Ich mache die Erfahrung, dass einige meiner Freunde, bei dem Wort - Erleuchtung -an heilig gewordene Menschen denken, die nichts anderes mehr zu tun haben, als den ganzen Tag zum Gebet zu machen oder sich fortwährend in einem meditativen Zustand befinden. Also immer an das Endziel ausgerichtet. Die totale Erleuchtung, wenn die Seite der Leere (innen) und die Seite der Fülle (aussen) zugleich als identisch erlebt wird.
Aber innerhalb dessen ist es auch so, dass es eine stufenweise Erleuchtung gibt. z.B. von unbewusst zu selbstbewusst zu überbewusst. Und Bewusstseinsstufen, von archaisch , zu magisch, zu mythisch, zu rational, zu pluralistisch, zu integral (Gebser). Und Bewusstseinszustände, von grobstofflich, subtil, kausal, non-dual. Und Bewusstseinslinien, kognitiv, emotional, moralisch, ästhetisch, spirituell. Und Bewusstseinstypen, männlich, weiblich. Alle diese Stufen und Ströme umgeben uns zu jeder Zeit an jedem Ort und wir bewegen uns durch sie und mit ihnen.
Aber es gibt auch all die alltäglichen Erleuchtungen. Wenn uns plötzlich ein Licht auf geht und wir einen Umstand auf einmal verstehen, da wo wir zuvor keinen Zusammengang feststellen konnten. Sei es in unseren Beziehungen, oder sei es in einer politischen Angelegenheit, wenn uns allmählich erhellende Informationen erreichen und wir anfangen intuitiv zu ahnen, und das, zur Erleuchtung einer Situation führt.
Licht ins Dunkle bringen. Bewusstheit in die noch unbewussten Potentiale lenken, zum erbaulichem hin. Das untergetauchte verdrängte unbewusste erhellen oder erleuchten. Arroganz , Narzissmus und Egoismus überwinden, Selbsterkenntnis erlangen, Stück für Stück. Stufenweise. Wenn der Kartograph, die Landkarte und das Territorium übereinstimmen, ist maximale Erleuchtung möglich.
Was haben Sie für kleine und grosse Erleuchtungen gehabt? Was meinen Sie, auf welcher Bewusstseinsstufe Sie sich gerade befinden? Und was für eine Rolle spielt Erleuchtung, in Ihren Leben? Sind Sie eher prä-modern, modern, post-modern oder post-post-modern?
Kommentare 178
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/35/Electric_bulb_filament.jpg/315px-Electric_bulb_filament.jpg
Grüße aus dem Schattenreich.
Hi!
Der Schatten gehört natürlich zum unbewussten. Die Erforschung der individuellen und kollektiven Schattenseiten kann auch Spass machen, auch wenn es zuweilen unbequem ist.
Duineder schrieb am 05.05.2012 um 18:11
Verzeihen Sie, ich hab's nicht so mit Bewusstseinszuständen, eher damit, sich von gewissen Zuständen in seiner Umgebung bewusst zu sein - aber bitte auch nicht den ganzen lieben, langen Tag, weil es die lieben Mitmenschen nervt, anstregt und man selbst in der Bewusstseinserweiterung ersäuft.
Guten Abend.
Mit der Zeit lernt man nicht zu ersaufen. Man fängt an mehr von der relativen Seite des Lebens zu begreifen und gleichzeitig sich in der absolut radikalen Leere zu verankern. Im grossen und ganzen stimme ich Ihnen zu.
Auch alles Beste für Sie.
Duineder schrieb am 06.05.2012 um 10:43
Ich sprach vom sowohl als auch. Wenn man das dualistische Denken überwindet, kann man ein sowohl als auch leben. In der eigenen ausgeloteten Tiefe und Weite verankert sein und zugleich die Fülle, von Augenblick zu Augenblick, immer voller und voller zu leben. Ich wollte damit sagen, dieser Umstand ist nur ein Widerspruch aus der Perspektive des einen oder anderen Dualismus oder reinem Materialismus. Es gibt aber Eros und Agape. Agens und Kommunion. Also man muss sich nicht für eine Seite entscheiden, sondern beides zugleich zu leben, ist die Verwirklichung der Non-Dualität.
Eine eigene tägliche Meditationspraxis ist hilfreich bei der Meisterung der eigenen Aufmerksamkeit.
Schatten sind nur Abbilder eines Objektes, welches zwischen Lichtquelle und Projektionsfläche sich befindet. Schatten ist nicht inhärent mit Licht. Selbst Intelligenzsparlampen werfen keine Schatten.
GEBE schrieb am 06.05.2012 um 12:21
Hallo GEBE,
innerhalb der Psychologie, hat sich unter anderem, der Begriff des Schattens etabliert. Schattenarbeit.
Schatten sind unbewusste Sub-Persönlichkeiten, welche im Verborgenen das eigene Verhalten sabotieren.
@Kelim
Vielen lieben Dank für dieses wunderschöne integral anmutende Gedicht. Ich freue mich immer etwas von dir zu hören.)
,)
Die Welt der Aufsteiger und die Welt der Absteiger, sind im Grunde eins. Nach der Kósmologie des holistischen Panpsychismus, geht jeder Evolution eine Involution voraus. Panpsychismus ist ein Lösungsvorschlag für das Leib-Seele/Problem.
Schöne Geschichte. Ja, hin und wieder zischen sollte man schon dürfen.)
Die Welt der Aufsteiger und die Welt der Absteiger, sind im Grunde eins.
Ich meinte damit, wie die zwei Seiten einer Münze.
j.kelim schrieb am 07.05.2012 um 12:48
Weil Gottes Mühlen langsam mahlen,
will Gut Ding Weile haben.
Ja.
@ Duineder schrieb am 07.05.2012 um 16:48
"Wie kann ich dahinter kommen, ob ich ein "Auserwählter" bin?"
Dazu bracht es ein gerüttelt Maß an Erleuchtung.
:-)
www.sueddeutsche.de/wissen/bericht-an-den-club-of-rome-wie-unsere-hemmungslosigkeit-den-planeten-zerstoert-1.1352278
j.kelim schrieb am 09.05.2012 um 04:43
Das kann ich sehr gut nachvollziehen.
Ram Dass, der Musiker. Ich war 2005 über ihn gestolpert. Es war gut.
Die fünf Phasen von Wilbers Werk
Ken Wilbers Werk kann in fünf Phasen unterteilt werden (diese Einteilung stammt von ihm selbst, vgl. Das Wahre, Schöne, Gute, 1999, und die Vorworte zu den Collected Works Band 1 und 2, siehe unten).
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Mit Wilbers eigenen Worten:
Phase 5
Phase 5
Phase 1
Phase 1 (1977-1979), die er selbst als seine "romantisch-Jungianische" Phase charakterisiert. Wie viele romantische Philosophen und jungianischen Psychologen sieht er spirituelles Wachstum als eine (ganze oder teilweise) Rückkehr zu einem Zustand, der in der Vergangenheit bestanden hat, der aber im Verlauf des Aufwachsens bzw. der Kulturgeschichte verloren gegangen ist.
Bücher der Phase 1:
Das Spektrum des Bewusstseins
Wege zum Selbst
Phase 2
Phase 2 (1980-1982), in der er sich der Entwicklungspsychologie zuwendet, als einem umfassenderen Kontext zur Integration östlicher und westlicher Psychologie. Spirituelles Wachstum sieht er nun als etwas, das nach dem Erwachsenwerden kommt. Mit anderen Worten, wir haben Gott nicht verloren, sondern wir wachsen in ihn hinein, in einem schrittweisen Entwicklungsprozess.
Bücher der Phase 2:
Das Atman Projekt
Halbzeit der Evolution
Phase 3
Phase 3 (1983-1987), in der er sein Entwicklungsmodell mit den Jahren verfeinert. Entwicklung wird nicht länger als ein homogener und eindimensionaler Prozess verstanden, in dem das Selbst eine Anzahl von Stadien linear durchläuft, sondern als ein komplexer Prozess, an der verschiedene Entwicklungslinien beteiligt sind (kognitiv, emotional, sozial, spirituell, etc.); das Selbst hat dabei (neben vielen anderen Aufgaben) als eine Art Navigator die Funktion, ein Gleichgewicht zwischen diesen Linien, die ganz unterschiedlich weit entwickelt sein können, zu wahren.
Bücher der Phase 3:
Der glaubende Mensch
Die drei Augen der Erkenntnis
Psychologie der Befreiung (Mitautor)
Meister, Gurus, Menschenfänger (Mitautor)
In den Jahren 1987-1995 veröffentlicht Wilber aus persönlichen Gründen sehr wenig. Seine Frau erkrankt in dieser Zeit, und stirbt 1989. Dieser Lebensabschnitt ist in Mut und Gnade (1992) aufgezeichnet.
Phase 4
Phase 4 (1995-heute), ist gekennzeichnet durch das Modell der 4 Quadranten, in dem Wilber seine bisherige Arbeit auf eine neuartige Weise zusammenfasst und über sie hinausgeht. Er stellt darin die innerlich/individuelle Entwicklung, die kulturelle Entwicklung, und ihre jeweils äusserlichen Ausprägungen in einen Gesamtzusammenhang, eben die 4 Quadranten. Mit diesem Modell der vier Quadranten (intentional, physiologisch, kulturell und sozioökonomisch, d.h. individuell-subjektiv, individuell-objektiv, kollektiv-subjektiv und kollektiv-objektiv) demonstriert er die wechselseitige Abhängigkeit dieser Dimensionen, skizziert ihre gemeinsame Entwicklung als "tetra-Evolution", und weist auf die Einseitigkeiten von Ansichten hin, die auf nur einem Quadranten basieren, und dabei die Gültigkeit der anderen Quadranten anzweifeln oder ignorieren.
Bücher der Phase 4:
Eros, Kosmos, Logos
Eine kurze Geschichte des Kosmos
Das Wahre, Schöne, Gute
Naturwissenschaft und Religion
Einfach Das
Integrale Psychologie
Mit Wilbers eigenen Worten:
In Das Wahre, Schöne, Gute... teilte ich meine Arbeit in vier Hauptperioden: Periode-1 war romantisch; Periode-2 war evolutionär und entwicklungsorientiert; Periode-3 unterteilt Entwicklung in Ebenen und Linien; und Periode-4 setzt Entwicklung in den Kontext der vier Quadranten (intentional, verhaltensmäßig, sozial und kulturell). Periode 2,3 und 4 bilden eine ziemlich kohärente Sequenz, wobei jeder Nachfolger seine(n) Vorgänger beinhaltet und auf ihm aufbaut. Doch Periode-1, eingetaucht in die romantische Philosophie (welche immer noch das vorherrschende Modell spiritueller Entfaltung ist), bildet eine große Grundlage mit - wie ich meine - einigen sehr guten, und einigen sehr konfusen Ideen.......dies [die Bücher Spektrum des Bewusstseins und Wege zum Selbst der Wilber-1 Phase] sind meine einzigen zwei Bücher - von sechzehn [Stand 1999] - die ich nicht mehr länger anderen empfehle... Bis heute bin ich ganz zufrieden mit jedem Buch was ich geschrieben habe und kann sie immer noch mit Freude empfehlen - außer diesen zwei.
Ken Wilber, aus der Einleitung zu den "Collected Works" Band 1.
Phase-1 war romantisch, gekennzeichnet durch die grundlegende Überzeugung, dass die Menschendämmerung - sowohl ontogenetisch auf das Kind bezogen als auch phylogenetisch auf die Frühmenschen bezogen - eine Art von paradiesischem Schlummerzustand im Garten Eden darstellt(e), in einem vereinigten Zustand oder Grund des Seins, von dem wir uns durch das Erwachsenenwerden entfremden, und zu welchem wir daher zurückkehren sollen: das ursprüngliche "Paradies" muss zu unserer Rettung in irgendeiner Form wiedererlangt werden. Die unüberwindlichen Schwierigkeiten bei dieser Ansicht... führten dazu, dass ich den reinen Romantizismus aufgab, für eine mehr evolutionäre und entwicklungsorientierte Sicht (Phase-2), welche ein Modell einer "wiedergefundenen Göttlichkeit" durch eine Ansicht eines "Wachstums zur Göttlichkeit" ersetzte. In Phase-3 verfeinerte ich die entwicklungsorientierte Sicht und fügte Ebenen und Linien der Entwicklung hinzu (bzw. Wellen und Ströme), und in Phase-4 setze ich Entwicklung dann in einem Kontext von vier Hauptbereichen (den vier Quadranten der intentionalen, verhaltensmäßigen, sozialen und kulturellen Entfaltung). Doch der Hauptwendepunkt in meiner intellektuellen Entwicklung lag in der Bewegung von Phase-1 zu Phase-2 - romantisch zu evolutionär - ...
Ken Wilber, aus der Einleitung zu den "Collected Works" Band 2.
Phase 5
In den im Sommer 2002 bei www.shambhala.com veröffentlichten "Auszügen aus Band 2 der Kosmos Trilogie" erwähnt Wilber erstmalig Wilber-5 als eine neue Phase in seinem Schaffen. Er schreibt dazu in der Einführung zu den Auszügen:
Einige, die das meiste des Entwurfsmaterials [zum Band 2] gelesen haben bezeichnen es mit "Wilber-5". Ich würde das nicht tun, sicher nicht zu diesem Zeitpunkt; doch es ist ein Hinweis auf eine bestimmte Richtung. Jedenfalls scheinen einige Leser darin übereinzustimmen, dass es einen bedeutenden Fortschritt seit EKL (Eros, Kosmos, Logos) darstellt. Ich bin ein bisschen zurückhaltend gegenüber derartigen Kommentaren, da sie nahe legen dass in all den Büchern nach EKL nichts wirklich Neues enthalten ist, wohingegen Konzepte mit entscheidender Bedeutung für die Anwendung dieser Arbeit (wie z.B. "Ebenen und Linien", "Zustände und Stufen", die "1-2-3 Bewusstseinsstudien", "die Wilber-Combs Matrix, usw.) in den Büchern nach EKL vorgestellt wurden (z.B. Ganzheitlich handeln; Das Wahre, Schöne, Gute; Integrale Psychologie).
Dennoch muss ich zugeben dass ich verstehe was die Leser meinen, wenn sie sagen dass diese Bücher "nichts Neues" enthalten - sie alle bewegen sich innerhalb des AQAL Rahmens ("alle Quadranten, alle Ebenen, alle Linien, alle Zustände, alle Typen" - oder abgekürzt AQAL, gesprochen "aqual"), welcher erstmalig in EKL vorgestellt wurde. Etwas die Hälfte von Kosmisches Karma und Kreativität [der Arbeitstitel von Band 2] fügt sich ebenso in diesen Rahmen (vieles dieser Hälfte wurde bereits in den Ausführungen zu Boomeritis veröffentlicht). Die andere Hälfte jedoch, die Hälfte mit der ausdrücklichen Bezeichnung "Integrale Post-Metaphysik" (das sogenannte Wilber-5 Material) kann durch keines der gegenwärtig verwendeten Konzepte erklärt werden, auch wenn es sich gut in die AQAL-Matrix einfügt. Es ist eine der Merkwürdigkeiten des Schreibens, dass ich bereits seit etwa ein bis zwei Jahrzehnten auf eine post-metaphysische ("Wilber-5") Art und Weise denke..., ich diese Gedanken jedoch in die Terminologie der Arbeit übersetzte die bereits gedruckt vorlag - das Schreiben hat ein Eigenleben. Jedenfalls gilt für diejenigen Aspekte der folgenden Präsentation, welche unter die Rubrik "Integrale Post-Metaphysik" fallen, dass sie in die AQAL Matrix passen, diese Matrix jedoch auf eine tiefgehende Weise re-interpretieren. Darüber hinaus ist es so, dass meine früheren Schriften zumindest einige historische Vorgänger haben, während das meiste der Integralen Post-Metaphysik ohne jegliche Art von Vorgänger ist. Ob das ein Vorzug ist oder nicht bleibt abzuwarten, doch ist es auf eine abrupte Weise neu.
Integrale Post-Metaphysik - und, daraus logisch folgend - ein integral methodischer Pluralismus ist, wie ich glaube, aus vielerlei Gründen wichtig. Zuallererst ist festzustellen, dass kein System (spirituell oder anders), welches nicht mit den modernen Kant'schen und postmodernen Heidegger'schen Gedanken übereinstimmt, sich Hoffnungen machen kann intellektuell respektiert zu werden und zu überleben (ob man mit ihnen übereinstimmt oder nicht, sie müssen angesprochen werden) - und das bedeutet dass jede Spiritualität in gewisser Weise post-metaphysisch sein muss. Zweitens - so wie die Einstein'sche Physik, wenn sie auf Objekte angewandt wird die sich unterhalb der Lichtgeschwindigkeit bewegen, wieder mit der Newton'schen Physik zusammenfällt, kann auch eine Integrale Post-Metaphysik all die Wesensmerkmale der prämodernen und metaphysischen Systeme erzeugen, jedoch ohne ihren jetzt in Misskredit geratenen ontologischen Ballast. Dies ist nach meiner Überzeugung der zentrale Beitrag einer Integralen Post-Metaphysik - sie enthält selbst keine Metaphysik, doch sie kann Metaphysik als eine mögliche Konfiguration der AQAL Matrix generieren, unter den begrenzenden Konditionen prämoderner Kulturen. Das heißt die AQAL Matrix kollabiert zur alten Metaphysik (so wie das Einstein'sche zum Newton'schen wird, obgleich es selbst nicht-Newton ist). Ändert man andererseits die holonischen Konditionen der Matrix, indem man sie an die Parameter der postmodernen Welt anpasst, fällt die Metaphysik vollständig heraus, obgleich es nach wie vor ein vollständiges Bewusstseinsspektrum, Entwicklungswellen, Evolution und Involution, und einen Regenbogen der Bewusstheit gibt, welcher kontinuierlich vom Staub zur Göttlichkeit verläuft - jedoch ohne Bezugnahme auf irgendwelche vorgegebene, archetypische, oder unabhängig existierende ontologische Strukturen, Ebenen, Bereiche usw. Tatsächlich verschwindet die gesamte "Grosse Kette des Seins" aus der Wirklichkeit, doch ihre wesentlichen Merkmale können durch die Matrix erzeugt werden, wenn bestimmte Annahmen der mythischen Ära als Parameter aufgenommen werden.
Natürlich war irgendeine Art von "Grosser Kette des Seins" von Anbeginn an immer ein wesentlicher Bestandteil der spirituellen Traditionen, ob in der allgemeinen schamanischen Form als Existenz höherer und niederer Welten, der neoplatonischen Version von Ebenen der Wirklichkeit (z.B. der erstaunliche Plotin), der taoistischen Version von Bereichen des Seins (z.B. Lieh Tzu), der buddhistischen Version eines Spektrum des Bewusstseins (z.B. die 8 vijnanas), oder der sefirot des Kabbala - bis hin zu den heutigen neueren Weisheitstraditionen, von Aurobindo zu Adi Da zu Hameed Almaas. Sie alle postulieren ausnahmslos die Existenz von Ebenen oder Dimensionen von Wirklichkeit oder Bewusstheit, einschließlich höherer oder weiterer oder tieferer Dimensionen des Seins und Wissens - eine Art von Regenbogenexistenz, deren Wellen, Ebenen, oder Bänder eine unabhängige Wirklichkeit besitzen, zu welcher ausreichend evolvierte oder entwickelte Seelen Zugang haben können. Mit anderen Worten postulieren sie alle die Existenz metaphysischer Wirklichkeiten - und genau das wird durch die modernen und postmodernen Strömungen herausgefordert (und von Grund auf zurückgewiesen).
Was daher erforderlich ist, ist ein Weg der Darstellung der Wesensmerkmale eines Regenbogens der Existenz, aber ohne irgendwelche metaphysischen oder ontologischen Postulate. Mit anderen Worten, WENN es uns gelingt die wesentlichen Merkmale einer spirituellen Weltsicht ohne metaphysischen Ballast zu kreieren, dann erhalten wir eine spirituelle Weltsicht, welche in der modernen und postmodernen Welt überleben kann. Dies ist jedenfalls eines der zentralen Ziele einer Integralen Post-Metaphysik (und ihrer praktischen Anwendung, "integral methodischer Pluralismus" genannt)... Wenn wir bei diesem Unternehmen Erfolg haben, dann können alle diese spirituellen Weltsichten (vom Schamanismus zu Plotin zu Padmasambhava zu Aurobindo) reanimiert, und in einer umfassenderen, nicht-metaphysischen AQAL Matrix verwendet werden, welche den gleichen Regenbogen der Existenz darstellen kann, jedoch ohne das diskreditierte metaphysische Rüstzeug, und so kann man weiterhin ihre tiefgehenden Weisheiten verwenden, ohne sich den verheerenden Attacken der modernen und postmodernen Strömungen beugen zu müssen.
-mh- 04/2004
Phase 5
Schriften / Bücher der Phase 5
Exzerpte A, B, C, D und G des zweiten Teils der Kosmos-Trilogie
Integrale Spiritualität (2007)
The Integral Vision - A Very Short Introduction to the Revolutionary Integral Approach to Life, God, the Universe, and Everything (2007)
'The Many Faces of Terrorism' (eine angekündigte Trilogie in Romanform zum Thema Terrorismus)
Overview and Superview (eine für 2008 angekündigte komplette Überarbeitung von "Transformations of Consciousness" [Engler, Brown, Wilber] in zwei Bänden)
Der König von Prussia schrieb am 09.05.2012 um 12:45
Nein, dies ist kein Aufruf, eher eine Einladung zur Diskussion von eigenen Erfahrungen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Aber der Mahayana Buddhismus, beispielsweise, ist sicherlich ein solider spiritueller Weg, ohne Frage.
kenua schrieb am 09.05.2012 um 14:52
Irgendwas ist da schon dran, sonst würden es die Asiaten nicht schon so lange machen.
Das ist eine gute Überlegung.)
Uwe Theel schrieb am 09.05.2012 um 19:15
Was meinen Sie?
Schatten-Kommunikation
(aus: Up from Eden 1981 dt. Halbzeit der Evolution Goldmann TB Seite 314ff)
Die Unterbrechung oder Störung ichhaften Austausches (historisch oder ontogenetisch) durch Verdrängung oder Überschussverdrängung führt zu einer Spaltung des Ego in solche personae, die akzeptabel und solche, die nicht akzeptabel, nicht benötigt oder gefürchtet sind. Die nichtakzeptablen personae werden als «Schatten» oder «unbewußte personae» entfremdet. Eine unbewußte persona oder Schatten wird zu einem «versteckten Gesicht», einer «geheimen Persönlichkeit», die sich ständig in die bewußten Kommunikationen des Ego einschleicht, sie verzerrt und zensiert. Eine Schattenpersona ist die Art und Weise, wie ein Individuum Kommunikation vor sich selber verbirgt; es ist ein persönlicher Text, dessen Autorenschaft abgeleugnet wird, eine Stimme, zu der man sich nicht bekennt, ein unerlaubtes Antlitz.
Der Schatten ist eine Quelle der unbewußten Bearbeitung, der Fehldeutung und Fehlübersetzung von Teilen des eigenen linguistischen Ich und seiner erzählenden Geschichte. Der Schatten ist ein hermeneutischer Alptraum, der Sitz absichtlicher, wenn auch unbewußter Fehldeutung. (*)
.... Das ist der Grund, warum ich den Schatten unmittelbar mit hermeneutischen Betrachtungen in Verbindung bringe. Hermeneutik ist, wie Sie sich erinnern werden, die Wisschaft der Deutung: Was ist die Bedeutung von Hamlet? Oder von Schuld und Sühne oder Ihres eigenen Verhaltens, Ihrer Handlungen, Ihres Lebens? Man wird sofort erkennen, daß es keinerlei empirische Methoden gibt, die Antworten darauf zu verifizieren. Geben Sie mir einen wissenschaftlich-empirischen Beweis dafür, daß Sie die prä-Bedeutung von Hamlet, von Endstation Sehnsucht oder Ihres Traumes der letzten Nacht kennen. Das geht aus folgendem Grund nicht: Sobald wir die Ebenen erreicht haben, die über das sinnlich Erfassbare hinausgehen (1/2), sobald wir zum Stadium der Gruppenzugehörigkeit oder des Geistes (3/4) gelangen, haben wir es mit Bedeutungsstrukturen zu tun, für die kein empirischer, auf Sinneswahrnhemungen beruhender Beweis mehr möglich ist.......
Man darf den Schatten nicht mit dem Es (Typhon) verwechseln.
Das Es ist emotional-sexuelle Energie, der Schatten weitgehend eine verbale und syntaktische Struktur. (**)
.....Sobald eine Persona-Geschichte dem Ego entfremdet und von ihm dissoziiert ist (um zum Schatten zu werden), wird sie unweigerlich mit uroborischen und typhonischen Ausflüssen vermengt, und der ganze Komplex bildet dann den Kern von Neurosen oder, genauer ausgedrückt, von Charakterstörungen. Wir gelangen jetzt an einen entscheidenden Puntk: Selbstachtung kann nicht entstehen, wenn das Ego in akzeptable personae und Schatten-personae dissoziiert ist, denn dann kann man sich selbst und auch andere nicht richtig und ehrlich (an)erkennen. Wer sich selbst nicht in allen Einzelheiten klar sieht, kann auch nicht vollwertig und ehrlich am wechselseitigen ichhaften Austausch teilnehmen. ...
Das unbewußte Ego glaubt, es kommuniziere wahrheitsgemäß und offen mit anderen und sich selbst, während es in Wirklichkeit den Schatten vor sich selbst versteckt; es kommuniziert nicht so sehr Lügen als halbe Wahrheiten.....
Dieser Stand derDinge läßt sich nur umkehren, wenn das Individuum in den Text seines Lebens die Erzählung des Schattens einbezieht ? wenn es sich mit dem Schatten anfreundet und seine ?Story? als eine legitime Episode
des gesamten Textes des Ego akzeptiert.....
Ich ... will es für völlig offensichtlich halten, dass hermeneutische Interpretation das Kernstück jeder sinnvollen Psychotherapie ist.... das Ego beginnt seine Versöhnung mit dem Schatten, indem es lernt, die Symptome (Depression, Angstgefühle, usw.) richtig zu interpretieren, in denen der Schatten sich jetzt verbirgt ...
... Das Problem mit dem persönlichen Ego ist nämlich: Wie alle Formen des separaten Ich erkennt es nicht, dass es selbst nichts als ein flüchtiger Augenblick in einem viel weitergespannten Bogen der Evolution ist;
zweifellos ein notwendiger und wünscheswerter Augenblick, nichtsdestoweniger ein nur vorübergehender, ein Zwischenspiel.
(*) Warum verbirgt ein Individuum Kommunikation vor sich selbst? Es verbirgt jene Aspekte kommunikativen Austauschs, die die Existenz des Ego oder der verbalen Ich-Vorstellung zu bedrohen scheinen. Es «opfert» diese Aspekte, «bringt sie um», stößt sie aus, entfremdet sie, um das eigene ichhafte Unsterblichkeitsprojekt zu bewahren. Der Schatten ist also ein Ersatzopfer der mental-ichhaften Form des Atman-Projekts.
(**) Hier nehme ich entschieden Stellung für Jung, Lacan und andere und gegen den frühen Freud: Das ?Unbewusste? besteht nicht nur aus nichtverbalen Energien und Vorstellungsbildern. Es kann hochstrukturierte und linguistische Systeme enthalten, von denen der Schatten eines ist. Das Es (Typhon) ist prä-verbal und besteht aus sexuellen und aggressiven Trieben; der Schatten ist linguistisch und hermeneutisch und besteht aus sinnvollen, aber dissoziierten erzählenden Einheiten.
@ Kelim
Ich gestehe, die Lust an der Dichtung hat sich erst kürzlich durch Günter Grass bei mir entfacht. Bisher hatte ich sogar die Dichtungen von Jean Gebser eher stiefmütterlich behandelt. Ich habe Abendländische Wandlung, und die schlafenden Jahre, gelesen und seine Gedichte auch mit durch dich entdeckt. Sonst kennte ich seine Arbeiten, von Ursprung und Gegenwart, über Wilber. Habe mir das Buch gerade besorg. Ich muss es nur morgen abholen.)
hallo liebe Nil,
das bedürfnis nach erleuchtung, könnte es gleichzusetzen mit dem bedürfnis nach innerem frieden sein?
führt klarheit des geistes irgendwann durch einen natürlichen prozess zu dem was du erleuchtung nennst?
bei mir macht sich seit einiger zeit ganz einfach ein bedürfnis nach innerer ruhe und klarheit breit. und es scheint sich tatsächlich langsam auszubreiten, indem ich versuche mich mit dem was ich tue und denke zu identifizieren.
hg
ostello jaeger schrieb am 09.05.2012 um 22:48
führt klarheit des geistes irgendwann durch einen natürlichen prozess zu dem was du erleuchtung nennst?
So könnte man es wohl ausdrücken.
bei mir macht sich seit einiger zeit ganz einfach ein bedürfnis nach innerer ruhe und klarheit breit.
Das finde ich sehr erfreulich.
Alles Gute Licht und Liebe
Erleuchtung .... schon das kleinste Kerzenlicht sorgt für die Abwesenheit von Dunkelheit. Müssen es 1000 Lux sein? Ist es nicht besser, eine Kerze anzuzünden als auf den zu warten, der den Akku für den 1000 Lux-Strahler vorbeibringt?
Liebe Nil, d'accord, wenn sie von einer Krise der Wahrnehmung sprechen, aber haben wir nicht auch eine Krise der WahrGEBUNG, der SinnGEBUNG, die wir angesichts Gewöhnung an verordnete Passivität weder bei uns noch von anderen einfordern und in Gang bringen?
bertamberg schrieb am 09.05.2012 um 23:24
Ja, da haben Sie wohl ganz recht. Wenn die Wahrnehmung in der Krise steckt, ist angemessene Interpretation oder Sinngebung zumeist nicht mehr möglich.
Was meines Sie mit Passivität?
Uwe Theel schrieb am 10.05.2012 um 00:00
Das ist eine natürliche und spontane Entwicklung. Hier wird Kommunikation nicht geplant, eher spontan erlebt.
Nix für ungut.)
Nil
Ich entnehme dem Kasten rechts oben, daß dies Ihr erster Blog-Eintrag ist. Dazu verdienen Sie unseren Glückwunsch. Sie schreiben auch gut. Und sogar ich, der ich in diesen Dingen recht platt denke, die Sie aufwerfen, finde mich in ihnen irgendwie wieder. "Wenn uns plötzlich ein Licht aufgeht" - das hat mich immer interessiert, was dann passiert, und habe schließlich die (wie gesagt, sehr platte) Auskunft gefunden, das geschehe einfach dann, wenn uns eine Antwort auf eine Frage aufscheint, die wir uns gestellt haben oder die sich in uns gestellt hat. Der Übergang zwischen Frage und Antwort hat nämlich ein unkontrollierbares Moment, das sie von der logischen Ableitung eines Satzes aus einem anderen Satz sehr spürbar unterscheidet. Ich glaube, das ist auch der Kontext, in dem Freud von der Zeit des Begreifens spricht, die man eben nicht völlig, und manchmal nicht einmal ansatzweise, im Griff hat. Diese Überlegung bedeutet aber andererseits nun eben doch, daß es einen rationalen Weg zur "Erleuchtung" gibt, das ist der, sich möglichst kluge Fragen zu stellen. Wenn die Frage da ist, kommt die Antwort von selbst, auch wenn man nicht weiß, wann sie kommt. Entschuldigen Sie, daß ich mit dieser Auskunft schon völlig zufrieden gestellt bin und von der "totalen" Erleuchtung gar nichts wisen will, ich kann nicht anders. kann Sie aber trotzdem irgendwie verstehen.
j.kelim schrieb am 10.05.2012 um 01:45
Guten Morgen lieber Kelim.)
Nichts zu danken. Ja, es ist tatsächlich für viele Menschen sehr schwer zu begreifen, dass die Erde keine Scheibe ist. Die Evolution mäandert. Das liegt aber auch an unserem Bildungssystem. Die relevanten geistigen Grössen wurden schon immer gerne einfach ignoriert, von den aktuellen Amtsinhabern. Die fälschen sich lieber reihenweise Doktortitel. Selbst die Wissenschaftsministerin hat vermutlich abgeschrieben. Was soll man dazu noch sagen?
Wünsche einen harmonischen Tag...
Die "Kulturell Kreativen" - Boomeritis
(aus: Ganzheitlich handeln, Arbor Verlag 2001, S. 44)
Der Soziologe Paul Ray hat vor kurzem herausgefunden, daß ein neues kulturelles Segment, dessen Mitglieder er "die kulturell Kreativen" nennt, erstaunliche 24 Prozent der erwachsenen amerikanischen Bevölkerung ausmacht (oder etwa 44 Millionen Menschen). Um sie von den vorangegangenen kulturellen Bewegungen des Traditionalismus und des Modernismus zu unterscheiden, nennt Ray dieses Gruppe die "integrale Kultur". Wie "integral" dieses Gruppe wirklich ist, das bleibt abzuwarten. Doch glaube ich, daß die von Ray angeführten Fakten tatsächlich eine Reihe sehr realer Strömungen darstellen. Die Traditionalisten wurzeln in prämodernen mythischen Werten (Blau), die Modernisten in rational-industriellen Werten (Orange) und die kulturell Kreativen in postformalen/post-modernen Werten (Grün). Diese drei Bewegungen stellen also genau das dar, was wir aus der Perspektive unseres Überblicks über die Evolution des Bewusstseins erwarten würden (vom Präformal-Mythischen zum Formal-Rationalen zum frühen Post-Formalen).
Doch einige weitere Punkte fallen ins Auge. Was Ray die integrale Kultur nennt, ist nicht integral in dem Sinne, wie ich den Begriff verwende. Es wurzelt nicht in universalem Integralismus, reifer Schau-Logik oder Sekundärschicht-Bewußtsein. Vielmehr deuten Rays Untersuchungen daraufhin, daß die Mehrheit der kulturell Kreativen im Grunde das grüne Mem aktiviert, was klar aus ihren Werten hervorgeht: diese sind nämlich stark antihierarchisch, auf Dialog ausgerichtet und propagieren einen Flachland-Holismus ("Alles-und-Jedes-Ganzheitlichkeit", wie Ray es formuliert).
Echter Holismus beinhaltet jedoch verschachtelte Hierarchien oder Holarchie, und die kulturell Kreativen scheuen Holarchien. Deshalb ist ihre "Ganzheitlichkeit" gewöhnlich ein Amalgam aus monologischen Ganzheitsthesen (wie sie etwa von der Physik oder der Systemtheorie angeboten werden), einem Argwohn gegenüber konventionellen Formen von Fast-Allem-und-Jedem, einer bewundernswerten Sensibilität gegenüber der Ausgrenzung von Minderheiten, einem Engagement für pluralistische Werte und subjektivistische Vollmachten und einer weitgehend translatorischen (übertragenden) und nicht etwa transformativen (verwandelnden) Spiritualität. Don Beck selbst weist unter Verwendung umfangreicher Forschungsergebnisse darauf hin: "Die 'integrale Kultur' von Ray ist im wesentlichen das grüne Mem. Es gibt hier, wenn überhaupt, nur wenige Hinweises auf das gelbe oder türkisfarbene Mem. Mit anderen Worten: Bei den meisten kulturell Kreativen sind nur wenige Sekundärschicht-Meme anzutreffen."
Diese Interpretation wird durch weitere empirische Studien. gestützt. Ray behauptet, 24 Prozent der Amerikaner seien kulturell Kreative in einer integralen Kultur. Ich glaube, er hat tatsächlich "etwas" genau gemessen - doch ist es in Wirklichkeit die Tatsache, daß die meisten kulturell Kreativen, um die Begriffe von Jane Loevinger und Susanne Cook-Greuter zu verwenden, sich auf der individualistischen Stufe (Grün) befinden, nicht auf der autonomen oder integrierten Stufe (Gelb und Türkis). Aus der Forschung geht in der Tat hervor, daß sich weniger als zwei Prozent der Amerikaner auf der autonomen oder integrierten Stufe befinden. Das paßt auch gut zu Becks Forschungsergebnissen - weniger als zwei Prozent in der Sekundärschicht - sowie zu den Ergebnissen der meisten anderen Entwicklungsforscher. Kurz gesagt: Die kulturell Kreativen, von denen die meisten Boomer sind, sind nicht wahrhaft integral, sondern aktivieren grundsätzlich das grüne Mem.
