehr beeindruckt von den klaren, liebevollen und erkenntnisreichen Worten des Dalai Lama und moechte an dieser Stelle eine Empfehlung zum weiter lesen an interessierte Leser aussprechen ........" (Zitatende)
Lieber NILS, ich fass es kaum:
Jetzt gibt es schon seit (fast) Jahrhunderten unter Philosophen (Ich bin auch nur Laie) Diskussionen über die Möglichkeit von "weltlichen" und sich nicht auf offenbarte Glaubenslegenden oder gar "heilige" Persönlichkeiten
berufende Ethiken.
Zudem gibt es auch hierzulande eine zwar kleine , aber sogar organisierte "Humanistische" Szene mit demselben Anliegen.
Wozu also, um Gottes willen, brauchen Sie den Dalai Lama als "Authorität" mit für manche auch schon fast wieder "ätherischem" Nimbus?
Können wir nicht selber denken bzw, diskutieren?
@ W. Endemamm und :
"...Hat das alles noch mit dem Blogthema zu tun? Ja, denn Ethik ist ein geisteswissenschaftliches Problem.."
Aber hoffentlich nicht NUR eine geisteswissenschaftliches. Denn eine Ethik die nicht bereit ist, naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die tatsächliche Beschaffenheit und Funktionsweise ihre Subjekte zu berücksichtigen, düfte von vorn herein zum Scheitern verurteilt sein. Das ist ja gerade das problem vieler "theologisch" inspirierter Ethiken.
Komisch.Offensichtlich hat ALLES (und so) mit "Realität oder Empirie" zu tun. (-: Ich vermisse Herrn Heerscher.
@ Herb 66 um 00:19 Zu seiner wirklich guten Frage:
""Wie lange dauert eigentlich die Ewigkeit?"" (Zitatende)
Ganz einfach:
So lange bis niemand mehr an sie glaubt.
Aber ich hab eine noch weitaus tiefere Frage auf Lager:
Wieso verschwinden manche meiner Formatierungen bei Übernahme in die "blog roll"?
Wir können eben nicht ohne Mysterien leben.
@L.L und seiner Blödheit:
""Lieber NILS, ich fass es kaum:...."
Das war jetzt schon ziemlich politically and personally uncorrect.
Als Entschuldigung kann ich nur die Lesebrille anführen. Ich hoffe, das gilt.
Ich korrigiere also: Allerliebste NIL.
Werter Pleifel, über etwas nichts mehr zu wissen, ist ja kein Grund für dessen Nicht-Existenz. Ich kann mich weder an meine Geburt noch meine ersten Jahre wirklich erinnern; ich weiß auch nur wenig von dem, was in meinem Körper ständig vorgeht usw. – Die Welt neu entdecken ist eine Lebensaufgabe, so man nicht als Leiche stirbt.
Die Idee Reinkarnation ist nicht automatisch eine Antwort auf die Sinnfrage. Insofern kann ich dem, was Sie schreiben, nur zustimmen. So gesehen wäre es grauenvoll, die ewige Wiederkehr des Sinnlosen.-
Darum geht es mir aber nicht. Es gab und gibt Möglichkeiten, sich meditativ damit auseinanderzusetzen und es Teil einer Erfahrung werden zu lassen. –
Selbst dann stehe ich immer noch vor dem Problem, ob ich meiner wie auch immer gearteten Erfahrung trauen kann oder der Gehirnforschung, die eventuell in 70 Jahren herausfindet, dass diese Überlegungen Ausdünstungen oder Begleiterscheinungen physiologischer Prozesse im Gehirn seien.
Gehe ich davon aus, dass der Quell in mir zugänglich ist, begebe ich mich tatsächlich in für manche anmaßende Regionen. – der Versuch ist es wert. Beste Grüße.
Wie lange dauert eigentlich die Ewigkeit?
Sie dauert laaaaang, ist aber nicht laaaaang-weilig. :-)
Hallo Moorleiche, du kennst dich auf dem Gebiet weitaus besser aus als ich. Überall Einverständnis.
Dem, was Leid erzeugt, auch wenn man eigentlich alles hat. Das geht auch überraschend oft gut, nur bei der Liebe habe ich da Probleme und Gott sei Dank sieht der Dalai Lama das ähnlich.
Wenn es dich tröstet: ich habe noch auf anderen Gebieten Probleme...
Beste Grüße!
Danke für dein Verständnis. Vor Lachen wackelt meine Tiara...
Diese Geschichte von Adam und Eva: Es gibt noch andere Versionen derselben, in der die Eva NICHT die Schuldige ist, sondern beide. Habs im Detail vergessen. Schön, dass du dahinter schaust.
Naja, ein paar kleine Sünden müssen wir uns als Menschen schon vorwerfen, bedenkt man, dass der Erd-Laden schon fast an die Wand gefahren ist (Klima, Hunger, Ungerechtigkeit) und der Rückwärtsgang immer noch zu wenig als Option gesehen wird.
Und Dank für die Inspiration. Der Trost, dass auch du mit der Illusion der Hartnäckigkeit der Zeit kämpfst, ist klasse. Wirklich. Das Hartnäckige müste man öfters weglachen können.
Beste Grüße!
Bei Hollywood-Filmen bin ich eine Niete. Scheint ja von Vorteil zu sein. Beste Grüße.
müste müsste
alles klar.
"Diese Geschichte von Adam und Eva: Es gibt noch andere Versionen derselben, in der die Eva NICHT die Schuldige ist, sondern beide."
Vielleicht meinst Du die Lilith Variante. Lilith war die zweite Frau Adams und gilt sowohl als "Symbolfigur der Ambivalenz der Seele" (Wikipedia), als sie auch zu einer Symbolfigur vor allem für die frühe Emanzipation in der BRD geworden ist.
"In jüdisch-feministischer Theologie wird Lilith im Midrasch als eine Frau dargestellt, die sich nicht Gottes, sondern Adams Herrschaft entzieht und im Gegensatz zu Eva resistent gegen den Teufel ist. Sie symbolisiert positiv die gelehrte, starke Frau. In einer anderen Version brachte Lilith als erste Frau Adams Gott dazu, ihr seinen heiligen Namen zu verraten. Der Name verlieh ihr unbegrenzte Macht. Lilith verlangte von Gott Flügel und flog davon"
Habe in meinen Unterlagen noch anderes gefunden. Adam und Eva sitzen tief. :-) Etwas am Blogthema vorbei, aber doch wichtig:
Bibelforscher gehen davon aus, dass die Erzählung im Alten Testament um 400 vor Christus verschriftlicht wurde. Niederländische Wissenschaftler haben nun eine Urversion der Geschichte von Adam und Eva entdeckt, die rund 800 Jahre älter sein soll als der biblische Text. Auf Tontafeln aus dem 13. Jahrhundert vor Christus sei die Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies bereits aufgeschrieben worden, berichten die Forscher in ihrem neu veröffentlichten Buch "Adam, Eve and the Devil".
Die sogenannten Ugaritischen Tontafeln waren bereits 1929 in Syrien gefunden und in den 1970er Jahren teilweise entziffert worden. Die beiden Wissenschaftler der Protestantischen Theologischen Universität von Amsterdam haben die Texte aus der semitischen Sprache Ugaritisch neu übersetzt und erstmals im Zusammenhang interpretiert.
Die Schlange vergiftet den Baum
In dem in Keilschrift aufgeschriebenen Text auf den Tafeln wird Adam als Gott dargestellt, der mit einem "bösen Gott" kämpft. Dieser vermummt sich als Schlange, vergiftet den "Baum des Lebens" und macht Adam mit einem Biss zu einem sterblichen Wesen. Die Sonnengöttin tröstet Adam und die Menschheit jedoch mit Eva, einer "guten Frau". Durch natürliche Fortpflanzung erhalte die Menschheit, so die Forscher, doch eine Art Unsterblichkeit.
Anders als in der biblischen Version werde in diesem Mythos Adam als Gott dargestellt, erklärte die Autorin und Professorin für das Alte Testament in Amsterdam, Marjo Korpel, in der Tageszeitung "Trouw". "In dieser Urversion trägt auch Eva keinerlei Schuld."
@ROSWITHA
@LITTLE LOUIS
smile, danke für die Antworten. Ich bin ja im Gegensatz zu Ihnen beiden schon recht betagt. Und ich muss sagen, in meinem langen Leben hatte ich so oft Gespräche zwischen Atheisten und Religiösen erlebt, dass ich zum dem Schluss gekommen bin:
Das bringt nix :-)
So habe ich wahrscheinlich etwas im Tee gestern abend diese Frage dazwischen gehauen (sorry Demenz).
Also nach meiner Einsicht wird die Existenz ab 66 Jahre sehr langweilig und eine Ewigkeit wäre eigentlich die Hölle, obwohl ja Udo jürgens einst sang: "Mit 66 Jahren fängt das Leben an...".
Ich meine unter uns, Udo Jürgens ist doch auch längst vergessen, und das ist gut so :-)))
Ich muß mich korrigieren, es war eine britische Filmproduktion.
Die Rache des Pharao ist insofern eine Ausnahme, weil ein historisches Ereignis die Vorlage für den Plot war.
Damals war so gerade meine Kinogehzeit, Fernseher gab es noch wenige ...
Hallo Krümmel.
„Habe ich das richtig verstanden, dass Du auch nicht Reinkarnation an sich für möglich hälst bzw. lediglich im erweiterten Sinn?“
Es ist theoretisch extrem schwer Reinkarnation in unser Weltbild einzubetten, aber auf der anderen Seite gibt es diese Daten von Stevenson und anderen, die ich nicht kleinreden möchte. Ich bin da hin- und hergerissen.
„Auf der grob-stofflichen Ebene stimmt das ja auch, Kohlenstoff/Energiekreisläufe...“
Nur eben nicht als Einheit. Und die verbinden wir mit dem Ichsein.
„Davon ausgehend, auf anderen Ebenen: Könnte man evtl so weit gehen, dass wir alle im Grunde Einssind?“
Zumindest kann man sagen, dass die Grenzen, die man so zieht, um dieses von jenem zu unterscheiden, recht willkürlich sind. Ob es die Grenzen zwischen Einzeldingen sind, zwischen Innen und Außen, zwischen Phantasie und Realität. Wir sind halt nur extrem daran gewöhnt, die Dinge so zu betrachten, wie es alle tun.
„Ich kenne den Ich-losen Zustand im Halbschlaf, den Du beschriebst, und habe dort schon mehrfach Erfahrungen gehabt, die vielleicht nicht zu erklären sind, aber die halt da waren.“
Ja, die sind auch in der Psychologie bekannt. Wichtig ist immer, ob die Erfahrungen einen Einfluss auf das Leben haben und manche Erfahrungen die „nur subjektiv“ sind, haben einen größeren Einfluss, als alles 1000x objektiv Nachgewiesene.
„Warscheinlich muss man sich irgendwann von der klassischen Sinnsuche verabschieden.“
Da gibt es gar nicht so viel, was klassisch ist. Denn die Sinnzuschreibungen waren historisch stets unterschiedlicher Art. Wir sind die ersten, die meinen auf Sinn verzichten zu können und zahlen glaube ich gerade bitter dafür.
„Es liegt wohl nicht in unserer Macht, alles zu ergründen, wir können uns aber fragen, welche Rolle wir in dem ganzen spielen sollen.“
Ob es überhaupt eine Ganzheit gibt, ist auch nicht klar.
„Also wennim Grunde alles eins ist und sich bei allem Wandel früher oder später alles wieder vereint, was ist ist dann unsere Aufgabe? Das hier unter anderem angesprochene Leid und das Erkennen dessen, ist für mich ein wichtiger Ansatzpunkt. Was ist Leid?“
Vielleicht zu glauben, dass man eine Aufgabe hat? Aber ich halte es für wichtig, dass man die Ebenen trennt, auf der bestimmte Aussagen gelten und nicht gelten. Bestimmte Aussagen können m.E. nicht einfach auf den Alltag runtergebrochen werden. Ich glaube, dass wir im Alltag die Unterscheidung zwischen gut und böse und Moral brauchen, aber in letzter Konsequenz vielleicht nicht.
Nur, wenn man dann denkt, man könne gleich mit der „richtigen“ Stufe anfangen, erlebt man eine Katastrophe nach der anderen. Z.B. den oft hemmungslosen Narzissmus der Esobewegung, aber genauso den idiotische Versuch Pluralismus im Kindergarten zu verbreiten, weil die lieben Kleinen doch eh so hübsch offen und noch nicht „verbildet“ sind.
Wilber hat der Linken vorgeworfen hier vollkommen versagt zu haben und ich glaube, dass das stimmt.
„Ich kann es nicht genau definieren, es fasst eine Kategorie von (Gefühls-)Zuständen, die an sich von den meisten lebenden Wesen zu meiden versucht wird.“
Das ist schon ganz gut. Kompliziert wird es, wenn man den Masochismus betrachtet.
„Man muss die Existenz des Leidens akzeptieren, so lange es Menschen/Leben gibt wird es auch, in unterschiedlichen Formen, Leid geben.“
Exakt.
„Doch da extremes Leid lebensfeindlich ist, ist es platt gesagt, unser Job, Ausgleich zu schaffen, um das Leben zu erhalten.“
Ich denke auch, wir können die groben Kategorien als mehr oder weniger allgemeinverbindlich annehmen: Beseitigung von Hunger, Zugang zu Trinkwasser, Hygiene, ein schützende Behausung und ein paar andere Basics, aber es wird schnell kompliziert, denn ohne basale Werte des Zusammenlebens, Bildung usw. kommt man schwer aus und Ruckzuck ist man schon wieder im ideologischen Fahrwasser.
„Nicht umsonst haben wir Anlagen in uns, die dieses soziale, "ethische" Verhalten eigentlich fördern müssten. Früher oder später wird es diesen Ausgleich der Kräfte sowieso geben und wir werden wieder ein Stück weit näher an der Ursuppe bzw. am Gleichgewicht sein. Doch das wird nicht unbedingt mit friedlichen Mitteln geschehen. Wer weiss, was kommt, wenn das alles so weitergeht.“
Freiheit bedeutet dummerweise tatsächlich die Freiheit zum Guten und zum Bösen zu besitzen.
„Nochmal zur Reinkarnation bzw. dementsprechenden Erfahrungsberichten. Ich denke auch, dass es wohl eher so ist, dass manche Menschen/ Bewusstseinsstrukturen durchaus in direkten Kontakt mit anderen Erfahrungsfeldern treten können, einfach über die Ebenen, die uns alle miteinander verbinden. So kann man auch diverse Hellsichtigkeiten erklären.“
Das Problem ist nur, dass Felder und sonstiges Begriffe sind, die ebenfalls geklärt werden müssten. Auf der anderen Seite, gibt es ja Begriffe wie Wertesphäre, Zeitgeist, bei denen man auch nicht nach der Maßeinheit fragt. Es wird kleinteilig, sowas jenseits von Phänomenen wie Massenpaniken zu erklären, aber es lohnt sich, denn es geht um die Frage, wie das Außen (die vermeintliche objektive Welt), mit dem Innen (der Welt meiner subjektiven Erfahrungen) zusammenhängt.
Der Naturalismus (das Weltbild hinter den Naturwissenschaften: ist etwas grobschlächtig, denn es gibt zig diverse Naturalismen) behauptet, dies sei eine Einbahnstraße: Der Weg der Beeinflussung von Außen nach Innen, der geht, klarer Fall. Vodka, Tabletten, Massenpaniken, Massenmedien, Erziehung, all das beeinflusst unser Bewusstsein. Dass das Bewusstsein seinerseits das Außen beeinflusst, gilt als ausgeschlossen: Spinnerei, „magisches Bewusstsein“ (bei Psychologen oft ein Synonym für: hat nicht alle Tassen im Schrank), Voodooglaube usw.
Aber wo verläuft eigentlich genau diese Grenze zwischen Innen und Außen?
„Diese Felder, die miteinander verschränkt sind über unendlich viele Eben und Kategorien, sind wohl das Karma, was wir unablässig produzieren. Lustig wäre die Frage, ob wir damit ein Gefäß füllen, das irgendwann voll ist, oder wie weit reicht die Unendlichkeit?“
In einem neutralen und weiten Sinne ist Karma eigentlich nur die Summe der Bedingungen, in die man hineingeboren ist. Die Frage, die da mitschwingt ist ja die ob man Karma tatsächlich irgendwie „auflösen“ kann – oder ob das Fass irgendwann überläuft – und was das heißen könnte.
Die Zenleute behaupten ja, man könne Karma auflösen: „Wem nur ein einmaliger Sitz sich vollendet, dem löst sich alles Karma auf, angehäuft in zahllosen Leben.“ Aber wie zum Teufel ist das gemeint. Wie kann bequemes Sitzen Karma auflösen? Sind die irre?
"Wie lange dauert eigentlich die Ewigkeit?"
Gute Frage, auch wenn sie nur dazwischen gehauen war.
Aber wie lange dauert eigentlich ein Augenblick? Was ist "Jetzt"? Eine Sekunde? Eine Millisekunde? Eine Femtosekunde? Oder ist ein Augenblick die Ewigkeit, die man empfindet, wenn man ihn in Angt und Todesqualen erleben muss? Alles spannende Fragen und ich hoffe, dass es mir nie langweilig wird, sie mir immer wieder neu zu stellen. Auch wenn es eine Ewigkeit dauert und man nicht wirklich eine Antwort bekommt, oder jedenfalls nicht die Art Antworten, die man erwartet oder sich erhofft.
Vielen Dank für den Hinweis! Ich war zwar in der letzten Dekade spirituell eigentlich eher im Asiatischen Kulturraum unterwegs und habe diesbezüglich dort auch so etwas wie eine neue Heimat gefunden. Ich finde aber nach wie vor alles interessant, was sich wirklich frei um diese Inhalte bemüht. Ich bin auch nicht nicht der Meinung, dass das, wie Du schreibst am Blogthema vorbei ist. Was ist denn Ethik anderes, als die Festsetzung von Regeln die sich auf Schuld und Unschuld, auf Erkenntnis von Gut und Böse beziehen? Du könntet höchstens einen eigenen Beitrag dazu schreiben und das wäre es wohl auch wert.
Insgesamt ist das eine interessante Geschichte, die ich auch nicht kannte. Weil sie die Frage nach der Unsterblichkeit nicht mit Blick auf das einzelne Individuum sondern mit Blick auf die gesamte Menschheit beantwortet. Ich kann dazu nichts Kompetentes sagen als Laie, frage mich aber, ob die Menschen damals wirklich zu so einem Gedanken schon in der Lage waren. Jedenfalls scheint die Ugaritische Religion wohl die Basis zu sein, auf der große Teile des alten Testaments entstanden sind, bis hin zu übernommenen Namen, die in der Ugaritischen Form sogar recht häufig original in der Bibel auftauchen. Das habe ich nicht gewusst. Lustig auch, dass das Ugaritische Paradies am Berg Ararat lokalisiert wurde, also genau dort, wo Noah dann mit seiner biblischen Kreuzfahrt gelandet ist. Und das dass wiederum von dem noch älteren Gilgamesch Epos abgekupfert war, das wohl die älteste schriftlich erhaltene Dichtung der Welt ist.
Tragisch ist, dass genau dort die Wiege unserer Zivilisation liegt, Syrien und Irak. Und dass die gerade von dem zerstört werden, für das sie die kulturelle Basis gewesen sind.
Wenn es Dir primär um die Schuldfrage Evas geht lohnt sich sicher auch der Blick in den Koran.
Wikipedia: Adam und Eva#Darstellung im Koran:
"Im Gegensatz zur christlichen Überlieferung teilen sich laut islamischer Lehre Adam und Eva die Schuld am Verzehr der verbotenen Frucht. (Sure 7, Vers 22)[...]
Adam und Eva wird von Gott explizit im Koran verziehen: Sure 2 (al-Baqara), Vers 37 am Ende der Erzählung der Adamgeschichte: „Da empfing Adam von seinem Herren Worte (Bittgebete). Und er wandte sich zu ihm zu. Er ist ja der Vergebende, sich wieder Zuwendende und der Barmherzige“. Diese Stelle steht im Gegensatz zu einem Glauben an eine „Erbsünde“. Jeder Mensch wird mit einem „weißen Blatt“ geboren, heißt es in Sprüchen des Propheten als Bestätigung. Somit wird nach islamischer Lehre jeder Mensch sündenfrei geboren."
Ich kann Ihren Kommentar nur unterstützen. Würde nämlich das gleiche Kriterium des nicht Erinnerns an dieses Leben zwischen Geburt und Tod angelegt, so müßte es ebenso in Majorität – und damit seinem Wesen nach(!) - abgelehnt werden. Unter Anwendung des Beleg-Parameters des nicht Erinnerns, müßte derjenige, der es anlegt, konsequenterweise ebenso seine eigene Biografie und gar seine autotelische Existenz infrage stellen. Und wäre alles Vergangene Jetzt, so gäbe es keine vom Vergangenen unterscheidbare Gegenwart.
"Und wäre alles Vergangene Jetzt, so gäbe es keine vom Vergangenen unterscheidbare Gegenwart."
Ich bin mir nicht sicher, ob das zwangsläufig so ist. Ich denke, das behauptete logische Verhältnis läuft auf die Frage hinaus, was die Unterscheidung bedeutet, ob sie real ist, wie sie zustande kommt. Und was es ist, das diese Unterscheidung überhaupt wahrnimmt. Außerdem ist die Grundlage für diese Beziehung, soweit ich das sehen kann eine lineare Vorstellung von Zeit. Es ist aber denkbar und wird auch so gedacht, dass alle Zeit immer komplett und vollständig vorhanden ist und nur wir, durch Geburt und Tod die als Ganzes unveränderliche Zeit sozusagen hindurchreisen, und sie durch diese Wahrnehmung wie einen linearen, entropischen Fluß in Richtung Tod erleben.
"Mit leeren Händen halte ich ein Schwert.
Ich laufe zu Fuß, aber auf dem Rücken eines Ochsen reite ich.
Während ich über die Brücke Lo komme,
fließt das Wasser nicht, es ist die Brücke, die fließt."
@ HER B66 um :34 und :
"..Also nach meiner Einsicht wird die Existenz ab 66 Jahre sehr langweilig und eine Ewigkeit wäre eigentlich die Hölle, obwohl ja Udo jürgens einst sang: "Mit 66 Jahren fängt das Leben an...".
(Zitatende)
Jetzt jagen Sie mir aber einen gewaltigen Schrecken ein. Dann hab ich ja bis zum Eintritt der ewigen Langeweile nur noch ganz kurz Zeit für Sex, Drugs and Rock`n Roll. Aber die Demenz wirds schon richten.
und zu:
"..hatte ich so oft Gespräche zwischen Atheisten und Religiösen erlebt, dass ich zum dem Schluss gekommen bin:
Das bringt nix :-)
(Zitatende)
Ich hingegen bin zu dem noch viel weiseren Schluss gekommen,
dass meine Gespräche mit religiösen noch weit aufregender sein können, als Sex and Rock`n Roll. Die Drugs hab ich schon seit Längerem minimiert. Damals wegen der Gesundheit zum besseren Sex. Hat aber auch nicht immer geholfen.
Was man halt so glaubt. Aber vielleicht klappts in der nächsten Reinkarnation ja besser. Ich hoffe da auch auf das "Orthogenetische Feld". Oder so ähnlich.
@ LITTLE LOUIS
„Jetzt jagen Sie mir aber einen gewaltigen Schrecken ein. Dann hab ich ja bis zum Eintritt der ewigen Langeweile nur noch ganz kurz Zeit für Sex, Drugs and Rock`n Roll. Aber die Demenz wirds schon richten.“
Ja, das mag sein. Ewiger Sex ist ja auch nicht die wahre Erfüllung. Alles hat seine Zeit würde ich sagen. Ich bin da an den alten Bunuel erinnert, von dem ich in einem Interview las, die Frage galt dem Sex im Alter. Seine Antwort war kurz:
„Endlich hört der ganze Mist auf.“
Okay, er war da älter als 66, jedoch es geht ja ums Prinzip.
„dass meine Gespräche mit religiösen noch weit aufregender sein können, als Sex and Rock`n Roll.“
Mh.
Ich erinnere mich an den Besuch zweier Zeugen, „die ihren Weg zu Jesus gefunden hatten“, die Augen des einen leuchteten regelrecht beseelt, würde ich sagen.
Ich wollte wissen, wie er sich das ewige Leben vorstelle.
Also, erklärte er mir, Jesus sitzt auf einer Wiese unter einem Apfelbaum und die Trennung von „Ziegen und Schafen“ hat stattgefunden. Der Mann meinte dann, er würde ein auserwähltes SchaM sein.
Und was er denn so den ganzen Tag machen werde, wollte ich wissen.
Da wurde er ganz eifrig.„Ich würde zu Fuß einmal um unsere schöne Erde laufen und Gottes Schöpfung preisen.“
Daraufhin ich: „Und was machen Sie danach?“
Sein Kumpel meinte da, „komm wir gehen, das ist doch zwecklos bei diesem Herrn.“
...
Und Sie denken, solche Gespräche sind aufregend, Herr Louis?
Was zum Teufel ist jedoch ein „Onthogenetisches Feld“?
"SchaM" soll "Schaf" heißen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das zwangsläufig so ist.“
Von zwangsläufig ist auch nicht die Rede. Es ist eine reine Konstatierung des Wahrnehmungs- und Erlebensinhaltes.
„Ich denke, das behauptete logische Verhältnis läuft auf die Frage hinaus, was die Unterscheidung bedeutet, ob sie real ist, wie sie zustande kommt.“
Die Unterscheidung ist durch das Bewußtsein, welches sich in der Wahrnehmung ergibt, gegeben.
„ Und was es ist, das diese Unterscheidung überhaupt wahrnimmt.“
Es ist dies die Unterschiedenheit zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem; somit also auch in der tätigen Abfolge der Gewahrwerdung gegründet liegt. Hierbei ist das Nacheinander Tat. Was so als Zeitfolge erscheint, ist wie auf einem Gemälde die kunstvolle Tiefenabbildung durch Perspektive; die Abbildung ist eine eigentliche, an das Bewußtwerdungs-Verständnis sich richtende Hindeutung nur für die Tiefe.
„ Außerdem ist die Grundlage für diese Beziehung, soweit ich das sehen kann eine lineare Vorstellung von Zeit.“
Wenn Sie Zeit als eine gewisse Art der Erlebnisabbildung von Taten ansehen, so werden sie keine lineare Vorstellung überhaupt bilden können; es sei denn, es wird der Zeit am Geschehen, statt der Taten selbst die Hauptbedeutung gegeben, was aber dann ein Abzug, eine Abstraktion ist, bei der das Taten verblaßt.
„ Es ist aber denkbar und wird auch so gedacht, dass alle Zeit immer komplett und vollständig vorhanden ist und nur wir, durch Geburt und Tod die als Ganzes unveränderliche Zeit sozusagen hindurchreisen, und sie durch diese Wahrnehmung wie einen linearen, entropischen Fluß in Richtung Tod erleben.“
Eine Frage der Bewußtheit. Alles (sogar die mannigfaltige Welt der Möglichkeiten) ist immer, nur nicht immer bewußt.^^ So ist die Ansicht, wiederholte Erdenleben seien womöglich nur anzuerkennen, wenn sie einem erinnerlich seien, eine recht naive Ansicht; denn wer hindert jemanden daran, die Bewußtheit über sich selbst über sein eigenes Wesen zu erringen – und zwar anhand der – ich möchte sagen: intrinsischen Eigentümlichkeiten des gegenwärtigen Lebens zwischen Geburt und Tot. Sein inneres Wesen in der Vergangenheit suchen zu wollen, wie ein abgelegtes Hemd, ist eine Paradoxie.
Hallo Lethe.
Dann verlegen wir die Diskussion mal hier hin, passt auch inhaltlich gut, weil ich glaube, dass der Knackpunkt wirklich die Frage nach einer besseren (oder nur anderen) Ethik oder Moralentwicklung ist.
Ich steig mal locker ein: Ist für Dich Entwicklung (jetzt meine ich erst mal jede: Moral, Kognition, Technik, Sprache, Nahrungsversorgung, Musik …) nur anders (also: ausschließliche Anpassung veränderte Umstände), oder auch hierarchisch oder qualitativ anders, d.h. komplexer, höher, besser?
Oder, ist es in einigen Bereichen eventuell reine Anpassung und in anderen nicht?
Der aus meiner Sicht wichtigste Aspekte dieses Themenkomplexes ist ein systematischer: Von Entwicklung kann nur gesprochen werden, wenn eine Veränderung in einer geplanten Entwicklungsreihe steht, deren Glieder aufeinander bezogen sind. Daraus erfolgen umstandslos zwei Fragen: Ist Evolution Entwicklung und benötigt oder bedingt Entwicklung Finalität und somit Willen (oder gibt es willensunabhängige Finalität)?
Als Phänomen gibt es nur Veränderung. Entwicklung ist ein Blick zurück: Im Nachhinein erkennen wir, dass Veränderungen eine Kette bilden, deren spätere Glieder von früheren Gliedern abhängen. Ist es - Perspektivwechsel - beim Blick vom ersten Glied Richtung Zukunft aber schon klar, dass weitere Glieder folgen werden, oder sogar welche Glieder das sein werden?
Hallo Lethe.
„Von Entwicklung kann nur gesprochen werden, wenn eine Veränderung in einer geplanten Entwicklungsreihe steht, deren Glieder aufeinander bezogen sind“
Warum muss die geplant sein? Ich würde das von der Warte des Kompetenzen aus betrachten.
„Ist Evolution Entwicklung und benötigt oder bedingt Entwicklung Finalität und somit Willen (oder gibt es willensunabhängige Finalität)?“
Evolution und Entwicklung werden ja fast synonym verwendet. Muss man eine Finalität voraussetzen? Ich würde die tapisgen Schritte und Bewegungen eines kleinen Kindes als deutlich anders zur Bewegung eines Solotänzers ansehen, aber ich sehe keine Finalität darin, dass Menschen tanzen müssten.
Irgendwie ist Bewegung vielleicht nur von A nach B kommen und das kann man auch krabbelnd, aber ist das dasselbe, wie ein 100-Meter-Sprint? Brabbeln und ne geschliffene Rede halten sind beides nur Mitteilungen, aber ist da sonst nichts zu zu sagen? Drohnen und Keulen sind halt nur Instrumente zum Töten, die Kunst der Fuge und Kinderlieder sind beides nur Musik, usw.
„Als Phänomen gibt es nur Veränderung. Entwicklung ist ein Blick zurück: Im Nachhinein erkennen wir, dass Veränderungen eine Kette bilden, deren spätere Glieder von früheren Gliedern abhängen.“
Ja. Und möglicherweise ist auch Veränderung nur eine Betrachtung. Es gibt eigentlich nichts was gleich ist, weil man dann mindestens die Erfahrung schon kennt.
„Ist es - Perspektivwechsel - beim Blick vom ersten Glied Richtung Zukunft aber schon klar, dass weitere Glieder folgen werden, oder sogar welche Glieder das sein werden?“
Nein, aber ist das notwendig? Der Flügel hat sich entwickelt, aber musste er als Ziel schon in irgendwelche dünnen Häuten zwischen Gliedmaßen fest stehen? Ich glaub nicht, glaube aber dennoch, dass zwischen Flugkunst und Flugkunst (oder Fähigkeit, Vermögen) beachtliche Unterschiede bestehen.
Das kann man jetz von der Seite „Fliegen können“ oder „für die Art nützlich“ betrachten.
Wobei es beim Menschen und der Ethik eigentlich die schöneren Beispiele gibt, die vom sicher vorhandenen Nutzen (auch mal friedlich zu sein spart Ressourcen) in Bereiche übergeht, die nicht auf neue Strategien der Erfolgs zurückzuführen sind.
Warum muss die geplant sein? Ich würde das von der Warte des Kompetenzen aus betrachten.
Planung halte ich als Aspekt von Entwicklung für unverzichtbar, weil wir sonst ins begriffliche und kategoriale Schwierigkeiten geraten.
Evolution und Entwicklung werden ja fast synonym verwendet.
Ich halte Evolution und Entwicklung eben nicht für synonym, auch nicht für beinahe synonym. Evolution ist der automatische Ablauf eines sehr einfachen Mechanismus: Leben,Fortpflanzen, Sterben, plus zufällige Merkmalsänderungen, die zu höhere oder niedrigerer Fortpflanzungschance führt. Das ist etwas ganz anderes als das, wenn die Entwicklungsingenieure hier im Institut von der Evolution ihrer Konzepte und Entwürfe sprechen. Leben und Sterben könnte man noch auf Trial and Error abbilden, aber Trial and Error ist gewertet. Die Leute denken vorher drüber nach, warum sie dieses Konzeptdesign probieren, jenes nicht. Das ist Entwicklung, und deswegen halte ich den Aspekt der Planung dabei für unverzichtbar, und somit auch a priori Finalität.
Und möglicherweise ist auch Veränderung nur eine Betrachtung.
Das ist richtig. Wir können nicht unabhängig von Wahrnehmungsrestriktionen betrachten, selbst wenn wir die ausweiten können. Könnten wir genau genug oder distanziert genug hinschauen, sehen wir nur noch Gewimmel, Molekularrauschen. Sinnhafte Strukturen sind die Folge der Ignoranz unserer Wahrnehmungsverarbeitung gegenüber allen Elementen, die unseren Absichten nicht entsprechen - es ist bekannt, dass eine der wichtigsten Aufgaben des Gehirns die einer Filterfunktion ist, ein Filter, der irrelevante Informationen unterdückt, ganz wie ein Rauschfilter in bestimmten elektronischen Bauteilen.
Der Flügel hat sich entwickelt, aber musste er als Ziel schon in irgendwelche dünnen Häuten zwischen Gliedmaßen fest stehen?