Und da es tatsächlich das grüne Mem ist, welches das Entstehen einer Sekundärschicht-Integration verhindert, wenn es nicht losgelassen wird, ist das, was Paul Ray die "integrale Kultur" nennt, genau das, was die integrale Kultur verhindert. Wie auch immer wir die Daten aufdröseln, es zeigt sich, daß die "integrale Kultur" gar nicht so sonderlich integral ist.
Doch sie könnte es sein. Und das ist der entscheidende Punkt.
Wenn die kulturell Kreativen in die zweite Hälfte ihres Lebens gelangen, ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem eine weitere Bewußtseinstransformation besonders leicht erfolgen kann, nämlich die vom Grün zum gereiften Sekundärschicht-Bewußtsein. Wie ich später zu zeigen versuche, ist diese Transformation zum integralen Sekundärschicht-Bewußtsein (und weiter zu wahrhaft transpersonalen Wellen) am einfachsten durch integrale transformative Praktiken zu bewerkstelligen. Ich kritisiere die "Boomeritis" deshalb in der Hoffnung, daß durch die Diskussion über einige der Hindernisse für diese weitere Transformation diese Transformation bereitwilliger erfolgen kann.
Die Hindernisse trifft man nicht ausschließlich bei Boomern oder Amerikanern an. Pluralistischer Relativismus ist eine universal anzutreffende Welle der Bewußtseinsentfaltung, und er hat seine eigenen Gefahren und Fallgruben, von denen ein starker Subjektivismus, ein Magnet für den Narzißmus, eine der gefährlichsten ist. "Boomeritis" beschränkt sich also keineswegs auf Boomer, sondern kann jeden befallen, der zum Sprung ins Sekundärschicht-Bewußtsein ansetzt, welches seinerseits das große Portal zu einem stabileren spirituellen und transpersonalen Gewahrsein ist.
03/2003 -mh-
@Nil schrieb am 09.05.2012 um 23:57
Ich las vor kurzem im hiesigen Regionalblättchen ein Zitat von Vivienne Westwood: "Wir sind so konform, niemand denkt mehr nach. Wir saugen alle lauter Zeug auf, wir sind darauf trainiert worden, Konsumenten zu sein, und wir konsumieren alle viel zu viel."
Das ist sicher übertrieben, vielleicht sieht Westwood auch Anlass zu Selbstkritik, aber ein Mehrheitsphänomen ist das institutionelle und invividuelle Bedürfnis nach Konsum schon, und die Forderung nach Wachstum wurde nie im Hinblick auf den Grad der Erleuchtung erhoben, sondern nur mit Blick aufs Bruttosozialprodukt und die Profitmarge.
„If we learn to grow not in size, but grow in generosity, or grow in a sense of humour, or grow in the ability to talk with people we disagree with" sah Pete Seeger als Kriterium für die Zukunftsfähigkeit des Menschen (Pete Seeger (2008), aus: Pete's Extroduction. Auf CD At 89, Appleseed Recordings)
Dass dieser Lernprozess nur rudimentär stattfindet, ist für mich Zeichen von Passivität und mangelnder Sinngebung und Sinnhaftigkeit, Mangel an Erleuchtung.
Blockupy in Frankfurt ist verboten worden (www.blockupy-frankfurt.org/) - das zeigt zumindest, wer daran Interesse hat, dass es so bleibt.
bertamberg schrieb am 10.05.2012 um 13:21
Da kann ich Ihnen uneingeschränkt zustimmen. Vielen Dank für die Erläuterung.
Zu Frau Westwood, die hat wohl das offensichtliche angefangen wahrzunehmen. Und die Informationen:
www.sueddeutsche.de/wissen/bericht-an-den-club-of-rome-wie-unsere-hemmungslosigkeit-den-planeten-zerstoert-1.1352278
haben leider auch nicht zu einer angemessenen Debatte im öffentlichem Räumen geführt. Jedenfalls noch nicht. Lieber wird verdrängt, vergessen und anschliessend konsequent ignoriert und gelogen.
Dass die Blockupy in einem so freien Land wie Deutschland verboten wird, ist schon sehr bemerkenswert. Wo doch die Leute so vorbildlich sogar für das Demonstrationsrecht der Neonazis eingetreten sind.
Das hat wohl nichts genützt, wie sich jetzt herausstellt sollte.
Hallo, Kenua,
ich hatte den Eindruck, Du hast noch keine Antwort auf Deine Fragen erhalten. Die Sache mit der Kerze ist ja nicht wirklich erhellend.
Ich habe nach ca. 20 jahren Zen ne solide 5Watt Erleuchtung, die ganz praktisch ist, wenn man im Dunkeln aufs Klo muss.
Auf die 1000 Linux wartest Du besser nicht.
Übrigens: Spirituelle Leiter von Management Kursen waren fast alle mal Bettelmönche. Das gehört bei denen zum Curriculum.
Mal im Ernst zum meditieren:
Statt ner Stunde sitzen besser nur zehn Minuten und nicht im Schneidersitz sondern auf nem normalen Stuhl. Hände auf die Knie legen und dann ein wenig aufs ein- und ausatmen achten. Wenn die Gedanken abschweifen, wieder zurückkommen.
Sonst nix.
Möglichst jeden Tag. Und keinen Ehrgeiz.
Apropos Asiaten und medititieren.
Machen die normalerweise nicht. Meditieren gilt überwiegend als altertümliches Verhalten von Omas und Opas, wie im Westen der Kirchgang.
Und ansonsten: muss dieser Reklame Thread für Ken Wilder eigentlich sein? Der macht doch wirklich genug money, auch ohne den Freitag. Bettelmönch war der auch nicht.
@ Nil schrieb am 10.05.2012 um 13:56
Liebe Nil, jetzt muss ich doch nachfragen, wie Sie Freiheit definieren? Die Freiheit, proportional der eigenen Finanzstärke die öffentliche Meinung zu beeinflussen kann es ja nicht sein.
Der Club of Rome ist kein Instrument der Veränderung, sondern der Bestandsaufnahme. Wer wollte denn unter dem Diktat der Jahresbilanz ersteres in einer anderen als pekuniären Hinsicht?
Dazu: Wo ist das aufgegriffen, was Illich 1975 unter dem Stichwort 'Selbstbegrenzung' formuliert hat (vgl.Illich, Ivan (1975/1998):
Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. C.H. Beck, München)?
Die konzeptuelle Desorientierung der Occupy / blockupy-Bewegung widerspiegelt doch die Desorientierung der herrschende Klasse hinsichtlich Systemreform ebenso wie die fehlenden Konzepte einer globalen Anti-Wachstums-Strategie.
bertamberg schrieb am 10.05.2012 um 15:38
Ich hatte in dem Zusammenhang das allgemeine Demonstrationsrecht in Deutschland gemeint, welches ja sonst doch freizügiger gestaltet wurde.
bertamberg schrieb am 10.05.2012 um 15:38
Ich hatte in dem Zusammenhang das allgemeine Demonstrationsrecht in Deutschland gemeint, welches ja sonst doch freizügiger gestaltet wurde.
Sonst, mein Verständnis von Freiheit, da liegen wir nah beieinander, ist natürlich auch die Freiheit der Selbstbeschränkung. Denn nur, wenn wir dazu imstande sind, werden wir autonome Bürger werden können. Sonst könnten wir sehr leicht Sklave unseres eigenen Freiheitsbedürfnisses werden.
@Nil schrieb am 10.05.2012 um 16:24
Wenn ich nach Freiheitsdefinition frage und Sie bei der Gefahr landen, "Sklave des eigenen Freiheitsbedürfnisses " zu werden, fehlen mir ein paar Trittsteine zwischen diesen Begriffen.
So notwendig das Prinzip der Selbstbeschränkung ist, es bedeutet nicht die von der Politik oft bemühte Spar- und Verzichtsethik umzusetzen, sondern aus der eigenen Lebenswirklichkeit heraus die Frage danach zu stellen, wofür und für wen abhängig Beschäftigte eigentlich Güter und Geld akkumulieren, arbeiten, Steuern zahlen und konsumieren. Autonomie wäre dann da, wenn Ziel und Zweck dieser Tätigkeiten geändert werden. Wie weit sind Teile bzw. Mehrheiten der Gesellschaft davon entfernt?
@GEBE schrieb am 06.05.2012 um 12:21
"Intelligenzssparlampe"
Danke für dieses Wort!
:-)
bertamberg schrieb am 10.05.2012 um 19:08
Natürlich ist es wahr, dass das gegenwärtige politische System, so nicht den Anforderungen der Situation des Planeten, ihren Bürgern und anderen Lebewesen, gerecht wird. Das was ich sehe ist, dass in der politischen Landschaft die Leute mit fälschen von Doktortiteln beschäftigt sind und sich grösstenteils um die eigene Achse drehen. Nachhaltigkeit, nicht nur bei den anstehenden Umweltfragen, sondern auch in unseren Beziehungen und Werten ist gefordert. Es ist ja nicht so, dass es keine Erkenntnisse von Weisen Individuen rund um die ganze Welt und Innovationen wie das zu bewerkstelligen wäre, gäbe.
Mal sehen wann die Journalisten und Politiker diese Leute entdecken? und anfangen diese konsequent zu unterstützen und selbst von diesen zu lernen.
Mit Selbstbeschränkung meine ich, für die Solidarität zu sein, mit Armen und Schwachen in einer Weltgemeinschaft.
Das was uns allen jetzt zur Verfügung steht, gerecht teilen, auch wenn ich mich dafür Selbst beschränken muss, gerne. Was braucht man schon? Saubere Luft zum atmen, sauberes Wasser, saubere Nahrungsmittel, ein Dach über dem Kopf und intakte Beziehungen. Dann klappt es auch mit den Nachbarn.
Wie weit oder wie nahe Teile bzw. Mehrheiten der Gesellschaft davon entfernt sind? Weis ich nicht. Aber wenn nicht von den Bildungsbürgern der Versuch unternommen wird, die erkannten Wahrheiten vorzuleben, könnte es bald zu spät sein.
Heini schrieb am 10.05.2012 um 14:31
Schön, dass Sie Ihre neidische Flachlandanalyse über Wilber loswerden konnten.
Aber wo Sie das Thema Geld ansprechen. Als Wilber anfing zu unterrichten, hat er sich zuerst überlegt, wie er es schaffen könnte, ein gerechtes Entlohnungssystem zu für sich Selbst zu schaffen. Dann hat er von allen seinen Schülern als Stundenlohn, das verlangt, was diese selbst verdienten. Ob es 100 Dollar war oder 3 Doller spielte keine Rolle und alle waren sehr zufrieden.
Aber ich habe auch nicht erwartet, dass Jeder versteht worüber ich in diesem Blockbeitrag geschrieben habe.
Und eines noch, es ist egal was die Leute tun und wie sie es tun, wichtig ist was Sie Selbst tun und wie sie es tun. So könnten Sie eventuell Projektionen vermeiden.
Die Nichtwissenheit wissen
ist das höchste.
Nicht wissen, was Wissen ist,
ist ein leiden.
Nur wenn man unter diesem Leiden leidet,
wird man frei von leiden.
Dass der Berufene nicht leidet,
kommt daher, dass er an diesem leiden leidet;
darum leidet er nicht.
Laotse: Tao Te King (in der Übersetzung von Richard Wilhelm.)
Angelia schrieb am 10.05.2012 um 23:51
Stufen Sie meinen Beitrag unter Esoterik ein? Oder warum dachten Sie an Esoterik? Hier geht es um eine Kòsmologie, holistischer Panpsychismus. Da findet jeder seinen Platz. Niemand wird ausgeschlossen.
@ Nil schrieb am 10.05.2012 um 20:19
Liebe Nil, uneingeschränkte Zustimmung zu Ihrer Wahrnehmung von Egozentrik im dienste des eigenen Fortkommens, auch zur Benennung von Nachhaltigkeit als Stichwort. Nur, da wäre auszuführen, an welchen Kriterien sich denn Nachhaltigkeit messen lässt, denn schon auf der begrifflichen Ebene ist Nachhaltigkeit kein einheitliches sondern ein höchst umstrittenes Konzept, dessen Operationalisierung eine Situationsanalyse voraussetzt über die ein tragfähiger Konsens zu bilden wäre, um daraus Zielvorstellungen zu entwickeln. Allein für die ökologische Nachhaltigkeit lassen sich mindestens fünf Varianten unterscheiden. Peter Fischer nennt die radikal-ökologische und die kritische Variante als konsequent ökologische Position, kontrastiert sie mit dem funktionalistisch- utilitaristischen Konzept und der Inselstrategie/Funktionalitäts- und Nutzenerhaltungsstrategie. Als fünftes nennt er ein an die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse gekoppelte Nutzungs- und Substitutionskonzept. ( In: Politische Ethik, W. FinkVerlag München 2006, S. 118-134).
Und schon sind wir bei der Feststellung, dass die Sachlage äußerst komplex ist und die Angemessenheit wissenschaftlicher Methoden zur Erfassung defizitär sein kann, landen bei dem Problem, dass es widersprüchliche Entwicklungen geben kann (wie bewertet man einen rauchfreien Flughafen, der die Anwohner mit zunehmendem Lärm tyrannisiert?) im Aggregationsdilemma und fühlen schon den dritten Strick um den Hals, den des Präferenzdilemmas: Wofür sollen knappe Mittel ausgegeben werden, ökologische Wirtschaftsförderung oder den Erhalt von Feuchtbiotopen?
Vor dem inflationären Gebrauch des Begriffes "Nachhaltigkeit" ist also zu warnen, und dies vorzuleben findet meine Zustimmung ( La rivoluzione siamo Noi schrieb einst Joseph Beuys), aber das bedeutet erst, begrifflich zu klären, was anzustreben ist, über die Benennung populistischer Schlagwörter hinaus. Ulrich Grober hat dargestellt, dass Nachhaltigkeit eine zutiefst deutsche Erfindung ist (Die Entdeckung der Nachhaltigkeit, Antje Kunstmann Verlag, München 2010), aber in vielen Kulturen verwurzelt ist: Sumak kawsay (Ketschua), sarvodaya, swaray und swadesi (Mahatma Gandhi), Tian-ren-he-yi (China). Die politisch gewollte Fixierung auf den Klimawandel lenkt ab davon, dass die tieferen Ursachen in den zerstörerischen Muster von Produktion, Handel, Rohstoffgewinnung, Landnutzung, Abfallbeseitigung und Konsum liegt, die nicht mehr in Frage gestellt werden, wie Eileeen Crist unter Berufung auf Horkheimer, Adorno und Marcuse schrieb.
Arne Naess gab als Parole aus "Einfach an Mitteln, reich an Zielen und Werten", Karl Ludwig Schweisfurth empfahl, "Halb so viel, aber doppelt so gut" zu essen, der BUND propagiert "gut leben statt viel haben", was wir brauchen ist eine strukturelle Transformation, in der die von José Lutzenberger geforderte "Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben und dem Kosmos" sich manifestieren kann.
Ohne Formen des Widerstands und Mobilisierung gegen den herrschenden Prioritätenkatalog ist und wird das nicht zu haben sein. Wenn das Zeitfenster schmal ist, muss das was vorzuleben ist, nicht vordringlich im Aussen deutlich werden, statt im Privaten unbeachtet zu bleiben?
Sorry, für mein plumpes Du.
"Flachlandanalyse" verstehe ich eher als Lob. Um die "Mühen der Ebene" gehts doch auch in der Spritualität. Die grossen Konzepte und Erwartungen sind dabei eher hinderlich, ist meine singuläre Erfahrung.
Zum "neidisch" sein: Die Lehre sollte nichts kosten, sonst kommen die bad spirits. Sacht man in India jedenfalls.
Trotz aller Kritik, über ihr Thema "Erleuchtung" hab ich mich gefreut. 'hat mich zum Registrieren ermuntert.
Morgengrüsse aus Sydney. (Darum die verspätete Reaktion)
Danke für Deinen Friedensappell. Ich habe an NIL eben einen Palmzweig geschickt.
Zum meditieren noch mal: Auf meiner website kannst Du einige einfache Meditationstechniken finden:
www.heartofmeditation.com/easy-meditation-techniques.html
Ist leider auf Englisch, aber leicht zu verstehen.
Nochmal als Besserwisser:
- In Tibet wird ein bäuerlicher Buddhismus betrieben mit nem Schuss Tantra dazu. Kein Zen.
- Dauerndes Meditieren führt wohl tatsächlich zur Veränderung (wachsen) bestimmter Teile des Gehirns. (so wie Dauerlaufen das Herz vergrössert.) Ob das grössere Gehirn "Otto Normalverbraucher" allerdings irgendwas nützen würde, ist offen.
- Theta-Wellen sind überwiegend gut fürs Marketing von Meditationskursen.
Gruss aus downunder.
Kenua, eben sehe ich, dass ich Sie doch wieder geduzt habe.
Ich bin deutsche Umgangsformen nicht mehr gewohnt.
Sorry
bertamberg schrieb am 11.05.2012 um 00:27
Vielen Dank für diesen Kommentar. In der Tat ist das Wort Nachhaltigkeit schon sehr oft falsch in gebrauch und arg strapaziert. In fachspezifischen Detailangelegenheiten bin ich überfragt, aber Wilber zum Beispiel hat vor etwa 12 Jahren das Integrale Institut gegründet, eine gemeinnützige Organisation, wo Fachleute aus allen Bereichen an einer integralen Kultur arbeiten. Mittlerweile gibt es weltweit Ableger, Integrale Salons. Von Materie zu Körper zu Geist(mind) zu Seele zu GEIST, kommen alle relevanten Themen vor. Steve Jobs war ebenfalls ein Mitglied, wenn ich recht erinnere. Al Gore versucht es mit dem integralen Ansatz. Nur um zwei Beispiele von Politik und Wirtschaft zu nennen. Die Gesellschaft (kollektiv), kann sich letztlich nur durch Selbsterkenntnis (Individuum), nachhaltig transformieren zum besseren hin.
Das Wort Nachhaltigkeit benutze ich in diesem Zusammenhang wortwörtlich. Es ist eine Krise der Wahrnehmung. Wenn die Sinnesfakultäten falsch beansprucht werden oder gar nicht beansprucht werden, wird die Wirklichkeit stark verzerrt und die Leute können nicht mehr unterscheiden was wahr schön gut und was lüge hässlich und schlecht ist.
Heini schrieb am 11.05.2012 um 01:00
Morgengrüsse aus Sydney. (Darum die verspätete Reaktion)
Ich habe Ihren Kommentar erst später bemerkt.)
Gute Nacht.
Heini schrieb am 11.05.2012 um 01:00
Morgengrüsse aus Sydney. (Darum die verspätete Reaktion)
Ich habe Ihren Kommentar erst später bemerkt.)
Gute Nacht.
Meine Ansicht zur Meditation: Ich glaube, dass die Menschen sehr unterschiedlich sind, ein Jeder ein Mikrokósmos für sich. Aus diesem Grund ist es gut, eine individuelle Einweisung von einem autorisierten Lehrer, in eine klassische Meditationstechnik zu erhalten. Denn es geht ja bei der Meditation, hauptsächlich um Atemführung. Atemkultur. Ein unrhythmischer Atem führt zu Unruhe oder Trägheit im Geist. Bei täglicher Übung, kommt der Atem ersteinmal in einen dem Übenden entsprechenden Rhythmus. Das führt zur Atemkontrolle und damit auch, zur Selbstkontrolle oder Selbsterkenntnis.
j.kelim schrieb am 11.05.2012 um 01:11
Atemkultur zu entwickeln hilft ungemein, bei der Durchschauung dieser Art Selbstbetrügereien.)
Arno Gruen, kannte ich noch nicht , danke.
Leben
Gruen wurde 1923 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren.
Ein Ereignis aus seiner Volksschule ist ihm bis heute in Erinnerung: Seine Lehrerin ermahnte Arno Gruens Klasse, sie sei zu undiszipliniert. Deshalb beschloss sie, einen Rohrstock zu beschaffen, um die Kinder gegebenenfalls mit ihm zu bestrafen. Sie nahm also ihr Portemonnaie aus der Tasche, suchte einen Groschen heraus und fragte, wer zum Laden laufen wolle, um den Rohrstock zu kaufen. 29 Zeigefinger schnellten in die Höhe, nur der des sechsjährigen Arno nicht. „Ist das nicht verrückt“, wundert sich der Psychoanalytiker noch heute, „alle wollten unbedingt den Stock kaufen, mit dem sie geschlagen werden sollten.“ In dieser Berliner Volksschule erfuhr er auch zum ersten Mal mit sieben Jahren, dass er Jude war. Vor dem Religionsunterricht wurde er nach Hause entlassen. Sein Vater erklärte ihm daraufhin, dass man unterscheide zwischen Juden, Christen, Atheisten, oft auch zwischen Deutschen und Franzosen. Arno antwortete erstaunt: „Ich dachte, wir sind alle Menschen
Arno Gruen, Wiki
Lethe schrieb am 11.05.2012 um 09:52
Danke für diesen Kommentar.
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu und musste an die Aphorismen: Handeln im nicht handeln, aus der Bhagavatgita denken.
Danke für Ihre Ansicht.
Ich meditiere auf einem anderen Dampfer.
Aber das Meer ist gross.
Ausserdem habe ich Keuna Friedlichkeit versprochen.
bye.
Lethe schrieb am 11.05.2012 um 12:37
Lieber Lethe,
ich kann Sie nur bestätigen. Seit ich das erste mal bewusst mit den Veden in Kontakt getreten bin, hat die Faszination keinen Stück nachgelassen für diese uralte Weisheitstradition. Es gibt ein dutzend Individuen aus der Vergangenheit, die aus der Zukunft der Menschheit zu uns sprechen.
Lethe schrieb am 11.05.2012 um 12:37
Lieber Lethe,
ich kann Sie nur bestätigen. Seit ich das erste mal bewusst mit den Veden in Kontakt getreten bin, hat die Faszination keinen Stück nachgelassen für diese uralte Weisheitstradition. Es gibt ein dutzend Individuen aus der Vergangenheit, die aus der Zukunft der Menschheit zu uns sprechen.
brefcourte schrieb am 11.05.2012 um 19:57
Wollten Sie mir etwas sagen? Mich vielleicht einladen auf eine Flasche Wein? Oder ein Tip? wo man guten Wein herbekommt? Fragen über Fragen?
Hier ein Video eines von mit geschätzten Freitagmitbloggers zur Solidarität mit der Bewegung Blockupi-Frankfurt
was von (mir gesagt) werden musste...
a href="http://www.youtube.com/watch?v=0IOdOtteQEM=g-upl" target="_blank">www.youtube.com/watch?v=0IOdOtteQEM=g-upl
gerne noch verteilen, wenn es gefällt...
würde euch gerne in frankfurt sehen...
yann.
Aperspektivisch-integral (Jean Gebser)
Aus www.integralnaked.org/
Telefonkonversation zwischen Serj Tankian und Ken Wilber
Einer der ganz großen frühen Pioniere des Studiums der Bewusstseinshistorie in ihren Grundzügen - also wie sich das Bewusstsein entfaltet hat - war Jean Gebser.
Gebser war wirklich ein erstaunlicher Mann. Er schrieb sein Werk in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Er beschrieb verschiedene Phasen oder Wellen des sich entfaltenden Bewusstseins, er nannte sie archaisch, magisch, mythisch, mental und dann als nächste Welle integral-aperspektivisch - ein ziemlicher Zungenbrecher. Was jedoch an diesem Ausdruck so interessant ist - das kann man am Beispiel eines Gemäldes von Picasso erläutern:
Aperspektivisch bedeutet, das keine Perspektive privilegiert ist, also in gewissem Sinn eine Perspektivelosigkeit. Doch integral meint in diesem Zusammenhang den Raum, in dem all dies gehalten wird, so dass es sich immer noch um ein Bild handelt. Man erkennt all die verschiedenen Bezugssysteme und Blickrichtungen, - es gibt auf einem Picasso-Gemälde keine dreidimensionale Perspektive, weil fast jeder Punkt seine eigenen Perspektive hat - und daher ist es in diesem Sinn a-perspektivisch. Doch es gibt einen Betrachtungsraum, in dem das Gemälde als ein eigenständiges, ganzes Bild erkannt werden kann, als ein Kunstwerk.
Es ist eine großartige Formulierung, eine hervorragende Beschreibung für das Eine in den Vielen, eine Vielfalt, welche in einem Raum und Bezugsrahmen gehalten wird.
www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/occupy-jubilaeum-proteste-in-berlin-london-madrid-lissabon-a-832862.html
Der Mythos des Gegebenen - The Myth of the Given
aus Dialogen Cohen-Wilber
Der Mythos des Gegebenen ist eines der Hauptthemen des Buches Integral Spirituality.
Mit dem Mythos des Gegebenen ist die Überzeugung gemeint, dass die Welt, so wie sie in meinem Bewusstsein erscheint, so wie sie vorgegeben/vorhanden ist, dass diese Welt auf eine fundamentale und grundlegende Weise real ist, und dass ich daher meine Weltsicht darauf aufbauen kann, was immer sich in meinem Bewusstsein zeigt.
Ich sehe beispielsweise einen Felsen vor mir - ich betrachte ihn als real. Ich bin ärgerlich - ich betrachte diese Erfahrung als real. Doch der springende Punkt dabei ist der, dass, was auch immer sich unserem Bewusstsein zeigt, ist bereits in eine Reihe von kulturellen und vielen anderen Kontexten eingebettet, Kontexte, die unsere Wahrnehmungen interpretieren und konstruieren, längst bevor diese überhaupt in unser Bewusstsein eintreten.
Was wir also als real bezeichnen oder als gegeben annehmen, ist in Wahrheit konstruiert ? es ist Teil einer bestimmten Weltsicht.
6/2006 -mf-
Humor
(aus: Einfach ?Das?, Fischer Verlag 2001, S. 402)
Transzendenz stellt den Humor wieder her. Der GEIST macht lächeln. Plötzlich kehrt das Lachen zurück. Zu viele Vertreter allzu vieler Bewegungen, selbst sehr guter Bewegungen wie Feminismus, Ökologie und spirituelle Wissenschaften, scheinen überhaupt keinen Humor zu haben. Mit anderen Worten, es fehlt ihnen an der Leichtigkeit, an der Selbstdistanz, an der Distanz gegenüber dem Ich und seiner grimmigen Entschlossenheit, andere auf die eigenen Konturen zurechtzustutzen.
Es gibt nur den selbsttranszendierenden Humor einerseits oder das Machtspiel des Ego andererseits. Aber wir haben uns für die Macht des Ego und die politisch-korrekte Gedankenpolizei entschieden; wir sind unerbittliche viktorianische Reformer, die behaupten, die Bürgerrechte zu verteidigen, messianische Denker des neuen Paradigmas, die den Planeten retten und die Welt heilen wollen. Deshalb schrieb Mencken: ?Jeder dritte Amerikaner hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Mitmenschen zu verbessern und zu erheben, üblicherweise mit Gewalt; dieser messianische Wahn ist unsere Volkskrankheit.?
Vielleicht sollten wir alle ein Kilo Ego gegen zehn Gramm Lachen eintauschen.
02/2004 -mf/mh-
delloc schrieb am 12.05.2012 um 17:20
Das haben Sie sehr anschaulich beschrieben. Vielen lieben Dank.)
j.kelim schrieb am 13.05.2012 um 14:04
Das hast du sehr gut ausgedrückt. Danke.)
www.freitag.de/community/blogs/the-babyshambler/12m---die-erklaerung-der-menschen-vom-neptunbrunnen
Das Wunder eines Wir
Quelle: Excerpt C, Seite 128
Das ist das Wunder eines „Wir“, die Begegnung im Herzen des Kosmos, wo alle bewussten Wesen sich von innen her kennen und miteinander in lebendiger Resonanz schwingen, einer Lebendigkeit in einem Meer elektrisierter Luminosität. Vertieft man sich in die eigene Unendlichkeit, werden die kleineren Ichs und die Ansprüche aufgehoben, in einer Öffnung zum eigenen wahren Selbst, zum ursprünglichen Antlitz, welches nichts anderes ist als die radikal Erste Person des gesamten Kosmos, die Erste Person welche aus allen ersten Personen schaut, hoch oder niedrig, heilig oder profan – die Erste Person, welche eben jetzt diesen Satz liest – und wenn ich wahrhaft zur Ersten Person erwacht bin und sie realisiert habe, habe ich das Selbst von allem gefunden.
Wenn man sich in die unendliche Tiefe des eigenen ursprünglichen Bewusstseins entspannt, dann umfasst der Kreis der Fürsorge immer mehr „Wirs“, immer mehrzweite Personen, in welchen man den GEIST leuchten sieht, und in welchen man das Leuchten der ersten Person erkennt, einen Gott rufen hört, und die Gnade einer Göttin fühlt. Mit dem Ausdehnen der „Wi’s“ werden nicht nur die anderen Seelen aufgenommen, sondern auch deren niedrigere Verkörperungen und jammervolle Begegnungen, so lange bis der Kreis der Fürsorge alle bewussten Wesen als solche beinhaltet, ein leuchtender innerer Strahl liebenden Lichtes, welcher gleichzeitig alle Herzen mit einer ekstatischen Intimität von innen her berührt, und an diesem Punkt findet die eine und einzige Erste Person ihre eine und einzige Zweite Person, die verborgene Geliebte in allen Bereichen, der herrlich verborgene Anblick innerhalb der Welten, und Sie findet nun als Erste Person umgekehrt auch Ihn, als ihren Geliebten.
Jedes „Ich“, welches nach einem „Du“ Ausschau, hält ist Shiva, welcher Shakti bewundert, ein Gott, der zur Göttin aufblickt, ein Unbewegte Beweger, und dennoch hoffnungslos verliebt in die Weltenmutter: durchscheinendes leeres Bewusstsein, mit einem Ehrfurcht gebietenden Gleichmut. Als reiner Zeuge bewegt sich Shiva nicht, kann sich nicht bewegen, weil Shakti ihm den Atem genommen hat. Und so ist wiederum umgekehrt jedes „Du“, welches gesehen wird, Shakti, strahlendes Licht aussendend in das ganze Universum, ein Geschenk und Ausdruck ihrer grenzenlosen Bewunderung für Shiva, welcher ihr ein und alles ist. Fühlst du die Unendlichkeit, dann bist du – als Ich-Ich– Gott, und wenn du ein Du bist, dann bist du die Göttin: jeder Sehende ist Shiva, jeder Gesehene ist Shakti, in der geheimen, ekstatischen, erotischen Einheit dieses und einse jeden Augenblicks.
Die rückhaltlose Unendlichkeit ihrer verzückten Umarmung schließt alle dritten Personen im Kreis leidenschaftlicher Fürsorge ein, die schockierende Erfahrung des radikalen Einen Geschmacks, wo jedes Ich im gesamten Kosmos zu einem leuchtenden Gott, und jedes Wir zu Gottes aufrichtigster Verehrung in liebender Solidarität wird, und jedes Es, als heiligster Tempel Gottes, gewoben immer und ausschließlich aus den kostbarsten Geweben eines GEISTES, die Innerlichkeiten seiner eigenen Manifestation offen legt, ein GEIST, welcher kein anderer ist als der, der diesen Satz in diesem Augenblick liest, und eine Offenlegung, welche keine andere ist als ein Bekenntnis, wer und was du immer schon bist.
In diesem Augenblick, welcher dieser Augenblick ist, ist alles wahrhaft zu Ende. Doch bis zu diesem Augenblick, welcher dieser Augenblick ist, heißt es: Was für Traumtänzer sind wir doch alle! Beim Einnehmen unserer natürlichen Perspektiven geht es allein darum, durch unsere Träume hindurchzugehen und zum EINEN zu erwachen, für den diese natürlichen Perspektiven unendliche Spiegelungen seines eigenen ursprünglichen Antlitzes sind. Der einzige Grund dafür, dass du all diese Perspektiven einnehmen kannst ist der, dass du keine von ihnen bist, sondern die unermessliche Leere und Öffnung, in welcher sie alle erschienen, und die unermessliche Fülle oder das Leuchten, durch welche sie alle erstrahlen.
Das Universum ist zusammengesetzt aus Perspektiven, welche du eingenommen hast, um ein kosmisches Schachspiel mit dir selbst zu spielen. Der Kosmos besteht aus bewussten Wesen, und jedes einzelne von ihnen ist das eine und einzige, nicht-lokale und nichtduale, Erste Person, welchem die Perspektiven als seine eigenen Spiegelungen erscheinen, seine eine und einzige Zweite Person berührend und liebend, und jede und alle Dritte Personen umwerbend, und alle sind sie wiederum die eine und einzige Erste Person, welche jetzt gerade liest. Dein eigenes ursprüngliches Antlitz, das Antlitz, welches du bereits vor dem Urknall hattest – das ICH BIN des ICH BIN – schaut immer noch durch deine Augen auf die Welt, selbst hier und jetzt.
Erinnerst du dich?
Falls nicht, dann steckst du fest im schäumenden Strom, und alles um dich herum entsteht entsprechend der AQAL Matrix deiner eigenen natürlichen Perspektiven...
03/2010 Übersetzung: Michael Habecker
@ Islamijaa schrieb am 14.05.2012 um 13:26
Herrlich, genau so ist es und wird dennoch von so vielen Menschen nicht bemerkt, daß nämlich allem "Ausdenken" das Denken zugrunde liegt.
@Lethe schrieb am 14.05.2012 um 13:10
In diesem Zusammenhang vielleicht auch noch einmal ein Hinweis auf die Aristotelischen Prädikamente / Kategorien:
1. Substanz
2. Quantität
3. Qualität
4. Relation
5. Ort
6. Zeit
7. Lage
8. Haben
9. Aktiv
10. Passiv
Lethe schrieb am 14.05.2012 um 13:10
Solange man sich dieser Doppeldeutigkeit bewusst bleibt und weiß, was man ausdrücken will, kann das "ist" ruhig verwendet werden.
Richtig. Man sollte sich der zweifachen Natur stets bewusst bleiben. Die absolute- und die relative Seite der Wirklichkeit gleichermassen würdigen.
Ich übe den Kriya, seit etwa 12 Jahren. Das ist ein in Indien hoch respektierter, Jahrhunderte alter klassischer Meditationsweg, der von Swami Vivekananda und seinen Nachfolgern in die westliche Welt getragen wurde. Dabei habe ich verschiedene Zustände durchlaufen (Chakraarbeit/Schattenarbeit). Wie zu meist üblich fing es mit Klarträumen an. Ich habe aber selten die Gelegenheit mit Gleichgesinnten darüber zu reden.)
Islamijaa schrieb am 14.05.2012 um 13:26
Irgendwie süss. Sie denken dualistisch, in beispielsweise, entweder oder Kategorien. Hier geht es um Überwindung des Dualismus und reinem Materialismus, hin zu einem sowohl als auch oder weder noch. Vielleicht kommen wir so der Sache näher?
Die Physik wird schon seit Jahrzehnten von einer gewaltigen Revolution erschüttert. Eine junge, brillante Theorie hat sich bereits schon daran gemacht, unsere vertrauten, aber Teilweise veralteten Vorstellungen über unser Universum mit Hilfe einer neuen Mathematik von grosser Geschlossenheit und Eleganz zu erneuern. Noch sind nicht alle Fragen, die diese Theorie aufwirft, restlos geklärt, doch ist der Aufruhr, den sie unter den Physikern entfacht hat, überall spürbar. Führende Wissenschaftler in aller Welt sprechen heute davon, daß wir die genese einer neuen Physik erleben, und ihre Verfechter hoffen, daß es die endgültige Theorie des Universums sein könne.
Die neue Superstring- Theorie des Universums, wie sie genannt wird, ist der vorläufige Endpunkt einer Reihe bahnbrechender Entwicklungen der letzten 40 Jahre, die darauf hindeuten, daß wir jetzt vielleicht doch einer einheitlichen Feldtheorie auf der Spur sind: einer umfassenden mathematischen Beschreibung einer Vereinheitlichung aller bekannten Kräfte des Universums.
Obwohl Physiker auf neue theoretische Ansätze eher zurückhaltend reagieren, verkündete der am Institut for Advanced Studies in Princeton arbeitende Physiker Edward Witten, daß seiner Ansicht nach, die Superstring -Theorie das dominierende Thema der nächsten 50 Jahre sein werde. Die Superstring Theorie, ist in jeder Hinsicht ein Wunder, sagte er. Und auf einer Physiker-Konferenz erstaunte er seine Zuhörer mit der Fragestellung, daß die derzeitige physikalische Revolution ebenso bedeutend sei wie die Entdeckung der Quantentheorie: Wahrscheinlich werden wir zu einem völlig neuem Verständnis von Raum und Zeit gelangen; Superstrings ist die dramatischste (Theorie) seit der Entdeckung der Allgemeinen Relativität, sagte er weiter. Das Faszinierende an der Theorie der Superstrings liegt für die Physiker vor allem darin, daß sie zu einem neuen Verständnis der Natur der Materie zwingt. Wie schon die Naturphilosophie der griechischen Antike, ging die moderne Wissenschaft lange davon aus, daß die Grundbausteine des Universums winzige, punktförmige Teilchen seien. Demokrit prägte das Wort: atomos (unteilbar), um diese kleinsten unzerstörbaren Bestandteile der materie zu beschreiben.
Die Superstring -Theorie vertritt dagegen die These, daß die Grundbausteine der Natur winzigen schwingenden Fäden gleichen, ähnlich den Seiten einer Violine. Demzufolge würden die Protonen und Neutronen jeder Materie,sei es der menschliche Körper oder der fernste Stern,sich letztlich aus diesen Fäden oder Seiten (im Englischen = Stings) zusammensetzen. Niemand hat diese Strings je gesehen, da sie viel zu winzig sind, um beobachtet werden zu können ( ungefähr 100 Milliarden Milliarden mal kleiner als ein Proton).
Der Stuperstring -Theorie zufolge schien die Welt bisher nur deshalb aus punktförmigen Teilchen zu bestehen, weil unsere Messinstrumente zu grob sind, um diese winzigen Strings sichtbar zu machen.
(Michio Kaku)
Integration ist Wahre Autonomie
Genau deshalb, weil das Selbst auf der integralen [Bewusstseins]welle jetzt bewusst globale und universelle Angelegenheiten erfasst, hat dieses Selbst auf dieser Stufe ein ausgedehntes moralisches Empfinden, welches alle Wesen mit einschließt, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft. Das Selbst ist nicht mehr länger ?frei', zu tun was es möchte, weil sein moralisches Empfinden in der Notwendigkeit gegründet ist, universelle Gerechtigkeit und Mitgefühl für alle Völker auszudrücken. Es hat nicht mehr die ?Freiheit', sich diesem Ruf zu widersetzen. Auf dieser Stufe ist das Selbst nur dann frei, wenn es diese globale Perspektive mit berücksichtigt.
Und das ist die wahre Bedeutung von Autonomie: Ich bin nur dann von geringeren Motivationen befreit - frei von egozentrischen und ethnozentrischen Vorurteilen - wenn ich aus einem weltzentrischen Bewusstsein heraus agiere. Autonomie bedeutet nicht, die Freiheit zu tun, was immer ich will; es bedeutet die Freiheit, vom tieferen Raum eines postkonventionellen Bewusstseins heraus zu agieren. Und so, mit der Evolution des Bewusstseins von einer pluralistischen Weltsicht (wo das Selbst radikal einzigartig und daher oft isoliert ist) hin zu einer Weltsicht des Integralismus (wo das Selbst die moralische Forderung globaler Gerechtigkeit und Fairness anerkennt), bewegt sich das Selbst von einem Standpunkt des Individualismus hin zu dem der Autonomie... Diese Stufe, die das individualistische Selbst und seine Entfremdung transzendiert, gehört zum Heilungsprozess!
(Wilber)
(aus: das höchste Wort der Gita, übersetzter Aurobindo)
1. Der Erhabene sprach:
Noch einmal, o Starkarmiger, höre auf mein höchstes Wort, das ich zu Dir sprechen will, da mir das Wort Deiner Seele am Herzen liegt, wie nun Dein Herz seine Seligkeit in mir findet.
2. Keiner der Götter und keiner der großen Rishis kennt eine Geburt von Mir. Denn ich bin in jeder Beziehung und auf jede Weise der Ursprung der Götter und der großen Rishis.
3. Wer mich jedoch erkennt und von Mir weiß als dem Ungeborenen, dem Ursprungslosen, dem mächtigen Gebieter der Welten und der Völker, lebt unverwirrt unter den sterblichen und wird befreit von aller Sünde und allem Übel.
Dann wird die Zeitschrift: Was ist Erleuchtung? vielleicht eine Fundgrube für Sie.)
www.wie.org/de/j16/elizabeth.asp
www.sueddeutsche.de/wissen/wwf-bericht-zur-umweltzerstoerung-ueberraschende-top-ten-der-umweltsuender-1.1357595
www.freitag.de/politik/1219-grundrechte-im-zeitalter-der-krise
Lethe schrieb am 15.05.2012 um 22:45
Mir geht es darum, das Beste von allem alten und neuem Wissen, in Ost und West, zu integrieren. Denn Niemand kann so dumm sein und sich zu 100% irren.
Ich denke mit: frei von Sünde und allem Übel, ist gemeint, dass durch Erkenntnis, es vermieden wird, schuld auf sich zu laden, welche wiederum zu entsprechenden Kausalitäten führt. Das kann man sich übersetzten, wenn man nicht alles wortwörtlich nimmt, sondern hermeneutisch an die alten Texte herangeht.
Wichtig ist nicht welchen spirituellen Weg man einschlägt, sondern ob wir in der Lage sind, das Beste davon an die heutigen Begebenheiten anzupassen in der Lage sind. So ist man nicht gezwungen andere Weltsichten aus zu sperren. Im Gegenteil kann durch so eine Herangehensweise, die Menschheit, in einer übergeordneten tieferen Ebene integriert und aufgehoben werden. Differenzieren um zu integrieren, nicht differenzieren um auszuschliessen.
Mein Glauben ist der holistische Panpsychismus. Ich denke dass die Wirklichkeit aus GanzenTeilen zusammengesetzt ist. Ganze die zugleicht Teile von grösseren Ganzen sind. Der GEIST ist das innere der Materie. Materie ist die äussere Hülle des GEITES. Ein Holon hat eine innere Dimension, eine äussere Dimension, eine individuelle Dimension und eine kollektive Dimension.
Ich dachte es interessiert vielleicht die Leser, welche zuvor noch nicht mit Strings vertraut waren und eher noch mit dem mechanistischen Weltbild zu kämpfen. Als einstieg ist Michio Kaku ein sehr guter Erzähler und gegen Atomkraft.
Ich interessiere mich sehr für die morpischen Felder von Rupert Sheldrake.
www.sueddeutsche.de/wirtschaft/blockupy-protest-in-frankfurt-nervoese-banken-besorgte-polizei-1.1358649
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/frankfurt-occupy-raeumung
Lethe schrieb am 16.05.2012 um 12:10
Mir geht es nicht um Synkretismus, also die gleichmacherrei, sondern um die Integration der wahren Teile der verschiedenen Religionen und Spirituellen Traditionen. Ein aufzeigen wie diese auf eine Sinnvolle Art und Weise in einem Gesamtbild zusammen passen, ohne die Wahrheiten derer mit dem Bade auszuschütten.
PS: Noch einmal Panpsychismus ist keine Esoterik sondern eine Kosmologie. Das sollten Sie eigentlichen wissen.
@ Lethe schrieb am 16.05.2012 um 12:10
“Ernstzunehmende Esoterik muss Ansprüchen an Logik und Konsistenz genügen.“
Werter Lethe,
man kann ja durchaus so frei sein, vollkommen frei sogar sein, einfach mal gehörig die Frage zu stellen, wodurch sich denn Logik selbst als richtig erweise. Nun, gerne wird darauf die Antwort gegeben: Logik beweise sich durch sich selbst. Daß das das ein eigentlicher Unfug ist, sei hier aufgezeigt.
Es ist doch so, daß derjenige, der diese Antwort gibt, sich dazu in ein Verhältnis, nämlich ein Urteilsverhältnis, setzen muß, dies eben erfahren muß – denn ansonsten wäre Logik selbst etwas nicht Erfahrbares, weil sie eben nicht erfahren werden könnte, obwohl sie sich angeblich durch sich selbst beweisen würde; aber sie wäre dann etwas rein Ersponnenes.
Es ist also leicht nachvollziehbar, das diese Antwort: Logik beweise sich durch sich selbst, entweder eine ausgemachte Dummheit ist, wenn man nicht über ein sich ins Verhältnis zu ihr setzen erfahrbar wäre, da sie sich ja ohne jedwedes Erkennen und/oder Erkannt werden müssen selbst beweise.
Nur w i e erfährt man es? Wie erfährt man die Richtigkeit von Logik? Das ist die eigentliche Frage! Man erfährt die Richtigkeit von Logik weder durch sie selbst, sondern einzig und alleine durch das Wahrheitsempfinden. Durch das Wahrheitsempfinden alleine beweißt sich die Richtigkeit von Logik! Und dieses, das ausgebildet haben von Wahrheitsempfinden, ist nun allerdings etwas, was nichts mit Intellekt zu tun hat, sondern mit seelisch-geistiger Reife durch Erfahrung – und zwar ganz alleine durch Erfahrung, die aus Leid gewachsen ist, welcher keinerlei Hybris anhaftet; man könnte durchaus auch sagen: das Wahrheitsempfinden, welches durch Leid erwachsen ist, schafft stets Erleuchtung.
Lethe schrieb am 16.05.2012 um 12:10
ich bin übrigens für Atomkraft
Trotz der Tatsache, dass radioaktive Brennstäbe mindestens die nächsten 40.000 Jahre die Erde verpesten, die Klimaerwärmung beschleunigen und überhaupt für alles Leben auf dieser Welt tödliche Wirkung entfalten?
www.freitag.de/community/blogs/the-babyshambler/demokratie-vertrauen-und-selbstbewusstsein-ein-jahr-revolution#comment-405445
@ Lethe schrieb am 16.05.2012 um 17:25
“… diese von Ihnen dargelegte Auffassung von Logik ist vermutlich eine scholastische; heute hat Logik nicht mehr viel mit Wahrheit zu tun, sondern mit der regelkonformen Ableitung von Sätzen aus den Prämissen eines Axiomensystems.“
Hmm, werter Lethe,
sie sind also ernsthaft der Auffassung, daß konsistentes Schlußfolgern der Scholastik angehöre und heute bei Schlußfolgerungen andere Regeln gelten würden als sinnvoll, logisch, konsistent und vernünftig vorzugehen? Ist doch wohl nicht Ihr Ernst!
“Logik kann damit sogar zu kontraintuitiven Ergebnissen führen, weil sie eben nicht an reale Wirklichkeit koppelt sondern ausschließlich an das zugrundeliegende Axiomensystem.“
Und? Damit ist nichts anderes ausgesagt, daß Logik - also konsistentes Schlußfolgern auch auf abstrakte Systeme anzuwenden sei. Nur erstens bleibt dabei die Tätigkeit des sinngebenden Schlußfolgerns bestehen, und zweitens damit eben auch die Richtigkeitserkenntnis resp. Wahrheitserkenntnis innerhalb des Schlußfolgerns.
“ Wir können aus der Aussage 1+1=3 ein widerspruchsfreies Aussagensystem bauen, wenn wir darauf verzichten, dieses System auf die reale Wirklichkeit abzubilden.“
Nochmals: und? Was wollen Sie damit vorgebracht haben gegen die Schlüssigkeit von Schlußfolgerungen? Nichts!
Es ist vollkommen wurscht, was für Zeichen Sie verwenden. Aus einem linken Ohr und aus einem rechten Ohr werden zusammen zwei Ohren resp. ein Ohrenpaar, nicht aber eine Nase!
Und zudem ist es entscheidend, welches Zahlensystem Sie voraussetzen. In unserem dekadischen System ist 1+1 immer und stets 2 und nichts anderes. Aber selbstverständlich können Sie ein anderes System verwenden, wie z.B. das binomische, in dem Sie nur mit Einsen und Nullen alles mögliche ausdrücken und abbilden können, oder meinetwegen auch ein Sechsersystem, in dem ja die ersten zwanzig Zahlen nicht 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19, und 20, sondern 1,2,3,4,5,10,11,12,13,14,15,20,21,22,23,24,25,30,31 und 32 lauten, – oder sonst irgendeines. Es ändert sich in keinem Fall das Rechnen damit und nicht das Schlußfolgern, und auch nicht das Erkennen der Richtigkeit durch das Schlußfolgern. Die logischen Operationen bleiben gleich. Auch hier würden Sie aus sechs Ohren keine Nasen erhalten.
Es ergäbe sich sogar für einen irrsinnigen Menschen, wenn dieser einen Apfel für ein Huhn halten würde – ansonsten aber die Logik nicht gänzlich verlassen würde, daß er, wenn er also sein Huhn vom Baum pflückt und danach rupft und zubereitet verspeist, er dieses also vorher schlachtet und schält. Und sagte er, er schlachte und schäle sein Huhn, wenn er einen Apfel pflückt und schält, so wäre das sogar sehr logisch! Es fiele einem vielleicht schwer, sich auf dieses wahnwitzige System einzulassen, aber in sich schlußfolgernd logisch wäre es allemal.
Und nochmals. Die Richtigkeit von konsistenten Schlußfolgerungen ergibt sich durch das Wahrheitsempfinden und durch nichts anderes. Sie können gar nicht anders, als Schlüssigkeit und Richtigkeit zu empfinden, weil Sie sich in ein erfassendes Verhältnis setzen müssen. Wenn Sie das aber nicht tun, und so weit Sie das nicht tun, solange exitiert ja überhaupt der Beurteilungsgegenstand für Sie nicht!
Wenn Sie nun aber vielleicht zu der Begrifflichkeit Wahrheitsempfinden aus individuellen Gründen entsprechend individuelle Affirmationen beistellen, so sollten Sie prüfen, ob Sie damit nicht die Logik selbst verlassen und deswegen zu Schlüssen kommen, die nicht konsistent sind.
Lethe schrieb am 16.05.2012 um 17:25
werte Nil, Synkretismus ist keine Gleichmacherei, Synkretismus ist dadurch charakterisiert, dass sich "der besten" oder zumindest der gewünschten Elemente anderer Systeme bedient wird, um diese zu einem neuen System zusammen zu fügen, unabhängig von der historischen Zusammengehörigkeit. Synkretismus impliziert sachlich, dass sich das neue System von seinen Quellsystemen abhebt, sonst wäre es nämlich überflüssig. In jedem Fall ist mit der Verwendung des Begriffs von meiner Seite keine Abwertung gemeint, ich stehe auf Synkretismus^^
bzgl. des kosmologischen Charakters des Panpsychismus stehen wir ein bisschen im Dissens. Panpsychismus kann als Philosophie genau so Grundlage einer Kosmologie wie einer Religion wie einer esoterischen Interpretation der Welt sein, es ist aber aus sich selbst heraus nichts davon sondern einfach nur Philosophie.
Ich bin soweit einverstanden mit dem was Sie sagen.
Trotzdem möchte ich betonen, dass ich Synkretismen möglichst vermeiden möchte, mir geht es um die reine Essens der verschiedenen Lehren. Es führen ja bekanntlich viele Wege zur Erleuchtung. Wichtig ist nur die Frage: wie offen und Aufrichtig ist man mit sich Selbst und seinen Mitmenschen. Ob als Christ Muslim oder Bhuddist oder Atheist oder Jude, spielt dabei gar keine Rolle. Weshalb ja auch jede Religion für sich in Anspruch nehmen kann, grosse Männer und Frauen hervor gebracht zu haben.
j.kelim schrieb am 16.05.2012 um 21:42
das verhilft niemanden zu einer inneren Autonomie im Gegenteil.
Das ist auch nicht unbedingt beabsichtigt, es geht doch darum im Gespräch zu bleiben und zu mindestens zu versuchen sich Gedanken zu machen. Aber natürlich kann nur derjenige den Sprung machen der eine gewisse reife auf der individualistischen Bewusstseinsstufe erreicht hat und bereit ist für nächste Schritte. Das kann man natürlich nicht erzwingen in dem man einfach Leute ausschliesst die noch auf dem Holzweg sind, sondern durch wohlwollende Dialoge und vor allen einfach das erkannte vorzuleben und damit den einen oder anderen eventuell zu inspirieren, wenn die Zeit reif war. Einen anderen Weg sehe ich nicht.
Achso, was FaceBook angeht, diese Bewegung ist komplett an mir vorbeigegangen.
Je freier ein Wesen ist, um so mehr kann es vergangene Wirklichkeiten tanszentieren (A. N. Whitehead)
Dieser Satz von Whitehead trifft es doch wunderbar.)
j.kelim schrieb am 17.05.2012 um 01:28
Ganz richtig.
Man muss bereit sein, durch die eigene individuelle und kollektive Hölle zu gehen. Dabei lernt man auch zu unterscheiden, zwischen dem was man Selbst erlebt hat und was kollektive Erinnerungen sind. Ich habe auch eine zwei jährige Psychotherapie gemacht. Es ist sehr hilfreich über die verschiedenen Arten des Unbewussten informiert zu sein, über kósmologische Begebenheiten informiert zu sein und eine eigene Praxis (Atemtechnik) zu haben. Selbsterforschung muss man aus vollen Herzen wollen. Klopfet an und es wird euch aufgetan, sagte Jesus schon. So ist es auch.
PS: Bei dir höre ich integrale Töne heraus.)
Wirklich eine schöne Geschichte.)
Gottesvermeidung
(aus: www.Integralnaked.org Telefonkonversation mit Caroline Myss
?Selling water by the river?, 2003)
Die Vermeidung Gottes, eine Zusammenziehung im Angesicht der Unendlichkeit, ist die permanente Entscheidung eines jeden Menschen in jedem Augenblick. Wenn man sich wirklich mit Spiritualität befasst, ist es nicht so sehr erstaunlich, dass die Menschen den GEIST [spirit] suchen und er schwer zu finden ist ? sondern, dass GEIST buchstäblich unvermeidbar ist.
Doch was die Menschen tun, ist ein potentielles Zusammenziehen im Angesicht dieser Wirklichkeit, nämlich, den GEIST zu meiden - sogar dann, wenn sie behaupten, ihn zu suchen ... Diese subtile Wegbewegung ist sozusagen ein Teil ihrer Gebete: ?Mögen wir verschont bleiben von der Intuition!? - eine Art von unterbewusstem oder unbewusstem Gebet, welches die Menschen verrichten. Wir sind ständig mit diesem unglaublich subtilen Widerstand gegenüber der Unendlichkeit befasst.
Wir sprechen hier über einen grundlegend anderen Ansatz:
Zuerst werden wir ernsthafte spirituelle Sucher, Menschen, die wirklich auf ihrem Weg sind und wirklich nach dem GEIST Ausschau halten, und es gibt ein echtes grundlegendes Verlangen.
Die spirituelle Suche selbst ist jedoch bereits Vermeidung, ist Zusammen-ziehung, ist der letzte, endgültige Weg, wie GEIST vermieden wird, weil die Suche nach dem GEIST seine Abwesenheit voraussetzt. Und immer dann, wenn wir suchen, setzen wir Gottes Abwesenheit voraus, die Abwesenheit des GEISTES. Je mehr man sucht, desto mehr Abwesenheit...
Im Zen gibt es diesen wundervollen Satz: ?Das Wasser am Fluss verkaufen?. Das ist das, was wir alle in gewisser Weise tun ? wir baden alle im Wasser, aber glauben das nicht und sagen ?OK, ich verkaufe dir jetzt eine Tasse mit Wasser? ? und genau das beschreibt die spirituelle Szene. Lehrer, welche diesen Mechanismus verstehen, dass wir am Fluss stehen und Wasser verkaufen, sind sehr rar.
Jedoch genau darum geht?s: ?Hallo Leute, Augenblick mal, ihr steht bereits im Fluss - ich werde euch kein Wasser mehr verkaufen! Ich werde mit euch über die Art und Weise sprechen, wie ihr vorgebt, nicht im Fluss zu sein, wo ihr euch verschließt und vor der Tatsache versteckt, dass ihr bereits immer schon erleuchtet oder bewusst oder intuitiv seid, aber nicht danach leben wollt.?
Und das ist ein grundlegend anderer Ansatz.
Gottesvermeidung
(aus: www.Integralnaked.org Telefonkonversation mit Caroline Myss
?Selling water by the river?, 2003)
Die Vermeidung Gottes, eine Zusammenziehung im Angesicht der Unendlichkeit, ist die permanente Entscheidung eines jeden Menschen in jedem Augenblick. Wenn man sich wirklich mit Spiritualität befasst, ist es nicht so sehr erstaunlich, dass die Menschen den GEIST [spirit] suchen und er schwer zu finden ist ? sondern, dass GEIST buchstäblich unvermeidbar ist.
Doch was die Menschen tun, ist ein potentielles Zusammenziehen im Angesicht dieser Wirklichkeit, nämlich, den GEIST zu meiden - sogar dann, wenn sie behaupten, ihn zu suchen ... Diese subtile Wegbewegung ist sozusagen ein Teil ihrer Gebete: ?Mögen wir verschont bleiben von der Intuition!? - eine Art von unterbewusstem oder unbewusstem Gebet, welches die Menschen verrichten. Wir sind ständig mit diesem unglaublich subtilen Widerstand gegenüber der Unendlichkeit befasst.
Wir sprechen hier über einen grundlegend anderen Ansatz:
Zuerst werden wir ernsthafte spirituelle Sucher, Menschen, die wirklich auf ihrem Weg sind und wirklich nach dem GEIST Ausschau halten, und es gibt ein echtes grundlegendes Verlangen.
Die spirituelle Suche selbst ist jedoch bereits Vermeidung, ist Zusammen-ziehung, ist der letzte, endgültige Weg, wie GEIST vermieden wird, weil die Suche nach dem GEIST seine Abwesenheit voraussetzt. Und immer dann, wenn wir suchen, setzen wir Gottes Abwesenheit voraus, die Abwesenheit des GEISTES. Je mehr man sucht, desto mehr Abwesenheit...
Im Zen gibt es diesen wundervollen Satz: ?Das Wasser am Fluss verkaufen?. Das ist das, was wir alle in gewisser Weise tun ? wir baden alle im Wasser, aber glauben das nicht und sagen ?OK, ich verkaufe dir jetzt eine Tasse mit Wasser? ? und genau das beschreibt die spirituelle Szene. Lehrer, welche diesen Mechanismus verstehen, dass wir am Fluss stehen und Wasser verkaufen, sind sehr rar.
Jedoch genau darum geht?s: ?Hallo Leute, Augenblick mal, ihr steht bereits im Fluss - ich werde euch kein Wasser mehr verkaufen! Ich werde mit euch über die Art und Weise sprechen, wie ihr vorgebt, nicht im Fluss zu sein, wo ihr euch verschließt und vor der Tatsache versteckt, dass ihr bereits immer schon erleuchtet oder bewusst oder intuitiv seid, aber nicht danach leben wollt.?
Und das ist ein grundlegend anderer Ansatz.
Gottesvermeidung
(aus: www.Integralnaked.org Telefonkonversation mit Caroline Myss
?Selling water by the river?, 2003)
Die Vermeidung Gottes, eine Zusammenziehung im Angesicht der Unendlichkeit, ist die permanente Entscheidung eines jeden Menschen in jedem Augenblick. Wenn man sich wirklich mit Spiritualität befasst, ist es nicht so sehr erstaunlich, dass die Menschen den GEIST [spirit] suchen und er schwer zu finden ist ? sondern, dass GEIST buchstäblich unvermeidbar ist.
Doch was die Menschen tun, ist ein potentielles Zusammenziehen im Angesicht dieser Wirklichkeit, nämlich, den GEIST zu meiden - sogar dann, wenn sie behaupten, ihn zu suchen ... Diese subtile Wegbewegung ist sozusagen ein Teil ihrer Gebete: ?Mögen wir verschont bleiben von der Intuition!? - eine Art von unterbewusstem oder unbewusstem Gebet, welches die Menschen verrichten. Wir sind ständig mit diesem unglaublich subtilen Widerstand gegenüber der Unendlichkeit befasst.
Wir sprechen hier über einen grundlegend anderen Ansatz:
Zuerst werden wir ernsthafte spirituelle Sucher, Menschen, die wirklich auf ihrem Weg sind und wirklich nach dem GEIST Ausschau halten, und es gibt ein echtes grundlegendes Verlangen.
Die spirituelle Suche selbst ist jedoch bereits Vermeidung, ist Zusammen-ziehung, ist der letzte, endgültige Weg, wie GEIST vermieden wird, weil die Suche nach dem GEIST seine Abwesenheit voraussetzt. Und immer dann, wenn wir suchen, setzen wir Gottes Abwesenheit voraus, die Abwesenheit des GEISTES. Je mehr man sucht, desto mehr Abwesenheit...
Im Zen gibt es diesen wundervollen Satz: ?Das Wasser am Fluss verkaufen?. Das ist das, was wir alle in gewisser Weise tun ? wir baden alle im Wasser, aber glauben das nicht und sagen ?OK, ich verkaufe dir jetzt eine Tasse mit Wasser? ? und genau das beschreibt die spirituelle Szene. Lehrer, welche diesen Mechanismus verstehen, dass wir am Fluss stehen und Wasser verkaufen, sind sehr rar.
Jedoch genau darum geht?s: ?Hallo Leute, Augenblick mal, ihr steht bereits im Fluss - ich werde euch kein Wasser mehr verkaufen! Ich werde mit euch über die Art und Weise sprechen, wie ihr vorgebt, nicht im Fluss zu sein, wo ihr euch verschließt und vor der Tatsache versteckt, dass ihr bereits immer schon erleuchtet oder bewusst oder intuitiv seid, aber nicht danach leben wollt.?
Und das ist ein grundlegend anderer Ansatz.
www.sueddeutsche.de/politik/polizei-raeumt-occupy-camp-in-frankfurt-spaghetti-und-liter-wandfarbe-1.1358918
@Kelim
Warst du schon mal in Berlin? Wenn nein, hättest du mal Lust dazu? Wenn ja, dann bist du herzlich eingeladen. Berlin ist im Frühling oder Sommer besonders schön. Eine Gästecouch ist vorhanden.)
www.sueddeutsche.de/politik/basisdemokratie-island-gibt-sich-eine-neue-verfassung-1.1352840
j.kelim schrieb am 17.05.2012 um 16:27
Das Niedere ist im Höheren enthalten, aber das Höhere nicht im Niederen. Sowie Moleküle Atome enthalten, aber nicht umgekehrt. Zellen sind in einem Organismus enthalten, aber nicht umgekehrt. Dieses aber nicht umgekehrt ist eine sehr wichtige Erkenntnis bei der Deutung der uns umgebenden Wirklichkeit.
In dem nachfolgenden Essay ist eine gute Darstellung und Zusammenfassung des Sachverhaltes gegeben.
www.integralworld.net/de/excerpt-G-de.html
delloc schrieb am 17.05.2012 um 10:34
Ja, der spirituelle Sucher ist wie ein Fisch im Ozean, der danach sucht, wo und wie er schwimmen lernen könnte... :-)
Schliesse mich Duineder an. Das haben Sie wunderbar veranschaulicht.)
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/festnahmen-blockupy-frankfurt
18.05.2012
BLOCKUPY IN FRANKFURT
Der Zustrom der Empörten wird größer
Die Demonstrationen gegen den Kapitalismus in Frankfurt entwickeln sich zu Protesten für die Versammlungsfreiheit. Der Polizei ist das egal.VON TIMO REUTER
Bisher nahm die Polizei am Donnerstag und am Freitagmorgen insgesamt 190 Demonstranten fest. Sie wollten nach Frankfurt kommen, zu Tausenden, um unter dem Motto Blockupy gegen die europäische Krisenpolitik und den Kapitalismus zu demonstrieren. Doch durch die Verbotspolitik der Stadt Frankfurt und die restriktiven Maßnahmen der Polizei wurden viele Protestierende bisher davon abgehalten.
Sie haben sich abschrecken lassen oder wurden an der Teilnahme gehindert. Am Donnerstag hat die Polizei zwei Reisebusse voller Demonstranten aus Hamburg und drei Busse aus Berlin bereits auf der Autobahn gestoppt und den Aktivisten Stadtverbote bis einschließlich Sonntag erteilt. Diese dürfen also auch nicht zur erlaubten Demo am Samstag anreisen. Auch in Zügen gab es vermehrt Kontrollen.
Dafür sind am Donnerstag andere aus Frankfurt und Umgebung zu Kundgebungen gekommen: Rentner und Familien, Passanten und Bürgerliche. Sie haben ihr eigenes Anliegen: Sie empören sich über die Versammlungsverbote. Gegen diese hatte das Grundrechtskomitee für Donnerstag zu einer Demo aufgerufen. Doch auch diese wurde verboten, wegen angeblicher Nähe zu Blockupy.
Die Empörten ließen sich aber ihren Protest nicht nehmen. Um 12 Uhr versammelten sich mehrere Hundert Menschen auf dem Frankfurter Paulsplatz, wo die deutsche Demokratie 1848 ihren Anfang nahm. Viele von ihnen halten Grundgesetze hoch und rufen: „Ihr klaut uns unsere Freiheit.“
Schlafbörse
Da ist etwa Gabriele Kloske, 61. Sie lässt zwei Aktivisten aus Hamburg und Göttingen bei sich übernachten, die sie zuvor nicht kannte. Vermittelt haben diese Schlafbörse die Globalisierungskritiker von Attac. Oder Axel und Claudia samt Tochter Hannah. „Sie soll ruhig das Ende der Demokratie mitbekommen“, sagt ihr Papa. Schnell ist auch die Polizei vor Ort und riegelt die Versammlung ab, an der auch der Liedermacher Konstantin Wecker teilnimmt.
Eigentlich wollte er in Frankfurt für die Bewegung singen, doch das wurde ihm untersagt. „Das habe ich noch nie erlebt“, so Wecker auf dem Paulsplatz. Dort bleibt alles friedlich, obwohl die Polizei solche Kundgebungen verhindern will. Wenig Erfolg hat sie auch auf dem nur ein paar Meter entfernten Römer, dem Platz vor dem Frankfurter Rathaus.
Dort versammeln sich gegen Mittag ebenfalls viele Hundert Menschen. Auch hier ist es bunt und laut, allerdings mit mehr Jungen und Alternativen. In Windeseile schlagen sie rund 30 Zelte auf. Einer verbindet der Justicia, die in der Mitte des Platzes steht, die Augen. Auch hier geht es um das Recht auf Versammlungs-freiheit.
Das sieht die Polizei allerdings anders und kesselt die Demonstranten ein. Trotz dass diese friedlich Musik machen, tanzen und diskutieren, räumt die Polizei schließlich den Platz. Dabei kommt es zu unschönen Szenen: Menschen werden schreiend über den Boden geschleift und bekommen die Hand verdreht.
Parlamentarischer Beobachter der Piraten abgeführt
Eine ältere Frau liegt fast regungslos da, sie wird von Sanitätern behandelt, ein Krankenwagen kommt. Mit Polizeigriff abgeführt wird auch Martin Kliehm, und das, obwohl er sich als parlamentarischer Beobachter ausweist. Der 44-Jährige sitzt für die Piratenfraktion in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. „Das ist ein undemokratisches und total übertriebenes Verbot“, kritisiert er.
Wieder folgt auf Repressionen die Empörung. Nicht alle, aber viele der herum-stehenden Passanten schütteln den Kopf. Beobachtet wurden diese Szenen auch von Reuven Moskovitz. Der jüdische Friedensaktivist und Überlebende des Holocaust war eigentlich auf dem Weg zum deutschen Katholikentag, als er von Freunden nach Frankfurt gerufen wurde.
Wegen der Blockupy-Proteste, aber vor allem wegen des Versammlungsverbots. „Ich bin erschüttert über die Gewalttätigkeit der Polizei“, sagt er kurz nach der Räumung des Römers. „Dieser Tag hinterlässt Hoffnungslosigkeit.“ Die Stadt Frankfurt sieht die Dinge etwas anders. Eine Sprecherin des für die Verbote zuständigen Ordnungsdezernenten Markus Frank, sagte am Donnerstag zur taz: „Es ist der Polizei zu verdanken, dass die Lage bisher nicht eskaliert ist.“
Außerdem zeige die Tatsache, dass Demonstrationen stattfinden, die zuvor verboten wurden, „dass da nicht alles mit rechten Dingen zugeht.“ Kundgebungen dieser Art gab es in Frankfurt noch etliche am Donnerstag und auch am Freitagmorgen. Stets war die Polizei sofort vor Ort und verhinderte ein Weiterkommen.
„Entdemokratisierung“
So geschehen mittags am Hauptbahnhof und abends auf dem Uni Campus Bockenheim. In dessen Nähe wurden bereits mittags Aktivisten aus ganz Europa eingekesselt und festgenommen. Wie viele, konnte die Polizei am Freitagmorgen nicht sagen, sie sprach insgesamt von 150 Festnahmen am Donnerstag. Freitagvormittag kommen noch weitere 40 hinzu.
Hanno, der in Bockenheim verhaftet wurde, kritisierte das Verhalten der Behörden massiv: „Wir sind stinksauer, dass wir unser Versammlungsrecht nicht wahrnehmen können.“ Der Marburger Aktivist sagt: „Ich habe die Entdemokratisierung, gegen die wir demonstrieren wollten, am eigenen Leibe erfahren.“
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Bis zur letzten Instanz
Solche Meldungen könnten durchaus erneut den Zustrom empörter Bürger für die einzig erlaubte Veranstaltung von Blockupy, die Großdemonstration am Samstag, bedeuten.
@ Lethe schrieb am 17.05.2012 um 16:05
“ Logik beschäftigt sich mit der Gültigkeit der Struktur von Argumentationsketten; diese Gültigkeit wird dabei im Rahmen der formalen Logik unabhängig vom Inhalt der Aussagen untersucht. Das heißt, die Frage der Wahrhaftigkeit der untersuchten Aussagen stellt sich im Rahmen der logischen Untersuchung nicht. Die Gültigkeit des Ergebnisses der Kette hängt ausschließlich von der formalgerechten Befolgung der Regeln ab, auf deren Grundlage die Prämissen zu neuen Aussagen verknüpft werden.“
Also nochmal: Bitte, werter Lethe, wie stellt man denn nun die Logik, die „Gültigkeit von formalen Strukturen von Argumentationsketten“ fest? Kann es sein, daß dies mittels Erkenntnis geschieht? Wenn ja, dann ist der Erkenntnisvorgang die Wahrnehmung der Folgerichtigkeit bezgl. der Gültigkeit der formalen Struktur von Argumentationsketten! Das Empfinden der Gültigkeit ist die Erkenntnis dabei.
Es gibt keine Folgerichtigkeit, die man nicht zugleich als Folgerichtiges empfindend wahrnimmt! Das Erkennen einer Folgerichtigkeit ist die Wahrnehmung eben dieses Empfindens der Schlüssigkeit!
Ansonsten wäre die Unmöglichkeit als Aussage getroffen, daß man etwas erkennen könne ohne der Erkenntnis selbst teilhaftig zu sein. Das allerdings trüge dann den Charakter einer seelischen Abnormität an sich, welche jedweder willkürlicher Spintisiererei Tür und Tor öffnete, die das empfindende Wahrnehmen resp. das wahrnehmende Empfinden von Folgerichtigkeiten nicht mehr zu erkennen in der Lage wäre.
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/blockupy-frankfurt-protest
@Lethe
@GEBE
Wenn ich mich mal einmischen darf?
Vielleicht ist nicht klar über welchen Gegenstand gerade diskutiert wird. Über innerliche Dimensionen oder äusserliche Dimensionen?
Zu den drei Strängen der Erkenntnis
aus: Ken Wilber, Ganzheitlich Handeln, Arbor Verlag 2000, S. 88
Desgleichen müssen wir bei der Wissenschaft zwischen einer engen und einer weiten Auffassung unterscheiden. Die enge Naturwissenschaft basiert meistens auf der äußeren, physischen, sensomotorischen Welt. Sie ist das, was wir gewöhnlich als die "harten Naturwissenschaften" bezeichnen, etwa Physik, Chemie und Biologie. Bedeutet das jedoch, daß die Wissenschaft uns überhaupt nichts über die inneren Bereiche sagen kann? Zweifellos gibt es auch eine umfassendere Wissenschaft, die nicht nur Steine und Bäume, sondern auch Menschen und Geist zu verstehen versucht.