Eben^^ und wenn sich statt des Flügels Schwebesäcke entwickelt hätten, wären wir genauso wenig verwundert und würden von Entwicklung sprechen, wo einfach nur die Kontingenz zugeschlagen hat. Solange du aus der Rückwärtsperspektive reden kannst, mag der Unterschied irrelevant erscheinen. Aber sprich mal mit einem Entwicklungsingenieur, der den Auftrag hat, nicht irgendeine praktikable Lösung zu finden, sondern eine spezifische. Evolution funktioniert nur vor dem Hintergrund, dass es viele, sehr viele Lösungen für ein und dasselbe Problem gibt. Wenn der Zufall dafür sorgt, dass alle möglichen Zustände mal auftreten, wird irgendwann schon ein praktikabler Zustand dabei sein. Wir würden dann vielleicht etwas anders aussehen, aber was solls, Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Wenn aber die Zahl der praktikablen Möglichkeiten gegen eins geht, geht die Chance, diese Möglichkeit durch reinen Zufall zu treffen, gegen Null. Ich sehe darin kein Entwicklungspotential, es sei denn, dem Zufall würde unter die Arme gegriffen, durch Planung.
die schöneren Beispiele
Ohne Strategie, oder per intuitiver Strategie? Intuition heißt nur, dass sich unser Unterbewusstes an einer Lösung abgearbeitet hat. Gib doch mal ein paar Beispiele, mir wollen keine einfallen.
Hallo Lethe.
„Leben,Fortpflanzen, Sterben, plus zufällige Merkmalsänderungen, die zu höhere oder niedrigerer Fortpflanzungschance führt.“
Und dann?
Haben sich Merkmale, Ideen, Informationen selbstständig verbreitet.
Aber dafür kann man auch eine Religion gründen oder ein Blog oder Buch schreiben.
Wer ist denn nun biologisch fitter: Der kinderlose Autor in Millionenauflage oder der achtfache Vater, den keiner kennt?
„Die Leute denken vorher drüber nach, warum sie dieses Konzeptdesign probieren, jenes nicht. Das ist Entwicklung, und deswegen halte ich den Aspekt der Planung dabei für unverzichtbar, und somit auch a priori Finalität.“
Damit bringst Du aber einen Kreationismus ins Spiel, den Du sogleich ablehnen wirst.
„Könnten wir genau genug oder distanziert genug hinschauen, sehen wir nur noch Gewimmel, Molekularrauschen.“
Wir hören Atemzüge und spüren wie sich die Flanken dehnen und zusammen ziehen.
„Sinnhafte Strukturen sind die Folge der Ignoranz unserer Wahrnehmungsverarbeitung gegenüber allen Elementen, die unseren Absichten nicht entsprechen - es ist bekannt, dass eine der wichtigsten Aufgaben des Gehirns die einer Filterfunktion ist, ein Filter, der irrelevante Informationen unterdückt, ganz wie ein Rauschfilter in bestimmten elektronischen Bauteilen.“
Ja. Ein Fortschritt oder nur anders? So wie es aussieht, erst mal grundlegend anders, als das was Steine tun. Die sind ihrer Umgebung passiv ausgeliefert (auch wenn den Stein das nicht stört.) Die Fähigkeit auf die Umwelt schnell zu reagieren (letztlich machen das Eis, Eisen und Stein ja auch) ist ja doch so anders, dass wir da prinzipielle Grenzen ziehen.
„Evolution funktioniert nur vor dem Hintergrund, dass es viele, sehr viele Lösungen für ein und dasselbe Problem gibt. Wenn der Zufall dafür sorgt, dass alle möglichen Zustände mal auftreten, wird irgendwann schon ein praktikabler Zustand dabei sein.“
Wenn Du Dich ernst nimmst, dürftest Du kein Pessimist sein.
„Gib doch mal ein paar Beispiele, mir wollen keine einfallen.“
Gedanken der Freiheit und Gerechtigkeit der Ethik. Die sind ja was qualitativ anderes als das Recht des Stärkeren. Oder die Gründe beim Argumentieren als Ausdruck einer logischen Ordnung. Aber auch menschliche Eigenschaften wie Bereuen, Verzeihen und so weiter, die nicht als weitere Strategie im Rahmen eines spieltheoretischen Ansatzes durchgehen, sondern eine neue Qualität darstellen. Das Konzept sich auf Werte zu verpflichten ist mit einer Achtung vor sich selbst besser erklärt, als mit einer Strategie des Zusammenlebens, da würde Gehorsam ausreichen. Als soziobiologische Konzeption steht es auch nicht gut da, denn der Märtyrer, der für seine Ideen stirbt ist ja eigentlich biologisch ein Trottel, da er sich um seine Reproduktionschancen bringt.
Haben sich Merkmale, Ideen, Informationen selbstständig verbreitet.
Die zitierte Aussage steht und fällt mit der Entscheidung, ob wir uns in einem knallharten Materialismus bewegen oder ob wir psychische Transzendenz akzeptieren.
Wer ist denn nun biologisch fitter: Der kinderlose Autor in Millionenauflage oder der achtfache Vater, den keiner kennt?
Der achtfache Vater, wer sonst^^ die Linie des Autoren ist mit ihm gestorben. Vielleicht hat sein Vater ja noch ein anderes Kind. Der Autor bleibt vielleicht als Mem erhalten und somit auf sich selbst reduziert, möge es ihm nützen. Unter den Nachfahren des achtfachen Vaters sind möglicherweise Autoren mit Milliardenauflagen und 20 Kindern^^
Damit bringst Du aber einen Kreationismus ins Spiel, den Du sogleich ablehnen wirst.
Meine Aussagen sind in aller Regel kontextrelativ. Kreationismus oder Design hat im Evolutionären nichts zu suchen, desgleichen Finalität. Für intelligenzabhängiges menschliches Wollen sind sie aber sinnstiftende Elemente, wofern ich "Kreationismus" aus dem religiösen Kontext loslösen und ihn einfach nur mit "gezieltem Schaffensdrang" übersetzen darf.
Wir hören Atemzüge und spüren wie sich die Flanken dehnen und zusammen ziehen.
Und an welchen der geschätzt mehrere Zehnmillionen Atemzüge und Flankenbewegungen deines Lebens hast du noch so deutliche Erinnerungen, dass du ihn aus dem Gewimmel hervorheben könntest?
Ein Fortschritt oder nur anders?
Anders. Wir sind biologisch nicht dasselbe wie Steine.
Die Fähigkeit auf die Umwelt schnell zu reagieren (letztlich machen das Eis, Eisen und Stein ja auch)
Nicht dass ich wüsste, sofern wir Reaktion nicht auf physikalische actio - reactio begrenzen, sondern als bewusstes Reagieren auffassen. Ich bezweifele jedenfalls auch für ein panpsychisches Universum, dass jeder Stein jedesmal eine bewusste Entscheidung trifft, ob er der Gravitation folgen will^^
Wenn Du Dich ernst nimmst, dürftest Du kein Pessimist sein.
Du kennst ja den Unterschied zwischen Optimist und Pessimist^^ der Optimist glaubt, dass wir in der besten aller Welten leben, der Pessimist befürchtet, dass der Optimist recht hat^^
eigentlich halte ich mich für einen Realisten mit Hang zum Surrealen^^
In der Sache ist es so, dass der Begriff "mögliche Lösung" zunächst einmal nichts anderes besagt, als dass eine Lösung kompatibel zu den Naturgesetzen und damit im Universum möglich ist. "Lösung" besagt nichts über die Qualität einer Lösung. Lies die von dir zitierte Passage also so, dass dann, wenn alle naturgesetzlich zulässigen Zustände zufällig durchlaufen werden, irgendwann auch einer dabei ist, der zu besseren Chancen führt.
Gedanken der Freiheit und Gerechtigkeit der Ethik. Die sind ja was qualitativ anderes als das Recht des Stärkeren.
Das sind nichts weiter als Strategien im Rahmen eines Machtkalküls, die darauf abziehlen, Machtverhältnisse mit möglichst geringem Ressourceneinsatz abzusichern. Neuerdings - der aufklärerischen Arbeit ungezählter Philosophen sei dank - ist diese Einsicht allerdings etwas in der Versenkung verschwunden und Gedanken der Freiheit und Gerechtigkeit der Ethik tauchen plötzlich als Machtmittel der Machtlosen auf. Interessante Variante. Ich höre die anderen selbst in meinem tiefsten Schlaf noch kichern.
Zu dem Trottel will ich lieber nichts sagen. Manche Sachverhalte erledigen sich aus sich selbst heraus.
Hallo Lethe.
„Die zitierte Aussage steht und fällt mit der Entscheidung, ob wir uns in einem knallharten Materialismus bewegen oder ob wir psychische Transzendenz akzeptieren.“
Und das ist der neue Wind in der Diskussion. Es ist nicht so, dass die Transparenten da die Wischiwaschi Fraktion sind und die anderen die knallharten Fakten auf ihrer Seite haben. Weit gefehlt. Wirklich schön stellt das Markus Gabriel dar, der immer besser wird. Seiner Darstellung on „Warum es die Welt nicht gibt“ konnte ich nur moderat folgen, aber hier im philosophischen Radio ist er in ausgezeichneter Form, absolut hörenswert: http://www.wdr5.de/sendungen/philosophischesradio/Markus-Gabriel-100.html (Download auf der Seite)
„Der achtfache Vater, wer sonst^^ die Linie des Autoren ist mit ihm gestorben.“
Schon klar, aber wer hat mehr überdauernde Informationen in die Welt gekippt? Darum geht es ja bei der Idee der egoistischen Gene, dass da ein Programm weitergegeben werden soll. Die Idee ist gar nicht falsch, aber Gene sind nun mal nicht der einzige Weg um Informationen weiterzugeben.
„Der Autor bleibt vielleicht als Mem erhalten und somit auf sich selbst reduziert, möge es ihm nützen.“
Nee nee, das Mem ist je gerade keine auf sich reduzierte Einheit, sondern ein bestimmtes Muster, was weiter transportiert wird, wie grüne Augen oder schwarze Haare.
„Unter den Nachfahren des achtfachen Vaters sind möglicherweise Autoren mit Milliardenauflagen und 20 Kindern^^“
Das wissen wir aber nicht. Nehmen wir an, der hatte 8 Kinder und auch die haben sich reichlich fortgepflanzt, dann sind seine Gene noch aktiv, aber natürlich auch verdünnt., vermischt usw. Man kann auch Bücher schreiben, die niemand liest oder sonst was, ich will nur diese zu platten Ideen kritisieren. An Bach interessiert uns heute nicht die Spur seiner Gene, sondern seine Musik.
„Kreationismus oder Design hat im Evolutionären nichts zu suchen, desgleichen Finalität.“
Eben dann führ' sie doch nicht ein, indem Du Entwicklung und Finalität zwangsverheiratest.
„Für intelligenzabhängiges menschliches Wollen sind sie aber sinnstiftende Elemente, wofern ich "Kreationismus" aus dem religiösen Kontext loslösen und ihn einfach nur mit "gezieltem Schaffensdrang" übersetzen darf.“
Klar, gibt es da ne Finalität in einigen unserer Absichten, aber wenn wir bspw. von einer sich entwickelnden Sprache reden, dann ist es sicher nicht so, dass es die Absicht sprechender Wesen war, eine Möglichkeitsform zu schaffen. Denn das würde bereits das voraussetzen, was erst noch zu entwickeln ist, ein Denken in Alternativen und Möglichkeiten.
„Und an welchen der geschätzt mehrere Zehnmillionen Atemzüge und Flankenbewegungen deines Lebens hast du noch so deutliche Erinnerungen, dass du ihn aus dem Gewimmel hervorheben könntest?“
An die, als „ich“ während eines Zenkurses, das Gefühl hatte kein Ich mehr zu sein oder zu haben. Sehr merkwürdig, sehr intensiv, aber seit dem habe ich eine Ahnung, dass die Rede von der Ichlosigkeit im spirituellen Kontext kein leeres Gerede ist.
„Anders. Wir sind biologisch nicht dasselbe wie Steine.“
Biologisch sind Steine einfach gar nicht. Sie mögen eine Funktion für biologischen Wesen haben, aber sie sind biologisch inexistent.
„Nicht dass ich wüsste, sofern wir Reaktion nicht auf physikalische actio - reactio begrenzen, sondern als bewusstes Reagieren auffassen.“
Bewusst ist ja immer so'ne Sache. Eine Erbkoordination ist ja gerade nicht bewusst, da läuft ein Programm in einem Wesen ab, was lebt. Merkwürdig genug.
„Ich bezweifele jedenfalls auch für ein panpsychisches Universum, dass jeder Stein jedesmal eine bewusste Entscheidung trifft, ob er der Gravitation folgen will^^“
Klar, ich auch. Das geht nicht auf, weil wir diese Behauptungen nicht be- oder widerlegen können.
„In der Sache ist es so, dass der Begriff "mögliche Lösung" zunächst einmal nichts anderes besagt, als dass eine Lösung kompatibel zu den Naturgesetzen und damit im Universum möglich ist. "Lösung" besagt nichts über die Qualität einer Lösung. Lies die von dir zitierte Passage also so, dass dann, wenn alle naturgesetzlich zulässigen Zustände zufällig durchlaufen werden, irgendwann auch einer dabei ist, der zu besseren Chancen führt.“
Ja, die große Versuch/Irrtum-Maschine.
„Das sind nichts weiter als Strategien im Rahmen eines Machtkalküls, die darauf abziehlen, Machtverhältnisse mit möglichst geringem Ressourceneinsatz abzusichern.“
Das behauptest Du, aber ich finde, dass ist eine schwache Behauptung. Du sagst immer, Dawkins sei tatsächlich ein Problem, aber im Grunde sind das seine Argumente. Leben ist Egoismus, von A bis Z, Egoismus führt auch zu strategischer Kooperation („reziproker Altruismus“), aber nur dann, wenn der Lohn nachher größer ist, als vorher. Genau das würde ich bestreiten, denn es gibt Verhaltensweisen, die sich nicht darauf reduzieren lassen, dass man eine bessere Position im Spiel hat und obendrein empirische Experimente, die gezeigt haben, dass mindestens der Mensch mitunter altruistisch motiviert ist. Ob er selbst tatsächlich einen Vorteil von einer Situation hat, ist dabei noch nicht mal erheblich, wenn der Kern der Motivation der ist, das Wohlergehen eines anderen Menschen zu vergrößern.
„Neuerdings - der aufklärerischen Arbeit ungezählter Philosophen sei dank - ist diese Einsicht allerdings etwas in der Versenkung verschwunden und Gedanken der Freiheit und Gerechtigkeit der Ethik tauchen plötzlich als Machtmittel der Machtlosen auf. Interessante Variante. Ich höre die anderen selbst in meinem tiefsten Schlaf noch kichern.“
Hier müsstest Du genauer werden, weil ich gerade tatsächlich nicht weiß, was Du meinst. Ich bin aber recht gut im Thema drin gewesen und kenne die Willensfreiheitsdiskussion, aus so ziemlich allen Perspektiven, falls Du darauf abzieltest.
Ich kann die Sendung mit Gabriel im Moment nicht laufen lassen, werde das aber heute abend nachholen. Wenn ich allerdings in der Beschreibung Aussagen lese wie
Wir sind, so Gabriel, geistige Lebewesen, die ein bewusstes Leben führen, das ist völlig unstrittig.
blinken bei mir sofort alle Alarmlichter. Wenn ich dann noch lese
Natürlich haben wir einen freien Willen, so Markus Gabriel
habe ich den Inhalt im Grunde bereits als Zirkelschluss abgehakt. Vielleicht haben wir einen freien Willen, zumindest wenn jemand mal ein Freiheitskonzept präsentieren könnte, das irgendetwas über gläubiges Wähnen hinaus besagt. Wir haben aber nicht "natürlich" einen freien Willen, ganz so, als wäre das noch nicht mal eine Frage. Und sobald wir aus den hohen Sphären modellhafter Wirklichkeitsannahmen mal in den Matsch des tatsächlichen Lebens schauen, erkennen wir vor lauter Bedingtheiten, Befehlsketten, Normen, Abhängigkeiten usw. noch nicht mal andeutungsweise, was Freiheit und somit auch die Freiheit des Willens überhaupt meinen könnte, geschweige denn meint. Bringe mir doch bitte mal ein Konzept von individuellem Wollen nahe, das inmitten all dieser Rahmenparameter in einem idealistischen Sinne frei sein könnte, und dann vermittle mir noch, wo das Paradies zu finden ist, in dem das Wirklichkeit wäre. Dann, und erst dann kann ich das Geschwätz vom freien Willen als Möglichkeit überhaupt erst ernst nehmen. Vorher ist das einfach nur Geplappere, wenngleich gelegentlich auf höherem Niveau.
Wir haben die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Ich habe in meinem ganzen Leben allerdings keine einzige Entscheidung treffen können, die nicht bedingt gewesen wäre. Es gibt Freiheitsgrade, weil die Bedingungen nicht immer 100%ig strikt sind. Aber das bedeutet nicht, dass sie uns in Freiheit entlassen. Es bedeutet nur, dass die Fesseln aus Material bestehen, dass sich in engen Grenzen als dehnbar erweist.
aber wer hat mehr überdauernde Informationen in die Welt gekippt?
Der kinderlose Autor kann noch so viel geschrieben haben, die Menge der Informationen, die er in die Welt gekippt hat, ist endlich und mit seinem Tod abgeschlossen. Der achtfache Vater hat gute Chancen, am Beginn einer endlosen Reihe zu stehen, zumindest solange es Menschen gibt. Die Anzahl der Informationen, die von Folgegliedern dieser Reihe ins System gekippt werden, übersteigt irgendwann jede noch so große Zahl vorhandener Informationen mit abgeschlossener Zahl.