Nun, wir kennen tatsächlich diese Formen einer weiten Wissenschaft, einer Wissenschaft, die nicht bloß in der äußeren, physischen, sensomotorischen Welt verwurzelt ist, sondern die sich mit inneren Zuständen und qualitativen Forschungsmethoden befaßt. Wir nennen diese weiten Wissenschaften die "Humanwissenschaften" (die Deutschen nennen sie "Geisteswissenschaften"). Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Linguistik, Semiotik, die Kognitionswissenschaft - alle diese "weiten Wissenschaften" bringen eine "wissenschaftliche" Methodik in die Erforschung des menschlichen Bewußtseins ein. Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, daß diese Ansätze nicht zu einem bloßen Nachäffen der positivistischen Simplizität der engen Naturwissenschaften werden. Ich muß jedoch nicht erst darauf hinweisen, daß der Unterschied zwischen der engen und der weiten Wissenschaft bereits weithin anerkannt ist... Wie wir bereits gesehen haben, können wir Wissenschaft - die enge wie die weite - nicht dadurch definieren, daß wir sagen, ihr gesamtes Wissen basiere auf
der sensomotorischen Welt. Denn selbst die enge Naturwissenschaft (zum Beispiel die Physik) benutzt eine erhebliche Anzahl von Werkzeugen, die weder empirisch noch sensomotorisch sind - zum Beispiel die Mathematik oder die Logik. Mathematik und Logik sind innere Wirklichkeiten - niemand hat je die Quadratwurzel von minus Eins da draußen in der empirischen Welt herumlaufen sehen. Nein, "Wissenschaft" ist einfach eine besonders verläßliche Einstellung beim Experimentieren, bei ehrlicher und gemeinschaftlicher Forschung, und sie gründet ihr Wissen, wo immer das möglich ist, auf Beweismittel (seien dies Beweismittel äußerer Art, wie im Falle der engen Wissenschaft, oder der innerer Art, wie bei den weiten Wissenschaften). Die folgenden drei Faktoren definieren im allgemeinen wissenschaftliche Forschung, sei sie eng oder weit: eine praktische Injunktion oder ein Musterbeispiel.
Will man wissen, ob es regnet oder nicht, dann muß man zum Fenster gehen und hinausschauen. Damit soll gesagt sein, daß "Fakten" nicht einfach herumliegen und darauf warten, daß Hinz und Kunz sie sehen. Will man dieses wissen, dann muß man jenes tun. Ein Experiment, eine Injunktion (Handlungsanweisung oder Vorschrift), eine pragmatische Reihe von Tätigkeiten, eine soziale Praxis: diese Dinge liegen hinter den meisten Formen guter Naturwissenschaft. Das ist der eigentliche Sinn, in dem Kuhn den Begriff "Paradigma" verwendet. Er meint damit keine Supertheorie, sondern ein Vorbild oder eine tatsächliche Praxis.
eine Wahrnehmung, Erleuchtung oder Erfahrung.
Wenn man das Experiment ausführt oder der Vorschrift folgt - sobald man also die Welt pragmatisch einbezieht -, wird man mit einer Reihe von Erfahrungen oder Wahrnehmungen konfrontiert, die von der Injunktion zum Vorschein gebracht werden. Der technische Begriff für diese Erfahrungen ist "Daten". William James hat darauf hingewiesen, daß die wirkliche Bedeutung von datum "unmittelbare Erfahrung" ist. Man kann also physische Erfahrungen (oder physische Daten) haben, mentale Erfahrungen (oder mentale Daten) und spirituelle Erfahrungen (oder spirituelle Daten). Alle gute Wissenschaft, sei sie eng oder weit - ist bis zu einem gewissen Grad in Daten oder erfahrenen Beweisen verankert.
Gemeinschaftliche Überprüfung (entweder Widerlegung oder Bestätigung).
Wenn wir das Paradigma (oder die soziale Praxis) zur Anwendung bringen und damit eine Reihe von Erfahrungen und Beweismitteln (oder Daten) hervorbringen, ist es hilfreich, wenn wir diese Erfahrungen mit den Erfahrungen anderer vergleichen können, die dieselbe Injunktion befolgt und das sich daraus ergebende Datenmaterial gesehen haben. Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten (Gefährtengruppe) - oder von solchen, die die beiden ersten Faktoren (Injunktion und Daten) angemessen nachvollzogen haben - gibt wohl die beste Möglichkeit zur Überprüfung, und jede gute Wissenschaft tendiert dazu, sich zwecks Bestätigung oder Widerlegung an eine Gemeinschaft sachkundiger Gleichgesinnter zu wenden. Hier ist das Prinzip der Falsifikation sehr nützlich. Auch wenn das Falsifikationskriterium nicht auf eigenen Füßen stehen kann, so ist es, wie Sir Karl Popper meinte, oft ein wichtiger Bestandteil guter Naturwissenschaft. Die Idee ist einfach die, daß schlechte Daten von einer Gemeinschaft Sachkundiger verworfen werden können. Ist es nämlich nicht erlaubt, ihr Glaubenssystem überhaupt in Frage zu stellen, dann gibt es keine Möglichkeit, es aus den Angeln zu heben, selbst wenn es offenkundig falsch ist - und dann sind Ihre Ansichten, was immer sie sonst noch sein mögen, nicht sehr wissenschaftlich. Stattdessen sind sie etwas, das man ein "Dogma" nennt, eine nur durch ein autoritäres Machtwort gestützte Wahrheitsbehauptung. Natürlich gibt es viele Wirklichkeiten, die dem Falsifikationstest nicht offenstehen. Zum Beispiel können Sie, wie Descartes schon wußte, nicht ihr eigenes Bewußtsein negieren oder auch nur Zweifel an seiner Existenz haben. Doch besagt dieses dritte Kriterium einfach, daß gute Naturwissenschaft ständig versucht, ihre Wissensbehauptungen zu bestätigen (oder zu widerlegen), und das Falsifikationskriterium wird oft als ein Teil dieses dritten Elements guter Naturwissenschaft genutzt.....
j.kelim schrieb am 19.05.2012 um 00:55
Das Bild im Kopf ist eine Landkarte doch nie das Land selbst.
Natürlich.) Deshalb sagte ich ja auch schon zur Anfang, oben: Wenn der Kartograph, die Landkarte und das Territorium übereinstimmen, ist maximale Erleuchtung möglich. Das Eros und Agape dabei Voraussetzung und Grund des ganzen Strebens ist, sollte inzwischen Klar geworden sein, denke ich.)
www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/blockupy-grossdemonstration-gegen-kapitalismus-in-frankfurt-a-834002.html
Das ist eine Erleuchtung:
21.05.2012
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Die Welt ist kein Zoo
KOLUMNE VON DENIZ YÜCEL
Nicht für alle Feministinnen ein Thema, für diese schon: Protest vor dem Landgericht in Detmold. Bild: dapd
Arzu Özmen wurde von ihren Geschwistern ermordet. Im November 2011 verschleppten sie die 18-Jährige aus der Wohnung ihres Freundes Alexander in Detmold. Angeblich wollten sie sie zu einem Onkel in Hamburg bringen, zwei Monate später wurde Arzus Leiche in einem Waldstück bei Lübeck gefunden. Man hatte sie mit zwei aufgesetzten Kopfschüssen hingerichtet.
Für das Landgericht Detmold ein klarer Ehrenmord. In der vorigen Woche fiel das Urteil: Lebenslänglich für den Todesschützen Osman, zehn Jahre Haft für den Bruder Kirer und die Schwester Sirin, die im Auto mitfuhren, fünfeinhalb Jahre für die Brüder Kemal und Elvis, die nur am Anfang an der Verschleppung beteiligt waren.
In der taz war über das Schicksal der Arzu Özmen bislang nur Folgendes zu lesen: Polizei bittet die Türkei um Amtshilfe (20 Zeilen); vermisstes Mädchen tot aufgefunden (31 Zeilen), Prozessbeginn (64 Zeilen), Urteilsverkündung (ca. 90 Zeilen, nur auf taz.de). Kein Porträt, kein Kommentar, überhaupt kein eigener Text, ausschließlich Agenturmeldungen.
Nun muss man darin nicht unbedingt einen Vorsatz sehen. Die Frage, ob, wie und in welchem Umfang eine Zeitung ein Thema behandelt, wird häufig vom Zufall bestimmt. Doch nicht jedes unabsichtlich zustande gekommene Ergebnis ist auch ein zufälliges. Und ganz sicher gibt es im linken und linksliberalen Milieu, aber auch unter vielen Feministinnen und emanzipierten Deutschtürkinnen oder Deutscharaberinnen, eine Scheu, sich mit Ehrenmorden und Zwangsehen zu beschäftigen.
Die Gründe dafür sind nahe liegend: Weil das Thema Leuten nützt, die früher „Ausländer raus“ geschrieen haben und sich heute als „Islamkritiker“ ausgeben, aber – wie die Spackos von „Pro NRW“ – dieselben ordinären Rassisten geblieben sind. Weil schon der Kolonialismus, wie Frantz Fanon notiert, gern mit den Unterdrückung von Frauen argumentiert hat, um seine Herrschaft zu rechtfertigen.
Weil der Diskurs über patriarchale Verhältnisse unter Einwanderern oft in einem derart pauschalisierenden, selbstgerechten und altväterlichen Ton geführt wird, den sich die meisten emanzipierten Türkinnen oder Araberinnen verbitten. Weil man kulturalistische Sympathien für exotische Völker und fremde Gebräuche pflegt. Einige dieser Grund sind gut, andere nicht. Falsch sind sie allesamt.
Die Sache beim Namen nennen
Doch zunächst ein Wort zum Begriff Ehrenmord, den manche ablehnen, weil er einer schändlichen Tat etwas Achtbares zubillige. Doch so kaputt, archaisch und bekloppt ein Ehrenkodex ist, der Menschen dazu bringt, ihre Töchter oder Schwestern umzubringen, ist der Verweis auf das Motiv – die Ehre – notwendig. Diesen Hinweis zu tilgen bedeutet, das Besondere der Tat zu verwischen.
Arzu fiel also einem Ehrenmord zum Opfer. Und der Fall ist aufschlussreich für die gesamte Debatte.
Denn bei den Özmens, die vor über zwanzig Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, handelte es sich, wie Annette Ramelsberger in einer exzellenten, online leider nicht verfügbaren Reportage in der Süddeutschen Zeitung dargestellt hat, um eine bestens „integrierte“ Familie.
Abitur gemacht hatte nicht die Ausreißerin Arzu, sondern die ältere Schwester Sirin. Sirin arbeitete in der Detmolder Stadtverwaltung und nutzte ihre Kontakte und ihre Zugänge zu städtischen Datenbanken dazu, ihre untergetauchte Schwester ausfindig zu machen. Die Brüder hatten Handwerksberufe gelernt und waren in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Die Familie hatte es zu bescheidenem Wohlstand gebracht.
Der Fall widerlegt die verbreitete Annahme, Bildung sei der „Schlüssel zur Integration“, er widerspricht sogar der Annahme, dass es um „Integration“ – mehr „Integration“ als Freiwillige Feuerwehr in Detmold geht nicht. Der Fall widerspricht dem vulgärmarxistischen Lehrsatz, dass allein das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimme. Er überführt die reflexhaft vorgetragene – und zynische – Behauptung, dass Ehrenmorde und Zwangsehen nichts mit Religionen zu tun hätten, sondern Ausdruck patriarchaler Verhältnisse seien, die im Übrigen auch in anderen Gesellschaften herrschten.
Sicher gibt es auch andernorts patriarchale Verhältnisse. Und sicher dürften sich die Tatmotive bei einem Mord an der eigenen Ehefrau meist ähneln, selbst wenn hierzulande eine solche Tat nur dann als Ehrenmord gilt, wenn der Täter Mustafa oder Mohammed heißt, aber unter „Familiendrama“ firmiert, sofern der Mörder auf den Namen Willi oder Stefan hört.
Strenge Heiratsregeln
Aber dass Geschwister oder Väter einen Mord begehen, weil sie einen archaischen Ehrenkodex verletzt sehen, ist im 21. Jahrhundert nur in bestimmten Kulturkreisen verbreitet – und in anderen nicht. 9,5 Prozent aller Mädchen, die sich im Jahr 2008 in Deutschland wegen einer bevorstehenden Zwangsverheiratung an Beratungseinrichtungen wandten, stammten aus jesidischen Familien (und 83 aus muslimischen), obwohl der Anteil von Jesiden in Deutschland im Promillebereich liegt.
Gleichwohl widerspricht der Fall Arzu der beliebten Übung, Ehrenmorde direkt aus dem Koran herzuleiten. Denn die Özmens sind deutsch-kurdische Jesiden; eine uralte Religionsgemeinschaft, die sexuelle Beziehungen zu Angehörigen anderer Religionen als Abfall vom Glauben wertet. Ehen sind nur unter Jesiden erlaubt – in der strengen Auslegung sogar nur jeweils innerhalb der drei jesidischen Kasten.
An dieser Doktrin hält auch der „Zentralrat der Jesiden in Deutschland“ fest, der zwar den Mord an Arzu verurteilt hat, um sogleich jeden Zusammenhang zum jesidischen Brauchtum zurückzuweisen: „Es unterscheidet uns Yeziden nicht von anderen, dass es auch in unseren Reihen Menschen gibt, die verabscheuungswürdige Taten begehen.“
Patriarchat und Penicillin
Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ verzeichnet die Jesiden auf ihrer Liste der „bedrohten Gemeinschaften“. Die entscheidende Frage aber stellt dieser Verein, der – ganz in der Tradition der deutschen Romantik und der europäischen Bildungsreisenden des 19. Jahrhunderts stehend – die Welt als Zoo eingerichtet wissen will, in der westliche Reisende pittoreske Eingeborene im artgerechten Gehege betrachten können, die entscheidende Frage also stellen diese und andere Kulturrelativisten nicht. Diese lautet: Ist es gut oder nicht, wenn der jesidische Glaube das Zeitliche segnet?
Um nicht missverstanden zu werden: In der letzten Phase des Osmanischen Reich waren die Jesiden brutaler Unterdrückung und grausamer Verfolgung ausgesetzt. Dem Völkermord an den Armeniern fielen auch Zehntausende Jesiden zum Opfer, heute noch werden sie in im Irak, der Türkei, Syrien, Georgien und Armenien benachteiligt, zuweilen staatlich oder gesellschaftlich verfolgt. Diese Verfolgung ist durch nichts zu rechtfertigen. Aber sie rechtfertigt auch keinen Ehrenmord.
Jedes einzelne Menschenleben ist schützenswert. Aber längst nicht jedes Bracutum. Wer jedoch das Verschwinden einer Kultur beklagt, aber nichts von Unterdrückungsverhältnissen innerhalb dieser Kultur wissen will, wer sich also gegen den gesellschaftlichen Fortschritt stemmt, könnte sich ebenso gut darüber beklagen, dass durch den Einsatz von Penicillin die Selbstregulierung der Natur mittels Masern und Scharlach zerstört worden sei.
Besser: Besser, religiöses oder kulturelles Brauchtum, das sich zu modernisieren nicht imstande oder willens ist, verschwindet. Nicht durch Gewalt und Zwang, aber durch Arzus dieser Welt. Etwas besseres als derlei überkommene Traditionen finden sie allemal. Nur schützen muss man sie.
Wobei der Völkermord an den Armeniern für mich noch sehr im unklaren ist, da ich bisher zwei unterschiedliche Darstellungen der Ereignisse vor dem ersten Weltkrieg und während des Krieges vernommen habe und mindestens genauso viele internationale Historiker gegen die These eines Völkermordes argumentiert haben, kann dieses Problem einzig durch Bildung einer internationalen unabhängigen Expertenkommission gelöst werden.
j.kelim schrieb am 23.05.2012 um 19:47
Ja, kurz nach dem ich 1999 anfing zu meditieren, fing ich auch schon an zu transzendieren. Dies äusserte sich in Form von nächtlichen Klarträumen unterschiedlichster Arten. Das ging einige Jahre so weiter und hörte dann allmählich auf. Anfang des Jahres habe ich von Wilber geträumt, das erste mal und bis jetzt das letzte mal. Wir unterhielten uns über die Integrale Theorie, zwischendurch wachte ich mehrmals auf und ging auf die Toilette und immer wenn ich erneut einschlief, war er da und wir unterhielten uns einfach weiter, die ganze Nacht lang. Ich lernte quasi im Schlafe mit dem Meister selbst. Zuvor hatte ich es auch des öfteren erlebt, wenn ich neues Wissen aufnahm, ich dieses Wissen im Traum immer wiederholend aufwachte, ebenso die ganze Nacht lang. Das geschieht immer, wenn ich mich voll und ganz auf eine Sache einlasse, welches mich brennend interessiert. Aber das sind nur Effekte, an denen man nicht hängenbleiben sollte....
Sicher ist es so, dass Menschen durch die dunkle Nacht der Seele gehen müssen. Bei mir dauerte es sieben Jahre....
Es gibt so viel zu erzählen....
Magst du mir nicht mal schreiben? Dann könnten wir eventuell mal telefonieren?
nil_berlin@yahoo.de
.)
j.kelim schrieb am 23.05.2012 um 20:44
Meine Persönliche Erfahrung und Erlebnisse mit denen ich über Jahre hinweg mit spirituellen Menschen in Berührung kam zeigen ein anderes Bild als das, was Wilber vorschwebt und so lehrhaft verteidigt.
Diese Beobachtung von dir ist Wilber natürlich nicht entgangen. Er hat darüber ein Buch Namens Boomeritis geschrieben.) Es gibt leider tatsächlich äusserst wenige Menschen die meditieren und nicht ihr Ego um somehr zementieren, sondern zu ihrem authentischen Selbst finden...
j.kelim schrieb am 22.05.2012 um 02:49
Die grosse Errungenschaft der Postmoderne war der Kontextualismus, aber die schwäche ist die beinahe zwanghafte dekonstruktion der uns umgebenden Wirklichkeiten bis zur Unkenntlichkeit. Das bleib einem integralen Denker nicht verborgen.....
j.kelim schrieb am 22.05.2012 um 23:29
“Aber man kann doch nicht jeden Satz mit der Vorrede beginnen, dass alles Gesagte eine Konstruktion ist. Das wäre etwas umständlich. Welche Sprachform entwickelt man dann, die stets diese Offenheit, diese geistige Flexibilität, bewahrt?
Ein Integral denkender Mensch wird genau diese Flexibilität und Offenheit von der du sprichst behalten.
www.freitag.de/politik/1221-neuer-funken-f-r-die-bewegung
Viele Dank.)
http://www.integrale-politik.ch/
Mir hat Jean Gebser sehr geholfen das Zeitproblem zu erhellen. Sein Werk "Ursprung und Gegenwart" würde ich Dir gern ans Herz legen. Hier ein kleiner Ausschnitt aus Wiki:
Gebsers Bewusstseinsgeschichte
Gebser wird heute meist assoziiert mit der Bewusstseinsgeschichte, welcher der erste Band von „Ursprung und Gegenwart“ (mit dem Titel „Die Fundamente der aperspektivischen Welt. Beitrag zu einer Geschichte der Bewusstwerdung“) gewidmet ist.
Gebsers Methode ist die kulturphänomenologische Betrachtung der Relikte vergangener Zeiten (Bilder, Statuen, Schriftstücke) und die Untersuchung der Worte und ihrer Wurzeln (Etymologie). Er ist der Meinung, dass sich vier Bewusstseinsstrukturen nachweisen lassen, die den heutigen europäischen Menschen konstituieren und die in seiner Kulturgeschichte aufeinanderfolgend in Erscheinung traten. Er nennt diese Bewusstseinsstrukturen die archaische, die magische, die mythische und die mentale. In unserer Zeit ereignet sich seiner Meinung nach der „Durchbruch einer neuen, integralen Bewusstseinsstufe, deren Grundthema die Überwindung (Entprojizierung) des nur mentalen (linearen) Verhaftetseins an Raum und Zeit durch die Konkretion der Zeit (als zeitfrei erfahrbare Qualität ganzheitlich realisierter Gegenwart) ist.“
Die Bewusstseinsstrukturen werden gelegentlich als „Bewusstseinsphasen“ bezeichnet. Dies kann den Eindruck erwecken, als seien die Bewusstseinsstrukturen aufeinander gefolgt, indem eine Struktur die andere ablöste. Doch jede Struktur bleibt wirksam, auch nachdem eine neue Struktur aus ihr „herausmutiert“ ist. Deshalb spricht Gebser von Bewusstseinsstrukturen, und nicht von „Phasen“. Auch den räumlichen Ausdruck „Bewusstseinsebenen“ meidet er, denn die Bewusstseinsstrukturen sind „nicht bloße Raumgefüge“, sondern können „vor allem auch Gefüge raumzeitlicher, ja selbst raumzeitfreier Art“ sein.[4]
Ferner ist Gebser der Meinung, dass das Bewusstsein sich nicht kontinuierlich „entwickelt“ hat, sondern dass sprunghafte, diskontinuierliche Wandlungen der Strukturen geschahen: sobald eine Struktur „defizient“ wird, sobald sie also erschöpft ist und sich destruktiv auszuwirken beginnt, gelangt eine andere Bewusstseinstruktur zum Durchbruch, die keine kontinuierliche Weiterführung der alten Bewusstseinsstruktur, sondern etwas vollkommen Neues ist. Den sprunghaften, diskontinuierlichen Charakter der Bewusstseinswandlung bringt Gebser zum Ausdruck, indem er von „Bewusstseinsmutationen“ spricht.[5]
Denker wie Hegel, Comte und Herbert Spencer glaubten in der menschlichen Bewusstseinsgeschichte eine fortschreitende Höherentwicklung zu erkennen, in deren Verlauf frühere Bewusstseinsformen als „Irrtümer“ erkannt und von neuen, „besseren“ Bewusstseinsformen abgelöst werden; keine neue Struktur ist „besser“ als die alte, aus der sie herausmutiert. Jede Bewusstwerdung sei zugleich Gewinn und Verlust. Sie sei ein Verlust, insofern sie den Menschen aus dem Ganzen herauslöst. Sie sei jedoch ein Gewinn, insofern sie die Chance zur wachsenden Distanzierung von Raum und Zeit und damit zur Überwindung des Raumes und der Zeit, zur Gewinnung der Raum-Zeit-Freiheit birgt, womit wieder der Grundgedanke Gebsers berührt ist.
Die Raum-Zeit-Konstitution der Bewusstseinsstrukturen
Die Konsequenzen, die sich aus dem Grundthema der neuen Mutation ergeben, erschließen sich erst, wenn man sich über die Raum-Zeit-Konstitution der Bewusstseinsstrukturen klar wird, wie sie Gebser in „Ursprung und Gegenwart“ aufzeigte. Gebser steht in der Tradition des Kantischen Gedankens, dass die „Wirklichkeit dem Menschen nicht einfach gegeben ist, sondern das Ergebnis der Konstitutionsleistung des menschlichen Bewusstseins ist.“ Jede der Bewusstseinsstrukturen soll ein bestimmtes Bewusstsein von der Zeit und vom Raum bedingen (konstituieren). Dieses Bewusstsein soll grundlegend nicht nur das, was der Mensch Wirklichkeit nennt bestimmen, sondern vor allem auch seine Haltung zur Welt und sein Handeln.
Der Mensch der magischen Bewusstseinsstruktur lebte laut Gebser in einer raum- und zeitlosen Welt. Auch für den Menschen der mythischen Struktur soll der Raum noch keine Realität gewesen sein. Es erwachte jedoch ein erstes, noch schwachesZeitbewusstsein. Dieses Zeitbewusstsein soll von dem heute vorherrschenden zu unterscheiden sein, da es die Zeit nicht als linear, sondern als zyklisch wahrnimmt. Ein solches Zeitbewusstsein findet man beispielsweise in der asiatischen Vorstellung des „Rads der Zeit“, aber auch im Kreislauf der Jahreszeiten mit ihren Traditionen und Festen.
Der Durchbruch des mentalen Bewusstseins, beginnend um 500 v. Chr., endgültig jedoch in der Renaissance um 1500, soll mit der Bewusstwerdung des Raumes erfolgt sein. Auch das Zeitbewusstsein wandelte sich grundlegend. Zeit wurde nicht länger als kreisend, sondern als gerichtet, als linear wahrgenommen. An die Stelle des „Rads der Zeit“ trat der „Zeitpfeil“. Besonders deutlich findet man ein solches Verständnis von Zeit in der Lehre des Christentums, wonach alles Geschehen einem „jüngsten“, also letzten Gericht entgegengeht. Ein weiteres Charakteristikum des Zeitbewusstseins der mentalen Struktur besteht darin, dass die Zeit als messbar betrachtet und mit immer präziseren Uhren gemessen wird. Dieses Zeitbewusstsein ist auch heute noch vorherrschend.
Die „Zeit“, wie wir sie heute verstehen, als messbare Uhrenzeit, ist nur ein Teilaspekt des Phänomens „Zeit“. Neben der messbaren, linearen Uhrenzeit soll es auch die zyklische Zeit des mythischen Bewusstseins und die Zeitlosigkeit des magischen Bewusstseins geben.
Gebser kritisiert die Tendenz unserer Kultur, die Zeit zu deklassieren und auf einen einzigen Teilaspekt einzuengen. Die Aufgabe unserer Epoche sei es, so Gebser, sich der Zeit in all ihren Formen und Aspekten bewusst zu werden. Dies sei die Voraussetzung ihrer Überwindung. Überwindung der Zeit soll Bewusstwerdung der „Zeitfreiheit“ bedeuten. Diese Bewusstwerdung bezeichnet Gebser als die Hauptaufgabe der neuen Mutation[6].
http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Gebser
Um wieder zurück zum Zeitproblem zurückzukehren, Gebser:
Der Mut, die prärationale magische Zeitlosigkeit und die irrationale mythische Zeithaftigkeit neben dem mentalen Zeitbegriff als wirkend anzuerkennen, ermöglicht den Sprung in die arationale Zeitfreiheit. Diese ist nicht etwa ein Freisein von früheren Zeitformen, die ja jeden Menschen mitkonstituieren (weil jedes Neugeborene microkósmisch das macrokómische durchleben muss). Sie ist zuerst einmal ein Freisein zu ihnen. Aus dieser Art Freisein, die aus der Konkretion, und der Integration aller Zeitformen hervorgeht und als solche nur von einem Bewusstsein geleistet werden kann, das sich frei "über" die bisherigen Zeitformen zu stellen vermag, kann eine bewusste Annäherung an den Ursprung erfolgen. Aus ihm, der nicht Zeitgebunden ist, mutieren alle uns konstituierenden Zeitformen. Er liegt "vor" aller Zeitlosigkeit, Zeithaftigkeit und Zeit. Dort wo die vorgegebene, vorbewusste, ursprunghafte Vorzeitlosigkeit im Menschen bewusst wird, steht der Mensch nachholend, bewusst in der gegenwärtigen Zeitfreiheit. Und wo das vollzogen wird, da sind Ursprung und Gegenwart durch das intensivierte Bewusstsein integriert. Der Einbruch der Zeit in unser Bewusstsein ist das erste Anzeichen, das Initialthema der heute akuten integral aperspektivischen arationalen Bewusstseinsmutation. Die Bewusstwerdung der Zeitfreiheit, des Achronon.
Aufbauwissen_ Integrale Perspektiven
WILBER-COMBS MATRIX
Die Wilber-Combs Matrix (benannt nach ihren Urhebern Ken Wilber und Allan Combs) beschreibt die Relation von Zuständen und Strukturen des Bewusstseins zueinander.
Während Strukturen des Bewusstseins(vertikale Achse) jahrelanges Wachstum voraussetzen und permanente Errungenschaften darstellen, ist das ganze Spektrum derZustände des Bewusstseins (horizontale Achse) jederzeiterfahrbar. Wachzustand-grobstofflich, Traumzustand-subtil undTiefschlafzustand-kausal werden bekanntermassen von jedem Menschen in einem täglichen Rhythmus durchlaufen. Sie sind somit allgegenwärtige Energien, zu denen man in einem veränderten Zustand Zugang hat, was insbesondere auch für den allgegenwärtigen Zustand des Zeugen, sowie des nondualen"Einen Geschmacks" gilt.
Der Schlüssel zum Verständnis der Relation von Struktur-Stufen zu Zuständen des Bewusstseins ist die Erkenntnis, dass Menschen auf jeder (vertikalen) Stufe der Entwicklung jede Form mystischer Einheitserfahrung (horizontal) machen können, diese aber notwendigerweise durch die Augen ihrer jeweiligen Stufe interpretieren. Dies ergibt auf der Matrix 6 X 4 = 24 Typen spiritueller Erfahrung.
Die Wilber-Combs Matrix
Beispiele für Typen spiritueller Erfahrungen auf der W-C Matrix
In "The Integral Vision" (2007) gibt Wilber das Beispiel eines Protestanten, der eine subtile Gipfelerfahrung hat, bei der ihm eine leuchtende Wolke weißen Lichts begegnet, die wie eine Person oder ein Wesen erscheint. Dieser Mensch wird seine Erfahrung notwendigerweise in den Begriffen seiner Tradition und von der Ebene, auf der sein Selbstempfinden gewöhnlich verortet ist, interpretieren, d.h in diesem Fall als Erscheinung von Jesus Christus.
Ist er auf der magischen Stufe des Bewusstseins, so interpretiert er es als magischen Christus, der über das Wasser gehen, die Toten wieder auferstehen und Wasser in Wein verwandeln kann.
Ist er auf der mythischen Stufe des Bewusstseins, so interpretiert er es als Christus, den Geber der ewigen Gesetze, den Bringer der vollkommenen Erlösung - sofern man die Mythen und Dogmen glaubt, die Regeln der Gebote befolgt, die er den auserwählten Menschen in dem einzig wahren Buch (der Bibel) gegeben hat. Eine mystische Erfahrung wie beschrieben bringt hier die absolute Gewißheit mit sich, dass man Jesus Christus erfahren hat (was durchaus wahr ist) - wodurch man sich als Christ auf dieser Ebene vielleicht darin bestärkt sieht, andere Menschen davon überzeugen zu wollen, dass Jesus 'der eine wahre Weg' ist - was lediglich die begrenzte Interpretation auf dieser Stufe des Bewusstseins darstellt.
Auf der rationalen Stufe hingegen erscheint Jesus als universeller Humanist - nichtsdestotrotz göttlich - der weltzentrische Liebe und Moral lehrt und der die Erlösung nicht nur im Himmel, sondern bis zu einem gewissen Grad auch schon hier auf Erden, in diesem Leben bringen kann.
Auf der pluralistischen Stufe sieht Christus vielleicht wie einer von vielen, gleichwertigen spirituellen Lehrern aus, was bedeutet, dass er für mich die vollständige Erlösung sein kann, weshalb ich auch leidenschaftlich an ihn glaube, doch andere Individuen und Kulturen mögen andere spirituelle Wege als besser für sich empfinden - alles in dem Bewusstsein, dass alle echten spirituellen Wege, wenn sie tief genug gehen, die gleiche Erlösung oder Befreiung bieten können.
Auf der integralen Stufe sieht Jesus eher wie eine Manifestation desselben Christus-Bewusstseins aus, zu dem jeder vollständigen Zugang gewinnen kann, weshalb Jesus eine Art Enblem für ein transformatives Bewusstsein ist, das jeder Person offenbart, dass sie Teil eines gewaltigen Systems dynamischer, flüssiger und einander durchdringender Prozesse ist, das uns alle in seinen strahlenden Wogen umfässt.
Anders gesagt: die Zustandserfahrung wird, zum Teil, entsprechend der Stufe interpretiert, auf der man sich befindet. Es gibt einen magischen Christus, einen mythischen Christus, einenrationalen Christus, einen pluralistischen Christus einenintegralen Christus, usw.
Gleiches gilt für die Anhänger anderer Traditionen, die die Art ihrer Zustandserfahrung (naturmystisch, gottheitsmystisch, formlos, nondual) in die jeweiligen Begriffe ihrer Stufe des Bewusstseins kleiden.
Aber auch wenn man keiner Tradition angehört, dann wird eine Einheitserfahrung, z.B. eine naturmystische Erfahrung bei einem Spaziergang, immer mit den Mitteln der entsprechenden Stufe interpretiert, auf der man sich befindet. Ein atheistischer Mensch auf der rationalen Ebene wird vielleicht denken, dass er einen merkwürdigen Aussetzer gehabt hat, bzw. dass seine Hirnchemie zeitweilig durcheinander geraten ist.
Dieselbe naturmystische Einheitserfahrung auf der magisch-egozentrischen Ebene kann zu Omnipotenzphantasien führen, bzw. vorhandene verstärken.
Zustandstraining als Mittel zur Beschleunigung der Strukturentwicklung?
Generell gesprochen ist es so, dass Zustände, die man auf der gegenwärtigen Ebene nicht in sein Weltbild einpassen kann "'Schwangerschaftsstreifen' auf deinem Geist hinterlassen ", wie Wilber sagt. Aus diesem Grund nimmt Wilber an, dass meditatives/ kontemplatives Zustandstraining tendenziell die vertikale Strukturentwicklung beschleunigt.
Ein Gegenbeispiel könnte allerdings aus der Zen-Tradition zitiert werden. Im Buch "Zen at War" beschreibt Brian Victoria die nationalistischen Wertehaltungen vieler anerkannter und völlig erleuchteter japanischer Zen-Meister während des zweiten Weltkriegs. Trotz mehr oder weniger vollendetem Zustandstraing interpretierten diese Zen-Meister die politischen Ereignisse aus ihrer mythisch-traditionalistischen Stufe des Bewusstseins und befürworteten die Verbrechen des Krieges unter Berufung auf die buddhistische Lehre.
Hier zeigt sich, was Wilber an anderer Stelle betont, nämlich, dass die verfügbaren Interpretationen des UL Quadranten (innerlich - kollektiv), die individuelle Interpretation ebenfalls beeinflussen. Sind das in diesem Fall nur mythisch-nationalistische, so werden sie auf diese eigentümliche Weise miteinander verbunden, die westliche (pluralistische) Praktizierende des Buddhismus zutiefst verstören.
Evolutionäre Erleuchtung
Zudem wird offenbar, dass Erleuchtung selbst sich weiter entwickelt. Die Erleuchtung zu Zeiten, wo die mythisch-traditionalistische Struktur die höchste Warte war, von der aus man seinen Zustand interpretieren konnte, ist in post-/modernen Zeiten hoffnungslos veraltet. Neue Interpretationen und Weltsichten haben sich entwickelt und vollständige Erleuchtung bedeutet, dass man auch mit diesen neuen Strukturen des Bewusstseins eins ist.
Hallo Nil
ich habe gerade mit Freude deinen Beitrag ueber Erlaeuchtung entdeckt und auch die Kommentare von dir und Kelim. Sehr viele Themen und Autoren die von euch erwaehn wurden, kenne ich aus der Zeit, wo ich mich Theoretisch auf der Suche war. Aber irgenwann einmal habe ich weniger darueber Philosophiert und mehr Meditiert. Es freut mich mehr von dir zu hoeren (eventuell auch deine Meinung ueber zwei meiner kurzen Beitraege, die in einer aehnlichen Richtung gehen)
vielle gruesse
Lieber Kelim,
ich habe deine Beitraege mit Freude gelesen und auch deine Gedichte mit genuss erlebt. Auch manch ein Kritik an Schriften wie von Ken Wilber teile ich mit. Er scheint mir mehr kognitiv als als erlebend sein Selbst zu erforschen. Dabei sind auch Machtgeluesste nicht uebersehbar (ich erinnere an seine Debatten mit Grof). Ram Das zitierst du jedoch mit Zuneigung. Auch ich habe von ihm einiges gelernt. Aber der ehmalige Psychologieprofessor ist nun Meditationslehrer, der sein Leben hauptsaechlich der Verbreitung der Meditation gewidmet hat.
Nun mochte ich einige Worte von dir zitieren:
"Viele Menschen die ich kenne entwickelten im Laufe der aktiven Meditation und spirituellen Praxis eine Art Mega- Ego. Sie sind teilweise besonders erfolgreich in ihrer jeweiligen Tätigkeit jedoch sehr äußerlich, oberflächlich eingestellt. Ihre empathischen Fähigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen, dient mehr der eigenen Abgrenzungen gegenüber den echten Gefühlen anderer.
Alles was sich änderte ist lediglich, dass mache spirituelle Sucher noch bessere Schauspieler wurden und die Meditation ein Mittel ist, die Maske zu verfestigen und der ursprüngliche Mensch, mehr und mehr verdrängt wird.
Doch Mitgefühl kann ein Mensch nur empfinden, wenn er auch in der Lage ist den eigenen Schmerz, in sich selbst zu fühlen, und das ist nur möglich, wenn derjenige, durch die dunkle Nacht der Seele geht."
Auch mir ist klar, dass viele Meditierende (besonders diejenigen, die in gewisse Organisazionen versammelt sind) nur neue Wege der Identifizierung und Abgrenzung finden. Und stimme, dir zu, das der Weg der Befreiung ein einsamer Weg ist und das einige wenige diesen Weg begehen.
Dennoch erfahre ich bei mir und auch bei anderen, dass Medtation (verbunden mit dem Willen, sich emotional aus seinen Verstrikungen zu loesen und wirklichmit der Quelle seines Seins zu verbinden) tatsaechlich als Hilfsmittel dienen kann.
Guten Tag, es tut mir leid, dass ich nicht eher antworten konnte, aber ich freue mich, dass dir mein Beitrag Freude bereitet hat. Gerne werde ich die Tage deine Seiten besuchen. Zur Zeit ist es etwas hektisch bei mir. Ganz liebe Grüsse zurück aus dem heute sonnigen Berlin.)
Guten Tag, es tut mir leid, dass ich nicht eher antworten konnte, aber ich freue mich, dass dir mein Beitrag Freude bereitet hat. Gerne werde ich die Tage deine Seiten besuchen. Zur Zeit ist es etwas hektisch bei mir. Ganz liebe Grüsse zurück aus dem heute sonnigen Berlin.)
Statt Kelim antworte ich dir mal auf dein Kommentar an ihn, denn Kelim ist seit langenm nicht mehr akriv unterwegs im Freitag, auch zu meinem Bedauern. Diese Mitmenschen, die ihrer Egos bei der Meditation nur zementieren, statt sie zu überschreiten, machen natürlich etwas falsch. Ein mehr an Wissen, muss idealerweiser immer mit einem mehr an Mitgefühl einhergehen. Auch kann Meditation, Therapie und Schattenarbeit nicht ersetzen. Das nennt Wilber Boomeritis Spiritualität. Ich denke auch, wenn man Wilber kritisieren möchte, sollte man sich zuersteinmal ernsthaft mit seinem Hauptwerk Eros, Kosmos, Logos intensiv auseinander setzten, ansonsten könnte man ihn nur missverstehen.
Liebe Nil,
sein Haupwerk "Eros, Kosmos, Logos" habe ich vor etwa zehn Jahren zu einem guten Teil gelesen. Ich habe das Seitenreiche Buch nicht bis zum Schluss gelesen, weil ich feststellte dass das Buch zwar viele Informationen vermittelt und hier ein gelehrter und Wissender schreibt, aber ich war damals bereits eher den Autoren zugeneigt, die weniger aus ihrem Kopfe und mehr aus iherem Herzen schreiben, wie Ram Das, Tolle ...
Aber was die Meditation angeht kann ich zwar nicht behaupten, dass es definitiv alle Menschen zum Gluck fuehrt, aber wenn es intensiv gemacht wird, fuehrt es Schicht um Schicht in die tiefe des Unbewusten und immer mehr durch die "dunklen Seiten" und falls der Meditierende auf dieser Stufe (ich gebe zu dass sehr viele hier vielleicht eine zusaetzliche Therapie zum Schutze brauchen) in der Lage ist, Distanz zu bewahren und bereit ist diese Seiten und auch den Schmerz zu akzeptieren, geschiet ein "Wunder". Man spuert immer mehr, dass alles Dunkle Seiten sich nach und nach aufloesen und das was du so schoen beschrieben hast eintritt:
Licht ins Dunkle bringen. Bewusstheit in die noch unbewussten Potentiale lenken, zum erbaulichem hin. Das untergetauchte verdrängte unbewusste erhellen oder erleuchten. Arroganz , Narzissmus und Egoismus überwinden, Selbsterkenntnis erlangen, stück für stück. Stufenweise.
gruss
"Aber was die Meditation angeht kann ich zwar nicht behaupten, dass es definitiv alle Menschen zum Gluck fuehrt ..."
Tja, großer Meister, was nützen Antworten, wenn man keine Fragen hat!
No Infinity. Historisch gesehen, gibt es bisher drei grosse Weltanschauungsarten, die Traditionelle, Moderne und Post-Moderne. In der heutigen Zeit kristalisiert sich eine weitere sogenannte Post-Post-Moderne und Post-Metaphysische Weltanschauung, die in der Lage ist alle vorherigen zu integrieren. Aber ich wollte mit dieser frage eigentlich nur Wissen, ob Mitforisten hier sind, die sich mit diesen historischen Fragen auf diese weise beschäfttigt haben. Schubladen sich immer schlecht, da stimme ich natürlich ganz mit Ihnen überein.
Einerseits wird Wilber vorgeworfen in seinen Arbeiten zu analytisch vorzugehen. Andererseits sagen einige Wissenschaftler, er sei zu gefühlsbetont und zu wenig analytisch. Ist wahrscheinlich eine Sache der eingenommenen Perspektive. Wilbers Arbeiten fussen auf Jean Gebser und Aurobindo. Das sind die anderen beiden grossen integralen Denker die ein umfassendes Werk vorzuweisen haben. Kennst du die Beiden? Die würden dir sehr wahrscheinlich besser zusagen. EKL ist mein Arbeitsbuch. Ich lese es seit zehn Jahren, immer mal wieder.) Ich stimme dir voll und ganz zu, Meditation, ernsthaft betrieben, wird den Meditierenden, durch individuelle und kollektive schlacken, herausführen. Ich wünsche dir einen harmonischen Übergang ins neue Jahr. Besten Gruss zurück.
Richtig, sofern einem die Einordnungen bewusst sind, werden sie auch für diese Frage in keine Rolle spielen, aber sehr wohl für den Grad der Erleuchtungserfahrungen die man hatte, und in besten Fällen, ist man sich auch dessen bewusst. Auch Ihnen einen Guten Übergang ins neue Jahr. LG
Liebe Nil
ich danke dir fuer die Hinweise. Die beiden Autoren kenne ich nicht. Zwar ist es aus dem Iran etwas schwierig ihere Bucher zu besorgen, aber ich werde es auf meiner ersten Reise im Ausland tun.
Alles Gute zum neuen Jahr
Lieber Heinz,
Zwar leben wir in einer Welt und mussen uns einordnen, da stimme ich dir zu. Aber falls wir mit einer erweiterten Bewusstsein in diese Welt blicken, bemerken wir, dass diese Welt nicht nur die eine ist, die wir uns durch unsere Konditionierungen eingebildet hatten, sondern weitere Dimensionen hat, die zu erkennen uns als Mensch in unsere Entfaltung weiter bringt.
Dieses Bewustsein, die von manch einem als auch als Erwachung oder Erlaeuchtung bezeichnet wird, laesst dich immer mehr spueren, dass deine Schubladen eigentlich Illosionen, und deine Orientierungen eigentlich Rollen sind, die du im Theater des Lebens spielst.
Bei mir selbst, entstand diese neue Wahrnehmung vulkanartig und fuehrte dazu, dass ich einige Zeit ohne meine fruheren Brillen und Kruecken, verzweifelt nach der Suche nach neuen Indentifikationen war. Aber ich stellte bald heraus, dass es fuer mich keine neuen Identifikationen gibt.
Nach einiger Zeit der Verwirrung, bin ich zuruckgekehrt und spiele auch meine Rollen im Leben, aber ich weiss nun dass sie Rollen sind und dass meine groesste Rolle, die ist, auch andere Menschen auf ihre Potentialle hinzuweisen.
Seiddem lebe ich nicht sonderlich anders als andere, aber immmer freier.
Aber all dass kannst du schwer mit deinem Verstand Wahrnehmen, sondern musst tiefer zu deinem Selbst finden. Villeicht kann dir die Lektuere von "Power auf Now" weiterhelfen.
Auch dir alles Gute zum neuen Jahr
Eine kurze Geschichte des politischen Ken Wilber
Das bereits in der Einleitung zu diesem Online-Journal erwähnte Buch Halbzeit der Evolution stellt den Beginn eines roten Fadens politischer Aussagen Wilbers dar, der sich – manchmal im Vordergrund, doch meist im Hintergrund – durch sein gesamtes Werk zieht. In Halbzeit betrachtet Wilber die Menschheitsgeschichte unter dem Aspekt einer kulturellen Evolution, mit Entwicklungen und Fehlentwicklungen, und stellt im fünften Teil Wo stehen wir heute dann die Jetztzeit dar, mit einem Ausblick auf eine Gesellschaftstheorie von morgen. Ein wesentliches kulturelles Merkmal sind die Austauschbeziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gemeinschaft. Angewandt auf ein kulturelles Ebenenmodell ergeben sich jeweils unterschiedliche Austauschbeziehungen auf unterschiedlichen Entwicklungsebenen.
In gewisser Weise ist auch Wilbers Der glaubende Mensch ein politisches Buch, da hier Religion – die ja im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder einen politischen Anspruch geltend macht und diesen auch ausübt – als ein kulturell/soziologisches Ereignis im Rahmen eines entwicklungsgeschichtlichen Kontextes diskutiert wird.
In Eros, Kosmos, Logos legt Wilber erstmals ausführlich seine Sicht der Welt dar als einem Ausgangspunkt (auch) für politisches Handeln. Dort stellt Wilber auch sein Ethikmodell vor – die größte Tiefe für die größte Spanne – als einem Grundpfeiler von Politik. Das Buch Das Wahre, Schöne, Gute ist erklärtermaßen „Eine integrale Vision für eine etwas verrückt gewordene Welt“. In Naturwissenschaft und Religionskizziert Wilber einen Entwurf für die Versöhnung von Wissenschaft und Religion als bedeutende kulturelle Strömungen, und auch hier lassen sich politische Bezüge erkennen, denn sowohl die Religionen wie auch die Wissenschaften erheben ihren jeweils eigenen Wahrheitsanspruch. Einfach DAS, Wilbers Tagebuch aus dem Jahr 1997, enthält eine Reihe politischer Hinwiese, so z. B. einen Text zum amerikanischen Konservatismus und Liberalismus (auf S. 416). In Ganzheitlich Handeln stellt Wilber den Integralen Ansatz vor, mit konkreten Bezügen auch zur Politik (siehe das Kapitel „Integrale Politik“ auf S. 98 und „Integrale Regierung“ auf S. 105). Auch das Buch Boomeritis ist politisch, weil hier der 68ger Zeitgeist kritisch beleuchtet wird, auch mit seinen Auswirkungen auf die Politik. Parallel zu diesen Buchveröffentlichungen wurde seit dem Beginn von Integral Naked.com in 2003 eine Fülle vom Material zum Thema Politik über das Internet veröffentlicht. Hervorzuheben sind dabei Wilbers Stellungnahme zum Irakkrieg , zum Terroranschlag des 11. September 2001 und zahlreiche Dialoge mit politisch Aktiven des öffentlichen Lebens, einschließlich Bill Clinton und Al Gore (für die zwei Letztgenannten gibt es konkrete Hinweise auf einen Austausch, aber noch keine Veröffentlichungen darüber).
Und jetzt, aktuell, die Ankündigung der Trilogie The Many Faces of Terrorism, mit der Vorveröffentlichung dreier Kapitel daraus auf der kenwilber.com/blog.
Quelle: Online-Journal Nr. 5 / 2007
Was ist Integral?http://integralesleben.org/de/il-home/il-integrales-leben/grundlagen-des-integralen/was-ist-integral/ken-wilber-interview-mit-haim-hacerim/typo3temp/pics/2a54ab0f29.gif
Ein Ken Wilber Interview mit Haim Hacerim
(Erstveröffentlichung auf IntegralNaked.com Januar 2007)
Teil 1. Der integrale Ansatzhttp://integralesleben.org/de/il-home/il-integrales-leben/grundlagen-des-integralen/was-ist-integral/ken-wilber-interview-mit-haim-hacerim/typo3temp/pics/d7c86c15db.jpg
Redaktionelle Einleitung der IN Redaktion
Eine Übersetzung in hebräischer Sprache vonEine kurze Geschichte des Kosmos wurde kürzlich veröffentlicht, und in Vorbereitung dieses Ereignisses wurde Ken von Carmel Vaisman für die Zeitschrift Haim Hacerim interviewt, die man als so etwas wie das Pendant zur Zeitschrift “What Is Enlightenment?” in Israel bezeichnen kann. Die ist Kens Debüt mit der israelischen Presse, und gleichzeitig eine wundervolle Einführung in die integrale Vision, ein brillanter Überblick über die immer mehr hervortretende integrale Landschaft. Dieses Gespräch ist ebenso hilfreich für Einsteiger in die Thematik, als auch für bereits Fortgeschrittene, die sich vielleicht gerne immer wieder daran erinnern lassen, wie einfach das ganze ist!
Darin enthaltene Themen sind:
Der integrale Ansatz als eine Art von Über-Holismus, im Unterschied zu der Mehrzahl von holistischen Ansätzen, die, um ehrlich zu sein, nicht holistisch genug sind.Eine Erläuterung der Erkenntnisansätze einer ersten, zweiten und dritten Person, und der unterschiedlichen Methodiken die verwendet werden, um diese Ansätze zu verifizieren.Eine kurze Untersuchung der Systemtheorie als einer „holistischen Wissenschaft“, die oft von sich behauptet eine „Theorie von allem“ zu sein, die jedoch nicht die Wirklichkeiten einer ersten, zweiten und dritten Person abdeckt, im Unterschied zu einer wirklichen Theorie von allem.Die Größe (der Wert) und die Grenzen die bei der Konzentration auf eine spezielle Erkenntnisperspektive auftreten, und die Gefahren der Überschreitung des Erkenntnisrahmens einer bestimmten Methodik.Kens eigene persönliche Motivation hinter seiner Laufbahn als integraler Theoretiker und Autor: war er auf der Suche auf etwas was über das von Postmodernismus dekonstruierte Flachland hinausreichte, oder brachte er einfach nur seine eigenen spirituellen Erfahrungen durch das Schreiben zum Ausdruck?Kens Antwort auf Kritik die er von Postmodernisten, Feministen und Ökophilosophen erhalten hat – von denen viele der Vorstellung von jeglicher Hierarchie misstrauen, wobei oft natürliche Wachstumshierarchien (und Holarchien) mit sozialen Beherrschungshierarchien verwechselt werden. Ersteres sind dabei die Lösung für Letztere.
Dieser Dialog ist ein wunderbares Beispiel und eine Erinnerung an die Tatsache, dass der integrale Weg ein weltweites Phänomen darstellt, überall zu Hause ist, von allen verstanden und in allen Sprachen formuliert wird, und eine der schönsten Wege der Menschheitsfamilie ist, um sich untereinander kennen zu lernen.
[Ein Hinweis der IL Redaktion: Ken Wilber unterscheidet z. B. in seinem BuchNaturwissenschaft und Religion zwischen enger [narrow] und weiter [broad] Wissenschaft]. Erstere erkennt nur Objekte der äußeren Welt an, die Naturwissenschaft, Letztere umfasst Erkenntnisse aus allen menschlichen Erfahrungsberiechen: äußerlich, innerlich, individuell, kollektiv, d. h. Natur- und Geisteswissenschaften im weitesten Sinn. Im nachfolgenden Text spricht Wilber von Wissenschaft [science] im Sinne einer engen Wissenschaft.]
[Ein weiterer Hinweis: Die Überschriften wurden in den Text zur besseren Lesbarkeit redaktionell hinzugefügt. Sie sind im Original nicht enthalten.]
Was ist „integral“?
Carmel Vaisman: Es hat den Anschein, dass die meisten Journalisten hier [in Israel] nicht wissen was integral bedeutet, und dass sie sich davor fürchten dies für die Öffentlichkeit darzulegen.
KW: Verstehe ...
CV: Ich schreibe für das führende spirituelle New Age Magazin, vergleichbar mit [der Zeitschrift] what is enlightenment, das macht es für mich etwas leichter darüber zu schreiben.
KW: Das ist OK. Journalisten sind manchmal auch etwas lustlos gegenüber jeglichem Spirituellem. Sie wollen nicht den Eindruck erwecken sie würden dies fördern, oder damit sympathisieren, oder sogar Werbung dafür machen, etwa mit einem „neuen Ansatz gegenüber der Spiritualität“. Wir machen dabei jedoch einen Unterschied, weil der integrale Ansatz ein Weg darstellt, buchstäblich alle bekannten Ansätze gegenüber Spiritualität miteinander zu verbinden, und Platz für sie alle zu haben. Das ist ein großer Unterschied demgegenüber, was die meisten Journalisten – oder auch die meisten Menschen – kennen.
CV: Darüber möchte ich gerne sprechen. Wir erreichen die New Age Gemeinschaft, aber ich fürchte eine Menge Menschen wissen nicht was die integrale Vision ist, und was daran wirklich anders ist. Sie haben von ihnen gehört, kennen ihren Namen – könnten sie das Wesentliche der integralen Theorie für mich erläutern?
KW: Eine Möglichkeit sich das Integrale vorzustellen ist: es handelt sich um eine Art eines Superholismus. Die meisten Menschen sind vertraut mit Holismus und was ein ganzheitlicher Ansatz bedeutet, doch wir bezeichnen das was wir machen nicht als „holistisch“, weil die bekannten holistischen Ansätze unserer Meinung nach nicht „holistisch genug“ sind. Sie lassen vieles von dem aus, was eigentlich mit aufgenommen werden müsste. Man könnte sagen dass sie das Herz auf dem rechten Fleck haben, aber mit dem Kopf ein wenig hinterher hinken.
CV: Könnte sie ein Beispiel für etwas geben was sich holistisch nennt und dabei etwas Wesentliches auslässt?
KW: Betrachten wir zuerst ein Beispiel aus dem Mainstream, und dann noch ein Beispiel außerhalb davon. Ein Beispiel aus dem Mainstream wäre die Systemtheorie. Systemtheorie behauptet von sich, die Gesamtheit des Universums als ein System von Beziehungen zu betrachten. Da gibt es Menschen und ihre Psychologie, soziale Institutionen, Ökologie – und alles ist auf eine nette integrale und holistische Weise miteinander verbunden. Das scheint alles zu umfassen, oder?
CV: Ja.
KW: Das scheint holistisch zu sein und alles zu berücksichtigen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch ein anderes Konzept einführen, und das wird uns klarmachen warum die Systemtheorie nicht so holistisch ist wie sie zu sein glaubt, und dabei handelt es sich um die unmittelbar einsichtige Vorstellung, dass es Perspektiven einer 1ten, 2ten und einer 3ten Person gibt. Jede der Hauptsprachen der Welt hat so etwas wie Pronomen einer 1ten, 2ten und 3ten Person. Die 1te Person ist dabei definiert als die Person die spricht. Das wäre ich jetzt in diesem Augenblick, als die Person die spricht, und die Pronomen einer 1ten Person sind „ich“, „mir“, oder „mein“. Eine 2te Person ist definiert als eine Person zu der gesprochen wird, das wären jetzt Sie, und Pronomen einer 2ten Person sind „Sie“, „Du“, „ihr“. 3te Person ist definiert als die Person oder Sache über die gesprochen wird. Wir sprechen beispielsweise jetzt über Systemtheorie, und das wäre eine 3te Person. Sie sind jetzt also 2te Person, und ich bin 1te Person. Wenn Sie zu mir sprechen sind Sie eine 1te Person, und ich bin 2te Person, und die Systemtheorie über die wir sprechen ist 3te Person. Können Sie mir folgen?
CV: Ja.
Wissen einer 1ten, 2ten und 3ten Person
KW: Es gibt also Arten des Wissens einer 1ten, 2ten und einer 3ten Person, und das ist sehr wichtig. Es wird dabei schnell klar wie das zusammenhängt. Was Wissen einer 1ten Person sind Dinge wie Introspektion als das Schauen nach innen, Meditation, Kontemplation. Es gibt sehr bedeutende Schulen der Philosophie die auf einer 1ten Person gegründet sind, mit Phänomenologie als einer der Wichtigsten, und ihrem herausragenden Vertreter Edmund Husserl. Doch auch die gesamten östlichen Traditionen und die westlichen kontemplativen Traditionen behandeln Wissen und Erkenntnisse einer 1ten Person. Und das ist ein Wissen das ich erhalte wenn ich in mein Bewusstseins hineinschaue, in meine eigenen Gedanken und Gefühle. Dadurch erhält man ein sehr wichtiges Wissen. Wissen und Erkenntnisse einer 2ten Person hat mit dem „Sie/Du“ zu tun. Wie kann ich Sie verstehen? Sie sprechen mit mir, aber wie kann ich verstehen was Sie meinen? Würden sie in hebräischer Sprache mit mir sprechen, würde ich Sie nicht verstehen. Das Wissen einer 2ten Person dreht sich um Fragen von Interpretation, Sinn und Bedeutung - linguistische Bedeutung. Ein Begriff dafür ist Hermeneutik, die Kunst und Wissenschaft der Interpretation. Die Schule der Hermeneutik ist extrem wichtig, sie reicht von Soziologie bis zur Literaturwissenschaft, und wir nehmen dafür auch manchmal das Pronomen „wir“, welches [technisch] die 1te Person Plural bezeichnet, und sich darauf bezieht, dass wenn Sie und ich miteinander sprechen, wir dabei ein „Wir“ bilden. Verstehen wir uns? Macht uns dieses Interview Spaß? Du/Sie/Wir als eine Art von Wissen bekannt unter Begriffen wie Hermeneutik, Sinn und Bedeutung, und – extrem wichtig – Moral: wie soll ich mit Ihnen umgehen? Wie sollten Sie mit mir umgehen? Woher weiß ich, was das Richtige ist und wie ich handeln sollte? Wenn ich nur mich selbst betrachte – ich als 1te Person -, dann stellten sich diese Fragen überhaupt nicht. Doch wenn „Sie/Du“ ins Spiel kommt, dann entsteht eine andere Art von Wissen und Erkenntnis. Martin Buber ist berühmt für seine Definition des Herzens eines spirituellen Augenblicks als die ich-du Beziehung, in der eine 1te Person einer 2ten Person in einem heiligen Augenblick begegnet. Dies sind zwei Arten von Wissen und Erkenntnis, und beide sind extrem wichtig. Das Wissen einer 3ten Person ist abstraktes Wissen. Es spricht von etwas als einem Konzept, z. B. die Sprache der Physik und Chemie. Das ist 3te Person, weil wir nicht mit etwas sprechen müssen. Wenn ich eine Felsen untersuche, muss ich nicht mit ihm sprechen. Wenn ich Sie als ein Objekt untersuche, dann spreche ich nicht mit Ihnen. Das geschieht manchmal bei einer medizinischen Untersuchung, wo man als ein medizinischen Objekt behandelt wird – Ärzte müssen gar nicht mit ihren Patienten sprechen wenn sie den Blutdruck wissen wollen, oder das Gewicht, oder die Körpertemperatur usw., all das ist Wissen einer 3ten Person.
Umgangssprachlich haben wir es dabei mir dem Wahren, Guten und dem Schönen zu tun. Das „Wahre“ ist objektive Wahrheit, mit Fragen wie: ist es wirklich wahr, dass Wasser H2O ist? Das ist Wissen einer 3ten Person. Schönheit hingegen ist nicht etwas was dort draußen zu finden ist wie z. B. die Chemie, Schönheit ist im Auge des Betrachters, sie hat mit Kunst zu tun, mit dem Selbst und seinem Selbstausdruck, einem inneren Wissen usw. Das Wissen einer 1ten Person beinhaltet daher Kunst, Ästhetik, das Schöne. Das Wissen einer 2ten Person ist demgegenüber das Gute. Was ist gut? Was ist richtiges und gutes Handeln? Dabei geht es um Moral und Ethik. Also Kunst, Moral und Wissenschaft repräsentieren eine 1te, eine 2te und eine 3te Person, ebenso das Schöne, das Gute, das Wahre. Systemtheorie beschäftigt sich ausschließlich mit Wissen und Erkenntnis der 3ten Person, und kann nichts über eine 1te oder 2te Person aussagen – und wenn das geschieht dann ist es reduktionistisch. Das ist ein Problem das oft übersehen wird. Es ist daher sehr wichtig im Hinblick auf einen integralen Ansatz, dass Ansätze einer 1te, 2te und 3te Person bei der Erkennissuche eines jedem Thema das wir betrachten berücksichtigt werden, einschließlich des Themas Spiritualität. (Wir sprechen gleich noch über die drei Gesichter Gottes, kann man sich dem Göttlichen als einer 1ten, 2ten oder 3ten Person nähern.)
CV: Am Anfang waren die Philosophen ja auch religiös und wissenschaftlich orientiert, sie hatten also diese Sicht auf die Dinge, wo alles miteinander zusammenhängt, doch heute sind wir derartig spezialisiert, dass es merkwürdig erscheint Systemtheorie und Spiritualität und Psychologie zusammenzuführen, und das Ganze dann als „integral“ zu bezeichnen.
KW: Das ist auch ein Teil des Problems. An einer Spezialisierung ist an sich nichts verkehrt, so lange man sich dabei bewusst ist was man macht. Es ist absolut in Ordnung Atome und Moleküle und DNA usw. zu studieren, dadurch werden enorme Wissensfortschritte erreicht. Wenn wir jedoch nur so etwas machen, und wenn das als die einzig reale Art von Wissen und Erkenntnis betrachtet wird, dann lassen wir u. a. das ganz außerordentliche Wissen weg was wird durch Introspektion erlangen. Die Männer und Frauen der großen kontemplativen Traditionen waren und sind keine Spinner oder Dummköpfe, das sind sehr ernsthafte, tiefgründige Denker und Meditierende. Traditionen wie der Zen Buddhismus beispielsweise sind kein Unfug, sie bringen Erkenntnisse einer 1ten Person hervor durch die Innenschau. Das Problem dabei ist, dass diejenigen die eine Perspektive einer 3ten Person einnehmen, die „harten“ Wissenschaftler also, dieses Wissen als „nicht real“ ablehnen, aber das ist Unfug. Bleiben wir bei Zen als einem Beispiel, dann handelt es sich um etwas was seit 1000 Jahren weitergegeben wird. Es handelt sich um ein sehr spezifischen Wissen, wie Judo oder Karate, d. h. um etwas was man erlernenkann. Das sind keine privaten, subjektiven Fantasien, es ist Wissen das man sich aneignen kann, dass gelehrt und weitergegeben werden kann. Und das Wichtigste dabei ist: jede der kontemplativen Traditionen sagt, dass die ultimative Wirklichkeit – nicht die relative Wirklichkeit – durch die Innenschau gefunden werden kann, mit einer tiefgreifenden Erfahrungen eines Erwachens das man Erleuchtung oder Satori oder Erwachen oder Verwandlung oder Metanoia nennt – es gibt dafür viele Bezeichnungen. Der Ausschluss dieses Wissens kann nur als Wahrsinn bezeichnet werden. Alles was wir mit dem Integralen vorschlagen ist: „lasst uns es wenigstens versuchen“, und „gebt dem eine Chance“, der Einbeziehung der Arten des Wissens einer 1ten, und einer 2ten und einer 3ten Person. Wenn man das tut, dann beginnen sich eine ganze Reihe von Problemen zu lösen.
CV: Haben sie bei der Konzeption der integralen Theorie damit begonnen über die unterschiedlichen Ansätze zu schreiben, oder haben sie nach so etwas wie einer neune Metatheorie Ausschau gehalten, als etwas was nach dem Postmodernismus kommt?
KW: Beides, Carmel. Meine eigener persönlicher Hintergrund dabei ist, dass ich diese Arbeit nun seit 30 Jahren und sogar noch länger mache. Ich bin jetzt 57 Jahre alt, und ich schrieb mein erstes Buch, Das Spektrum des Bewusstseins mit 23 Jahren. Ich war damals an der Universität, studierte Medizin, und wechselte dann zur Biochemie. Ich habe das also gelernt und bin als Wissenschaftler ausgebildet worden. Ich kenne die Wissenschaft, und ich machte meine Abschluss in Biochemie. Ich weiß was die Wissenschaft einer Perspektive einer 3ten Person ist. Doch schon damals meditierte ich. Das Studium war mir einfach nicht genug. Wie kann man in einem Labor Objekte aus einer Perspektive einer 3ten Person studieren, und meinen das wäre die ganze Wirklichkeit? Wo bleibt dabei die 1te Person? Wo ist das Gute, wo ist die zweite Person, wo bist du? Mein erstes Buch hieß daher Das Spektrum des Bewusstseins, und man kann schon daraus erkennen dass es mir um einen Holismus ging. Die Vorstellung dabei war, dass das Bewusstsein ein Spektrum ist; Psychotherapie, Zen, Gestalt, Psychoanalyse usw. hatten alle recht, insoweit sie sich mit ihrer eigenen Bandbreite im Spektrum beschäftigten. Sie alle sagten uns etwas unglaublich wichtiges, und mussten daher berücksichtigt werden. Mit ging es von Anfang an um den ganzen Regenbogen. Seitdem habe ich weitere 20 Bücher geschrieben, und das ist eine lange Geschichte. Ich war in der Tat auf der Suche danach was nach dem Postmodernismus kommt. Ich verfolgte dabei die intellektuelle Szene, schrieb eine Menge Artikel, Aufsätze und Bücher darüber, und kenne den Postmodernismus wirklich gut, Foucault, Derrida usw., und all das hat uns eine Menge Wichtiges zu sagen, aber es reichte nicht weit genug, und heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Alles wurde dekonstruiert, und schließlich dekonstruierte die Postmoderne sich selbst, und was übrig blieb waren rauchende Ruinen - eine Katastrophe. Es führte zu Nihilismus, jeder erkennt das mittlerweile an, alle sagen dass der Postmodernismus tot ist, und jeder fragt sich was danach kommt. Was als nächstes kommt ist das Einsammeln und Zusammenfügen der Scherben. Das nennen wir integral. Wir gehen dabei davon aus, dass jeder recht hat. Jeder hat ein Stückchen des Gesamtpuzzles. Der menschliche Geist ist unfähig, zu 100% Fehler zu produzieren. Niemand macht nur Fehler, oder, anders gesagt, niemand ist so schlau, sich ständig zu irren. Jeder hat also ein Puzzleteil, und wenn man das würdigt und die Teile zusammenfügt, dann erhält man wunderschöne und erstaunliche Regenbögen.
CV: Doch wenn jeder recht hat, wie kann man dann feststellen wie das alles zusammengehört?
KW: Bleiben wir – als einem Beispiel – bei den Arten des Wissens einer 1ten, 2ten und 3ten Person. Jede dieser Erkenntnisschulen existiert seit Jahrhunderten, undsie wissen was innerhalb ihres eigenen Erkenntnisbereiches richtig und was falsch ist. Nehmen wir die Chemie als ein Beispiel: wissen die Chemiker ob etwas richtig oder falsch ist? Natürlich wissen sie das! Besteht Wasser aus 7 Wasserstoffatomen und 4 Sauerstoffatomen? Nein, das ist falsch, die richtig Formel lautet: H2O. Das gleich gilt für Zen, um auch bei diesem Beispiel zu bleiben. Kann ein Zen Meister der Zen-Tradition sagen, ob ein Satori, das ist die Bezeichnung für eine Erfahrung des Erwachens, echt ist oder nicht? Ja, absolut. Woher wissen wir das? Weil dieses Wissen und diese Erfahrung seit 1000 Jahren von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Probleme entstehen, und darauf zielt Ihr Hinweis, wenn die Wissenschaft eines Wissens einer 3ten Person beginnt, Aussagen über eine 1te Person zu machen. Das ist dumm, doch es geschieht andauernd. Die Zen Leute machen das auch. Sie sagen, „wir haben das wirklich Wissen, und diejenigen mit dem Wissen einer 2ten und 3ten Person haben keine Ahnung, das ist alles nur relativ und illusorisch.“ Es gibt eine Grundregel des integralen Ansatzes, und die lautet: Wo eine Erkenntnisdisziplin Aussagen über ihren eigenen Untersuchungsbereich macht lohnt es sich ihr zuzuhören. Wo jedoch Aussagen über andere Disziplinen gemacht werden, lohnt sich das Zuhören nicht, und dort liegt die Ursache für viele Probleme. Alle wirklichen Erkenntnisdisziplinen wie Soziologie, Psychologie, Verhaltensforschung, Psychoanalyse oder das Studium von Koans – sie alle haben ihre Erkenntniswege und Regeln, wie man Wissen erlangt und dieses Wissen überprüft. Und natürlich gibt es auch Auseinandersetzungen innerhalb der Disziplinen, und das ist gut, das klärt die Dinge.
CV: Wenn ich sie richtig verstehe, dann haben früher die Religionen Aussagen über andere Erkenntnisbereiche gemacht, und heute ist es die Wissenschaft die Aussagen über alles macht - was kommt als nächstes, oder was sollte als nächstes kommen?
KW: Das Innehalten und sagen, „Augenblick mal, ich bin ein menschliches Wesen, und innerhalb meines eigenen Seins erlebe und habe ich Dimensionen einer 1ten, 2ten und 3ten Person. Ich verwende andauernd Pronomen wie „ich“, „du“, „wir“, und „es“, (andere Pronomen einer 3ten Person sind „sie“ und „ihres“, doch wir nehmen „es“ als das hauptsächliche Pronomen einer 3ten Person, es steht für ein es-haftes, objektives, distanziertes Wissen), und auch das ist ein Teil von mir und meinem Erleben. All das ist mein Ausgangspunkt für mich als ein menschliches Wesen. Warum sollte ich nicht das Wahre, das Schöne und das Gute in meinen Leben haben?“ Warum sollte ich mich – als Wissenschaftler – nur auf das Wahre beschränken, ohne das Gute und das Schöne und ohne Gott – all dies bleibt dabei außen vor, deren Wissensdisziplinen, Paradigmen und Praktiken erfassen weder eine 1te noch ein e2te Person, und sie wissen nicht worüber sie sprechen wenn es darum geht. Sollte ich nicht in meinem eigenen Leben alle drei mit aufnehmen? Und die Antwort ist: Ja, absolut. Was geschieht wenn ich das tute? Ich höre auf die Wissenschaft wenn sie über Dinge einer 3ten Person spricht. Und ich höre auf die Religionen wenn es um eine 1te Person geht. Und ich höre auf die Hermeneutik und Ethik wenn es um eine 2te Person geht. Wir brauchen Kunst und Moral und Wissenschaft in unserem Leben, und das hat, wie Sie sagen, auch etwas mit unserer Wahrnehmung zu tun. Vor der Aufklärung hörten die Leute auf die Religionen, und heute, nach der Aufklärung, hört alles auf die Wissenschaft. Doch Wissenschaft kann uns nicht einmal sagen was wir tun sollen. Es gibt absolut nichtsin den Büchern der Chemie, Physik usw. was mir sagt, ob ich jemanden umbringen soll oder nicht, das wird dort nicht besprochen. Wir haben in der jetzigen Welt einen unglücklichen wissenschaftlichen Reduktionismus einer 3ten Person, man nennt das wissenschaftlichen Materialismus oder Scientismus. Ich bin Wissenschaftler, und ich bin absolut dafür auf die Wissenschaft zu hören wenn sie über etwas spricht was sie sehen und erkennen kann. Doch wenn sie beginnt über etwas zu sprechen was sie nicht sehen, hören oder berühren kann, dann wird es einfach dumm, und ich habe kein Interesse mir diese Dummheiten anzuhören.
CV: Sie sagen damit, dass jedes Erkenntnisdisziplin ihre Grenzen anerkennen sollte.
KW: Ja.
Kritik
CV: Hört man auf Sie? Mein Eindruck ist, dass Sie sehr kritisiert werden von den Postmodernisten, den Feministinnen und Ökophilosophen, was ich sehr interessant finde, weil diese Richtung in dem Ruf stehen sehr liberal und liebevoll und gemeinschaftlich und zu sein, wie kann man das erklären?
KW: Die Mehrheit der Kritik ist folgende: Die Wissenschaftler hassen das Integrale, weil sie sich weigern anderes mit aufzunehmen. Die Ökologen hassen das Integrale weil sie sich weigern, andere Arten des Wissens und der Erkenntnis mit aufzunehmen - die Ökologen hassen Zen, sie sehen darin eine Ablehnung der Erde und ein Zurücklassen der Erde -, und das gleiche gilt für die Feministinnen. Das Problem ist: sie alle wollen ihre Grenzen nicht anerkennen. Nehmen wir als ein Beispiel drei Erkenntnisbereiche A, B und C. Jede der Erkenntnisdisziplinen dieser Bereiche glaubt, sei selbst wäre allein im Besitzt der Wahrheit. Wenn man nun, wie ich das in einem Duzend Bücher getan habe, zeigt dass A wichtig ist und mit aufgenommen werden muss, und dass B wichtig ist und mit aufgenommen werden muss, und dass C wichtig ist und mit aufgenommen werden muss, dann geschieht folgendes: anstatt zu sagen „vielen Dank, dass Sie mich mit aufgenommen haben“ hassen sie einen, weil man aufgeigt hat, dass sie nicht den einzig richtigen Weg darstellen. Dafür hassen sie einen. Wenn man diese Art von Integration macht, erntet man eine gewaltige Menge an Hass.
Holarchie, Hierarchie, Macht und Entwicklung
CV: Die Kritik die ich erfahre wenn ich über das Integrale spreche betrifft die Vorstellung einer Holarchie. Es wird gesagt dass alle Hierarchien konstruiert sind, und Mechanismen wie Machtausübung unvermeidlich sind. Die Kritik an Holarchien kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Wie geht das Integrale mit dem Thema von Machtstrukturen um?