Eben dann führ' sie doch nicht ein, indem Du Entwicklung und Finalität zwangsverheiratest.
Bitte, meine Aussagen vollständig berücksichtigen. Ich habe mehrfach betont, dass ich Evolution und Entwicklung für zwei verschiedene Dinge halte. Wir können darüber disputieren, aber ich mag es nicht, wenn wesentliche Aspekte meiner Aussagen unterschlagen werden. Nochmal: Evolution ist eine Metapher für Leben und Sterben plus zufällige Zustandsänderungen. Entwicklung ist bewusstes Planen. Bitte zur Kenntnis nehmen.
als „ich“ während eines Zenkurses, das Gefühl hatte kein Ich mehr zu sein oder zu haben
Das heißt, du nimmst ein emotionales Extremerlebnis und erklärst das als repräsentativ für die Durchschnittserlebnisse dieser Erlebnisgruppe^^ nebenbei eine Frage: Wer hatte denn das Gefühl, kein "ich" mehr zu sein oder zu haben?
Bewusst ist ja immer so'ne Sache. Eine Erbkoordination ist ja gerade nicht bewusst
Reizreaktion gehört zu den definitorischen Grundelementen von Leben. Sie zeichnet sich gegenüber rein naturgesetzlich determinierten actio-reactio-Relationen durch kontingente Freiheitsgrade aus. Wenn du den Stein in deiner Hand loslässt, fällt der, sofern du auf der Erdoberfläche stehst, auf kürzest möglichem Wege Richtung Zentrum der Gravitationsquelle, also zu Boden. Immer. Wenn du die Fliege in der anderen Hand loslässt, kann die auf vielfältigen Wegen fliehen, da wird nicht ein bestimmter Weg a priori erzwungen. Anders gesagt, bei Lebewesen ist Kontingenz das, was in unbelebter Natur Kausalität ist. Noch anders, unser Unversum ist teilweise determiniert, teilweise undeterminiert^^ noch anders, die Fliege trifft eine Entscheidung, mag die auch noch so instinktiv erfolgen^^
Du sagst immer, Dawkins sei tatsächlich ein Problem, aber im Grunde sind das seine Argumente.
Ich sagte das einmal in einem spezifischen Kontext^^ Und: Wenn zwei das gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht dasselbe. Argumente liegen in der Luft, du findest keine Argumente, die nicht auch von Leuten benutzt werden können, deren Absichten nicht die deinigen sind. Und: Dass Moral und Ethik (und Gläubigkeit) Werkzeuge des Machterhalts sind, können eigentlich nur sehr idealistische Menschen bestreiten. Sie mögen zusätzlich noch etwas anderes sein können, aber ihre Herkunft aus den Zirkeln der Macht zu bestreiten, zeugt schon von einem erheblichen Maß historischer und psychologischer Unkenntnis. Bevor zum allerersten Mal Moral als mögliches Mittel des Widerstands gegen Tyrannei aufgefasst wurde, wirkte sie schon jahrtausendelang zur Niederhaltung der Völker. Oder, wenn man es freundlicher sagen will, in der Phase der ersten Städtegründungen wurde schnell deutlich, dass es nicht das effektivste aller Mittel ist, leute mit Gewaltmitteln zu disziplinieren. Es ist viel angenehmer für die Herrschenden, wenn die Leute das zum größten Teil selbst übernehmen.
Das ist der Teil, der in heutigen Moral- und Ethikdiskussionen gerne unterschlagen oder ignoriert wird.
Und die Frage des freien Willens ist nur aus einem einzigen Grund so furchtbar wichtig. Nur dann können wir guten Gewissens bestrafen.
Und die Frage des freien Willens ist nur aus einem einzigen Grund so furchtbar wichtig. Nur dann können wir guten Gewissens bestrafen.
***** und aua -abghoul
Hallo Lethe.
„Ich kann die Sendung mit Gabriel im Moment nicht laufen lassen, werde das aber heute abend nachholen.“
Hoffe, es hat sich gelohnt?
„Vielleicht haben wir einen freien Willen, zumindest wenn jemand mal ein Freiheitskonzept präsentieren könnte, das irgendetwas über gläubiges Wähnen hinaus besagt.“
Das ist weniger esoterisch als es klingt. Ich habe das mehrfach und ausführlich diskutiert und die logisch stringente und dröge Lösung ist der Kompatibilismus, was ich bei Bedarf gerne bis ins Detail erläutere. Um gleich schon mal auf den Hauptfehler hinzuweisen: Die Fraktion der Willensskeptiker versäumt gerne zu definieren, was ihrer Meinung nach der „freie Wille“ sein soll, weil sie irrtümlich glauben, die Notwendigkeit zur Definition entfiele in dem Moment, wo man dagegen ist. Aber auch wer gegen Armut, Ungerechtigkeit oder Folter ist, muss ja sagen, was er darunter versteht.
„Und sobald wir aus den hohen Sphären modellhafter Wirklichkeitsannahmen mal in den Matsch des tatsächlichen Lebens schauen, erkennen wir vor lauter Bedingtheiten, Befehlsketten, Normen, Abhängigkeiten usw. noch nicht mal andeutungsweise, was Freiheit und somit auch die Freiheit des Willens überhaupt meinen könnte, geschweige denn meint.“
Ja, innere und äußere Zwänge schränken die Freiheit ein. Aber wie Du mit den Anforderungen umgehst, ist wiederum Dein Bier.
„Bringe mir doch bitte mal ein Konzept von individuellem Wollen nahe, das inmitten all dieser Rahmenparameter in einem idealistischen Sinne frei sein könnte, und dann vermittle mir noch, wo das Paradies zu finden ist, in dem das Wirklichkeit wäre.“
Willensfreiheit ist in meinen Augen keine paradiesische Konzeption. (Im Gegenteil.) Es bedeutet, die Fähigkeit zu haben, innehalten zu können (also über sowas wie Impulskontrolle zu verfügen), rational abzuwägen und das auf der Basis je eigener, selbst gewählter und hierarchisierter Prämissen. Kompromisse muss man immer eingehen (ansonsten wäre man kein Teil der Welt), aber Willensfreiheit fällt auch nicht mit Willkür zusammen. Das Gegenteil ist auch hier der Fall.
„Wir haben die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Ich habe in meinem ganzen Leben allerdings keine einzige Entscheidung treffen können, die nicht bedingt gewesen wäre.“
Der Kompatibilismus besagt, dass Bedingtheit (Determiertheit) und Willensfreiheit sich nicht ausschließen. Die These, dass absolute Unbedingtheit erst die Willensfreiheit ermöglicht ist die inkompatibilistische Version der Libertarier, die das nicht geringe Problem hat, dass sie nicht zeigen können, was für eine Welt das sein soll, in der man in keiner Weise in irgendwelche kausalen Verbindungen verstrickt ist.
„Es gibt Freiheitsgrade, weil die Bedingungen nicht immer 100%ig strikt sind.“
Ich glaube, auch innerhalb einer kompatibilistischen Konzeption macht die Rede von den Freiheitsgraden Sinn.
„Der kinderlose Autor kann noch so viel geschrieben haben, die Menge der Informationen, die er in die Welt gekippt hat, ist endlich und mit seinem Tod abgeschlossen.“
Macht doch nichts. Seine Texte können Generationen lang weiter leben.
„Der achtfache Vater hat gute Chancen, am Beginn einer endlosen Reihe zu stehen, zumindest solange es Menschen gibt.“
Mit stetig verdünntem oder abnehmenden Einfluss, bei dem annähernd exponentiellen Wachstum.
„Die Anzahl der Informationen, die von Folgegliedern dieser Reihe ins System gekippt werden, übersteigt irgendwann jede noch so große Zahl vorhandener Informationen mit abgeschlossener Zahl.“
Die Ideen werden ja nicht in Reinform weiter gegeben.
„Bitte, meine Aussagen vollständig berücksichtigen. Ich habe mehrfach betont, dass ich Evolution und Entwicklung für zwei verschiedene Dinge halte.“
Okay.
„Das heißt, du nimmst ein emotionales Extremerlebnis und erklärst das als repräsentativ für die Durchschnittserlebnisse dieser Erlebnisgruppe^^“
Wieso repräsentativ? Ich würde das auch als Extremerlebnis deuten.
„nebenbei eine Frage: Wer hatte denn das Gefühl, kein "ich" mehr zu sein oder zu haben?“
Das stimmt und ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Aber da ich zu der Fraktion gehöre, die behauptet (auch) über spirituelle Erfahrungen könne man reden: In dem Moment, in dem „ich“ das erlebte, würde ich sagen, dass „ich“ tatsächlich nicht war, in dem Sinne, dass ich mich nicht als „ich“ erlebte. Aber nach kurzer Zeit fiel mir das auf und der Denkautomatismus, dass das doch eine sehr merkwürdige Erfahrung sei, die Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Vorgang – den Atem zu hören, den Boden zu sehen, die Bewegung der Flanken so „klar“ zu erleben – setzte recht unverzüglich ein und da war „ich“ dann wieder. Was man merkt ist die Grenze des Wiederkommens, der Eintritt sozusagen. Doch der wichtige Punkt kommt jetzt.
Selbstvergessenheit erlebe ich tausendfach, einfach wenn man im Modus der Halbautomatik Auto fährt, Schuhe bindet oder im Topf rührt. Man sagt sich ja nicht immer: „Ich esse jetzt“ oder lese, laufe, schreibe oder was auch immer, man tut es einfach, ohne sich über die An- der Abwesenheit des Ich Rechenschaft abzulegen. Ich erinnere mich z.B.: Thema Atem hören und Flanken spüren, an eine sehr ähnliche und doch sehr andere Situation. Ich bin vor einigen Jahren intensiver Rad gefahren und habe mich da immer wieder gerne kleine Erhebungen raufgequält und da kam es dann auch vor, dass ich den keuchenden Atem hörte und die Flankenbewegungen spürte. Aber bei der Zen Erfahrung war das alle Erfahrungen still begleitende Gefühl „ich“ zu sein, einfach nicht vorhanden. Das war die Überraschung. Als ich mich Hügel raufquälte, da war ich ganz und gar „ich“, ein Ich im Kampf.
Einmal sozusagen starke Kontraktion ein anderes Mal eine Ausdehnung über die gewohnten und unausgesprochenen Grenzen hinweg, auch über jene, über die man sich gewöhnlich keine Rechenschaft ablegt. Ich hoffe, ich konnte den Unterschied in Ansätzen verdeutlichen?
„Reizreaktion gehört zu den definitorischen Grundelementen von Leben. Sie zeichnet sich gegenüber rein naturgesetzlich determinierten actio-reactio-Relationen durch kontingente Freiheitsgrade aus. Wenn du den Stein in deiner Hand loslässt, fällt der, sofern du auf der Erdoberfläche stehst, auf kürzest möglichem Wege Richtung Zentrum der Gravitationsquelle, also zu Boden. Immer. Wenn du die Fliege in der anderen Hand loslässt, kann die auf vielfältigen Wegen fliehen, da wird nicht ein bestimmter Weg a priori erzwungen.“
Ich weiß, was Du meinst, aber ist das schon die Schwelle des Bewusstseins? Ich weiß es nicht? Wir haben das ja auch. Wie können den Kniesehnenreflex auslösen, dies bewusst beobachten und dennoch (per Willenskraft) nichts dagegen tun.
„Anders gesagt, bei Lebewesen ist Kontingenz das, was in unbelebter Natur Kausalität ist.“
Kontingenz muss das nicht sein, wir kennen die Gründe nur nicht. Das ist die dunkle Phase. Beim Stein wissen wir, was passiert und bewusste und diskursive Wesen können wir fragen. Aber Fliege und Katze müssen wir spekulieren.
„Noch anders, unser Unversum ist teilweise determiniert, teilweise undeterminiert^^ noch anders, die Fliege trifft eine Entscheidung, mag die auch noch so instinktiv erfolgen^^“
Und genau das ist schwer aufrecht zu halten. Die unbewusste Bewusstheit. Da hat schon Wittgenstein Einspruch erhoben.
„Und: Dass Moral und Ethik (und Gläubigkeit) Werkzeuge des Machterhalts sind, können eigentlich nur sehr idealistische Menschen bestreiten.“
Entscheidend ist die Frage nach der Ausschließlichkeit. „Alle“ oder „Einige“?
„Bevor zum allerersten Mal Moral als mögliches Mittel des Widerstands gegen Tyrannei aufgefasst wurde, wirkte sie schon jahrtausendelang zur Niederhaltung der Völker.“
Kann sein, aber Du müsstest dann erläutern, welche Art der Moral hier gemeint ist. Klingt nach dem Recht des Stärkeren, was es zweifelsfrei gibt (Kohlbergs Stufe 1), aber ist damit bereits alles über Moral gesagt? Keineswegs. Dawkins überführt die Idee der egoistischen Gene mit ihrem reziproken Altruismus direkt aus dem Tierreich in die Soziobiologie und meine Kritik ist nicht, dass er das tut, sondern das ist an der Stelle sogar noch ein Gewinn. Meine Kritik ist, dass er an der Stelle abbricht und kalt ignoriert, was z.B. Moralpsychologen und andere dazu zu sagen haben. Mit Dawkins kommt man bis zur instrumentelle Vernunft (Kohlbergs Stufe 2), mit viel Wohlwollen kann man sogar noch geringe Teile der konventionellen Moral da reinpacken, aber spätestens dann ist Schluss mit dem Ansatz. So wie ich Dawkins lese, ist ihm das in Ansätzen auch bewusst, aber er verheddert sich vollkommen in der Einordnung, vor allem in den „selfish genes“.
Es gäbe darüber hinaus noch eine biologieinterne Kritik, an der Methodik, aber die ich klug bei Eibl-Eibesfeldt gefunden habe, aber das ist im Grunde eine andere Stoßrichtung.
„Oder, wenn man es freundlicher sagen will, in der Phase der ersten Städtegründungen wurde schnell deutlich, dass es nicht das effektivste aller Mittel ist, leute mit Gewaltmitteln zu disziplinieren. Es ist viel angenehmer für die Herrschenden, wenn die Leute das zum größten Teil selbst übernehmen.“
Die spannende Frage ist, wieso das eigentlich geklappt hat.
„Und die Frage des freien Willens ist nur aus einem einzigen Grund so furchtbar wichtig. Nur dann können wir guten Gewissens bestrafen.“
Das ist richtig, aber auch zu aufgebauscht. Es klingt so, als stünde die schlechte und manipulative Absicht am Beginn der Geschichte. Das geht schon deshalb nicht, weil der Versuch auf eine Autoriät zurückweisen müsste, die ja dadurch erst erzeugt werden soll.
@Moorleiche und @Lethe...
Interessant. Moorleiche, Danke für den Radio-Link, habs gerade gehört und fand es recht kurzweilig:) Erlaubt Ihr mir, an dieser Stelle meine Gedanken zu einigen Punkten zu äussern? (Dreisterweise setze ich das hiermit voraus)
Wichtig ist mir da der Punkt freier Wille: Ist es nicht so, dass ich in meinem Willen umso freier werde, desto mehr mir meine eigentlichen Fesseln bewusst werden und ich diesen eine gewisse Berechtigung (nicht verwechseln mit Gerechtigkeit) zugestehe? -Stichwort Kompatibilismus- , doch dazu müssen mMn Bedingungen erfüllt sein. Ganz stumpf gesagt: Die Bedürfnispyramide nicht bröckeln, damit ich irgendwann so etwas wie eine neutrale oder beobachtende Position einnehmen kann, und dann kann ich mich schon wirklich glücklich schätzen, da es in dieser Welt wohl als Privileg angesehen werden kann. Global gesehen, meine ich.
Aus ungefähr dieser Perspektive blicke ich Richtung Moral/Ethik etc. und sehe diesen Komplex als eine im Hintergrund wirksame Struktur, die man wohl als universell lebenserhaltend beschreiben kann, zumindest scheint es in diese Richtung zu wirken. Phänomene wie Altruismus gehören für mich dazu. Für den einzelnen in der konkreten Situation hat moralisches oder altruistisches Denken und Handeln ja meist keine direkten positiven Konsequenzen ( ausser dem diffusen, aber guten und durchaus mächtigen Gefühl, das Richtige zu tun, vielleicht), kann sogar erstmal einen Verlust oder Schaden bedeuten. Ähnlich wohl wie bei unseren Körperzellen, die täglich zu tausenden sterben und uns damit als Lebensform erhalten. Gröber betrachtet bzw. natürlich auch im Rückblick (Thema "Entwicklung"), universeller gesehen, mag die konkrete Situation dann vielleicht doch in Richtung Erhaltung gehen. Wobei Moral dann doch noch anders zu sehen wäre als Ethik, da es hiervon verschieden Auffassungen geben kann und noch vielfältige wird es, wenn man sich Verhaltensregeln, Gesetze etc. anschaut, ganz klar. Somit kann der ganze Komplex natürlich auch von Personen/Systemen instrumentalisiert und missbraucht werden. Ethik müsste dann vielleicht als die Mutter dieser erhaltenden Strukturen gesehen werden, schlicht als lebenserhaltend.
"Ethik müsste dann vielleicht als die Mutter dieser erhaltenden Strukturen gesehen werden, schlicht als lebenserhaltend."