KW: Alle diejenigen die Machthierarchien kritisieren, führen dabei ihre eigenen Machthierarchien ein. Sie habe ihre eigene Werteordnung, und ihre eigenen Werteunterscheidungen. Das wird der performative Widerspruch genannt. Darauf ist schon vielfach hingewiesen worden, von Jürgen Habermas zu Charles Taylor. Das gehört zum Ende des Postmodernismus dazu, wo alles wegen dieser Widersprüche alles auseinander fällt. Es gibt ein verstecktes Wertesystem welches sagt, „keine Werteordnung ist besser als eine Werteordnung“. Und es gibt eine Hierarchie welche sagt, „Hierarchien sind schlecht“. Was dabei überhaupt nicht verstanden wird ist, dass es mindestens zwei Arten von Hierarchien gibt. Dies wird zunehmend von den Forschern in diesem Bereich, wie Riane Eisler anerkannt. Das eine sind Wachstumshierarchien, und das andere Herrschaftshierarchien. Was dabei kritisiert wird sind die Herrschaftshierarchien, und diese kritisiere ich auch. Ich habe sehr vieldarüber geschrieben wie Herrschaftshierarchien entstehen und wie Machtansprüche in einer Hierarchie durchgesetzt werden, und ich habe mehr darüber geschrieben und kritisiert als viele meiner Kritiker. Das ist das eine. Doch es gibt auch Wachstumshierarchien, und das ist das was wir mit Holarchie bezeichnen. Eine Wachstumshierarchie finden sich in Abfolgen wie Atome-Moleküle-Zellen-Organismen. Wachstumshierarchien schließen nicht aus, sie beziehen mit ein. Sie zeigen wie man Machtausübung überwindet. Atome werden von Molekülen transzendiert und umfasst - sie werden von Molekülen umarmt und geliebt, und nicht unterdrückt - und Moleküle werden von Zellen transzendiert und umfasst. Zellen unterdrücken ihre Moleküle nicht. Zellen sind ihrerseits in Organismen transzendiert und umfasst. Es handelt sich dabei um eine Serie konzentrischer Sphären zunehmender Liebe und Umfassendheit und Bewusstheit. Ich möchte ein Beispiel geben wie so etwas – im Bereich des Feminismus – zur Anwendung kommt, und beziehe mich dabei auf Carol Gilligan, eine hochangesehne Persönlichkeit, und ihr Buch In a different voice. Carol Gilligan hat eine Hierarchie, sie sagt das selbst, und es ist eine Wachstumshierarchie. Was sie herausgefunden hat – und das steht in ihrem Buch In a different voice, und wird übrigens von Feministinnen gerne unterschlagen, ist, dass Frauen sich bei ihrer moralischen Entwicklung durch drei (und später sagt sie vier) Wachstumsstufen hindurchentwickeln können, und dass ist ihre große Entdeckung. Sie nennt diese Stufen selbstbezogen [selfish], führsorgend [care], universell führsorgend [universal care], und integral [integral or integrated]. Auf der selbstbezogenen Stufe sorgt man nur für sich selbst, das ist die erste Stufe. Die moralische Entwicklung geht dann weiter zur Fürsorge, dass heißt dass wir auch noch für jemand anderen sorgen, das ist der Schritt von einer 1ten zu einer 2ten Person. Die dritte Stufe, universelle Fürsorge, bedeutet Mitgefühl und Fürsorge für andere allgemein.
CV: Das kommt von Kohlberg, nicht wahr?
KW: Ja und Nein. Jeder der sich mit Entwicklung ernsthaft beschäftigt hat holarchische Stufen, und das trifft auch für Kohlberg zu. Aber die Stufen die ich eben genannt habe sind explizit die Stufen von Carol Gilligan. Kohlberg nannte sie nicht selbstbezogen, führsorgend und universelle Fürsorge, er bezeichnete die von ihm gefundenen Stufen als präkonventionell, konventionell und postkonventionell. Eine andere Art das auszudrücken ist egozentrisch, ethnozentrisch und weltzentrisch. Carol Gilligan hat zweierlei herausgefunden, von dem meist nur eines berichtet wird. Zum einen hat sie herausgefunden , dass sowohl Männer als auch Frauen im wesentlichen die gleichen Entwicklungsstufen durchlaufen – egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch zu integral. Frauen und Männer durchlaufen sie jedoch mit einer jeweils andere „Logik“, einer anderen Stimme. Bei Frauen ist das die Stimme von Fürsorge, ein sich Kümmern und Verantwortung. Die männliche Stimme dabei ist hingegen die von Autonomie, Agenz und Rechten. Das eine ist Agenz, das andere Kommunion. Gilligan fand also heraus, dass Frauen sich mit einer anderen Stimme durch die Entwicklungsebenen hindurch entwickeln. Sie hat also eine Wachstumshierarchie, die ich verwende und die ich als richtig ansehe. Und damit kann Macht überwunden werden. Die frühen Wachstumsebenen sind von Macht durchdrungen, dort gibt es nur eine 1te Person, man kümmert sich nur um sich selbst und andere sind einem egal. Das Wachstum zur Ebene einer 2ten Person bedeutet eine Erweiterung der eigenen Grenzen, dabei verringert sich der Machtwille, und man beginnt, Respekt und Fürsorge für andere zu empfinden. Das ist bereits ein Wachstumsschritt, und wenn man sich noch weiter entwickelt, schließt man immer mehr Menschen mit ein, und nicht nur sich selbst und seinen Stamm oder die Familie. Auf diese Weise wird Macht durch Wachstumshierarchien überwunden. Es gibt Unterdrückungshierarchien, und es gibt Verwirklichungshierarchien, das sind die Wachstumshierarchien. Unterdrückungshierarchien können durch Wachstumshierarchien überwunden werden. Das ist die Grundaussage all der unterschiedlichen Studien der letzten 30 Jahre dazu.
Teil 2 Die Integration von Freud and Buddha
CV: Ich möchte jetzt zum Thema Spiritualität kommen. Sie haben mir schon von der Rolle des Integralen dabei erzählt, und wie das alles miteinander zusammenhängt. Es wird gesagt dass sie Freud und Buddha miteinander versöhnt haben – können Sie sagen wie Sie das gemacht haben?
KW: [lacht] Ich gebe zuerst eine sehr kurze Antwort darauf, wir haben schon darüber gesprochen, und wir können dann das noch weiter vertiefen. Wir haben uns über vier Ebenen oder Phasen oder Stufen des Wachstums unterhalten – von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch bis zu dem was ich kosmozentrisch nenne, und was Carol Gilligan die integrierte Stufe nennt. Buddha kümmert sich um die vierte Stufe, und Freud um die erste, so könnte man das vereinfachend sagen. Beide haben recht, doch sie beschäftigen sich mit unterschiedlichen Ebenen von Wirklichkeit. Wenn man das erkennt, dann wird einem klar dass man beides braucht. Dies ist – noch einmal – eine sehr allgemeine Erklärung, aber vielleicht wird deutlich worum es dabei geht. Was dabei so wichtig ist und sich immer wieder herausstellt ist: wenn man nur Freud hat, und nur auf das Libidinöse wie Macht und Sex und Essen und all das schaut, dann ist das auch wahr. Wir alle entwickeln uns durch diese Stufen hindurch und wir haben das alle in uns, z. B. in der Form unseres Stammhirns, welches wir mit den Reptilien gemeinsam haben, unser limbisches System welches wir ständig mit uns herumtragen, und wir produzieren permanent diese libidinösen Impulse der ersten Entwicklungsstufe – wir leugnen nicht dass es das gibt. Doch wenn man in diesem Sinne ausschließlich ein Freudiander ist, dann ist das eine sehr traurige Geschichte. Es gibt ja noch 2 oder 3 weitere Ebenen von Bewusstheit derer man sich auf der untersten Ebene nicht bewusst ist und denen man dort keine Aufmerksamkeit schenkt. Entwickelt man sich jedoch dorthin wie z. B. Buddha – und wenn ich Buddha sage, meine ich jeden der kontemplativen Weisen wie Plotin oder auch jemanden wie Martin Buber – diese Menschen beschäftigen sich mit einigen dieser höheren, weiteren und umfassenderen Ebenen der Wirklichkeit und Stufen unseres eigenen Bewusstseins. Hat man jedochausschließlich Buddha, dann ist man sich seines eigenen Schattens nicht bewusst. Das führt zu Problemen wenn man ausschließlich seiner eigenen spirituellen Tradition folgt, ohne diese unteren und dunkleren Stufen zu berücksichtigen. Wir kennen viele spirituelle Menschen, Meditierende bei denen sich Schattenelemente zeigen die sie einholen, und das bringt sie in große Probleme. Sie berücksichtigen Freud nicht. Was wir machen wollen ist, beides berücksichtigen, weil beide - Freud und Buddha - recht haben. Ich habe das in verschiedenen Büchern detailliert ausgeführt, und dabei auf sehr viele Quellen hingewiesen, und das Modell welches ich darstelle ist komplexer ausgebaut und enthält mehr als nur vier Ebenen. Aber das ist das worum es im Wesentlichen dabei geht.
CV: Das habe ich verstanden. Sie sind bekannt als ein Philosoph der (auch) über Spiritualität schreibt, und ihre Theorie hat buchstäblich mit „allem“ zu tun und integriert viele Einzeldisziplinen. Man würde erwarten dass Sie in der akademischen Welt bekannter sein müssten als das der Fall ist – was ist da geschehen?
KW: Danke erst einmal für die Frage nach den Auswirkungen dessen was ich mache. Zuerst einmal kann ich dazu sagen dass es eine überraschend große Akzeptanz gibt von Menschen aus der akademischen Welt hinsichtlich meiner Arbeit. Anderenfalls wäre ich nicht in der Lage eine Universität mit 23 Fachbereichen zu gründen. Das ist erst einmal ganz erstaunlich. Ich wüsste nicht wem in letzter Zeit etwas ähnliches gelungen ist. Wir haben Professoren von Harvard und Yale am integralen Institut, einschließlich Howard Gardner, Robert Kegan, Kurt Fischer, Carol Gilligan – die Akzeptanz ist ernorm. Und Sie haben recht – es gibt nicht so viel Resonanz wie ich mir das wünschen würde, oder wie man es erwarten könnte wenn man sich das was ich mache anschaut. Das steht im Zusammenhang mit den Kritikern über die wir gesprochen haben. Die akademische Welt befindet sich gerade in der Endphase des Postmodernismus. Entweder man ist Postmodernist, oder man gelangt in diese Welt nicht hinein. Integrale Menschen haben es dort schwer, weil sie Wahrheit aus der Prämoderne und der Moderne berücksichtigen, zusätzlich zu den Wahrheiten der Postmoderne. Die Postmoderne selbst macht das jedoch nicht. Alles außerhalb des eigenen Ansatzes wird dort gehasst. Was die Postmoderne macht ist extrem wichtig, und ich nehme sehr viel davon auf, doch es handelt sich dabei um nur ein Stück aus einem sehr viel größeren Kuchen, das ist etwas sehr spezialisiertes, und dort werden ganz spezielle Spiele gespielt die man mitspielen muss um dabei sein zu können. Diese Spiele spielen wir jedoch nicht mit, und das ist der Grund warum wir eine eigene Universität gegründet haben. Dort unterrichten Lehrer aus der ganzen Welt, auch jetzt übringens. Wir wollen auch staatlich anerkannte Abschlüsse anbieten, und sind daher eine Partnerschaft z. B. mit der John K. Kennedy Universität und dem Fielding Institut gegangen, wo man integrale Studiengänge absolvieren kann ...
Das ist wirklich ein Durchbruch, und wir hoffen natürlich, dass sich dies weiter verbreitet, und das steht im Zusammenhang mit dem Untergang des postmodernen Zeitalters. Es ist schon so gut wie tot, und mit dem Hervortreten des integralen Zeitalters werden wir sicher mehr davon zu sehen bekommen.
CV: Das Integrale stellt unterschiedliche Werkzeuge und Methodiken bereit um unterschiedliche Erkenntnisse hervorzubringen, und die Größe und die Grenzen von Erkenntnisdisziplinen zu erkennen. Wie ist das bei Spiritualität? Ich kenne ihre Unterscheidung unterschiedlicher Arten von Spiritualität – wie kann man erkennen ob ein Lehrer oder eine Lehre gut oder schlecht ist?
KW: Ja, das ist ein wirkliches Problem. Die Tatsache dass wir uns darum bemühen die grundlegenden Wahrheiten all der unterschiedlichen Disziplinen zusammenzubringen bedeutet nicht dass dies ein einfaches Unterfangen wäre, es bedeutet auch nicht dass wir diejenigen sind die genau wissen wie so etwas geht, das ist eindeutig nicht der Fall. Es ist ein enorm kompliziertes, heikles und wirklich schwieriges Thema. Was wir jedoch tun ist, ein paar wenige allgemeine Regeln darzustellen die Menschen dabei helfen ihre eigenen Entscheidungen darüber zu treffen wer recht hat und wer nicht, und was man mit aufnehmen sollte und was nicht. Was wir dabei vorschlagen ist, die Wahrheit von jedem mit aufzunehmen, solange er sich innerhalb seiner eigenen Erkenntnisdisziplin bewegt, mit den entsprechenden Injunktionen und Paradigmen von denen man weiß dass sie funktionieren. Gehen die Menschen jedoch mit ihren Aussagen über das hinaus was sie im Rahmen ihrer Erkenntnisdisziplinen wissen können, dann hören wir ihnen nicht mehr zu, jedenfalls nicht mehr so intensiv wie vorher, weil wir glauben dass dann oft Fehler gemacht werden. Wir haben uns schon über eine erste, zweite und dritte Person unterhalten, doch wir verwenden nicht nur diese Art von horizontaler Unterscheidung [unterschiedlicher Perspektiven]. Wir verwenden ebenso vertikale Stufen und Ebene, so wie auch Carol Gilligan. Was wir dabei herausgefunden haben ist, dass es eine Spiritualität gibt die Menschen auf der Ebene 1 anspricht, eine andere Spiritualität spricht Menschen auf Ebene 2 an, und Ebene 3, und Ebene 4. Und sie alle sind sehr unterschiedlich. Betrachtet man diese sich entfaltende Entwicklung einer Zunahme von Fürsorge und Bewusstheit, dann findet manEbenen von Religion und Spiritualität. Wir betrachten also erste, zweite und dritte Person, und wir betrachten auch Ebenen. Was wir dabei sagen ist, dass keine dieser Stufen besser ist als eine andere, auch wenn manche dieser Stufen mehr beinhalten und umfassender sind als andere. Der Punkt ist: jeder Mensch beginnt mit dem kleinen Einmaleins, jeder beginnt auf der ersten Stufe. Was daraus folgt ist, dass die Welt eine Religion für die erste Ebene braucht, eine für die 2te, die 3te und die 4te Ebene. Zu sagen „ich mag Stufe 1 nicht“ ist gleichbedeutend mit: „ich mag keine Atome, ich mag nur Moleküle und Zellen, und möchte all diese Atome gerne loswerden“. Das wird nicht funktionieren. Wir haben also eine Reihe von sorgfältig ausgewählten Orientierungen erarbeitet die angewendet werden können. Dazu gehören die Stufen des Bewusstseins, und daher es gibt eine Religion für die erste, zweite, dritte und die vierte Stufe, und wir beschreiben wie diese Religionen jeweils allgemein aussehen, und das versetzt einen in die Lage versetzt Unterscheidungen zu machen. Was dann geschieht ist, dass man sich seine eigene Entwicklung betrachten kann – und nehmen wir an man befindet sich auf der dritten Entwicklungsstufe – und dann die Praktiken dieser Stufe anwendet um sich weiter zu entwickeln. Die Praktiken der zweiten Stufe - in diesem Beispiel - werden einen langweilen weil man darüber bereits hinausgegangne ist, und die Praktiken der vierten Stufe sind gewissermaßen eine Nummer zu groß, sie passen (noch) nicht, und man hört damit wieder auf. Praktiziert man entsprechend der Stufe auf der man sich befindet, dann wird man sich am ehesten weiter entwickeln. Es gibt also dieses Unterscheidungen, und was wir herausgefundne haben ist, dass Religionen auf der – sagen wir – zweiten Stufe meistens die richtigen Aussagen machen für Menschen die sich ebenfalls auf der zweiten Entwicklungsstufe befinden. Doch wenn sie damit beginnen etwas über die Stufe 3 und 4 auszusagen liegen sie falsch. Das ist eine allgemeine Regel: solange man sich im eigenen Erkenntnisbereich aufhält hat man recht, tritt man jedoch dort heraus und beginnt über Dinge die man nicht kennt Aussagen zu machen dann liegt man daneben, und von dieser Art von „Wissen“ gibt es sehr viel auf der Welt, Menschen machen Aussagen über Dinge die außerhalb ihres Kenntnisbereiches liegen.
CV: Dazu möchte ich eine Frage stellen. Wir sind Juden, und die jüdische Religion sagt von sich dass sie die Religion der Wahrheit ist, es gibt die Tora, und es entsteht der Eindruck von etwas Ähnlichem wie einer integralen Wahrheit, und nicht nur der einer Religion einer bestimmten Bewusstseinsebene – übrigens ist die jüdische Religion sehr gut was Gott als eine zweite Person angeht -
KW: Ja
CV: Es wird jedoch behauptet im Besitz der ganzen Wahrheit zu sein, wie gehen sie damit um?
KW: Vergessen wir dabei nicht dass die Upanischaden das gleiche von sich behaupten, und der Shivaismus in Kaschmir, und auch Zen usw., und wenn wir das hören nehmen wir es nicht allzu ernst. Wir beschäftigen uns innerhalb der integralen Universität mit integraler Kabbala, und mit integralem Judentum, wir arbeiten dabei eng mit Rabbi Zalmon Schachter zusammen, und das Interesse an dieser Arbeit ist groß. Wie geht man also mit diesem Anspruch die ganze Wahrheit zu haben um? Man schaut sich sorgfältig – am Beispiel der jüdischen Tradition – an, ob es eine Religion für Ebene 1, 2, 3 und 4 gibt, und die Antwort darauf ist: Ja. Es gibt Wahrheiten von jeder dieser Ebenen, so weit wir das heute sagen können. Das heißt die Tora könnte integral sein. Die Frage ist dann, ob die Tora so wie sie heute dargestellt wird auch wirklich integral ist. Und die Antwort darauf ist: nicht ganz. Die Welt entwickelt sich immer weiter, neue Wahrheiten entfalten sich, doch die Thora bleibt dahinter zurück. Was man dann tun kann ist, dafür zu sorgen dass es im Rahmen der Tora eine Spiritualität gibt die für alle Ebenen der Entwicklung „kosher“ ist – ich glaube dass ich möglich. Dann kann man sich der ersten zweiten und dritten Person zuwenden, und – wie sie sagen – die Tora ist sehr gut was die zweite Person Gottes betrifft, doch man muss auch die Wissenschaft berücksichtigen. Es gibt nichts in der Tora über Quantenphysik, Stringtheorie ...
CV: ... es wird behautet dass es Metaphern für die [Perspektive einer] dritten Person gibt, wie die Schöpfungsgeschichte beispielsweise.
KW: Alle Religionen haben Wahrheitsansprüche, die dazu verwendet werden können anderen Wahrheiten wegzunehmen. Doch damit beschäftigen wir uns nicht. Die Vorstellung dass Gott eine Art von Intelligenz darstellt die bestimmte Menschen oder Völker auserwählt, ist eine Wahrheit einer bestimmten Entwicklungsebene. Alle Zivilisationen und auch alle Menschen entwickeln sich von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch zu kosmozentrisch. Auf der ethnozentrischen Ebene der Entwicklung glaubt jeder er oder seine Gemeinschaft wäre auserwählt, und daher kommen diese Aussagen. Das ist auf dieser Ebene absolut in Ordnung. Aber es ist nicht universell wahr. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller anderen Menschen, und wir wissen das. Es gibt eine Reihe von Menschen die sich mit integralen Judentum beschäftigen die der Meinung sind, dass es im Rahmen der jüdischen Geschichte eine Notwendigkeit ist über die Stufe des „auserwählten Volkes“ hinauszuwachsen, und sich zu weltzentrischen und kosmozentrischen Ebenen zu bewegen. Die kontemplativen Aspekte des Hassidim tun genau das, und das ist sehr wichtig. Doch jede Religion hat eine Art Code mit dem sie den Mythos ihrer Entstehung als eine Metapher „liest“. Man kann damit alles als eine Metapher für irgendetwas auslegen: „zwei Vögel saßen auf einem Ast und klopften sich auf die Schulter – das ist eine Metapher für die Stringtheorie“ [Lachen]. Das ist eines der Dinge die wir im Rahmen des Integralen nicht mit aufnehmen. Wir können nicht die Ansprüche einer „alleinigen Wahrheit“ eines jeden Menschen gelten gleichzeitig lassen. Wenn zwanzig Laute sagen: „ich bin im Besitz der alleinigen Wahrheit“, dann ist es offensichtlich so dass sie nicht alle recht haben können. Irgendetwas ist hier falsch. Ich glaube nicht dass ein Universum oder ein Gott so etwas macht. Ich denke hier handelt es sich um eine bestimmte menschliche Entwicklungsstufe. Die Antwort auf die Frage, ob wir diesen Teil der Tora glauben ist: Nein, an diesen Teil glauben wir nicht.
CV: Danke, dass ist sehr provozierend, und gut für mich als Journalistin [Lachen]. Sehen sie sich selbst als einen spirituellen Lehrer, man sagt von Ihnen dass sie Anhänger haben, wie sehen Sie sich selbst dabei?
KW: Ich sehe mich selbst als eine Philosophen, und ich nehme keine spirituellen Schüler an – es gibt die Unterscheidung im Osten zwischen Guru und Pandit. Ein Guru ist ein spiritueller Lehrer oder Rabbi, und ein Pandit ist ein spiritueller Gelehrter, ein spiritueller Philosoph. Beide könne auf ihre Weise gleichermaßen erleuchtet sein, der Unterschied ist dass der Guru oder Rabbi Schüler annimmt und mit ihnen arbeitet, um ihnen bei ihrer Transformation zu helfen, er öffnet sie gegenüber der Tora. Der spirituelle Philosoph hingegen schreibt darüber, hilft dabei Dinge zu klären, beschreibt manchmal auch einen Rahmen um Verständnis zu fördern ... So sehe ich mich.
CV: Die New Age Gemeinschaft kennt sie überwiegend als jemand der in Verbindung steht mit Menschen wie Andrew Cohen und Rabbi Marc Gafni, und das hat einen schlechten Eindruck gemacht, weil beide einen fragwürdigen Ruf haben. Können Sie etwas dazu sagen, und sich hinsichtlich ihrer Position zu beiden äußern. Sie arbeiten mit Andrew zusammen, in welchem Zusammenhang geschieht das?
KW: Ja. Wir haben hier beispielsweise das Integral Spiritual Center als Teil des Integralen Institutes, und da gibt es über 30 spirituelle Lehrer die auf ihrem Gebiet anerkannte Autoritäten sind. Menschen wie Father Thomas Keating beispielsweise, der wahrscheinlich erfolgreichste Lehrer eines kontemplativen Christentums in unserer Zeit. Er hat über 300 Zentren weltweit, er ist ein Gründungsmitglied des Integralen Institutes, und ich habe gerade mit ihm zusammen ein fünftägiges Seminar durchgeführt. Wir haben Genpo Roshi. Es ist der Leiter der White Plum Tradition [lineage], das ist die größte Zen-Traditionslinie außerhalb Japans. Es ist nicht nur ein Gründungsmitglied des Integral Spiritual Centers, er ist auch einer unserer wichtigsten Lehrer. Wir haben Rabbis Zalmon Schachter, und Rabbis Salmon ist der Gründer des jewish renewal movement. Es ist nicht nur ein Gründungsmitglied des Integralen Institutes, er ist auch einer meiner besten Freunde, er lebt hier in der Gegend, war Gast auf meiner Hochzeit, ich liebe diesen Menschen. Ich bin auch mit Andrew Cohen verbunden, und war auch mit Marc Gafni verbunden, beide sind zwei von über einhundert spirituellen Lehrern mit denen ich in Verbindung stehe.
Was Rabbi Marc [Gafni] betrifft: es gibt Buddha und es gibt Freud. Und der freud’sche Anteil von Rabbi Marc hat ihn eingeholt. Er hat das nicht integriert und so entstanden die Probleme. Ich war der erste der aufgestanden ist und ihn dafür öffentlich kritisiert hat, ich habe mich klar davon distanziert und Marc aus dem integralen Institut entfernt. Diese ethische Haltung hat mir sehr viel Zustimmung gebracht, trotz vieler Stimmen die von mir erwartet haben dass ich ihn schütze. Hier in den USA und in den Blogs gab es sehr viel Zustimmung dafür dass ich der erste war der öffentlich dazu Stellung bezog. Mir etwas anderes vorzuwerfen ist extrem unfair.
CV: Ich erinnere mich, dass sie ebenso von Möglichkeiten einer Behandlung sprachen, als Teil einer integralen Praxis. Könne sie dazu etwas sagen? Unterzieht sich Marc Gafni einer Behandlung? Wie kann das Integrale in dieser Situation praktisch zum Einsatz kommen?
KW: Wir sagen – und ich vereinfache wieder um die Diskussion nicht zu kompliziert werden zu lassen – man braucht beides: Freud und Martin Buber (als ein Beispiel), man muss sich also auch mit seinen Schattenelementen beschäftigen und sich darum kümmern. Viele sagen dass es um die Integration von Körper, Geist und GEIST geht. Wir unterscheiden bei der integralen Praxis die wir empfehlen vier Module: Körper, Geist, GEIST und Schatten. Das Schattenmodul erlaubt einem die eigenen Projektionen zu erkennen, die unbewussten Schattenelemente, und wenn man sie identifiziert hat kann man dafür die Urheberschaft und Verantwortlichkeit übernehmen, sie re-integrieren und in die Psyche wieder aufnehmen, doch genau das hat Marc nicht getan.
CV: Doch es ist genau das was er gelehrt hat, und das ist eine Ironie.
KW: Eigentlich nicht. Er begann damit dies zu tun, wir haben jedoch damit schon sehr viel früher angefangen. Er hatte damit gerade begonnen, aber eben nicht bei sich selbst. Jetzt geht er zu einem Therapeuten, und ich habe ihm gesagt dass ich keinen Kontakt mehr mit ihm haben werden solange er sich nicht mindestens 6 Monate in eine psychotherapeutische Behandlung begibt. Übringens stehe ich im Kontakt mit den drei Frauen die die Vorwürfe gegen Marc in Israel erhoben haben, speziell mit zweien von ihnen in einem intensiven Austausch, und beide haben gesagt dass sie mir vollständig vertrauen, und es hat sich sogar so etwas wie ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Ich glaube also dass ich hier das richtige getan habe, ja und bin mir dessen sicher. Auch die Frauen die die Vorwürfe erhoben haben sagen dass ich das richtige getan habe. Sie können sie kontaktieren wenn Sie das möchten. Die Schwierigkeit mit Marc ist die, dass er seinen Schatten nicht integriert hat, doch er arbeitet daran. Ich habe derzeit keinerlei Kontakt zu ihm, ich habe ihm gesagt dass sei aus ethischen Gründen nicht möglich, zuerst muss er durch den therapeutischen Prozess gehen. Ich weiß jedoch aus anderen Quellen dass er einen Therapeuten aufsucht und ernsthaft daran arbeitet. Ob er sich ändert ist eine andere Sache, und darüber sollte man jetzt keine Vermutungen anstellen. Es ist eine schwierige Sache, manches ist heilbar, anderes nicht. Was wir jedoch gemacht haben ist, wir haben das Thema „Schatten“ zu einem absolut essentiellen Teil einer integralen Praxis erklärt. Wir machen ganz klar darauf aufmerksam: kümmere dich um Freud ebenso wie um Gott.
CV: Heißt das für eine integrale Praxis dass man sich auch um die eigene psychologische Seite kümmern muss, neben der Meditation? Was ist eine integrale Praxis?
KW: Wir schicken ihnen gerne ein Integral Life Practice Stater Kit. Dort sind die vier Module von denn ich gesprochen habe enthalten. Zum einen Körperarbeit - wir haben, nach den Traditionen, mindestens drei Körper, einen grobstofflichen Körper, einen subtilen Körper und eine kausalen Körper. Wir bieten Übungen für alle drei an. Dann gibt es das Geist-Modul, und dort üben wir unseren Geist zu trainieren, und ein Teil davon ist das Erlernen eines integralen Orientierungsrahmens, als eine Möglichkeit sein Leben auf eine integrale Weise zu begreifen. Alles das worüber wir gesprochen haben ist darin enthalten, und es geht darum damit aufzuhören bestimmte Dinge auszuschließen und zu vernachlässigen. Es geht darum in allemSinn und Bedeutung zu finden. Im GEIST-Modul praktiziert man die eigene spirituelle Praxis, welche auch immer das sein mag, wir sind keine von den Schulen bei denen man seine Meinung ändern muss um etwas zu praktizieren was wir sagen. Wenn man Zen praktiziert, tut man das weiterhin, wenn man Katholik ist praktiziert man weiterhin den Katholizismus, oder als Protestnt, oder Hassidim – was immer die eigen spirituelle Praxis auch sein mag. Wir haben darüber hinaus auch selbst Übungen entwickelt die wir zusätzlich anbieten, für diejenigen die das möchten. Wir arbeiten mit Genpo Roshi aus einer buddhistischen Tradition kommend zusammen an etwas was wir den Big Mind Prozess nennen, wir arbeiten mit Father Thomas Keating an der Praxis des centering prayer, auch davon bieten wir eine Form an, und so weiter. Das ist das spirituelle Modul. Das Schattenmodul enthält Praktiken wie den 3-2-1 Prozess, der einem hilft den eigenen Schatten zu identifizieren. Man tut dies z. B. indem man sich seine Träume anschaut, oder nach jemandem Ausschau hält der einen stark irritiert oder ärgert. [Lachen] Und dann tritt man in einen inneren Dialog damit und nimmt Kontakt zu dem auf was einen am meisten irritiert, und kann dabei eigene Schattenanteile re-integrieren. Soweit ein kurzes Beispiel dafür was eine integrale Lebenspraxis ist. Man kann es täglich machen, oder wie auch immer. Wir nehmen das nicht zu ernst, und wollen diesbezüglich keine Faschisten sein. Manche praktizieren ein bis zwei Stunden pro Tag, oder auch noch länger, andere vielleicht zehn Minuten pro Woche. Wir haben auch Module von einer Minute Länge entwickelt, als eine schnelle Möglichkeit um in Kontakt zu kommen mit dem eigenen Körper, Geist, GEIST und Schatten.
CV: Als Sie eben von drei Körpern sprachen fiel mir Kung Fu dazu ein. Kung Fu hat auch Übungen für den Geist – wenn man beweglicher sein möchte, dann muss man auch im Geist beweglicher werden. Ist das integral?
KW: Ja, und wir fügen noch ein paar andere Dinge hinzu, wie die Schattenarbeit. Was wir mit der integralen Praxis tun ist: wir gehen davon aus dass viele sowieso bereits eine Reihe von Praktiken ausüben, manches davon betrachtet man selbst vielleicht gar nicht als eine Praxis. Zuerst geht es also um eine art von Inventur von dem was man bereits macht. Dann schaut man sich das an, und wenn jemand Kung Fu macht dann sind das schon Übungen für den grobstofflichen und den subtilen Körper, und in gewisser Weise auch schon für den kausalen Körper, aber auf jeden Fall grobstofflich und subtil. Wir bieten dann die Übungen für den kausalen Körper an, und weisen auch auf die Bedeutung von Kontemplation und Schattenarbeit hin. Man nimmt das was man bereits schon tut, und schaut dann ob es noch Bereiche gibt die man noch nicht praktiziert.
CV: OK, noch eine kleine letzte Frage: Das nächste Buch was auf hebräisch erscheinen wird ist Mut und Gnade. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich habe gehört dass es sehr persönlich ist, und auch sehr anwendungsorientiert sein soll. Können sie etwas dazu sagen, für die zukünftigen Leser dieses Buches?
KW: Ja. Mut und Gnade ist ganz sicher kein theoretisches Buch. Es enthält auch ein paar theoretische Passagen, aber überwiegend erzähle ich darin die Geschichte von meiner Frau und mir und unsere Kampf mit ihrer Krebserkrankung über einen Zeitraum von fünf Jahren. Zehn Tage nach unserer Hochzeit wurde bei ihr eine sehr aggressive Form von Brustkrebs diagnostiziert. Ihre Prognose war sehr ungünstig, doch weil sie – auf ihre Weise – eine ganz außerordentliche Art von integraler Praxis ausübte, lebte sie noch fünf Jahre. Es ist die Geschichte unseres gemeinsamen aneinander Wachsens - ich habe meine Frau sehr geliebt. Diese Liebe findet sich auch im Buch wieder, und viele die es lesen sind erschüttert. Meine Frau liebte es Tagebuchaufzeichnungen zu machen. Die habe ich in das Buch aufgenommen, so dass ich nicht für sie sprechen musste, sondern sie in ihren eigenen Worten spricht. Das Buch hat viele Menschen verändert ...
CV: Meine letzte Frage: Diese Theorie die sie formulieren ist sehr optimistisch hinsichtlich der Natur des Menschen, der Menschheit insgesamt, und in seiner Einstellung zum Leben. Sind sie wirklich so optimistisch? Was geschieht als nächstes? Wohin gehen wir? Ist das Integrale das was als nächstes kommt?
KW: Ich bin auch optimistisch, ja. Aber kommen wir noch einmal auf Carol Gilligan zurück. Studien haben gezeigt, dass sich 70% der Weltbevölkerung auf einer ethnozentrischen Entwicklungsstufe befinden, oder sogar darunter. Ich finde das erschreckend. 70% der Weltbevölkerung sind Nazis, ein Potential für Ethnozentrik, und das ist das was wir überall auf der Welt sehen. Eine ethnozentrische Gruppe versucht einer anderen Gruppen die Kehle durchzuschneiden. Das ist erschreckend. In Amerika hängt es sehr davon ab wer gerade Präsident ist. Jemand wie Bill Clinton – ob man ihn mag oder nicht – ist auf einer weltzentrischen bis kosmozentrischen Bewusstseinsstufe, und George Bush ist auf einer ethnozentrischen Stufe. Amerika folgt seinem Präsidenten, und zur Zeit sind wir nicht wirklich hilfreich, wir haben uns in unserem eigenen ethnozentrischen Dschungel verloren. Wenn ich daran denke dass der Anteil derjenigen die sich auf einer kosmozentrischen Bewusstseinstufe befinden wächst macht mich das glücklich. Die 70% Nazis der Weltbevölkerung hingegen machen mich nicht froh. Es hängt also auch davon ab, an was für einem Tag Sie mir diese Frage stellen. Meine Stimmung pendelt zwischen einem sehr glücklich sein und einer selbstmordgefährdeten Depression. Es ist also nicht nur eine glückliche und optimistische Geschichte.
Wir sind gerade dabei eine Trilogie zu schreiben, drei Bücher, jedes etwas 400 Seiten Umfang, mit dem Titel The many faces of terrorism. Darin geht es um die Weltsituation. Das Buch beschreibt ein Kopf an Kopf Rennen zwischen den Kräften höheren Wachstums, Umfassendheit und Liebe, und den Kräften der niedrigeren Stufen, animalisch und brutal.
CV: Ist es das was man als die Licht- und Schattenseiten von Menschen bezeichnet?
KW: Ja, und ich möchte hinzufügen dass höhere Stufen nicht nur immer gut sind. Man kann sich auf einer höheren Stufe befinden und doch ein Darth Vader sein. [Eine Gestalt des Bösen aus Star Wars]. Das ist immer möglich. Aber die Chance die gesamte Menschheit zu lieben eröffnet sich einem erst auf einer weltzentrischen Bewusstseinsstufe. Wir brauchen also Menschen die sich zu ihren höheren Möglichkeiten bereits entwickelt haben, und in diesem Sinn geht es um das Licht in einem jeden von uns, welches die Dunkelheit in einen jeden von uns überstrahlt, und ich bete dafür dass das Licht die Oberhand behält.
CV: Vielen Dank, und auf Wiedersehen.