Wäre es dann also so, daß Ethik demnach definiert ist als ein Mittelwert, der Wert also, der sich aus Eigenwert/Selbstwert und Fremdwert erzielen ließe? Ethik als stöchiometrischer Narzißmuskoeffizient?
Ja, so aehnlich. Denn alle Lebewesen sind vom gleichen Grundwert. Aus dieser Erkenntnis koennte leicht eine globale saekulare Ethik erwachsen, basierend auf die universellen Menschenrechte und aktualisiert auf heutige Beduerfnisse.
Hoffe, es hat sich gelohnt?
Na ja^^ ich gewinne immer stärker den Eindruck, dass es da zwei fundamentale Empfindungskompartimente gibt^^ für das eine Kompartiment ist es überhaupt kein Problem, dass die Menschheit ihre Position in der Mitte des Universums und als Krone der Schöpfung verloren hat, das andere Kompartiment kämpft bei jeder sich bietenden Gelegenheit darum, irgendeine exklusive Besonderheit für sich zu reservieren, die es ermöglicht, Errungenschaften moderner Wissenschaft nicht gänzlich zu ignorieren, ohne einen starken Anthropozentrismus respektive das starke anthropische Prinzip wirklich aufzugeben, weil es (diese Kompartiment) einschlägig relevante Erkenntnisse sonst als narzisstische Kränkung erfährt^^ von daher ist Gabriel für mich nur schwer goutierbar, da ich doch eher aus dem zuerst skizzierten Kompartiment stamme^^ und bei seiner Antwort an die Frau mit dem sechsjährigen Kind hätte ich beinahe ausgeschaltet, das hat mich wirklich aufgeregt. Dass seine Logik sich in Rückkopplungsschleifen immer wieder selbst immunisiert, tut da fast schon nichts mehr zur Sache.
Ansonsten ist er ein gutes Beispiel dafür, wie sehr man sich davor hüten muss, aus gleichen Argumenten auf gleiche Absichten oder gleiche Deutung zu schließen.
und die logisch stringente und dröge Lösung ist der Kompatibilismus
Hume scheitert meiner Ansicht nach daran, dass er es nicht schafft, seine Freiheitsdefinition in Einklang mit dem Empfinden von Unfreiheit anhand bedingter Entscheidungen zu vereinbaren. Er sagt dazu zwar "Freiheit", aber das ändert nichts daran, dass in sehr vielen Fällen dabei "unfrei" empfunden wird. Insofern halte ich auch den Kompatibilismus für eine These aus den unendlichen und unendlich beliebigen Weiten modellhafter Wirklichkeitssubstrate.
Letztlich habe ich noch keine bessere Beschreibung des Faktischen als die über Freiheitsgrade gefunden. Der Begriff mag zwar im Kompatibilismus Verwendung finden, die Auffassungen dahinter sind aber verschieden. Jedenfalls bin ich aus Gründen reiner Logik entschiedener Inkompatibilist, und muss in Kombination mit den Freiheitsgraden also wahrscheinlich als Libertarianer gelten.
Tatsächlich halte ich die philosophische Aufarbeitung von Determinismus- und Willensfreiheitsfragen für eine der schwächsten Leistungen der gesamten Philosophie, mit völliger sachlicher Irrelevanz für das tatsächliche Leben, außer über den Umweg, dass diese Vorstellungen massiven Impakt auf die Gesetzgebung praktisch aller Staaten haben. Was wohl auch ihr einziger Sinn ist und nichts mit ihrer sachlichen Richtigkeit zu tun hat.
Aber wie Du mit den Anforderungen umgehst, ist wiederum Dein Bier.
Es ist bereits Zwang, sich mit Anforderungen überhaupt auseinandersetzen zu müssen. Die Art, wie diese Auseinandersetzung erfolgt, ist wiederum durch Freiheitsgrade beeinflusst und somit keineswegs allein mein Bier.
Es bedeutet, die Fähigkeit zu haben, innehalten zu können (also über sowas wie Impulskontrolle zu verfügen), rational abzuwägen und das auf der Basis je eigener, selbst gewählter und hierarchisierter Prämissen.
Wie passen Deviante zu dieser Auffassung? Sind die alle nichtwillensfrei und alle ohne Impulskontrolle?
Der Kompatibilismus besagt, dass Bedingtheit (Determiertheit) und Willensfreiheit sich nicht ausschließen.
Ja. Und ich sage, dass das Käse ist, weil dabei entweder der Determinismus oder die Willensfreiheit nicht ernst genommen wird. Was nun?
Die These, dass absolute Unbedingtheit erst die Willensfreiheit ermöglicht ist die inkompatibilistische Version der Libertarier
Mag sein, jedenfalls ist es eine Version, in der Libertarianismus auftritt. Aber die tatsächliche Antwort lautet: Wir haben keinen ideal freien Willen. Wir sind weitgehend determiniert, verfügen aber über - nicht zu großzügig zu denkende - Freiheitsgrade, die durch die grundlegend kontingente Struktur der Wirklichkeit entstehen.
Möglicherweise bin ich doch kein Libertarianer, puuh^^
Macht doch nichts. Seine Texte können Generationen lang weiter leben.
In der Tat. Aber wieviele Autoren, die mehr als 250 Jahre zurück liegen, sagen uns heute wirklich noch etwas, über die historische Anerkennung hinaus? Denken wir mal in größeren Zeiträumen, 10000 Jahre und mehr? Unser Autor wird eines Tages nichts mehr als eine gelehrte Fußnote sein, Rauschen im Rauschen. Die Nachkommen des Vaters werden dann immer noch neue Informationen einspeisen. Die "genetische Verdünnung", die du anführts, ändert auch nichts daran, dass es die nachfolgende Kette nicht gäbe, wenn der Vater kein Vater geworden wäre. Natürlich sind das nicht mehr "seine" Informationen. Aber es ist ihm zu verdanken, dass die Nachfahren die Möglichkeit überhaupt erhalten, neue Informationen zu generieren. Und Bedeutung ist etwas von Bekanntheit völlig verschiedenes
Die Ideen werden ja nicht in Reinform weiter gegeben.
Du sprachst ursprünglich von Informationen, nicht von Ideen^^
Wieso repräsentativ? Ich würde das auch als Extremerlebnis deuten.
Du konterst damit aber meine Frage, wie du im Rauschen einzelne Bewegungen von anderen Bewegungen als bedeutungstragend unterscheiden kannst. Du nimmst dafür ein Extremerlebnis als Beispiel und übergehst damit die Myriaden Bewegungen, die kein Extremerlebnis darstellen.
Aber da ich zu der Fraktion gehöre, die behauptet (auch) über spirituelle Erfahrungen könne man reden
Auch ich glaube, dass man über spirituelle Erfahrungen sprechen kann, allerdings kann man nicht über den Erfahrungsgehalt selbst sprechen sondern nur über ihre Einbindung, und selbst da möge mensch sich hüten, die Erfahrung nicht zu verspielen. Ich halte beispielsweise Eckehardt nicht für einen Höhepunkt der mystischen Literatur. Vielleicht für einen Höhepunkt der häretischen Literatur, aber das ist etwas anderes.
Selbstvergessenheit erlebe ich tausendfach
Selbstvergessenheit oder tranceartige und kontemplative Zustände mögen taugen wofür auch immer, aber gerade im Zen geht es nicht um derartige Zustände, sie werden da sogar als Verwirrtheit des Anfängers aufgefasst, der seine Aufmerksamkeit Sensationen widmet, denen er sie im Rahmen der Meditation nicht widmen sollte. Bei irgendwelchen anderen Meditationsformen mögen diese Zustände in Ordnung gehen, in der Diamant- oder Zen-Meditation sind sie nichts als Ablenkungen. Unio mystica-Erlebnisse sind kein Zen.
aber ist das schon die Schwelle des Bewusstseins? Ich weiß es nicht? Wir haben das ja auch. Wie können den Kniesehnenreflex auslösen, dies bewusst beobachten und dennoch (per Willenskraft) nichts dagegen tun.
Das hängt vom angelegten Bewusstseinsbegriff ab. In der Gabrielschen Geistwelt natürlich nicht^^ in meiner Welt schon^^
Kontingenz muss das nicht sein, wir kennen die Gründe nur nicht. Das ist die dunkle Phase.
Schutzbehauptung^^
Die unbewusste Bewusstheit. Da hat schon Wittgenstein Einspruch erhoben.
Mag sein^^ auch hier hängt es vom angelegten Bewusstseinsbegriff ab. Hältst du Fliegen für biologische Roboter?
Entscheidend ist die Frage nach der Ausschließlichkeit. „Alle“ oder „Einige“?
Werkzeuge können in vielerlei Kontext auftreten und nützlich sein, natürlich. Das ändert aber nichts daran, dass diese Frage machtrelativ ist und dass die entsprechenden Verfügungen herrschaftlicher Instanzen verbindlich - weil machtbehaftet - sind, während die entsprechenden Hoffnungen nichtherrschaftlicher Instanzen oder Personen bestenfalls Appell-Charakter haben, bei dem es auch bleibt trotz noch so sachlich elaborierter Ausarbeitung. Schwingen dürfen diese Werkzeuge alle und jeder; aber nur mit Macht dahinter bewirken sie etwas. Diese Erkenntnis haben die Mächtigen den Idealisten um wenigstens 5000 Jahre voraus, und die Idealisten sträuben sich heute immer noch dagegen, während sie schon seit je von ihren anscheinend eigenen Moralvorstellungen im goldenen Käfig der Mächtigen an der Nase herum geführt werden.
aber ist damit bereits alles über Moral gesagt?
Das wesentliche, was über Moral gesagt werden muss, lautet, dass sie ohne Machtunterfütterung bedeutungslos ist. Alles weitere sind Träumereien der Machtlosen.
Die spannende Frage ist, wieso das eigentlich geklappt hat.
Unsere Moraldiskussion zeigt, warum das geklappt hat und noch sehr lange klappen wird. Menschen werden dazu gebracht, dass ihnen bestimmte Dinge etwas bedeuten, und dann glauben sie, dass diese Dinge wirklich etwas bedeuten, und sie ignorieren völlig, dass ihnen das von Leuten beigebracht wurde, für die diese Dinge außer als Machtmittel nicht das Geringste bedeuten. und kommen daher nie bis zu der Frage, warum ihnen das wohl alles in dieser spezifischen Charakteristik beigebracht wurde.
Es klingt so, als stünde die schlechte und manipulative Absicht am Beginn der Geschichte.
Am Anfang der Geschichte steht mit all seiner Gewaltbereitschaft und Gewaltfähigkeit das Alphamännchen des aus vielleicht 40 bis 50 Personen bestehenden nomadischen Jägerstammes. Anlässlich der Sesshaftwerdung erkannte das Männchen, dass plötzlich zu viele Personen zusammenkommen, als dass er die alle würde erschlagen können. Aber Alphamännchen sind nicht automatisch dumm, nur weil sie bessere Killer sind. Und plötzlich werden aus Schamanen Priester und endlich ist der ganze transzendente Scheiß mal für was nützlich^^
Von einer Definitionwahrscheinlich Lichtjahre entfernt... Eher eine Ahnung. Lässt sich sowas überhaupt definieren?
Wollen sie Ethik berechnen ? :) Ist Ethik ein Wert ?? In Mathe war ich schon immer mies, halte es da eher mit Bildern... und sehe Ethik als lebenserhaltende Struktur, wie auch Stoffwechsel- und Energiekreisläufe welche sind. Nur auf anderer Ebene. Schwer fassbar, genauso, wie wenn man fragt was das Ich/Selbst eigentlich ist. Oder das Leben. Oder handfester: Berechnen Sie mir eine Kaffeetasse. Welche Faktoren braucht man dazu? Wobei die Kaffeetasse natürlich den Vorteil hat, dass wir Sinnesorgane haben, um gewisse ihrer Qualitäten wahrzunehmen, und wir sie täglich völlig bewusst gebrauchen, sie ist zum größten Teil wohl in unserer materiellen Alltagswelt zuhause. Lohnt sich also nicht, über sie zu philosophieren. Vielleicht gibt es Entitäten, die über Ethik so reden können, wie wir über Kaffeetassen, aber in deren Welt würde evtl. unser Bewusstsein zu Suppe gerinnen und uns aus den ohren tropfen ;)
Ist es nicht so, dass ich in meinem Willen umso freier werde, desto mehr mir meine eigentlichen Fesseln bewusst werden und ich diesen eine gewisse Berechtigung (nicht verwechseln mit Gerechtigkeit) zugestehe?
Ich will, was ich wollen kann und nenne es Freiheit, weil ich alles, was ich nicht wollen kann, nicht will^^ kann man so sehen, halte ich aber für ein Schönreden der Wirklichkeit
Kennt ihr schon Herrn Bundesrichter Fischer, liebe Freunde?
Auch ein guter Vertreter von logischen Schlussfolgerungen und saekularer Ethik.)
Fischer im Recht / Drogenpolitik: Legalize it!
Eine Kolumne von Thomas Fischer
Nun ist sie wieder da, die schöne Zeit des Glühweins und des Champagners. Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen – über das Verbot von berauschenden Substanzen!
Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen. Weitere Artikel seiner Kolumne finden Siehier – und auf seiner Website.
Der gute Alk
Alkohol ist eine psychogene Droge mit hohem Suchtpotenzial. Es ist nicht so groß wie bei Nikotin oder Opiaten, aber immerhin bringt es – je nach Kultur – zwischen zwei und zehn Prozent der Konsumenten in die bedrückende Lage eines Abhängigkeitssyndroms oder dauerhaft grenzwertigen Missbrauchs mit psychosozialer Auffälligkeit. In Deutschland sind das etwa 2,5 Millionen Menschen, also, zurückhaltend geschätzt, jeder 25. Erwachsene. Der Anteil der Frauen steigt kontinuierlich. Sieben Prozent der Jugendlichen in Deutschland konsumieren eine Alkoholmenge, die auch für Erwachsene hochriskant wäre. Der Deutsche im Durchschnitt trinkt mehr als zehn Liter reinen Alkohols pro Jahr. Das sind, Kleinkinder, Abstinente und Pflegebedürftige abgezogen, Gelegenheitstrinker eingerechnet, 500 Liter Bier oder 200 Liter Wein. Bei Männern fällt die Kurve im Laufe des Lebens ab, bei Frauen steigt sie an. Alkohol ist (in der Europäischen Union) die häufigste Todesursache bei Männern unter 25. Ungefähr 7,5 Prozent aller Todesfälle lassen sich zweifelsfrei auf Alkoholkonsum zurückführen.
Zur Anregung Ihrer Assoziationen hier einige Stichworte: Wesensveränderung, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Gewalttätigkeit, Fehlzeiten, Unfallraten, Co-Alkoholismus, Kinderelend, Impotenz. 10.000 alkoholgeschädigte Neugeborene pro Jahr. Geschrei, Gepöbel, Scheidungen, Erbrechen, Filmriss.
Die Kosten für die kurzen Phasen der Begeisterung an der Welt und sich selbst: 100 Milliarden Euro. Stellten wir das Saufen ein, könnten wir vom Ersparten ganz Afrika ein Leben subventionieren, das unserem Standard von vor 100 Jahren entspricht.
Gleichheit
Artikel 3 Absatz 1 unseres Grundgesetzes sagt: Der Staat muss Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Das ist übrigens auch eine Schlussfolgerung aus dem Grundsatz der Menschenwürde. Der Leitsatz 4 des berühmten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (Aktenzeichen 2 BvL 43, 51, 63, 70 und 80 aus 1992, 2 BvR 2031/1992, veröffentlicht in der Sammlung der Entscheidungen des BVerfG, Band 90, Seite 145) lautet:
"Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber konnte ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol oder Nikotin andererseits unterschiedlich regeln."
Und Leitsatz Nr. 1 der Entscheidung lautet:
"Für den Umgang mit Drogen gelten die Schranken des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. Ein 'Recht auf Rausch', das diesen Beschränkungen entzogen wäre, gibt es nicht."
Die Entscheidung erging gegen (mindestens) zwei abweichende Stimmen. Dem Kolumnisten ist unbekannt, wie es um den Alkohol-, Nikotin- und sonstigen Drogenkonsum der damals mitwirkenden Senatsmitglieder bestellt war. Der Beschluss betraf ein Vorlageverfahren, in dem eine Strafkammer aus Lübeck es wagte, die Verfassungsmäßigkeit der Strafbarkeit von Erwerb, Besitz und Einfuhr von Cannabisprodukten zum Zweck des Eigenkonsums infrage zu stellen (2 BvL 43/92).
Ach, was haben wir gelacht! "Recht auf Rausch" aus Artikel 2 Absatz 1! Grundgesetz! Da erbricht sich der deutsche Verfassungsrechtler vor Lachen hinter das Hacker-Pschorr-Zelt oder unter die Kamellen-Kanone am Heumarkt in Köln.
Hohn, Verachtung, Mobbing, Ausgrenzung wurden dem Vorsitzenden der Lübecker Strafkammer für seine Vorlage zuteil, von Heerscharen deutscher Richter und Staatsanwälte, die sich noch bei jedem geselligen, vom Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr jährlich gesponserten "Trinktest" in der örtlichen forensischen Psychiatrie gegenseitig unter den Tisch getrunken haben. Am nächsten Morgen aber, kaum dass die doppelte Dosis "Aspirin Komplex" (mit der entscheidenden Prise Ephedrin) ihre Wirkung tat, traten sie dem Drogenkonsum im Allgemeinen mit der gewohnten Wucht der Verachtung und dem Haschischraucher im Besonderen mit furchtsamem Ekel entgegen und verhängten für das Handeltreiben mit 20 Gramm Haschisch eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Und wer ob dieser ausgewogenen Ungleichheit des Ungleichen seinen Job verliert, den sittlichen Halt oder die Ehrfurcht vor dem Rechtsstaat, der mag es sich künftig früher überlegen: Des Landvogts Hut ist auch dann bei Strafe zu grüßen, wenn das Rechtsgut des öffentlichen Friedens kaum von Bluthunden noch erschmeckt werden kann.
Fragt man die Richter, wie denn das eine mit dem anderen zusammenpasst, erhält man skurrile Antworten, die nichts mit der Sache, aber viel mit dem Landvogt zu tun haben. "Es ist halt nun einmal verboten", spricht blutunterlaufenen Auges der Weizenbierfreund, und Johnny Walkers Kumpel nicken bedeutend. Herr Justizminister hebt den Humpen, die Gattinnen nippen am Eierlikör.
Nach dieser Logik befürwortet man das Saufen von Methylalkohol und verhängt Sicherungsverwahrung für die Einfuhr von zweiprozentigem Marihuana. Man bestraft das Halten von Dackeln und subventioniert die Zucht von Rottweilern. Und der Gesetzgeber ist völlig frei in seiner Gestaltungsmacht, Autos unter 100 PS bei Strafe zu verbieten. Wer das verrückt findet, ist gewiss ein Justizfeind.
Haschisch ist gut für mittelfristige Fluchten in die Dimension der Verlangsamung
Risiken
Ja, liebe Tanten: Cannabis ist eine Droge. Wie jede ihrer Art führt sie, kaum appliziert, zu exzessiven Verhaltensweisen, in diesem Fall cannabisspezifischen: stundenlanges Herumhängen, albernes Lachen, Bedeutsamkeitsfantasien. Bei sehr geringer Aggressivität übrigens!
Hören Sie, wenn möglich, Eleanor Rigby (Lennon/McCartney) in der Version von Vanilla Fudge. Sie werden merken, was ich meine. Sie können ersatzweise auch Popol Vuh nehmen, oder Tago Mago von Can.
Wenn man Cannabisprodukte exzessiv, in jungen Jahren und über lange Zeiträume zu sich nimmt, sozial ungefestigt, psychisch labil und im Allgemeinen ziellos ist, entwickelt man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Persönlichkeitsbild, das als "krank" bezeichnet werden kann: Antriebslosigkeit, Flachheit der Emotion, in seltenen Einzelfällen, deren Ursachenzusammenhang noch unklar ist, auch psychotische Verwirrtheit bis hin zur dauerhaft-rezidivierenden paranoiden Psychose. Beim Haschisch kommt das in ungefähr einem Promille der Fälle massiven Konsums vor. Beim Alkohol in 10 Prozent der Fälle.
Ergebnis: Alkohol ist gut für kurzfristige Fluchten in die Dimension der Beschleunigung, hat aber – sicher – verheerende Folgen für die Wirklichkeit. Haschisch ist gut für mittelfristige Fluchten in die Dimension der Verlangsamung und hat – unter Umständen – schädliche Folgen für die soziale Orientierung. Das Verhältnis, in dem sich beide Risiken realisieren, liegt allerdings bei eins zu hundert.
Noch an der Supermarktkasse können Sie, liebe Leserin, kleine Flaschen mit Wodka oder Cognac erwerben: zum Kochen selbstverständlich! Sie bekommen Treuepunkte dafür. Sollten Sie jemals jemandem versprechen, einen Kurier vom Bahnhof abzuholen, der 50 Gramm Haschischharz aus Rotterdam mitbringt, kriegen Sie dafür ein Jahr Freiheitsstrafe. Auch wenn in der Tüte nur Zimtsterne sind.
Rausch
Vor der Entscheidung von 1994 wurde der Rausch nicht als Menschen-Recht diskutiert, sondern als Menschen-Zustand. In den 500.000 Jahren unserer Geschichte haben wir Menschen uns mithilfe von Substanzen in einen Zustand des Rausches, der Exzeptionalität, der Unlogik, des Schwindels über der Ewigkeit versetzt, und werden dies gewiss auch in den nächsten 100.000 Jahren tun. Hieraus ergibt sich, verehrtes Bundesverfassungsgericht, zwar kein gesichert ewiges Menschenrecht auf Rausch. Aber doch immerhin vielleicht eine kleine Vorstufe davon. So wie aus der Art unserer Fortpflanzung ein Menschenrecht auf sexuelle Betätigung, selbst wenn sich die Sache inzwischen hygienischer erledigen ließe. Vielleicht, liebe Richter, könnte man nach 20 Jahren einmal neu darüber nachdenken, ob es nicht wenigstens ein bisschen Menschenrecht auf Rückzug und Eigenverantwortung gibt, dort, wo kein anderer geschädigt wird.
Der Umgang der Masse mit dem Rausch ist immer gleich, funktional, widersprüchlich. Er gilt als soziale Pflicht (Feste), heilige Erfüllung (Priester), seherische Inspiration (Künstler), zugleich und daneben als haltlos, eigensüchtig, bequem. Noch dem körperlich zerrütteten Alkoholiker oder Fixer wird unterschwellig vorgeworfen, sich "ein schönes Leben zu machen" auf Kosten der Nüchternen.
Und überhaupt: Was ist mit dem "Rausch der Sinne", dem "Rausch der Geschwindigkeit", dem "Rausch der Gewalt", dem "Rausch der Musik", in den sich die sogenannten "Musikfreunde" täglich drehen? Was ist mit all dem Espresso und den Räucherstäbchen und den jährlich zwei Milliarden Euro Umsatz für Psychopharmaka in Deutschland?
Wenn man das Gesamte anschaut: Wie kann man da auf den abwegigen Gedanken kommen, ausgerechnet Cannabis, das am wenigsten körperlich schädigende, am wenigsten suchterzeugende, seit Jahrtausenden erprobte Rauschmittel, müsse mit drastischen Strafdrohungen verfolgt werden, während zugleich an jeder Ecke der Obstbrand des Jahres und der Gourmet-Wein des Jahrzehnts gepriesen werden und die Sommeliers die Vornamen der Reben auswendig lernen müssen?
Prohibition ist absurd, unvernünftig, kontraproduktiv
Prohibition
Wir wissen nicht, wer die Prohibition erfunden hat. Wahrscheinlich der Amerikaner. Vielleicht auch dieser Calvin, ein Genfer Franzose der harten Sorte. Sie ist aber, ob Sie es glauben oder nicht, ein Kind des Kapitalismus. Disziplin! Pünktlichkeit! Gottesfurcht! Das ist – tausendmal erforscht und bewiesen – ein hilfloser Reflex auf das unausrottbare Gegenteil. Was den Menschen von der Maschine unterscheidet, wurde 99.000 Jahre lang nicht überlegt. Erst als es Maschinen gab, wurde es zum beherrschenden Thema: die Unzuverlässigkeit, die Willkür, die bedenklich assoziative Zusammensetzung von Sinn. Das ist ganz schlecht, wenn man Brandenburgische Konzerte komponieren will, und noch schlechter für die Präzision der Weberei, der Blechnerei und Stahlröhrenproduktion, vom Betonbau ganz zu schweigen.
Das beunruhigende Gegenbild: Wenn das Wesen unseres Selbst so abhängig ist von den Umständen der Produktion unserer Welt, denken wir über uns dann nicht mit den Hirnen der Maschinen, sehen wir uns nicht mit ihren Augen? Karl Marx, ein ungewöhnlich intelligenter Mensch und gleichwohl dem "Likör" zugetan, hat das so gesehen. Ob er im Hyde Park gelegentlich cannabinoide Substanzen zu sich nahm, wissen wir nicht, vermuten es aber in Ansehung der einen oder anderen seiner Fußnoten.
Über Prohibition ist hundertmal alles gesagt. Sie ist absurd, unvernünftig, kontraproduktiv. Grausam, bigott, verrückt, nutzlos. Albern. Selbsttragend, zirkelschlüssig, menschenverachtend, verlogen.
Niemals und durch nichts ist "Verbrechen" so befördert worden wie durch die Prohibition von Drogen. Das galt in den zwanziger Jahren in den USA im Hinblick auf Alkohol; es gilt mindestens (!) gleichermaßen seit den fünfziger Jahren im Hinblick auf andere Drogen. Erneut unter Führung der bigotten Abstinenzmoral der USA findet seit vier Jahrzehnten ein sogenannter War on Drugs statt, der zwar viele Ingredienzien einer drogeninduzierten Horrorvision aufweist, aber kaum rationalen Anteil. Seine nicht mehr unterbietbaren kulturellen Tiefpunkte erreicht dieser Feldzug der Abstinenz-Moral immer dann, wenn höchste staatliche Würdenträger mit schwerer Zunge und hart ersoffenen Tränensäcken die "Ausmerzung" der Drogen und der dazugehörenden "Geldwäsche" befehlen. Über diesen lustigen Auftritten dürfen wir allerdings nicht vergessen, was gemeint ist.
Die milliardenschweren Paten des Drogenhandels, die inzwischen halbe Kontinente beherrschen oder terrorisieren, sind nichts als die ekligen Fettaugen der Prohibition. Heroin, das Hustenmittel der Bayer AG, wird unter den wachsamen Augen der Bundesverteidigungsministerin in nie gekannter Menge in Afghanistan produziert, während die Freunde aus Amerika die Volksgesundheit mit Brandbomben fördern.
Filmempfehlungen für diese Woche: Maria voll der Gnade (Joshua Marston, 2005) und Dr. Alemán (Tom Schreiber, 2008).
Unser Deutschland
O'zapft is! Mainz trinkt und lacht. Deal. Hauptbahnhof. Bonner Loch und Vietnamesenmarkt in Polen. Haschischplantagen am Rhein. Der Innenminister, noch angeschickert vom vorabendlichen Treffen mit Parteifreunden, zeigt stolz auf 17 Kilo Cannabisharz, Wirkstoffgehalt 9,5 Prozent THC. Schon wieder ein Schlag gegen die Drogenmafia! Strafschärfend finden wir die hohe kriminelle Energie. Strafmildernd das geringere Suchtpotenzial und natürlich, dass das ganze Geschäft vom Landeskriminalamt eingefädelt und überwacht worden ist. Sagen wir: fünf Jahre Freiheitsstrafe. Wie aufregend, Herr Minister, flüstert die Geliebte auf Ecstasy.
Ja nun, sagt der Revisionsrichter, das ist halt so. Wenn morgen das Fressen von Kartoffelpuffern mit Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bedroht wird, wird der deutsche Revisionsrichter einen Teufel tun und sich überlegen, ob das was mit der Verfassung zu tun hat. Denn zu was, Kollegen, sind wir gewählt, wenn nicht zur Verwerfung von Revisionen? Und überhaupt: Wer so fragt, führt ersichtlich Böses im Schilde. Denn Kartoffelpuffer sind ja nun wirklich ein total überzogenes Beispiel. Und außerdem: mit oder ohne Apfelmus?
Das Betäubungsmittelstrafrecht in Deutschland ist ein großes Elend. Es produziert Elend, und trägt es fort und fort. Nichts ist in den letzten 40 Jahren dadurch besser geworden: weder gibt es weniger Süchtige noch weniger Straffällige noch weniger soziale Probleme. Was es gibt, ist allerdings eine gigantische, milliarden-verschlingende Prohibitionsindustrie, die die Preise hoch, die Qualität der Drogen miserabel und das Elend der Abhängigen konstant hält. Und eine Polizei-Industrie, der zur immerwährenden "Bekämpfung" fast alles erlaubt wird. Honi soit qui mal y pense.
Wie es enden wird, ist klar: "Legalize it!"
Cannabis
Cannabis hat mit alldem nur ein bisschen, nur teilweise, nur zeitweise zu tun: so viel wie Mohnkuchen mit dem Opiumkrieg, oder Champagner Rosé mit dem Obdachlosenheim, oder das Mittagstief in der Kreativ-Abteilung mit dem doppelten Espresso und der Line Kokain vor dem Abtanzen.
Drei Millionen Menschen in Deutschland konsumieren regelmäßig Cannabis: Haschisch, Marihuana, ein paar andere Produkte. Vielleicht ein halbes Prozent von ihnen hat die Droge und das eigene Leben nicht im Griff. Beim Alkohol sind es zehn Prozent. Wir lesen noch einmal den Leitsatz unseres Verfassungsgerichts: "Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen", und können ihn doch nicht verstehen.
Der Richterkollege aus Lübeck, der vor 25 Jahren dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Grundgesetzwidrigkeit des Cannabis-Verbots vorlegte, war übrigens noch Jahre später mit dem Bann belegt. Als er im Jahr 2001 für den Bundesgerichtshof vorgeschlagen wurde, erteilte ihm dessen Präsidialrat das schlechteste der möglichen Eignungsprädikate: "nicht geeignet".
THOMAS FISCHER
ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen. Weitere Artikel finden Sie hier – und hier seine Website.
Und als er vom Richterwahlausschuss dennoch gewählt wurde, diskutierte die Kantine wochenlang, wie er unschädlich zu machen sei: Hannibal ante portas! Die Vizepräsidentin erklärte öffentlich: "Wir sehen uns außerstande, … den Kollegen bei uns zu beschäftigen"; der Richterrat des BGH (zuständig für die verdienstvolle Ausrichtung eines Gänsebratenessens im Jahr) und der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte (eine Unterabteilung des Deutschen Richterbundes, zuständig für allerlei bedeutende Stellungnahmen) schrieben Briefe an die Mitglieder des Richterwahlausschusses und die Bundesjustizministerin, die einem Thomas Münzer zur Ehre gereicht hätten. RRRevolución!
Die Sache erledigte sich schnell und auf dem üblichen Weg, also durch kurze Hinweise aus den Tiefen der Personalplanung. Der drogeninduzierte Richter wurde zum Mitglied eines zivilrechtlichen Senats mit einer Spezialmaterie bestimmt, von der er garantiert nicht das Mindeste verstand. Der deutsche Volljurist kann halt alles. Als er kam, grüßten ihn manche, manche nicht. Wer ihn mittags in der Kantine gesehen hatte, berichtete anschließend, er habe ihn mittags in der Kantine gesehen. Er habe friedlich gewirkt.
Ausblick
Wie es enden wird, ist klar: Legalize it! Verrückte Holländer, ungenannte Randständige haben es vorgemacht. Coffeeshops in NL! Haben Sie mitgekriegt, liebe Mitbürger, dass die Zufuhr von THC aus diesen Verbrecherhöhlen unser schönes Deutschland an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat? Ist Ihnen aufgefallen, dass unsere heimische Schnapsindustrie einen Rückgang von 0,7 Prozent verzeichnet?
Oregon, Kalifornien; Haarlem (NL): Legalized. Oder Malaysia: Todesstrafe. Wir sollten uns bald einmal entscheiden. Bill Clinton hat ein einziges Mal Marihuana geraucht, garantiert ohne zu inhalieren. Und ist davon doch verrückt geworden: I never had any relations with that stuff. Der Kolumnist hat immer inhaliert, ist aber kein bisschen verrückt. Von den 12- bis 17-jährigen deutschen Jungs inhalieren das Nervengift Nikotin ungefähr 17 Prozent. Und fahren, nach einem Abschiedsbesäufnis für den War on Drugs gen Afghanistan.
Es ist also nur eine Frage der Zeit und der Fantasie und der Vernunft: Das Bundeskabinett wird sich ein Tässchen Haschisch-Tee gönnen am Mittwoch, und in den Talkshows darf wieder geraucht werden – und gelacht. Die deutschen Strafrichter werden sagen: "Das habe ich immer schon gemeint. Aber ich werd' ja nicht fürs Nachdenken bezahlt"; oder "Es ist ja auch nicht alles schlecht gewesen". So wie beim Ehebruch, oder bei der Strafbarkeit homosexueller Handlungen, oder der Gotteslästerung. Ein paar von ihnen werden sich schämen: für ihre Unterwürfigkeit unter den puren Blödsinn. Und ihre Feigheit, sich dem zu fügen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vorerst gilt: Besinnliche Feiertage! Lassen Sie die Korken knallen!
Ein großer Haken an der Legalisierung ist, das Cannabis auch ein Medikament ist. Die Pharma würde vielleicht sehr sehr sehr viel Geld, das zum Beispiel mit teuren Antiepileptika wie Levetiracetam oder Carbamazepin gemacht wird, verlieren. Man stelle sich vor die Patienten wären in der Lage eigene Medikamente herzustellen, was damals in den Niederlanden übrigens das Hauptargument für die Legalisierung war. Carbamazepin z.B. ist ein THC -Derivat... nicht sonderlich berauschend aber dafür mit anderen Nebenwirkungen.
greetings from the pit -abghoul
Hallo Krümmel
„Wichtig ist mir da der Punkt freier Wille: Ist es nicht so, dass ich in meinem Willenumso freier werde, desto mehr mir meine eigentlichen Fesseln bewusst werden und ich diesen eine gewisse Berechtigung (nicht verwechseln mit Gerechtigkeit) zugestehe?“
Nein, eigentlich nicht. Freiheit zerfällt in Willens- und Handlungsfreiheit und Handlungsfreiheit heißt einfach, dass Du das, was Du willst, auch umsetzen kannst. Wenn Du aufstehen willst, aber gefesselt bist, dann kannst Du das immer noch wollen, aber nicht tun. In dem Fall wärst Du Dir auch Deiner Fesseln bewusst, bringt Dir aber nichts.