Die Zukunft des Kapitalismus
(The Future of Capitalism, Quelle: IntegralLife.com)
Einleitung der IL Redaktion:
Ken spricht hier über die Grundannahmen des Kapitalismus in der heutigen Welt, und betont dabei die impliziten Theorien darüber, was Menschen motiviert. Bei so vielen gegensätzlichen Kräften auf dem Markt ist es schwierig, die volle Komplexität privaten Unternehmertums zu erfassen. Eines ist jedoch klar: Wenn es einer ausreichenden Anzahl von Menschen gelingt das integrale Bewusstsein zu erreichen, dann werden unsere ökonomischen Theorien sich ohne die Berücksichtigung von Innerlichkeit nicht weiter entwickeln lassen.
Frage: Wohin bewegt sich der Kapitalismus in Zukunft, und wie und wo kann Wert und Bedeutung in Zukunft geschaffen werden? Hat der Kapitalismus eine Zukunft?
Ken Wilber: Unter Berücksichtigung der inneren Widersprüche des Kapitalismus [Lachen]?
Ich möchte gerne eine Unterscheidung dabei machen, und zwar zwischen der techno-ökonomischen Struktur, die wir mit „Industrialisierung“ bezeichnen, und dem, was wir mit „Kapitalismus“ meinen, weil beide historisch etwa gleichzeitig entstanden sind, und sie daher oft miteinander vermischt werden, was dazu führt dass das Kritisieren des einen oft automatisch auf das andere übertragen wird. Daher ist es gut beides voneinander zu unterscheiden, und zu sehen, was Industrialisierung macht und was Kapitalismus macht. Wie könnte die Zukunft von beidem aussehen?
Wenn eine ausreichende Anzahl von Menschen sich bis zum 2nd tier entwickelt, dann glaube ich, dass sich die Ökonomie und Wirtschaft nicht weiter entwickeln können, wenn sie nicht auch die Dimension von Innerlichkeit berücksichtigen. Ich halte es für falsch, dies als „Humankapital“ zu bezeichnen, weil das sehr schnell zu einem Flachland-Kapital führt, wo lediglich materielle Güter hin und her bewegt werden, das, womit sich die Ökonomie hauptsächlich beschäftigt. Es ist völlig klar, dass die allgemeine ökonomische Theorie, ob kapitalistisch oder nicht, sich damit beschäftigen muss, was Menschen motiviert und bewegt. Die am meisten verbreitete Vorstellung dabei ist, dass Menschen aus einem rationalen Selbstinteresse heraus handeln und ihr Einkommen zu maximieren versuchen. Das ist eine verrückte Annahme, weil niemand rational ist, und nur sehr wenige ihr Eigeninteresse kennen [Lachen]. Die Ökonomen rätseln darüber, warum Menschen etwas tun, und machen dann Annahmen darüber, denn Güter und Dienstleistungen bewegen sich ja nicht von selbst – Artefakte bewegen sich nicht von alleine, irgendjemand schiebt oder zieht sie, kauft oder verkauft sie. Hier haben wir es mit der innerlichen Dimension zu tun, die bisher nicht wirklich gut berücksichtigt wurde. Selbst wenn man sich [das Buch von ] Hunter Lovins, Natural Capitalism, anschaut, wo man bemüht ist die Dinge von einer anderen Seite zu betrachten, dann sind das auch wieder Erklärungen aus dem unteren rechten Quadranten heraus, ohne ein Verständnis über innerliche Motivationen. Ein kurzes Beispiel dazu, unter Verwendung von Spiral Dynamics: Man kann sich die Verkehrsströme in Manhattan anschauen, die Autobewegungen, und man kann Berechnungen darüber anstellen, und sich klarmachen, was dabei geschieht. Doch was einem all diese Untersuchungen und Berechnungen nicht sagen können ist, ob diejenigen, die am Steuer dieser Autos sitzen [in der Terminologie des Spiral Dynamics Entwicklungsmodells] rot, blau, orange, grün oder gelb sind. Doch das hat natürlich auf lange Sicht eine große Bedeutung im Hinblick auf die Güter und Dienstleistungen, die Menschen miteinander austauschen. Die einzigen Entwicklungsebenen, die selbstreflexiv genug sind, um darauf zu bestehen, dass dies [Innerlichkeit] in die ökonomischen Betrachtungen mit aufgenommen wird, beginnen bei Grün, erblühen bei Gelb, und sind bei Türkis absolut unvermeidbar. Türkise Ökonomie ist eine Ökonomie der vier Quadranten, wie auch immer man das dann bezeichnen mag. Ich sehe nicht, wie man daran vorbei käme, und ich denke auch, dass die Daten, die wir haben, dies nahe legen. Es ist faszinierend sich zu fragen, wie eine derartige Ökonomie aussehen wird – das ist absolut faszinierend. Es gibt eine völlig andere Grundlage, und ich zögere sogar, diesen Begriff dafür zu verwenden. Doch die vier Quadranten werden dabei zu berücksichtigen sein, und das wird ganz erstaunlich sein.
Die Frage ist, ob wir dorthin gelangen werden. Ich sehe das wie bei einem Pferderennen. 70% der Weltbevölkerung ist ethnozentrisch oder darunter ... Betrachten wir die Motivationen von ethnozentrischen Menschen, und wir reden dabei nicht über die dritte Welt, wir reden über die Ethnozentrik, die in jedem Land existiert, unsere Ethnozentrik beispielsweise (ich erwähne das bei jeder Gelegenheit: Kansas hat schon wieder die Lehre der Evolution verboten, zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, und der oberste Gerichtshof macht das rückgängig, und so geht es immer weiter ... Es geht also bei den 70% Prozent nicht nur um andere Länder, es geht auch um unser Land, und um alle Länder). Jeder Mensch hat das Recht, auf der Entwicklungsstufe zu sein, auf welcher er oder sie sich befindet. Doch bei den modernen repräsentativen Demokratien ist es so, dass die Gesetze, die diese Demokratien steuern, von der Ebene von Orange oder höher kommen. Das bedeutet, dass eine allgemeine Zustimmung darüber herrscht, dass wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, dass man sich dann entsprechend der orangen Gesetzen verhält. Man muss von diesen Gesetzen nicht überzeugt sein, in der Privatsphäre der eigenen vier Wände kann man glauben, dass Jesus Christus der einzige Retter der Welt sei, und dass alle die, welche nicht an Jesus glauben, in der Hölle schmoren werden. Doch im öffentlichen Raum ist es nicht mehr länger erlaubt, andere auf den Scheiterhaufen zu schicken, nur weil sie anderer Meinung sind als man selbst. Dies ist die Vereinbarung, die wir [politisch] getroffen haben. Hätten wir jedoch eine Basisdemokratie [mit Mehrheitsentscheidungen für jede Fragestellung], dann würde es für Leute wie uns gefährlich werden, der [inquisitorische] Kansas Barbecue steht für uns bereit [Lachen].
Das Pferderennen, von dem ich sprach, besteht zwischen den 70 %, und denjenigen, die weltzentrisch oder höher entwickelt sind. Diejenigen auf der weltzentrischen oder einer höheren Entwicklungsstufe fordern gleiche Rechte für alle Menschen, im Unterschied zu denen, die ethnozentrisch sind. Doch wenn sich mehr und mehr Menschen aus der Ethnozentrik herausentwickeln, wird sich das Verständnis von Ökonomie und Wirtschaft auf eine dramatische Weise verändern. An einem Markt ist nichts verkehrt, als einem Platz, wo wir uns alle treffen, und unsere Waren und Leistungen anbieten und nachfragen, doch es ist klar, dass dies kein „freier Markt“ sein kann, wo wir einfach alles laufen lassen. Es ist beispielsweise nicht erlaubt, Menschen auf dem Markt zu verkaufen. Wenn diese [innerlichen] Faktoren mehr und mehr berücksichtigt werden, dann wird das sehr interessant werden.
Die Industrialisierung als ein Produktionsmodus wird auf eine begrenzte Weise weiterhin existieren, als etwas, was nur diese Ebene leisten kann, und was eine Informationstechnologie oder eine Agrartechnologie beispielsweise nicht leisten können. Das gleiche gilt für den Ackerbau [der auch nicht vollständig ersetzt werden kann]. Das ist das Erstaunliche im unteren rechten Quadranten, bei der Betrachtung aller Modi der techno-ökonomischen Produktion, wir brauchen sie alle. Das wird manchmal vergessen. Die Leute, die Ackerbau betreiben, sind oft die gleichen, die die Lehre der Evolution verbieten wollen, agrarische Modi haben eine Affinität zu mythischen Glaubensvorstellungen, darauf gilt es zu achten, doch wir können natürlich auf den Ackerbau nicht verzichten. Das ist etwas, was ich sehr mag, man kann nicht einfach sagen, das eine ist gut, und das andere ist schlecht. Wir brauchen sie alle, das ist ganz erstaunlich bei diesem integralen Komplex, in dem wir uns alle befinden. Betrachtet man also Industrialisierung und den Kapitalismus (und das ist ein sehr heikles Thema, hier geht es oft auch emotional zu, was ich gut verstehen kann), doch im Hinblick darauf, dass es einen Eros der Evolution gibt, dass sich etwas entwickelt, und dass Einzelne zuerst in eine weltzentrische Moral vorstoßen, die besser ist als ethnozentrische Moral, ist es so, dass frühere Gesellschaften oft Möglichkeiten gefunden haben, wie diejenigen, welche die Entwicklung vorantreiben, zusammenkommen können. (Dabei gab es fast immer auch sehr unangenehme Schattenaspekte). Die Aristokratie und der Königshof beispielsweise waren früher einer der wenigen Orte, wo Kunst und Wissenschaft vorangetrieben wurden. Nur wenige Menschen hatten damals die Gelegenheit zu Bildung. Heute wünschen wir uns das alles natürlich viel demokratischer, aber zur damaligen Zeit war das nicht möglich. Es fand in einer räumlichen Konzentration statt, doch das passiert während der Evolution oft: Zuerst tritt etwas in sehr konzentrierter Form auf, bevor es sich dann verbreitet, und jeder daran teilhaben kann. Das Kapital war zuerst eine Art aristokratischer Kumulation intellektueller Mittel, welche die Arbeit transzendierten. Hier entstand etwas Neues. Die Schattenseite davon war, dass weil das Kapital ein Artefakt ist, wie ein Gewehr, jeder Trottel damit umgehen kann, und das ist das, was wir erleben. Die Kapitalismuskritik müssen wir also differenzieren. Zum einen kann eine Konzentration in den Händen derjenigen geschehen, die es nicht verdienen, einfach weil es ein Artefakt ist. Diese Kritik muss ernst genommen werden, doch ohne dabei das Kind mit dem Bade auszuschütten. Kapital war ein Versuch Arbeit zu transzendieren, und wenn man sich mit Marx beschäftigt und seiner Wertetheorie, die auf Arbeit beruht, dann ist die Gefahr sehr groß, dass Werte allein auf Arbeit reduziert werden.
Quelle: Online Journal Nr. 16
DIE NEUERFINDUNG VON ORGANISATIONEN[Reinventing Organisations]
Ken Wilber im Gespräch mit Frederic Laloux
Eine Zusammenfassung von Michael Habecker
(aus: http://integrallife.com/ken-wilber-dialogues/reinventing-organizations)
In Mittelpunkt dieses fünfstündigen Gespräches steht die Arbeit und das Buchreinventing organisations von Frederic Laloux. Der Autor hat sich auf die Suche gemacht nach Organisationen, die an der Spitze einer Bewusstseins- und Organisationsentwicklung nach neuen und besseren Wegen und Möglichkeiten suchen, wie Menschen miteinander arbeiten können (andere mögliche Begriffe für dieses Neue sind systemisch, authentisch, holostisch, integral, selbstaktualisierend, lernend).
Dabei ist der Autor in seinen Recherchen auf folgende Firmen gestoßen, die er als Beispiele für eine neue Form von Organisation und Kultur des miteinander Arbeitens exemplarisch aufführt:
RHDhttp://www.rhd.org/
Soziale Dienstleistungen, USA, 4.000 Mitarbeiter, nonprofit
Sounds True http://www.soundstrue.com/
Medien, USA, 90 Mitarbeiter, profit
Sun Hydraulics http://www.sunhydraulics.com/de
Hydraulikkomponenten, Global, 900 Mitarbeiter, profit
AEShttp://www.aes.com/
Energieversorgung, global, 40.000 Mitarbeiter, profit
BSO/Origin
IT Consulting, global, 10.000 Mitarbeiter, profit
Buurtzorghttp://www.buurtzorgnederland.com/
Gesundheit, Niederlande, 7.000 Mitarbeiter, nonprofit
ESBZ http://blog.schule-im-aufbruch.de/schulen-im-netzwerk/evangelische-schule-berlin-zentrum-esbz/
Schulen, Deutschland, 1500 Schüler, Mitarbeiter und Eltern, nonprofit
FAVIhttp://www.favi.com/all/index.php
Metallverarbeitung, Gangschaltungen, Frankreich, 500 Mitarbeiter, profit
Kliniken Heiligenfeldhttp://www.heiligenfeld.de/
Gesundheit, Deutschland, 600 Mitarbeiter, profit
Holacracyhttp://holacracy.org/
Organisationsentwicklungsberatung
Morning Starhttps://www.morningstarfarms.com/
Nahrungsmittel, USA, 400 – 2.400 Mitarbeiter, profit
Patagoniahttp://www.patagonia.com
Outdoorausrüstung, USA, 1350 Mitarbeiter, profit
Ausgangssituation und Fragestellung
Eine erste Fragestellung ist die der Definition einer integralen Organisation. Laloux fand bei der Beschäftigung mit den oben aufgeführten Organisationen zwei grundlegende Anforderungen für integrale Organisationen:
a) Der Geschäftsführer (die Geschäftsführerin) muss entsprechend weit entwickelt sein,
b) das Aufsichtsgremium (unter welchem Namen auch immer) muss den Geschäftsführer unterstützen.
Da es kaum Vorbilder und Blaupausen gibt, ist der Prozess der Organisationsentwicklung oft ein jahrzehntelanges Experimentieren mit neuen Strukturen, Prozessen und Kulturen.
Die Strukturen, Prozesse, Praktiken und Kulturen einer Organisation wiederum lassen Rückschlüsse zu auf die Weltsicht dieser Organisation.
Am einfachen Beispiel eines Bezahlsystems (unter Verwendung der Farben des Entwicklungsregenbogenspektrums) lässt sich dies wie folgt darstellen:
Rot-egozentrisch: Der Boss entscheidet was Menschen bekommen (Mafia).Bernstein-traditionell: Das Einkommen ist abhängig von Faktoren wie der Stellung in der Hierarchie, dem Diplom und dem Platz in der Organisation.Orange-modern: Der Zielerreichungsgrad und die ergebnisorientierte Leistung sind ausschlaggebend bei der Entlohnung.Grün-postmodern: Teamfähigkeit und Einfühlungsvermögen spielen eine große Rolle.
Betrachtet man, was Organisationen tun, wie sie Personal ein- und ausstellen, Beschaffung, Entsorgung, Entwicklung, Fertigung und Marketing umsetzen, dann kann man die Art der Tätigkeitserledigung in Bezug setzen zu einem Paradigma, dem diese Organisation folgt. Dabei stellt sich oft ein Bewusstseinsschwerpunkt dieser Organisation heraus. Nicht jedes Mitglied der Organisation „kommt“ aus dieser Perspektive, und auch nicht jede Interaktion findet darin statt. Doch dieses Paradigma „informiert“ alles was geschieht, bewusst oder unbewusst.
Moderne Organisationen, die auf Prinzipien wie Zielerreichung, Effizienz und Leistungsorientiertheit hin ausgerichtet sind, sind in der westlichen Welt sehr verbreitet, und das diesen Prinzipien zugrundeliegende Bewusstsein teilen auch viele Menschen. Auf den höheren Entwicklungsstufen nimmt die Anzahl der sich dort befindenden Individuen jedoch stark ab. In einer Firma mit 6000 Mitgliedern finden sich vielleicht 200 Menschen mit integralen Werten, d. h. Werten der Selbstverwirklichung, wie sie Abraham Maslow beschrieben hat. Das macht die Rolle der Geschäftsführerin so sehr bedeutend. Sie ist selbst Mitglied der Organisation, doch neu ist, dass er/sie den „Raum halten“ muss für neue und integrale Verfahren und Praktiken und diese entwerfen und gestalten muss. Da es nur wenige in der Organisation gibt selbst, welche diese Weltsicht teilen, sind es vor allem die Verfahren und Praktiken, über deren Befolgung eine integrale Organisation entsteht. Dieser andauernde Lernprozess im Rahmen von integral informierten Abläufen unterscheidet integrale Organisationen neben anderen Dingen von herkömmlichen Organisationen. Menschen werden ermutigt sich in Perspektiven hinein zu entwickeln, welche sie noch nicht einnehmen können. Organisationen werden so zu Förderbändern und Rolltreppen für die Entwicklung ihrer Mitglieder. Dies ist schon immer so, doch heute sind wir in der Lage, dies ganz bewusst zu fördern. Dabei, das zeigt die Erfahrung, reicht schon eine relativ kleine Prozentzahl von entsprechend bewussten Menschen für einen erheblichen Entwicklungsschritt aus.
Der untere linke Quadrant steht im integralen Modell für die Perspektive auf intersubjektive Interaktion, geteilte Weltsichten und Werte und für gemeinschaftliche Bedürfnisse und Motivationen. Betrachtet man unterschiedliche Typen von Institutionen, dann haben die meisten Religionen darin versagt, Menschen über ein traditionelles Bewusstsein hinaus in ihrer strukturellen Entwicklung zu fördern. (Einige Religionen wie der Buddhismus haben jedoch die kontemplative Zustandspraxis immer gefördert). Schaut man auf den Bereich von Bildung und Erziehung, so findet man dort hingegen viel Modernes und auch Postmodernes, doch wenig darüber hinaus. Der Wirtschaftsbereich kann es sich am wenigsten – buchstäblich – leisten stehenzubleiben und ist daher prädestiniert pionierhaft voranzuschreiten. Hinzu kommt, dass Menschen viel von ihrer Lebenszeit in Wirtschaftsorganisationen verbringen. Daher ist es wichtig, dass, nachdem sich das Interesse in den zurückliegenden Jahrzehnten auf die Individualentwicklung konzentriert hat, man sich nun mit neuen Organisationsmodellen beschäftigt und mit deren Strukturen, Prozessen, Praktiken, Kulturen.
Dabei stehen wir immer noch am Anfang einer faszinierenden Forschung, und in diesem Sinn ist das Buch von Laloux auch zu verstehen. Es dient als ein Handbuch für Individuen zur Erschaffung von Organisationen, basierend auf einer neuen, sich derzeit entfaltenden Entwicklungsstufe.
Es gibt einen unbewussten kulturellen Konsens im Hinblick auf das Wirtschaftsleben, der etwa lautet: „Wenn es mehr erleuchtete Führungspersönlichkeiten gäbe, dann wäre alles gut.“ Doch dabei wird die Bedeutung der unteren Quadranten übersehen, die Bedeutung von Kulturen und Systemen. Ein typisches Ergebnis auf dem persönlichen Entwicklungsweg ist – bei persönlichen Durchbrüchen und Einsichten (z. B. nach einem Coaching) – dass diese Menschen oft die Organisation, der sie angehören, verlassen und somit nicht mehr daran interessiert sind diese zu transformieren. Sie werden sogar grundsätzlich misstrauisch gegenüber Organisation, machen sich selbständig und beginnen Organisationen, wie die die sie verlassen haben, zu coachen (dies ist auch der Weg, den Frederic Laloux gegangen ist). So entstehen jedoch keine neuen Organisationen, und das veranlasste Laloux das Buch zu schreiben, mit Fragestellungen wie:
Wie können neue Organisationen geformt werden?Wie geht das konkret?Wie kann das beschrieben werden?Was sind deren Merkmale und Praktiken?
Teil 1: Die Bedeutung von Evolution und Entwicklung, transzendieren und bewahren, Ebenen und Linien
Ein zentrales Thema ist einmal mehr das Thema Entwicklung, wobei auf die Gefahr hingewiesen wird, die entsteht, wenn die Charakteristiken eines Modells auf Entwicklungslinien eines anderen Modells übertragen werden.
Menschen beginnen ihre Bewusstseinsentwicklung bei etwas, was mit dem Begriff „archaisch“ beschrieben wird, und entwickeln sich dann durch eine Reihe von Stufen (die im Dialog einzeln und beispielhaft beschrieben und mit den Farben des Regenbogenspektrums bezeichnet werden). Wichtig in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist, dass bei der Individualentwicklung Stufen nicht übersprungen werden können.
Impulsiv/rot: permanente Machtausübung durch den Chef, sehr reaktiv, kurzfristige Orientierung (Mafia und Straßenbanden). Auf dieser Stufe erfolgt eine Neuerung in der Arbeitsteilung. Die leitende Metapher ist das Wolfsrudel.
Mythisch, konformistisch, traditionell: Die Aufbau- wie auch Ablauforganisation ist sehr formalisiert, als eine hierarchische Pyramide. Stichworte sind top down, Befehl/Gehorsam und Kontrolle. Stabilität und Kontinuität gelten als überragende Werte. Prozesse sind festgeschrieben und Zukunft wird als Wiederholung der Vergangenheit gesehen. Typische bestehende Organisationen dieser Stufe sind die katholische Kirche, das Militär, öffentliche Verwaltungen und viele öffentliche Schulen. Neuerungen dieser Entwicklungs- und Organisationsstufe waren die Einführung formaler Rollen, stabiler Hierarchien und Prozesse und die Einnahme langfristiger Perspektiven. Kognitiv entspricht diese Stufe dem Regel-Rollen-Denken. Die leitende Metapher ist das geltende Gesetz.
Historisch gesehen war diese Stufe ein außerordentlicher Durchbruch gegenüber impulsiv geleiteten Gruppen und Gangs. Regeln und Rollen wurden internalisiert und müssen nicht mehr permanent von außen ausgeübt werden. Organisationen werden strukturiert und können so sehr viel größer werden und sehr viel länger leben. Sie sind von ihrem Wesen her imperial und absolutistisch, auch als politische Systeme. Die dabei eingenommenen Rollen sind überwiegend Rollen einer zweiten Person, in der Form „wir gegen sie“. Dies ist in der heutigen Welt mit immer mehr technischen Möglichkeiten sehr problematisch.
Modern, orange, Vernunft: Kennzeichnend für diese Entwicklungsstufe ist Individualität, Leistung und Wettbewerb. Organisationen sind gewinn- und wachstumsorientiert. Innovation spielt eine große Rolle und Führung erfolgt durch Ziele und Kontrolle von Zielerreichung. Multinationale Konzerne sind typische Vertreter dieser Entwicklungsstufe. Neurungen hier sind die Betonung von Innovation, das betriebliche Rechnungswesen und die Betonung des Leistungsprinzips. Die leitende Metapher war die Maschine – als ein Bild für die gesamte industrielle Revolution. Der Schatten der Moderne ist die Umweltzerstörung.
Grün, pluralistisch, postmodern. Hier wird der Schwerpunkt auf Gemeinschaft, Kultur und Selbstverwirklichung gelegt. Anteilseigner mit vorrangig finanziellen Interessen werden hier zu echten Teilhabern, welche die Werte der Organisation mittragen. Aktuelle Beispiele von Organisationen auf dieser Entwicklungsstufe sind kultur-zentrierte Organisationen, wie es viele der NGOs sind. Die leitende Metapher ist die einer Familie. Das Internet spielt dabei als wichtiges techno-ökonomisches Instrument eine Rolle. Die Schattenseite dieser Organisationen besteht oft darin, dass Hierarchien insgesamt verworfen werden, also auch sich entwickelnde Wachstumshierarchien.
2nd tier, authentisch, integrativ, integral: Auf dieser Stufe kehren die Hierarchien als Wachstums-Holarchien zurück. Dies ist ein faszinierendes Untersuchungsfeld, weil die meisten Untersuchungen zu Entwicklungen auf dieser Stufe bisher an Individuen gemacht wurden. Die klassische Form der Organisationsentwicklungsforschung nimmt bisher kaum Notiz von der Forschung zur Individualentwicklung. Ein wesentliches Kriterium dieser Organisationen ist, dass Selbstmanagement die hierarchische Pyramide ersetzt. Eine Organisation wird als eine lebendige Energie gesehen, mit einem eigenen kreativen Potenzial und einem evolutionären Ziel und Zweck. Beispiele für existierende Organisationen sind die fünfzehn in Buch von Laroux untersuchten Unternehmen. Laroux führt drei große Neuerungen auf, welche Organisationen auf dieser Entwicklungsstufe auszeichnen:
Ein Selbstmanagement,die Betonung von Ganzheit,eine Ausrichtung auf einen evolutionärer Zweck.
Die Metapher für diese Organisationen ist der lebendige Organismus.
Auf der persönlichen Stufe bedeutet die Verinnerlichung dieser Stufe einen großen Schritt der Ent-Identifikation, als eine Disidentifikation von unserem eigenen Ich. Wir können nun – mit innerem Abstand – erkennen, wie die Ängste, Verlangen und Wünsche unseres Ichs unser Leben regiert haben. Wir können unser Kontrollbedürfnis und unsere Verteidigungsmechanismen zurücknehmen. Wir sind nicht länger verschmolzen und identifiziert mit unserem Ich, und dessen Ängste können nun unser Leben nicht mehr kontrollieren. In diesem Prozess lernen wir, anderen und tieferen Anteilen unseres Selbst zuzuhören. Rationalität und Emotionen werden integriert. Doch das Ich wird noch nicht vollständig – und in Gänze – transzendiert. Das geschieht, nach der integralen Theorie, erst auf der nächsthöheren Ebene. Doch die Ich-Grenze wird durchlässiger. Die Angst geht zurück und an ihre Stelle tritt die Fähigkeit der Überfülle des Lebens zu vertrauen. Abraham Maslow unterscheidet zwei grundlegende Lebensweisen: eine aus Angst und Mangel heraus, und eine andere aus Vertrauen und Fülle heraus. (Mangelbedürfnisse und Sein-Bedürfnisse aus der Fülle). In Organisationen ist dadurch auf eine dramatische Weise mehr möglich. Eine Vertrauenspraxis wird zu einer Herausforderung. Auch wenn Menschen sich zu dieser Weltsicht erst entwickeln müssen (und die meisten in einer Organisation sind noch nicht da), was lange dauert, können Menschen doch in kurzer Zeit ihr Verhalten entsprechend ändern und sich neuen Unternehmensstrukturen anpassen. Das kann die eigene innere Transformation beschleunigen. Dadurch werden Menschen ermutigt, eine eigene Entwicklungspraxis aufzunehmen. Viele der im Buch aufgeführten Organisationen bieten entsprechende Praxismöglichkeiten an, in der Art einer integralen Lebenspraxis. Die Arbeit in der Organisation wird so auch zu einer Arbeit an sich selbst. Es geht für diese Organisation nicht mehr nur ums Geld, sondern a) um den Sinn und Zweck der Organisation in der Welt erfüllen, und b) Menschen darin zu unterstützen ihr Leben zu verwirklichen.
Teil 2: Praktiken, Strukturen und Kulturen dieser Organisationen
Neue Organisationen wie die Genannten halten den integralen Raum durch neue Praktiken, Strukturen und Kulturen. Diese wirken über die Verbundenheit aller vier Quadranten miteinander auf die individuellen Vorstellungen und deren Ausdruck in Verhalten und auf die Entwicklung gemeinschaftlicher kultureller Weltsichten.
Die neue Metapher dieser Organisation ist ein lebendiges System, welches sich immer weiter zu mehr Ganzheit, Komplexität und Bewusstheit entwickelt. Veränderungen passieren dabei ständig in Form einer selbstorganisierenden Dynamik, die von jedem Mitglied ohne eine zentralisierte Instanz von Befehl und Kontrolle mitgetragen wird.
Die Spaltung zwischen machtvoll und machtlos, welche in konventionellen Organisationen der Motivationskiller ist, ist aufgehoben.
Menschen werden in ihrem Erwachsensein gefordert und gefördert. Niemand kann sich mehr verstecken, weil sich niemand mehr hinter jemandem verstecken kann. Wenn jemand etwas verändern möchte, kann er oder sie dies tun. Die einzige Bedingung dafür ist eine größtmögliche und ausreichende Anzahl von unterschiedlichen Perspektiven zu diesem Thema einzunehmen und sich gegebenenfalls auch die notwendigen Expertisen dazu einzuholen. Hierin spiegelt sich das Prinzip wieder, dass mit zunehmender Entwicklung Menschen in der Lage sind immer mehr Perspektiven einzunehmen und deren Unterschiede und Spannungen miteinander in integralen oder integrativen Lösungen zu verbinden. Dies bedeutet auch eine Zunahme an Verantwortlichkeit für jeden. Wird ein Problem erkannt, kann sich niemand mehr darauf zurückziehen nicht dafür zuständig zu sein, sondern ist aufgerufen sich darum zu kümmern.
Die von Laloux untersuchten Firmen waren keineswegs nur alternative Unternehmungen, sondern auch Fertigungsbetriebe wie z. B. ein großer französischer Automobilzulieferer. Diese Firma erledigt weiterhin die klassischen betriebswirtschaftlichen Funktionen (Einkauf, Fertigung, Verkauf, Entwicklung …) wie andere Betriebe auch, aber auf eine andere Weise.
Die in klassischen Unternehmen zentral organisierten Funktionen wie Einkauf, Personalbeschaffung, Planung und Verkauf werden dezentral durch Teams wahrgenommen. Dies bedeutet, dass „blue collar“ Arbeiter keine Anweisungen mehr von „white collar“ Angestellten mehr entgegennehmen, sondern ihre Arbeit in all ihren Funktionen in Eigenverantwortung gestalten. Das führt zu einer komplett anderen Perspektive auf die Arbeit. Die Teambildung in diesem Unternehmen erfolgt kundenorientiert nach Automobilfirmen, die beliefert werden. Jedes Team organisiert sich selbst, es gibt kein mittleres Management mehr und auch alle Stabfunktionen sind verschwunden.
Weil Kundenaufträge fluktuieren, bleibt die Koordination zwischen den Teams bleibt wichtig, doch diese erfolgt ohne hierarchische Bürokratie. Menschen werden nicht zugeordnet sondern wechseln freiwillig zu einem anderen Team, je nach Auftragslage. Das zugrundeliegende Menschenbild ist das eines vernünftigen und vertrauenswürdigen Arbeiters oder einer Arbeiterin. Damit braucht man nur wenige Regeln und Kontrollmechanismen.
Eine Frage die sich dabei stellt ist: Wie ergeht es egozentrischen Menschen in diesen Organisationen? Fallen sie bei den Einstellungen durch (die Einstellungsgespräche werden durch Kollegen geführt)? Zum einen werden hohe Anforderungen an Mitarbeiter gestellt, was deren Eigenverantwortung und die Fähigkeit zu Selbstorganisation betrifft. Doch Menschen wurden auch „traditionell“ eingestellt, und die große Mehrheit blieb in diesen Organisationen. Menschen, die keine Selbst- oder Fremdverantwortung übernehmen konnten, und denen man nicht trauen konnte, bildeten einen nur geringen Prozentsatz. Der Gruppendruck, der durch Kollegen entsteht, und eine bereits existierende Kultur des Miteinanders wirken im Allgemeinen schnell und unmittelbar. Hinzu kommt, dass die Teams gelernt haben mit Konflikten umzugehen und entsprechende Methoden und Verfahren zum Einsatz kommen. Nur in Ausnahmefällen ist ein Eingreifen durch die Geschäftsführung erforderlich. Die Konfliktlösungsprozesse sind ein ganz zentrales Element dieser Organisationen. Dies ist etwas, was im allgemeinen Bildungssystem kaum gelehrt wird, obwohl es zu den wichtigsten grundlegenden menschlichen Fähigkeiten zählt.
Sich selbst organisierende Organisationen erweisen sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als anpassungsfähig und resilient. Es existiert ein Verantwortungsgefühl aller für alle und Gehaltsverzicht oder Arbeitszeitverkürzung werden als eigene Entscheidung getroffen.
Auch in den von Laloux untersuchten Organisationen gibt es Hierarchien, jedoch als Verwirklichungshierarchien, die als Team zusammenarbeiten, und jeder kann von jeder Ebene aus aktiv werden, entsprechend den eigenen unterschiedlich entwickelten Fähigkeiten. (Wilber verweist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von Elliot Jaques). Menschen werden nicht mehr in feste Rollen gezwängt. Was jedoch verlangt wird, ist ein integral ausgerichtetes Verhalten, was bedeutet, dass zur Entscheidungsvorbereitung eine Vielzahl von Perspektiven eingenommen werden muss, ggf. unter Hinzuziehung von Expertise. Dies ist eine Konkretisierung des allgemeinen Verständnisses von kollektiver Intelligenz. Jeder kann eine „Geschäftsführeridee“ haben und diese auch einbringen. Die Abschaffung der Chef-als-Dominator Hierarchie schafft Raum für verschiedenste Verwirklichungshierarchien (oder Holarchien). Dies ist keine Gleichmacherei, sondern die Einladung an alle, so gut wie möglich beizutragen. In dieser Hinsicht besteht ein großer Unterschied zu einem postmodernen Bestreben, alle Hierarchien loswerden zu wollen.
Traditionelle Managementfunktionen wie Anordnen, Ziele setzen, Budgetieren, Analysieren, Planen, Organisieren, Messen, Kontrollieren, Einstellen, Untersuchen und Kommunizieren sind nun über das Team verteilt.
Klassische Stellenbeschreibungen und Jobtitel verlieren an Bedeutung, weil sie den einzigartigen Rollenkombinationen nicht gerecht werden können. Sie erweisen als zu statisch, um der fließenden Natur der Arbeit in diesen Organisationen zu entsprechen. Ein Job wird als eine Zusammenstellung von flexiblen Rollen gesehen. Diese Rollen können sich ändern und tun es auch oft, auch durch Aus- und Weiterbildung. Menschen entscheiden sich für Rollen, und sie übernehmen mehr Eigenverantwortung für das Erkennen und Ausfüllen neuer Rollen und der damit verbunden Verantwortung. Somit wachsen sie auch in größere Rollen hinein. Da es keine Zentrale mehr gibt, z. B. für den Einkauf, macht jedes Team seinen Einkauf selbst und jemand geht in diese Rolle. Das macht die Organisation sehr beweglich und anpassungsfähig gegenüber Veränderungen. Rollen können auch weggegeben und übernommen werden.
Eine wesentliche Unterscheidung dabei ist die von Rolle und Seele (role/soul). Der Mensch ist Mensch und hat Rollen, die er erfüllt. Die Eifersucht gegenüber anderen Aufgaben reduziert sich ebenso wie die Angst vor einem Jobverlust. Gesamtverantwortung entsteht als etwas Natürliches. Jeder hat die Verpflichtung etwas zu tun, wenn ihm oder ihr etwas auffällt, auch wenn dies außerhalb der eigenen Rollen liegt. Dieses Tun kann auch darin bestehen einen Kollegen zu finden, dessen Rollen besser zum Problem oder Thema passen. Dies alles lässt sich ohne Boss bewerkstelligen.
Auch Begriffe wie „Angestellter“, „Arbeiter“ oder „Manager“, werden überflüssig. Doch es gibt nach wie vor Bosse in dem Sinn, dass alle Mitglieder (als „peers“) diese Rolle und die damit verbundenen typischen Managementfunktionen einnehmen können.
Selbstmanagement
Wenn es keinen Boss im herkömmlichen Sinn mehr gibt, wie können Entscheidungen getroffen werden? Wer darf Geld ausgeben, wie werden Leistungen gemessen und diskutiert, was hält die Mitarbeiter in der Organisation, wer entscheidet über Einkommen und Gehälter?
Als ein Beispiel für einen Entscheidungsfindungsprozess wird der „advice process“ vorgestellt. Jeder kann jede Entscheidung treffen. Doch bevor das geschieht, muss derjenige Informationen und Hinweise von allen Betroffenen und auch Experten einholen. Es muss dabei nicht alles integriert werden, für einen verwässerten Kompromiss, der alle Wünsche erfüllt. Doch die relevanten Informationen und Perspektiven müssen einer ernsthaften Betrachtung unterzogen werden. Je weitreichender die Entscheidung, desto weitreichender müssen die zu berücksichtigen Perspektiven sein, auch von außerhalb der Organisation.
Die Erfahrung zeigt, dass ein Konsenszwang noch mehr Ego hervorrufen kann als eine Hierarchie. Die Bedürfnisse nach Hierarchie und nach Konsens werden vom Prinzip des Selbstmanagements transzendiert. Jeder hat die Freiheit zu agieren, doch er/sie muss sich um die Einholung relevanter Perspektiven kümmern und muss in der Lage sein zu sagen, warum ein bestimmter Hinweis nicht oder weniger stark Berücksichtigung findet als ein anderer Hinweis (z. B. bei der Beschaffung einer neuen Maschine).