„Moral/Ethik etc. und sehe diesen Komplex als eine im Hintergrund wirksame Struktur, die man wohl als universell lebenserhaltend beschreiben kann, zumindest scheint es in diese Richtung zu wirken. Phänomene wie Altruismus gehören für mich dazu.“
Ja, das sind sie ganz bestimmt.
„Für den einzelnen in der konkreten Situation hat moralisches oder altruistisches Denken und Handeln ja meist keine direkten positiven Konsequenzen ( ausser dem diffusen, aber guten und durchaus mächtigen Gefühl, das Richtigezu tun, vielleicht), kann sogar erstmal einen Verlust oder Schaden bedeuten.“
Richtig. Und die Idee, dass man nur etwas tut, um nachher größeren Gewinn davon zu tragen, ist auch widerlegt.
„Ähnlich wohl wie bei unseren Körperzellen, die täglich zu tausenden sterben und uns damit als Lebensform erhalten.“
Wobei die absichtslos „handeln“. Handlung bedeutet philosophisch, dass man etwas bewusst tut, anders als z.B. ein Reflex.
„Ethikmüsste dann vielleicht als die Mutter dieser erhaltenden Strukturen gesehen werden, schlicht als lebenserhaltend.“
Ich glaube, Ethik regelt mehr, als dass sie nur unser Überleben sichert. Das Überleben kann man auch mit einfachen Regeln sichern, wie man sie im Tierreich findet. Ethik hat den Anspruch eine Art universeller Gerechtigkeit anzustreben und das ist mehr als Überleben.
Hallo Lethe.
„Na ja^^ ich gewinne immer stärker den Eindruck, dass es da zwei fundamentale Empfindungskompartimente gibt^^ für das eine Kompartiment ist es überhaupt kein Problem, dass die Menschheit ihre Position in der Mitte des Universums und als Krone der Schöpfung verloren hat, das andere Kompartiment kämpft bei jeder sich bietenden Gelegenheit darum, irgendeine exklusive Besonderheit für sich zu reservieren, die es ermöglicht, Errungenschaften moderner Wissenschaft nicht gänzlich zu ignorieren, ohne einen starken Anthropozentrismus respektive das starke anthropische Prinzip wirklich aufzugeben, ...“
Verstehe ich wirklich nicht. Was hat das mit Krone der Schöpfung zu tun? Der Anthropozentrismus, falls vorhanden, ist eher ein methodischer. Wir haben halt nur unsere Perspektive. Naturalisten tun manchmal so, als sei ihre Perspektive keine, sondern „die Wahrheit“ und da wird es problematisch und dagegen steht u.a. Gabriel.
„Dass seine Logik sich in Rückkopplungsschleifen immer wieder selbst immunisiert, tut da fast schon nichts mehr zur Sache.“
Wo konkret?
„Hume scheitert meiner Ansicht nach daran, dass er es nicht schafft, seine Freiheitsdefinition in Einklang mit dem Empfinden von Unfreiheit anhand bedingter Entscheidungen zu vereinbaren. Er sagt dazu zwar "Freiheit", aber das ändert nichts daran, dass in sehr vielen Fällen dabei "unfrei" empfunden wird. Insofern halte ich auch den Kompatibilismus für eine These aus den unendlichen und unendlich beliebigen Weiten modellhafter Wirklichkeitssubstrate.“
Hume ist auch nicht der beste Kandidat für den Kompatibilismus, sehr schön hat Beckermann das dargestellt:
http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit
„Letztlich habe ich noch keine bessere Beschreibung des Faktischen als die über Freiheitsgrade gefunden. Der Begriff mag zwar im Kompatibilismus Verwendung finden, die Auffassungen dahinter sind aber verschieden. Jedenfalls bin ich aus Gründen reiner Logik entschiedener Inkompatibilist, und muss in Kombination mit den Freiheitsgraden also wahrscheinlich als Libertarianer gelten.“
Dann zeig mal Deine Gründe her, gerade, wenn es um Logik geht.
Das Grundproblem einer echten libertaristischen Position ist, dass niemand erklären kann, was ein Ich ist, das frei von jedweden Ursachen oder Einflüssen entscheidet. Wie soll das gehen und wo? Darum findet man im Lager der inkompatibilistischen Deterministen auch immer eine Abgrenzung gegen die Libertatier, was man aber tatsächlich nie findet, ist ein echter Libertarier. (Geert Keil ist ein gemäßigter.)
„Tatsächlich halte ich die philosophische Aufarbeitung von Determinismus- und Willensfreiheitsfragen für eine der schwächsten Leistungen der gesamten Philosophie, mit völliger sachlicher Irrelevanz für das tatsächliche Leben, außer über den Umweg, dass diese Vorstellungen massiven Impakt auf die Gesetzgebung praktisch aller Staaten haben.“
Kann ja sein, aber auch hier fehlt die Begründung. Was ist schwach, was fehlt? Ich sehe die Schwäche nicht.
„Es ist bereits Zwang, sich mit Anforderungen überhaupt auseinandersetzen zu müssen. Die Art, wie diese Auseinandersetzung erfolgt, ist wiederum durch Freiheitsgrade beeinflusst und somit keineswegs allein mein Bier.“
Aber nicht anders möglich. Du bist ja immer schon in 1000 Gegebenheiten eingebunden und das meinst Du ja vermutlich auch. Aber warum schränkt das die Freiheit ein? Dreh das mal um: Ideale Freiheit wäre demnach, wenn Du in keinerlei Kausalverknüpfungen stecktest. Nur, sag' mir mal, was Du dann wollen würdest und warum gerade das? Ob ein guter Rotwein, Friede oder Gerechtigkeit, auf all das kannst Du nur kommen, durch den Kontakt mit Welt. Dein Szenario ist gottgleich aber vor allem auch implizit wunschlos.
Ist die Bedingung der Gottgleichheit als einziger Form der Freiheit nicht ein wenig stark? Und was ist dann wirklich mit den graduellen Unterschieden zwischen Stein, Maus und Mensch?
Wenn Du ein prinzipiell unerfüllbares Szenario anstrebst, ist es kein Wunder, dass jeder die Latte reißt. Kann man machen, aber damit ist die Frage was in einem lebbaren Sinn Freiheit meint, obsolet.
„Wie passen Deviante zu dieser Auffassung? Sind die alle nichtwillensfrei und alle ohne Impulskontrolle?“
Man ist ja nicht in allen Situationen frei. Ein Süchtiger, jemand der erpresst wird, ist sicher in seiner Freiheit eingeschränkt. Ein Idiot oder jemand der psychotisch oder dement ist, auch. Darum werden die ja auch tatsächlich nicht (oder eingeschränkt) bestraft.
„Ja. Und ich sage, dass das Käse ist, weil dabei entweder der Determinismus oder die Willensfreiheit nicht ernst genommen wird. Was nun?“
Nun brauchst Du Nachhilfe.
Was ist Freiheit für Dich, was ist Determinismus für Dich?
Wenn Du den mühsamen Gang überspringen willst (aber Freiheit solltest Du schon positiiv definieren), ist der Clou der Geschichte unsere Unwissenheit. Die ist prinzipieller Natur. Der Kompatibilismus ist mit „sanfter Determinismus“ sehr unglücklich beschrieben, denn eigentlich ist er, da Gedankenexperiment, eisenhart. Er setzt 100%igen Determinismus voraus (ob der real gegeben ist oder nicht, braucht uns nicht zu interessieren) und fragt: Gesetz, das sei der Fall, ist Freiheit dann möglich?
Alles in dieser komplett determinierten Welt wäre also vorherbestimmt, absolut alles! Ernster kann man den Determinismus nicht nehmen. Und nun zur Freiheit. Hier heißt es: Wie können wir den frei sein, wenn alles vorherbestimmt ist? Und die Antwort ist, dass wir ja nicht wissen, was kommen wird. Wir haben gerade nicht die Gottesperspektive inne. Also ist das Universum für uns so, wie es uns erscheint und genau damit müssen wir umgehen. Und doch können wir ja genau das machen: Innehalten, rational abwägen und das auf der Basis je eigener, selbst gewählter und hierarchisierter Prämissen entscheiden.
Wenn Du sagst, das sei keine Freiheit würde ich fragen: a) Was fehlt? b) Wie sieht Deine aus?
„Aber die tatsächliche Antwort lautet: Wir haben keinen ideal freien Willen. Wir sind weitgehend determiniert, verfügen aber über - nicht zu großzügig zu denkende - Freiheitsgrade, die durch die grundlegend kontingente Struktur der Wirklichkeit entstehen.
Möglicherweise bin ich doch kein Libertarianer, puuh^^“
Nein, Du bist dann tatsächlich ein inkompatibilistischer Determinist. Das ist doch gut, hätten wir das schon mal geklärt. Dennoch entbindet es Dich nicht davon Freiheit zu definieren. Davor drücken sich ausnahmslos alle Deterministen. Gerade wenn es um Logik geht.
„In der Tat. Aber wieviele Autoren, die mehr als 250 Jahre zurück liegen, sagen uns heute wirklich noch etwas, über die historische Anerkennung hinaus?“
Oh, ich denke Sophokles oder Homer rühren uns nicht ohne Grund an, die antiken Philosophen waren auch nicht blöd. Das Problem ist eher, dass sie nicht gelesen werden.
„Denken wir mal in größeren Zeiträumen, 10000 Jahre und mehr? Unser Autor wird eines Tages nichts mehr als eine gelehrte Fußnote sein, Rauschen im Rauschen.“
Die großen Fragen bleiben. Solange wir Menschen sind. Liebe und Hass, Krieg und Frieden, Leben und Tod, Gerechtigkeit und Freiheit motivierten uns schon immer.
„Die Nachkommen des Vaters werden dann immer noch neue Informationen einspeisen. Die "genetische Verdünnung", die du anführts, ändert auch nichts daran, dass es die nachfolgende Kette nicht gäbe, wenn der Vater kein Vater geworden wäre. Natürlich sind das nicht mehr "seine" Informationen. Aber es ist ihm zu verdanken, dass die Nachfahren die Möglichkeit überhaupt erhalten, neue Informationen zu generieren.“
Das ist fraglos richtig, aber wenn Du wirklich in großen Dimensionen denken willst, dann nehmen uns dereinst vielleicht Roboter die Arbeit ab und die Informationen werden durch sie weiter gegeben.
„Du sprachst ursprünglich von Informationen, nicht von Ideen^^“
Kein Problem, auch die verändern sich ja. Wissen wir ja nicht zuletzt aus der Epigenetik.
„Du konterst damit aber meine Frage, wie du im Rauschen einzelne Bewegungen von anderen Bewegungen als bedeutungstragend unterscheiden kannst. Du nimmst dafür ein Extremerlebnis als Beispiel und übergehst damit die Myriaden Bewegungen, die kein Extremerlebnis darstellen.“
Extremerlebnisse sind doch immer das, was übrig bleibt. Dass man sich 36.000 mal die Schuhe zugebunden hat ist sicher keine prägende Erfahrung.
„Auch ich glaube, dass man über spirituelle Erfahrungen sprechen kann, allerdings kann man nicht über den Erfahrungsgehalt selbst sprechen sondern nur über ihre Einbindung, und selbst da möge mensch sich hüten, die Erfahrung nicht zu verspielen.“
Ja, da sind wir bei einander.
„Ich halte beispielsweise Eckehardt nicht für einen Höhepunkt der mystischen Literatur. Vielleicht für einen Höhepunkt der häretischen Literatur, aber das ist etwas anderes.“
Ja, es ist immer die Frage, ob und wie viel Eckhart wirklich praktiziert hat. Das ist umstritten, weil es zu seiner Zeit einerseits zum guten Ton gehörte und er andererseits sicher kein klassisch praktizierende Mystiker war. Und dennoch sind seine Erkenntnisse lupenreiner Buddhismus, nimmt man den Gottesglauben mal aus.
„Selbstvergessenheit oder tranceartige und kontemplative Zustände mögen taugen wofür auch immer, aber gerade im Zen geht es nicht um derartige Zustände, sie werden da sogar als Verwirrtheit des Anfängers aufgefasst, der seine Aufmerksamkeit Sensationen widmet, denen er sie im Rahmen der Meditation nicht widmen sollte.“
Darum habe ich diese tausendfache „Selbstvergessenheit“ ja auch zurückgewiesen. Aber am Ich will auch Zen nicht festhalten.
„Das hängt vom angelegten Bewusstseinsbegriff ab. In der Gabrielschen Geistwelt natürlich nicht^^ in meiner Welt schon^^“
Ich sympathisiere an sich auch mit einem erweiterten Bewusstseinsbegriff, aber mit welchem Recht dürfen wir annehmen, dass die Ähren eines Kornfeldes philosophieren? Sicher, man kann es nicht in letzter Konsequenz ausschließen, aber das ist eben gerade keine Begründung. Von mir aus kann das Universum aus Bewusstsein sein, aber dann müssen wir doch klären, was den Stein vom Plankton vom Korn vom Löwen und Menschen unterscheidet.
„Hältst du Fliegen für biologische Roboter?“
Mehr oder weniger, ja. Wobei ich zwischen lebendigen Wesen und toter Materie schon einen großen Unterschied sehe.
„Das wesentliche, was über Moral gesagt werden muss, lautet, dass sie ohne Machtunterfütterung bedeutungslos ist. Alles weitere sind Träumereien der Machtlosen.“
Ja, man muss Ideen schon durchsetzen können, das sehe ich auch so.
„Menschen werden dazu gebracht, dass ihnen bestimmte Dinge etwas bedeuten, und dann glauben sie, dass diese Dinge wirklich etwas bedeuten, und sie ignorieren völlig, dass ihnen das von Leuten beigebracht wurde, für die diese Dinge außer als Machtmittel nicht das Geringste bedeuten.“
Ich glaube, dass es einiges gibt, dass uns tatsächlich etwas bedeutet, ohne es groß gelernt zu haben. Beziehungen, die Suche nach Lust, die Abwehr von Schmerz und Leid und vermutlich auch nach Sinn. Ich ahne, was Du meinst, würde das aber nicht zu einer Haltung, dass nichts etwas wert ist ausbauen.
„Am Anfang der Geschichte steht mit all seiner Gewaltbereitschaft und Gewaltfähigkeit das Alphamännchen des aus vielleicht 40 bis 50 Personen bestehenden nomadischen Jägerstammes.“
Ja und ich träume auch nicht von der romantischen Urhorde. So herrlich „unverbildet“ waren die damals: http://www.n-tv.de/wissen/Knochen-zeigen-Massaker-article16807481.html
„Anlässlich der Sesshaftwerdung erkannte das Männchen, dass plötzlich zu viele Personen zusammenkommen, als dass er die alle würde erschlagen können. Aber Alphamännchen sind nicht automatisch dumm, nur weil sie bessere Killer sind. Und plötzlich werden aus Schamanen Priester und endlich ist der ganze transzendente Scheiß mal für was nützlich^^“
Die waren auch vorher keineswegs nur Killer. Schon bei den Affen gibt es solche und solche, wie wir heute wissen. Es gibt ja seit eh und je die Strategie der Komment- und Beschädigungskämpfer und die pendeln sich zu einem dynamischen Gleichgewicht ein. Es ist nicht per se besser ein Killer zu sein, sondern nur dann, wenn die anderen keine sind. In einer Gruppe von Killern ist der Kommentkämpfer sogar im Vorteil.
Irgendwann hat man genug von Kämpfen, schon aus purer Erschöpfung und da sind Koalitionen gut und richtig, Die Schamanen wären m.E. ne ganz eigene Nummer, die sich etabliert hat. Ich glaube sie hatten Macht, aber ein sekundäre. Irgendwas war anders an ihnen und das Heilige ist vermutlich nicht etwas was irgendwann erfinde wurde, sondern es war von Beginn an da, früher in Form der Ahnengeister, ich vermute, dass diese den Menschen im Traum erschienen und das der Traum einfach eine sehr viel realere Welt darstellte, als uns heute.
Ergänzend zu der ersten Antwort noch etwas, das meine Zielrichtung vielleicht etwas deutlicher macht.
Eine meiner Lieblingsideen, die wo immer ich sie andeute praktisch völlig ignoriert wird, bestrifft die Unterscheidung von Implementierungs- und Gestaltebene. Mit "Gestaltebene" meine ich vermutlich etwas ähnliches wie Gabriel et al. mit "Geist", andere mit "Seele", "Selbst", "Bewusstsein" u.dgl. Wichtig ist dabei der Unterschied zwischem dem, wie mir ein Sachverhalt vorkommt und dem, wie ein Sachverhalt naturgesetzlich verwirklicht, wie er implementiert ist.
"Ich gehe über den Boden" ist Gestaltebene, "ich werde von Gravitation Richtung Zentrum der Gravitationsquelle gezogen" ist Implementierungsebene.
"Ich bin verliebt", ist Gestaltebene, "in mir liegt derzeit eine spezifische Kombination spezifischer Hormone vor" ist Implementierungsebene.
"Ich denke dieses und jenes" ist Gestaltebene, "neuronale Netze aus Zellgewebe tauschen Transmitter und Ladungen aus" ist Implementierungsebene.
Das sollte den Unterschied zwischen beiden Ebenen deutlich machen, nicht eine unantastbare Definition bieten. Ich denke aber, man kann an diesen Beispielen erkennen, warum der Unterschied wichtig ist: Existierende Sachverhalte existieren solange es eine materielle Implementierungsebene gibt. Auch für das goldene Einhorn in meinen Gedanken gibt es das, eben den Gedanken, der wiederum über neuronale Netze implementiert ist.
Was hat es nun auf sich, mit Geist, Seele, Ego, Bewusstsein u.dgl.? Solange wir leben, ist es einfach, die Implementierungsebene lässt sich angeben, es ist unser Körper. Solange wir leben existiert die Implementierungsebene und letztlich ist es ein Streit um den persönlichen Geschmack, aber ohne größere Bedeutung, wie das Verhältnis unseres Seins zu unserer Implementierungsebene gedeutet werden soll. Hirnforschung wird nicht das Denken wegerklären, Geistforschung wird nicht die Bedeutung des Gehirns wegerklären. Letztlich uninteressant, außer für Narzissten. Solange wir leben.
Was passiert, wenn die Implementierungsebene zusammenbricht, wenn der Mensch stirbt. Dann wird es interessant, auch ohne Narzissmus. Gibt es Gestaltebene(n) ohne Implementierungsebene(n)?
Christentum und Islam sowie davon abgeleitete Auffassungen nehmen transzendente Implementierungsebenen an, zu denen es, meist durch Erfüllung bestimmter Bedingungen, Zutritt gibt - die Seele, der Geist, whatever, wechselt über. Ohne das direkt widerlegen zu wollen, kann ich doch sagen, das diese Annahmen für mich gegenstandslos sind, transzendente Implementierungsebenen sind Behauptungen, reine Spekulation, mehr nicht. Man kann sie glauben oder kann es sein lassen.
Ich gehe einen umgekehrten Weg. Ich frage mich, wie die Wirklichkeit des Universums / Multiversums / Parallele-Welten-Versums gestaltet sein müsste, damit es für meinen Geist, Seele, Psyche, Ego, however you call it, so etwas wie Fortbestand geben kann. Mit dieser Frage lande ich mehr oder weniger unmittelbar bei einem materialistischen Panpsychismus, in dessen Rahmen das gesamte Universum / Multiversum / P-W-Versum Implementierungsebene ist.
Der Vorteil dieser Auffassung besteht darin, dass diese Implementierungsebene offensichtlich vorhanden ist. Die Frage lautet nunmehr, ob diese erweiterte Implementierungsebene in der Lage ist, als Bewusstseinsträger zu fungieren und ob es Prozesse gibt, die die Übertragung eines Geistes / Seele / Psyche / Ego / Bewusstseins von der kleinen Implementierungsentität in die Gesamt-Entität tatsächlich bewerkstelligen.
In diesem Kontext halte ich die Lethesche Version der Pascalschen Wette offen. Es ist nach Stand der Wissenschaft nicht beweisbar, dass in der Struktur der Raumzeit Bewusstsein als eine fünfte Grunfkraft strukturbildend und/oder speicherbar ist. Anders als bei Transzendenzannahmen ist diese Frage aber der naturwissenschaftlichen Klärung nicht mehr prinzipiell, nicht mehr kategorisch entzogen. Und Lethe kann die Wette halte, weil sie nicht, wie die Originalform der Pascalschen Wette, schon an der Frage scheitert, welche der vielen Gottheiten denn Pascal wohl meint, und was mit denen ist, die er nicht meint. Lethe gewinnt die Wette, wenn das Universum als Implementierungsebene für biologische Körper einspringen kann, und in jedem anderen Fall verliert er. Es ist von einer Glaubensfrage zu einer wissenschaftlichen Frage geworden, auf deren Beantwortung man genau so wetten kann wie auf die Frage, ob Nr 9, der mutmaßliche Großplanet in 20facher Neptunentfernung, existiert.
Wir werden sehen.
Der Anthropozentrismus, falls vorhanden, ist eher ein methodischer.
Nein, Anthropozentrismus war noch nie eine Frage der Methodik sondern des Gefühls der eigenen Erhabenheit.
Wir haben halt nur unsere Perspektive.
Nein. Einer der wirklichen Vorteile von Intelligenz besteht darin, dass wir nicht auf "unsere Perspektive" festgelegt sind, was immer "unsere Perspektive" in dem Kontext auch heißen mag.
Naturalisten tun manchmal so, als sei ihre Perspektive keine, sondern „die Wahrheit“ und da wird es problematisch
"Die Wahrheit" ist eine Phantasmagorie der Religiösen, Transzendentalisten und mancher Philosophen. Naturalisten, die im 21ten Jahrhundert angekommen sind, sprechen von sowas gar nicht mehr.
Wo konkret?
Auf den Zirkelschluss habe ich bereits in meinem vorletzten Text hingewiesen. Nimm einfach alle Stellen, in denen er von Geist spricht. Es ist halt seine Überzeugung, dass Menschen geistige Wesen sind, und als seine Überzeugung habe ich gar nichts dagegen. Nur mit Philosophie würde ich das nicht verwechseln wollen. Er bekommt immer nur das heraus, was als seine Überzeugung bereits drin steckt, anders gesagt, sein System ist selbstimmunisierend
Hume ist auch nicht der beste Kandidat für den Kompatibilismus
Hume hat den Kompatibilismus aber in die Welt gebracht. Weiteres weiter unten.
Dann zeig mal Deine Gründe her, gerade, wenn es um Logik geht.
du gibst die Begründung doch schon selbst
... dass niemand erklären kann, was ein Ich ist, das frei von jedweden Ursachen oder Einflüssen entscheidet
Die eigentliche Frage lautet dann nämlich, warum man so einem Ich, das nicht frei von Ursachen oder Einflüssen entscheiden kann, überhaupt Freiheit des Wollens, also Freiheit der Entscheidung unterstellen will. Es ist nicht nur ein Versagen der Libertarianer und Inkompatibilisten sondern auch der Deterministen und Kompatibilisten. Niemand hat vernünftige Konzepte von Freiheit und Willen und Handeln, die nicht moralinsauer sind, sondern das Empfinden von Freiheit und Unfreiheit auch gegen die Autorität der Tradition, Sitte und Gesetze und sonstiger Rahmenbedingungen ernst nehmen. Unsere Moralphilosophen sagen, mensch sei frei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das ist Blödsinn. Mensch ist frei, solange mensch sich frei fühlt. Freiheit ist ein Phänomen innerer Evidenz, nichts, was andere für mich entscheiden dürften. Wenn ich mich frei fühlen kann, bin ich es auch in einem Käfig. Wenn ich nicht imstande bin, mich frei zu fühlen, nützen alle philosophischen Definitionen nichts, die mir sagen, dass ich mich jetzt aber gefälligst frei zu fühlen habe. Ich bin das einzige Kriterium meines eigenen Freiheitsempfindens, und das gilt für alle Menschen.
Eigentlich ist das ziemlich offensichtlich, wenn man sich erst mal zu der Einsicht durchgerungenhat, dass erfolgreiche, kanonische Philosophie im wesentlichen staatstragende Ideologien formuliert und nicht auf das Wohl des Individuums abzielt.
aber auch hier fehlt die Begründung.
Habe ich in den letzten Absätzen gegeben.
Aber nicht anders möglich.
Richtig. Abermals die Frage: Warum sprechen wir dann von der Freiheit des Willens? Macht es uns kleiner, wenn wir eingestehen, dass wir Wesen am Gängelband sind, deren Gängelband gerade so weit gefasst ist, dass ein paar wenige Bewegungsvarianten möglich bleiben?
Ideale Freiheit wäre demnach, wenn Du in keinerlei Kausalverknüpfungen stecktest.
Nein. Ideale Freiheit ist absolute Macht, nicht mehr und nicht weniger. Nicht die Entbindung von Kausalrelationen, sondern die Fähigkeit, alle Kausalrelationen nach meinem Willen steuern zu können. Allein daran erkennen wir schon, dass weder unser Wollen noch unser Vermögen frei ist.
Wenn Du sagst, das sei keine Freiheit würde ich fragen: a) Was fehlt? b) Wie sieht Deine aus?
Das habe ich schon mehrmals beantwortet. Es gibt keine idealistische Freiheit, es gibt nur - wenig opulente - Freiheitsgrade, deren Anzahl mit der Macht steigt. Ohne Macht ist Freiheit nur ein Euphemismus dafür, verstanden zu haben, dass an Gebundenheit im Wesentlichen nichts zu ändern ist. Nur die Art der Bindungen ist in engen Grenzen austauschbar.
Du bist dann tatsächlich ein inkompatibilistischer Determinist.
Meine Güte, was ich alles bin^^ eigentlich bin ich ein Kontingenz-Freak^^
Das Problem ist eher, dass sie nicht gelesen werden.
Und was ist das anderes, als dass sie allmählich im Rauschen untergehen?
Die großen Fragen bleiben.
Das stimmt. Nur, unser Autor hat seine Antworten gegeben. Fertig. Die Nachkommen des Vaters werden immer weiter neue Antworten geben. Manches wird sich wiederholen, vieles Neue wird immer wieder hinzutreten.
aber wenn Du wirklich in großen Dimensionen denken willst, dann nehmen uns dereinst vielleicht Roboter die Arbeit ab
Mag sein^^ das gilt aber auch für den Autor, der dann nicht mehr gelesen werden muss^^
Dass man sich 36.000 mal die Schuhe zugebunden hat ist sicher keine prägende Erfahrung.
Einverstanden^^ es bleibt dann bei meiner ursprünglichen Aussage, das Einzelereignis verschwindet im Rauschen.
Aber am Ich will auch Zen nicht festhalten.
Ich habe hier in der FC ein großes Essay über Zen und Buddhismus geschrieben. Es ist gar nicht so einfach, zu erkennen, was Zen will und was Buddhismus ist^^
Von mir aus kann das Universum aus Bewusstsein sein, aber dann müssen wir doch klären, was den Stein vom Plankton vom Korn vom Löwen und Menschen unterscheidet.
Es ist alles Implementierungsebene. Was Stein von Plankton usw unterscheidet, sind die Gestaltebenen. Ich bezweifele auch, dass ein Ährenfeld philosophiert. Aber vielleicht philosophiert der Geist des Ährenfeldes. Du bezweifelst ja auch, dass Neuronen denken, aber nicht, dass der menschliche Geist denkt^^
Mehr oder weniger, ja.
Okay, ein Unterschied.
Ja, man muss Ideen schon durchsetzen können, das sehe ich auch so.
Und wer gibt den Durchsetzern die Befugnis dazu? Was wäre also an Moral moralisch?
Ich ahne, was Du meinst, würde das aber nicht zu einer Haltung, dass nichts etwas wert ist ausbauen.
Ich spreche im Kontext von Sozialisation. Selbtsverständlich ist es möglich, eigene Wertvorstellungen aufzubauen. Stell es dir nur nicht so einfach vor, wenn du das "eigene" ernst nehmen willst.
Ich glaube sie hatten Macht, aber ein sekundäre. Irgendwas war anders an ihnen und das Heilige ist vermutlich nicht etwas was irgendwann erfinde wurde, sondern es war von Beginn an da
Religion verfügt immer nur über sekundäre Macht, es sei denn dort, wo eine religiöse Organisation sich politische und militärische Macht erarbeitet hat. Ob das Heilige anderes ist als eine externalisierte Form von Hybris, sei dahingestellt, das Schwelgen in eigenen Erhabenheitsgefühlen war sicher schon sehr frühzeitig vorhanden. Eine Form von Heiligkeit, die ich anerkenne, ist eine integrale Psyche, aber die sind sowas von verpönt^^
Danke für diesen Beitrag!
"
"ICH KENNE KEINE FEINDE"
"Es gibt nur Menschen, die ich noch nicht kennengelernt habe". Und: "Von seinen Feinden kann man am meissten lernen. In einem gewissen Sinne sind sie unsere besten Lehrer"..."
Gedanken und Sätze wie dieser können mir ganze Äonen an mit schlechtgelaunten und übelausstrahlenden Mitmenschen verbrachter Zeit mit einem Schlag versüßen. :-)
"Nein, Anthropozentrismus war noch nie eine Frage der Methodik sondern des Gefühls der eigenen Erhabenheit."
Ist geurteilt auf welcher Basis? Etwa auf Basis der ablehnenden Annahme? Das es ein Zirkelschluß des Zirkelschlusses ist, fällt nicht auf?^^ Auch nicht, daß zwischen dem Sein (Geist) und der Negation des Seins das Werden sich abspielt als dasjenige, was das Wahrnehmend-urteilende überhaupt ist?
Ergänzung:
"... was das Wahrnehmend-urteilende überhaupt als die Identität ist?
Hallo Lethe.
„Wichtig ist dabei der Unterschied zwischem dem, wie mir ein Sachverhalt vorkommt und dem, wie ein Sachverhalt naturgesetzlich verwirklicht, wie er implementiert ist.“
Ja, verstehe.
„"Ich gehe über den Boden" ist Gestaltebene, "ich werde von Gravitation Richtung Zentrum der Gravitationsquelle gezogen" ist Implementierungsebene.“
Ja, für Dich steht fest, dass es eine objektive Ebene gibt und subjektive Annäherungen oder Interpretationen. Das ist klassischer Naturalismus, der noch immer die einflussreichste Richtung ist. Mich interessiert aber nicht, wo der ünerall klappt, denn das tut er zugestandenermaßen sehr oft und präzise, mich interessieren die Lücken, die Unwuchten.
„"Ich bin verliebt", ist Gestaltebene, "in mir liegt derzeit eine spezifische Kombination spezifischer Hormone vor" ist Implementierungsebene.“
Wenn Du das tatsächlich gleich setzt, würde ich das bestreiten. Korrelationen sind okay.
„Auch für das goldene Einhorn in meinen Gedanken gibt es das, eben den Gedanken, der wiederum über neuronale Netze implementiert ist.“
Natürlich aber erkläre mal die Logik aus der Aktivität von Hirnzellen. Nicht erst da wird man scheitern, da ist bislang vieles ein ungedeckter Scheck.
„Was passiert, wenn die Implementierungsebene zusammenbricht, wenn der Mensch stirbt. Dann wird es interessant, auch ohne Narzissmus. Gibt es Gestaltebene(n) ohne Implementierungsebene(n)?“
Ja, eine nicht ganz unwichtige Frage. ;-)
„Ohne das direkt widerlegen zu wollen, kann ich doch sagen, das diese Annahmen für mich gegenstandslos sind, transzendente Implementierungsebenen sind Behauptungen, reine Spekulation, mehr nicht. Man kann sie glauben oder kann es sein lassen.“
So wie denkende Fliegen und philosophierende Kornähren, ja.
„Mit dieser Frage lande ich mehr oder weniger unmittelbar bei einem materialistischen Panpsychismus, in dessen Rahmen das gesamte Universum / Multiversum / P-W-Versum Implementierungsebene ist.“
Ja, kann ich mir vorstellen. Wenn Bewusstsein nicht allein an Kohlenstoff gebunden ist, sondern mal durch Silizium wabert, warum nicht auch durch kosmische Strukturen?
„Es ist nach Stand der Wissenschaft nicht beweisbar, dass in der Struktur der Raumzeit Bewusstsein als eine fünfte Grunfkraft strukturbildend und/oder speicherbar ist. Anders als bei Transzendenzannahmen ist diese Frage aber der naturwissenschaftlichen Klärung nicht mehr prinzipiell, nicht mehr kategorisch entzogen.“
Du willst das um jeden Preis mit der Wissenschaft in Einklang bringen. Ich glaube, dass der Naturalismus vorbei ist. Vieles wird bleiben und weiter ausgebaut, aber beim Bewusstsein ist da nicht mehr viel zu holen. Wir brauchen wirklich neue Ideen und wenn es dafür empirische Belege oder zumindest Hinweise gibt, super.
„Es ist von einer Glaubensfrage zu einer wissenschaftlichen Frage geworden, auf deren Beantwortung man genau so wetten kann wie auf die Frage, ob Nr 9, der mutmaßliche Großplanet in 20facher Neptunentfernung, existiert.“
Der Glaube ist out und auch wieder nicht. Wir müssen verstehen lernen, dass der Glaube, die Überzeugungen keine Epiphänomen sind, sondern eine kausale Kraft. Hier würde ich über Gabriel hinausgehen, der sagt, dass unser Denken über die Welt die Welt nicht verändert, aber das Denken über den Geist den Geist verändert. Stimmt, aber das ist es nicht allein. Ich glaube es verändert auch die Welt und wenn für Dich Gedanken gleich materiel/energetische Prozesse sind, musst Du sogar zustimmen. Ist ne Frage der Reichweite und des Verhältnisses von Innen- und Außenwelt.
Vielen Dank fuer dein Kommentar liebe LEE BERTHINE!
Das versuesst mir jetzt den Abend.)
hallo, Moorleiche, ich werde erst ab Sonntag Abend wieder Gelegenheit haben, hier zu schreiben. Bis dann^^