Das bedeutet auch mehr Verantwortung. Wenn jemand auf ein Problem stößt, kann er oder sie nun nicht mehr sagen: „Das ist nicht mein Problem, hoffentlich kümmert sich jemand (anderes) darum“. Man ist dafür verantwortlich einen Prozess (wie den advice process) zur Lösung des Problems in Gang zu setzen – oder jemanden zu finden der dies tut. Diese Gesamtverantwortung führt zu einem guten und motivierenden Gefühl, als einem Gefühl psychologisch sich selbst zu gehören. Dies ist sehr viel wirksamer als das Durchlaufen persönlicher Ermächtigungsprozesse, die jedoch nicht umgesetzt werden können, wenn sie nicht organisatorisch unterstützt werden. Der Unternehmensprozess und die damit verbundenen Regularien werden so zu einem wesentlichen Artefakt dieser Unternehmen.
Wird dieser Prozess nicht befolgt, ist dies ein Entlassungsgrund. Es gibt keine Hierarchieleiter mehr, die es zu erklimmen gilt. Was man jedoch tun kann, ist mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen, z. B. in der Durchführung des „advice process“, und mehr und mehr Rollen zu erlernen. Wenn man das tut, steigt die eigene Reputation, man wird von immer mehr Menschen befragt und so erweitern sich die eigenen Rollen. Dies wiederum kann eine Gehaltserhöhung begründen, basierend auf der gegenseitigen Einschätzung der Mitglieder.
Auf diese Weise entsteht ein freundlicher Wettbewerb um Reputation als die Fähigkeit und Möglichkeit beizutragen und anderen zu helfen.
Auch bei Investitionen kann jeder initiativ werden. Je größer das Investitionsvorhaben, desto mehr Perspektiven müssen einbezogen werden. Es gibt keinen Grund für Widerstände gegen Veränderungen. Die Person, die eine Investitionsidee hat, muss nicht diejenige sein, die sich um alle Perspektiven kümmert, doch er oder sie kann jemand anderen mobilisieren – jeder kann, niemand muss. Daraus wird auch ersichtlich, dass nicht jeder automatisch qualifiziert ist Entscheidungen (auch mit dem „advice process“) treffen zu können.
Um Informationen wird keine Geheimniskrämerei gemacht, wie es in traditionellen Organisationen oft geschieht (z. B. Informationen über Gehälter, Boni, aber auch Produktivität, Leistung, Gewinn, Verlust). Jeder hat Zugang zu allen Informationen. Dies führt zu Vertrauensbildung und wirkt angstreduzierend. Spekulationen und Projektionen werden signifikant reduziert. Es gibt jedoch auch kein Verstecken mehr. Statt eines Vorgesetzten-Mitarbeitergesprächs erfolgen „peer reviews“ als Feedback. Mitglieder der Organisationen reden miteinander wie sie sich gegenseitig erleben. Der Sinn der Arbeit tritt als Motivation ganz in den Vordergrund.
Ein zentraler Aspekt aller untersuchten Organisationen ist der von Konfliktlösung. Jede der Organisationen hat dafür entsprechende Verfahren entwickelt. Diese werden neuen Mitgliedern schon in der Ausbildung und Probezeit vermittelt. Ausgangspunkt ist dabei die Einsicht, dass man sich um Konflikte kümmern muss. Spannungen sind Hinweise darauf sich zu engagieren, und das reduziert Spannungen und Ängste gleich zu Beginn. Mögliche Stufen einer Konfliktbearbeitung sind:
Direkte Gegenüberstellung der Konfliktpartner. Wenn das nicht geht wirdeine weitere Person, der die Konfliktparteien vertrauen, ins Spiel gebracht, der oder die eine Mediationen anbietet, und wenn das die Spannungen auch nicht löst, wirdein formalerer Prozess eines „panel of peers“ ins Leben gerufen. Als allerletzte Lösung bleibt danndie Einbeziehung der Geschäftsführung, wobei auch deren Rolle auf eine Mediation beschränkt bleibt und den Konfliktparteien die Entscheidung nicht abgenommen wird.
Hierbei ist Vertraulichkeit wichtig, weil es sich in diesen Fällen nicht um Information der Firma, sondern um Persönliches handelt.
Eine wichtige Frage, die sich auch bei den neuen Organisationen stellt, ist die, wie Leistung und Produktivität ohne Boss und Arbeitszeitenkontrolle verfolgt werden kann. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Teamergebnissen und nicht so sehr auf individuellen Leistungsbeiträgen. Die dazugehörigen Daten werden intern veröffentlicht, als eine gesunde Form von Gruppendruck, und natürlich wollen viele auch ihre eigene Leistung kennen. Die Messungen erfolgen nach Modellen, welche die Teams selbst entwickelt haben. Jedes Team entscheidet dabei selbst, was wie gemessen und wie darüber diskutiert wird. Auch die Gehaltssetzung erfolgt durch gegenseitige Beobachtung und Diskussion. Kollegen können andere Kollegen, mit denen sie gearbeitet haben, einmal jährlich bewerten. Eine noch weitergehende Möglichkeit ist die der eigenen Gehaltsfestlegung, oder man einigt sich auf ein Verfahren wie den „advice process“. Neben einer eigenen Bewertung des eigenen Beitrags zum Ganzen erfolgt auch eine Bewertung durch das Team. Das Ziel ist eine faire Kompensation untereinander. Individuelle Leistungsanreize sind abgeschafft. Stattdessen werden Überschüsse, nachdem sie erwirtschaftet wurden, auf alle oder eine größere Gruppe verteilt, oder man gibt es denen, die am wenigsten verdienen. Grundsätzlich ist es kein Problem, wenn manche mehr als andere verdienen, vorausgesetzt die Spanne wird nicht zu extrem. (In der amerikanischen freien Wirtschaft gibt es Spannen, wo der Topverdiener 379 mal mehr verdient als dasmittlere Einkommens des Unternehmens). Bei den untersuchten Unternehmen war die maximale Spanne der Faktor 14 zwischen dem höchstem und dem geringsten Einkommen. Auf der Basis von Transparenz und Fairness gedeiht das Betriebsklima.
Streben nach Ganzheit (der Organisation)
Das Streben nach Ganzheit ist die zweite der oben aufgeführten drei großen Neuerungen der untersuchten Organisationen. Ein äußerliches Merkmal ist, dass der Mensch als Mitglied der Organisation sich nicht mehr hinter einer beruflichem Maske und Identität zu verstecken braucht. Dies erübrigt auch eine spezifische Arbeits(ver)kleidung. Worum es geht ist, auch im Beruf „ganz ich selbst“ sein zu können, was sich auch in der Kleidung und der Arbeitsplatzgestaltung ausdrückt.
Ganzheit bedeutet jedoch nicht Egalitarismus. Auch wenn Laloux bei seinen Untersuchungen keine expliziten Hinweise auf bestimmte Entwicklungsmodelle gefunden hat, so hat sich doch gezeigt, dass Unterschiede akzeptiert und auch benannt werden. Worum es – noch einmal – geht ist eine Abschaffung von Dominanzhierarchien, was natürlichen Wachstumshierarchien erlaubt sich zu entwickeln. Auch gab es von Seiten der an der Untersuchung beteiligten Firmen beim Vorablesen des Buches keine Beanstandungen gegenüber dem darin aufgeführten Entwicklungsmodell. Die neuen Organisationsformen können auch als eine Ermutigung zu wachsen und sich zu entwickeln gesehen werden. Neue Anreize bestehen darin, liebender, offener, bewusster und fürsorgender zu werden.
Ein Faktor, welcher wesentlich zur Ganzheit beiträgt, sind die gemeinsamen Werte der Organisation und Gemeinschaft. Es wird explizit gemacht, welche Werte als wichtig angesehen werden. Diese werden gelehrt, immer wieder ins Bewusstsein gerufen, umgangssprachlich (und nicht abstrakt) diskutiert, überarbeitet, lebendig gehalten, mit Leben erfüllt und gefeiert. Für Einsteiger gibt es ein spezielles Training darin. Die Gemeinschaftswerte ermutigen auch zur Reflektion der eigenen individuellen Werte. Wichtig ist, die Werte genau auszuformulieren und es nicht bei Slogans zu belassen.
Organisatorisch finden sich in den untersuchten Unternehmen Räumlichkeiten zur Reflektion und zum Rückzug. Ebenso bestehen auch Möglichkeiten zur Supervision. „Innere Arbeit“ und „äußere Arbeit“ müssen nicht mehr voneinander getrennt werden. Diese Arbeit kann individuell und gruppendynamisch geschehen. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von der Einführung einer Stilleglocke bei Besprechungen über wöchentliche gemeinschaftliche Reflektionen bis hin zu moderierten Veranstaltungen zu Themen wie Konfliktlösung, Fehlschlägen, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Verwaltung, Innovationen, Risikomanagement, Achtsamkeit, Gesundheit oder den Gemeinschaftswerten der Organisation. Als besonders wichtig hat sich die Arbeit in Kleingruppen herausgestellt, als ein sicherer Raum und Rahmen auch für sehr Persönliches. Ein wesentliches Element sind Dankbarkeitsrunden und eine Kultur der Würdigung und Wertschätzung.
Insgesamt gibt es weniger Besprechungen, vieles wird direkt in Teams gelöst – ad hoc, wenn ein Thema entsteht. Das „Geschäftliche“ bei Besprechungen wird nicht mehr getrennt gesehen vom Persönlichen. Es wurden verschieden Besprechungspraktiken entwickelt, die ermöglichen, dass persönliche Themen hochkommen können, und dazu wurden Methoden entwickelt, wie damit umzugehen ist (wie z. B. check in, check out, Stillemomente, Würdigungen, Einladungen, Handsymbole …). Bei sehr geladenen Themen kann ein externer Mediator hinzu gerufen werden. Psycho- und Gruppendynamiken werden sehr ernst genommen. Das Ziel ist einen Raum zu schaffen, in dem weder Dominanz- noch Rückzugsverhalten auftreten. Dafür braucht es spezifische Methoden. Überlässt man die Dinge dem Zufall, regiert meist das Ego.
Konfliktmanagement wird ebenso ernst genommen. Dabei können drei Arten von Praktiken unterschieden werden. Die erste Praxis unterstützt Menschen darin Spannungen wahrzunehmen und sich Zeit zu nehmen, um über Spannungen in einer Gruppe zu reden. Die zweite Praxis besteht darin, Konfliktlösungsprozesse konkret zu formulieren. Wichtig dabei ist: Es gibt keinen Boss. Drittens werden Trainings angeboten zur Entwicklung der eigenen interpersonellen Fähigkeiten und Kompetenzen, also auch zur Konfliktlösung. Konflikte müssen nicht „bitter“ sein, sie weisen oft auf etwas Wesentliches hin und können zu konstruktiven Weiterentwicklungen führen. Ein gutes Konfliktmanagement unterstützt Menschen dabei, sich ganz in die Arbeit einzubringen.
Umweltaspekte: Statt nach den Kosten für Umweltengagement zu fragen und nach billigsten Lösungen zu suchen, wird in diesen Organisationen die Frage gestellt, was diesbezüglich notwendigerweise zu tun ist. Erst danach werden ökonomische Überlegungen angestellt.
Ganzheit bedeutet, persönlich und gemeinschaftlich eine Zusammenführung von Rationalität plus Emotionalität plus Intuition plus Integrität durchzuführen.
Ganzheit zeigt sich auch bei Einstellungsgesprächen. Bei Interviews wird auf Techniken verzichtet. Stattdessen geht es darum, in einem Gespräch von Mensch zu Mensch herauszufinden, ob man in Zukunft gut miteinander zusammenarbeiten kann. Dazu gehört eine Einführung in Selbstmanagement. Dafür nimmt man sich viel Zeit und erläutert auch die Bedeutung des Selbstmanagements. Der ganze Mensch wird eingestellt und nicht nur eine Arbeitskraft. Der Fokus liegt weniger auf einzelnen Fähigkeiten, sondern auf dem ganzen Menschen und seiner Haltung und Einstellung. Es werden umfangreiche Trainingsangebote gemacht von Computerfähigkeiten über Selbstmangement und Persönlichkeitsentwicklung hin zu Trainings für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einer Organisationskultur, bis zu Schattenarbeit und Meditation. Darüber hinaus werden auch klassische Ausbildungswege angeboten. Die Eigenverantwortung für das eigene Lernen ist dabei eine wesentliche Voraussetzung. Beim Interview von Bewerbern spielen drei Arten des „Passens“ eine Rolle: das Passen zur Rolle, welches durch ein traditionelles Fähigkeiten/Verhalten Interview erkundet wird. Dann geht es um das Passen zu den Werten der Organisation und dem Selbstmanagementethos. Und schließlich geht es um das Passen zum Sinn und Zweck der Organisation (s. u.).
Das Team ist der Kern der neuen Organisationen. Menschen, die darin arbeiten, müssen dazu entwicklungsfähig in der Lage sein oder bereit sein sich dahin zu entwickeln. Dies setzt ein bestimmtes Niveau einer innerpersönlichen Kompetenz voraus. Reine Egoisten werden sich nicht in ein Team integrieren.
Ein wesentliches Steuerungs- und Reflektionselement ist das Feedback durch die Kollegen. Dabei spielt Achtsamkeit auf beiden Seiten eine Rolle. Ich-Sprache ist dabei die bevorzugte Ausdrucksweise bei Feststellungen. Die Untersuchung findet gemeinschaftlich statt, wodurch Objektivität hergestellt werden kann.
Der evolutionäre Zweck
Der dritte Hauptunterschied, der bei der Untersuchung von Laloux herauskam, ist die Ausrichtung und das Hören auf den evolutionären Zweck der Organisation. Es geht nicht mehr nur um ein wirtschaftliches Überleben. Die Bewegung erfolgt vom Selbsterhalt zu Sinn und Zweck, und das beeinflusst alle organisatorischen Praktiken und Abläufen. Wettbewerb tritt dabei in den Hintergrund. Lebt eine Organisation für ihre Absicht und ihren Sinn und Zweck, dann verschwindet der Wettbewerb. Jeder, der mithelfen kann den Sinn/Zweck der Organisation zu erfüllen, ist ein Freund und Verbündeter und kein Gegner. „Bitte nachmachen“ könnte ein Motto lauten, anstatt Ängstlichkeit vor Konkurrenz. In den Worten von Tami Simon, der Geschäftsführerin von soundstrue: „Meine Sicht auf Business ist, dass wir als eine Gemeinschaft zusammenkommen, um ein menschliches Bedürfnis zu erfüllen und unsere Leben zur Lebendigkeit zu führen“. Ken Wilber weist an dieser Stelle einmal mehr auf die Gefahr der Gleichsetzung von Individuen (individuellen Holons) und Gemeinschaften (sozialen Holons) hin:
„Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir von einem lebendigen System sprechen. Soziale Holons wie Organisationen haben keine dominante Monade. Was sie haben ist eine dominante Monade des Diskurses bzw. der Resonanz. Es gibt jedoch keine Ich-Instanz. Individuen sind daher Mitglieder und keine Teile. Es gibt kein Über-Ich sondern ein komplexes Wir, der Sinn und Zweck ist daher etwas Intersubjektives und Dialogisches.“
Eine konkrete Darstellungsmöglichkeit des evolutionären Zwecks ist die Verwendung eines leeren Stuhls bei jeder Besprechung. Jeder der Besprechungsteilnehmer kann diesen Sitz einnehmen, hinhören und zu einer individuellen Stimme der Organisation werden. Diese Stimme kann auch befragt werden. Es werden eine Reihe von nicht-hierarchischen und selbstorganisierenden Gruppenprozessen genannt, wie die Theorie U (Otto Scharmer), appreciative inquiriy (David Cooperrider), future search (Marvin Weisbord und Sandra Janoff) oder open space(Harrison Owen). Wieder geht es darum Dominanzhierarchien zu vermeiden, damit Verwirklichungshierarchien entstehen können.
Was Planung betrifft kommen die untersuchten Organisationen mit einem Minimum aus, welches für Entscheidungen gebraucht wird. Statt „voraussagen und kontrollieren“ heißt es „spüren und antworten“.
Nimmt eine Organisation ihren Sinn und Zweck ernst, dann kann dieser nicht an den Grenzen der Organisation Halt machen. Kunden und Zulieferer werden mit einbezogen und werden auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Organisation gesehen. Wo es Übereinstimmungen gibt, fällt der Wettbewerb weg. Dies ist in der realen Praxis oft nicht so einfach, aber an oberster Stelle steht immer wieder die Ausrichtung auf den Sinn und Zweck der Organisation. Dieser wirkt auf das Individuum und umgekehrt.
Die integrale Perspektive verbindet unter anderem die vier Dimensionen von individuellem Bewusstsein und Mindsets, Kultur, Verhalten und Systemen. Traditionelle und moderne Organisationen sind oft außenorientiert, postmoderne Unternehmen legen den Fokus oft nach innen. Das Integrale verbindet beides. Die Kultur einer Organisation spielt eine ebenso entscheidende Rolle wie das System [„cultures make or brake an organisation“]. Die Einführung neuer Prozesse ohne eine kulturelle Akzeptanz ist sinnlos.
Hier noch einmal eine Zusammenstellung der drei diskutierten Hauptmerkmale der untersuchten ganzheitlichen bzw. integralen Organisationen:
a) Selbstmanagement (Vertrauen, Entscheidungsfindungskultur, Verantwortlichkeit und Verlässlichkeit)b) Ganzheit (Gleichwertigkeit, sicheres Arbeitsplatzgefühl, Fürsorge, Lernen, Beziehungen und Konfliktlösung)c) Evolutionärer Sinn/Zweck (Gemeinschaftlicher Sinn und Zweck, individueller Sinn und Zweck, Zukunft, Gewinn und Ertrag)
Besteht erst einmal Klarheit darüber, welche Art von Kultur der Organisation dienlich ist, dann stellt sich die Frage, wie eine Gruppe von Menschen bewusst diese Kultur hervorbringen kann.
Kulturbildung wird durch entsprechende Praktiken und Prozesse gefördert. Es erfolgt eine „Rollenmodellierung“ des individuellen und gemeinschaftlichen Verhaltens entsprechend der angestrebten Kultur. Nimmt man z. B. das Ziel der Entwicklung einer Kultur der Dankbarkeit, dann stellt sich die Frage, durch welche Praktiken diese herbeigeführt werden kann. Diese Praktiken wirken auf das Individuum zurück und führen zu persönlichen Selbstreflektionen, in Bezug auf Dankbarkeit und Anerkennung – wie gehe ich persönlich damit um? – was zu tiefgreifenden Eigenuntersuchungen führen kann, unter Einbeziehung der eigenen Biografie. Kultur als ein Aspekt des unteren linken Quadranten entsteht so durch die drei anderen Quadranten – systemische Praktiken, individuelles Verhalten und individuelles Bewusstsein.
Es wird erneut darauf hingewiesen, dass der oder die Geschäftsführer bereits in der Lage sein müssen, die Welt aus einer ganzheitlichen oder integralen Perspektive zu sehen. Diese lässt sich jedoch nicht so einfach übertragen, durch Papiere oder Prozesse oder ein Handbuch alleine, sondern durch die erwähnten kulturellen Dynamiken und sozialen Praktiken und Prozesse. Ein wesentliches Merkmal einer höheren Entwicklungsstufe, und damit der Geschäftsführer, ist das der Angstlosigkeit.
Die untersuchten Organisationen sind auch kommerziell erfolgreich. Sie müssen in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht Leute entlassen, sondern finden andere Wege. Sie können sich, eine entsprechende Führung vorausgesetzt, auch – anders als Individuen – relativ schnell transformieren. Hier weist Wilber auf den bedeutenden Entwicklungsunterschied von Individuen und Gemeinschaften hin. Erstere können keine Entwicklungsstufen überspringen, Letztere schon (weil sie keine „dominanten Monade“, d. h. keine Ich-Instanz haben).
Grundsätzlich wurde festgestellt, dass die Bewusstseinsebene einer Organisation nicht höher sein kann als die des oder der Führungsverantwortlichen.
Die Rolle des Geschäftsführers in diesen Organisationen ist zentral, wenn auch auf eine andere Weise als in konventionellen Organisationen. Neu sind die Funktionen des Raum-Haltens und des Rollenmodellierens (im Hinblick auf Selbstmanagement, Ganzheit und den evolutionären Zweck). Durch die Hervorhebung des Selbstmanagements (und verbindliche Verfahren wie den „advice process“) ist die eigene Macht deutlich begrenzt und eingeschränkt. So sehr eine Führungsperson auch von etwas überzeugt sein mag, ist auch für sie der „advice process“ (oder ein vergleichbares Verfahren) verbindlich. Dies ist ein herausfordernder und schwieriger Umlernprozess. Die übliche Geschäftsführerrolle kennt so etwas nicht.
Das Rollenmodell der Ganzheit bedeutet, dass, wenn sich der Geschäftsführer einer Organisation nicht ganz einbringt, es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Mitglieder der Organisation dies tun. In einem nicht endenden Prozess geht es darum Tugenden wie Demut, Vertrauen, Mut, Verletzlichkeit und Authentizität vorzuleben, damit andere folgen können.
Wie kann man eine derartige Organisation ins Leben rufen? Beim Startup ist es leichter neue und vielleicht ungewohnte Prozesse und Praktiken einzuführen, weil diese sowieso gebraucht werden. Der Vorteil hier ist: Es muss nichts geändert werden.
Empfehlungen zu Beginn einer Organisationsbildung sind:
a) Selbstmanagement: die Einführung von einem Verfahren wie dem „advice process“, die Einführung von Konfliktlösungsmethoden und die Etablierung von gegenseitiger Evaluation.b) Ganzheit: die Aufstellung von Regeln für einen sicheren Raum, die sorgfältige Planung und Durchführung von Einstellungen und die Etablierung einer Besprechungspraxis.c) Sinn und Zweck: die Definition und Vermittlung des organisatorischen Sinns und Zwecks von Anfang an und die Etablierung konkreter Methoden, wie der eines leeren Stuhls bei Besprechungen (der dann eingenommen werden kann).
Die Transformation existierender Organisationen ist demgegenüber herausfordernder, weil bereits Existierendes und Etabliertes geändert werden muss. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt: Wenn die zwei genannten Grundvoraussetzungen (Geschäftsführer ist bereits entsprechend weit entwickelt und das Aufsichtsgremium unterstützt ihn oder sie) gegeben sind, dann klappt die Transformation in den meisten Fällen. Menschen auf den unteren organisatorischen Stufen lieben die Einführung der genannten Methoden und Prozesse, wohingegen das mittlere Management und das Topmanagement Schwierigkeiten haben (und zu einem größeren Teil auch im Zuge der Umstellung verschwinden). Wie man damit umgeht ist eine wichtige Frage, ebenso wie der Umgang mit Widerständen. Viele Jobs in der existierenden Hierarchie gehen verloren, doch die Erfahrung zeigt, dass diese Umstellung möglich ist, wenn die Grundvoraussetzungen stimmen.
Ergebnisse sind eine effizientere und effektivere Organisation und Kultur, in der die Macht verteilt ist und daher jeder und jede macht-voll ist. Die Menschen bringen sich mehr ein, Verwirklichungen und Entwicklungen geschehen, blockierte Energie wird befreit und weniger Energie wird verschwendet (in Egospielen, Beschwerdehaltungen und Besprechungen). Es entstehen mehr Klarheit und Weisheit, ein besseres Lebensgefühl, bessere und mehr Entscheidungsfindungen und Entscheidungsfindungen zur richtigen Zeit.
Das bisherige Bild von Organisationen war das Bild relativ starrer Strukturen gegenüber der Unkontrollierbarkeit der Evolution. Doch vielleicht sind wir jetzt soweit in unserer Entwicklung, die Kontrolle über das Leben aufzugeben hinsichtlich der engen Pläne, die wir gemacht haben, und stattdessen die Tür zu öffnen und die Evolution einzuladen, zu einer Lebenskraft zu werden für unsere gemeinschaftlichen Unternehmungen.
Ein Hinweis zum Buch
Das Buch kann zu einem festen Preis gekauft werden, es ist jedoch auch online als Download verfügbar und der Kunde entscheidet welchen Preis er oder sie dafür zu zahlen bereit ist.
Dazu der Autor: Ich kann nicht wissen, welchen Wert das Buch für Sie hat, und daher ist ein fester Preis keine gute Lösung. Dies ist ein Experiment im Bereich der Fülle, wo ich darauf vertraue, dass wenn ich gebe, ich dann auch bekomme.“
http://www.reinventingorganizations.com/
(aus: Online Journal Nr. 47)
Ich-Entwicklung
Der Begriff der Ich-Entwicklung wurde von Jane Loevinger (1966, 1976) geprägt, die im Zuge anderer Studien auf ein unerklärliches Muster in ihren Daten gestoßen war. Als sie erkannte, dass sich dahinter eine Entwicklungssequenz verbarg, entwickelte sie ein über vierzig Jahre währendes Programm, das sich der Messung und weiteren Erforschung dieses „Master traits der Persönlichkeit“ widmete. Nach ihr ist Ich-Entwicklung das spezifische Muster, wie eine Person sich selbst und die Welt wahrnimmt und interpretiert. Dieses Muster (Ich-Struktur) unterliegt im Zuge der Entwicklung mehrfachen Transformationen, die zu einer immer größeren Bewusstheit führen. Nach Loevinger ist das Ich nicht eine psychische Instanz (wie z.B. in der Psychoanalyse), sondern ein Prozess, der die Gedanken und Erfahrungen eines Menschen organisiert (vgl. William James Unterscheidung zwischen "I" und "Me"). Dieser Prozess des Selektierens und Interpretierens von Gedanken und Erfahrungen ist das, was die Stabilität der jeweils erreichten Ich-Entwicklungsstufe mit dem Eintritt des frühen Erwachsenenalters (Anfang bis Mitte Zwanzig) ausmacht.
Hintergrund
Dem Ich-Entwicklungs-Modell liegt ein konstruktivistisches Entwicklungsverständnis zugrunde, das auf dem strukturgenetischen Ansatz des Entwicklungspsychologen Jean Piaget gründet (2003). Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein Mensch Denkstrukturen aufbaut, mit denen er sich ein Verständnis seiner Welt erarbeitet. Von Entwicklung wird dann gesprochen, wenn diese Strukturen differenzierter und integrierter werden und damit ein immer adäquateres Abbild der Wirklichkeit möglich wird. Im Zuge dieser Entwicklung erfolgen qualitative Sprünge, bei denen es jeweils zu einer neuen internen Struktur kommt, die sich als Entwicklungsstufen beschreiben lassen. Geschieht dies, spricht man von einer Transformation, denn eine neue und umfassendere Art und Weise, sich selbst und die Welt zu erfassen, ist entstanden.
Stufen der Ich-Entwicklung
Die qualitativen Sprünge in der Ich-Entwicklung werden als Stufen bezeichnet. Im Ich-Entwicklungs-Modell von Loevinger werden insgesamt neun Stufen unterschieden (von der Geburt bis in das Erwachsenenalter). Ab der impulsiven Stufe (E2) kann diese mittels eines Satzergänzungstest reliabel und valide gemessen werden. Im Erwachsenenalter sind die frühen Stufen allerdings sehr selten. Im Folgenden werden die einzelnen Stufen kurz anhand zentraler Merkmale beschrieben. Die ersten beiden Stufen sind dabei ausgelassen, da diese im Erwachsenenalter kaum auftreten. Die letzten beiden Stufen werden nur sehr selten erreicht und sind erst in den letzten Jahren empirisch erforscht worden (Cook-Greuter, 1999).
Entwicklungsstufe Hauptcharakteristika
E 3 Selbstorientierte Stufe
Eigener Vorteil steht im Vordergrund, andere Menschen werden als Mittel zu eigener Bedürfnisbefriedigung gesehen, weniger als Wert an sich, opportunistisches Verhalten anderen gegenüber.
Eher kurzer Zeithorizont, Focus liegt zumeist auf konkreten Dingen (weniger abstrakten Aspekten), Feedback wird meist zurückgewiesen, stark stereotypes Handeln, Auge-um-Auge-Mentalität, überwiegend externale Schuldzuweisungen.
E 4 Gemeinschafts-bestimmte Stufe
Denken und Handeln sind vor allem an Regeln und Normen der relevanten Bezugsgruppen ausgerichtet, die eigene Identität wird durch diese definiert, Zugehörigkeit und Unterordnung unter deren Sichtweisen sind vorherrschend.
Gesichtswahrung ist zentral, starke Schuldgefühle, wenn Erwartungen anderer verletzt werden, Konflikte werden vermieden, Kontakte sind eher oberflächlich, es wird vorwiegend in Entweder-oder-Kategorien gedacht.
E 5 Rationalistische Stufe
Orientierung an klaren Standards, sehr rationales Denken und kausale Erklärungen herrschen vor. Motivation, sich abzuheben von anderen. Feste Vorstellungen, wie Dinge sind und laufen sollen.
Beginnende Selbst-Wahrnehmung, Selbstkritik und Sehen verschiedener Perspektiven sowie Suche nach Motiven für Verhalten, eher enges fachliches Denken und Betonung von Effizienz statt Effektivität.
E 6 Eigenbestimmte Stufe
Voll entwickelte und selbst definierte (eigene) Werte, Vorstellungen und Ziele (ausgebildete Identität). Starke Zielorientierung und Selbstoptimierung.
Komplexität von Situationen wird akzeptiert, reiches Innenleben, Gegenseitigkeit in Beziehungen, Respekt vor individuellen Unterschieden (eigener Schatten der Subjektivität wird häufig nicht gesehen).
E 7 Relativierende Stufe
Beginnendes Bewusstsein darüber, wie die eigene Wahrnehmung die Sicht auf die Welt prägt, stärkeres Hinterfragen der eigenen Sichtweisen (und der von anderen Menschen). Relativistische Weltsicht.
Größere Bewusstheit gegenüber inneren/äußeren Konflikten und Paradoxien (ohne diese integrieren zu können), sehr individuelle/persönliche Art.
E 8 Systemische Stufe
Voll ausgebildete Multiperspektivität, gleichzeitige Prozess- und Zielorientierung, systemisches Erfassen von Beziehungen (Zirkularität). Fähigkeit, sich widersprechende Aspekte und Meinungen zu integrieren. Hohe Motivation, sich selbst weiter zu entwickeln.
Offene, kreative Auseinandersetzung mit Konflikten, hohe Toleranz für Mehrdeutigkeit. Hoher Respekt vor Autonomie anderer Personen und Aussöhnung mit eigenen als negativ erlebten Anteilen.
E 9 Integrierte Stufe
An kein explizites System (Werte, Einstellungen, Praktiken etc.) mehr gebunden, Erfahrungen werden laufend neu bewertet und in andere Zusammenhänge gestellt („reframing mind“). In hohem Maße selbstaktualisierend.
Kann Paradoxien integrieren, hohe Bewusstheit gegenüber eigenem Aufmerksamkeitsfokus, besonderes Gespür für Symbolik.
E 10 Fließende Stufe
Bedürfnis, Dinge und Personen zu bewerten, wird aufgegeben. Verschmelzen mit der Welt, kein weiteres Festhalten, sondern sich auf den Fluss der Dinge einlassen.
Spielerische Abwechslung zwischen Ernst und Trivialem, Ineinanderübergehen unterschiedlicher Bewusstseinszustände, Denken in Zeitzyklen und historischen Dimensionen, volles Akzeptieren von Andersartigkeiten und Menschen, wie sie sind.
https://www.youtube.com/watch?v=yk-mkyEcWdE
BODHISATTVAS
MÜSSEN ZU POLITIKERN WERDEN
Interview mit Ken Wilber von Frank Visser
Aus: TRANSPERSONALE PERSPEKTIVEN - Vol.5/98
erscheint im Dezember 1998
Was ist Ihrer Meinung nach der momentane Stand transpersonaler Forschung? Welchen Reifegrad hat dieses Gebiet erlangt? Führt es zu etwas? Stagniert es?
Der transpersonale Forschungsbereich hat in der Tat an Reife gewonnen, obwohl das eine vergleichsweise junge Disziplin ist. Aber ich muß auch bekennen, daß sie aus meiner Sicht tatsächlich für eine Dekade oder so stagniert hatte. Sehr gute Arbeit wurde geleistet, und einige ausgesprochen brilliante Theoretiker stellten hervorragende Studien an, aber am Horizont zeichnete sich nichts wirklich Neues oder Aufregendes ab, so schien es mir jedenfalls. Ich glaube das Problem war, daß dieser Bereich noch sehr damit beschäftigt war, Wege zu suchen, um die transpersonale Psychologie in breitere Themenfelder und Zusammenhänge einzuführen. Die transpersonale Psychologie war immer noch im Begriff, sich überhaupt auf ein Feld transpersonaler Forschung auszuweiten. Wissen Sie, das ist ziemlich vertrackt, weil "transpersonale Psychologie" ja in sich geradezu einen begrifflichen Gegensatz darstellt. Es ist ein bißchen, als ob man von "transpersonal personal" oder "transpsychologischer Psychologie" sprechen würde. In den Weisheitstraditionen ist immer eine Unterscheidung getroffen worden zwischen der Psyche - als individueller Geist oder Selbst - und Pneuma - dem transindividuellen Geist. Und transpersonale Psychologie befand sich immer in der delikaten Lage, einen Psycho-logischen Forschungsansatz innerhalb eines eigentlich Pneuma-logischen Bereiches darzustellen, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Daher ist in vielen von uns das Gefühl entstanden, daß der wahre Kern transpersonaler Psychologie sich über alles, was man noch mit einiger Berechtigung Psychologie nennen könnte, hinausbewegt hat, und mehr und mehr verweist auf Disziplinen wie spirituelle Philosophie, Ontologie, Epistemologie - all diese "metaphysischen" Begriffe, die heutzutage von Leuten, die sich selbst als professionelle Philosophen betrachten, so ausgesprochen gering geschätzt werden.
Hier gab es also einen Druck, der die transpersonale Psychologie zwang, sich in ein breiteres Feld transpersonaler Forschung auszudehnen?
Ja, das ist richtig. Ein weiterer Druck bestand darin: Das Fachgebiet Psychologie führt unweigerlich zur Soziologie, die führt dann unweigerlich zur Anthropologie, und von hier zur Philosophie. Und dann, merkwürdigerweise, bizarrerweise, führt das zur Politik.
Das geht so: Ein wichtiger Zweig der Psychologie ist die Psychotherapie. Alle Schattierungen der Psychotherapie nehmen ihren Ausgangspunkt an der Tatsache, daß Menschen unglücklich sind. Psychotherapie versucht, die Ursachen dieses Unglücklichseins in den Köpfen der Menschen oder in ihrem Verhalten aufzuspüren. Jemand der eine "Geisteskrankheit" hat, eine "Neurose" oder eine "erlernte Anpassungsstörung", welche Bezeichnung auch immer, dieser Mensch ist "beeinträchtigt" in seinem Realitätsbezug. Dem wird jeder zustimmen.
Aber: Was ist Realität? Wie die Komödiantin Lily Tomlin sagt: "Was ist Wirklichkeit? Nichts als eine gemeinsame Ahnung." Anders ausgedrückt, ist das, was wir Wirklichkeit nennen, nicht in einem hohen Maße ein soziales Konstrukt? Wie können wir sagen, jemand sei in seinem Realitätsbezug beeinträchtigt, ohne zu wissen, worauf genau er sich beziehen soll? Was, wenn Sie beeinträchtigt sind in ihrem Realitätsbezug auf eine Gesellschaft von lauter Nazis? Wäre das nicht eher ein Zeichen für geistige Gesundheit, keine Krankheit?
Wenn man also "psychische Krankheit" definieren will, muß man plötzlich definieren, was eine "gesunde" Gesellschaft ist. Es gibt keinen anderen Weg, um zu bestimmen, was "beeinträchtigter Realitätsbezug" eigentlich heißen soll. Beeinträchtigt in bezug worauf? Krankheit im Vergleich zu welcher Definition von Gesundheit?
Dann - als Theoretiker - wird man wohl damit anfangen müssen, sich verschiedene Gesellschaften und Kulturen genauer anzusehen, und zu verstehen suchen, wie Menschen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Gesundheit oder Normalität, oder gar "Realität" definiert haben. Und das wird uns dann sehr rasch zur Anthropologie bringen, also zur Beschäftigung mit der Entwicklung der menschlichen Spezies im allgemeinen.
Und schon geht es zurück in die Geschichte und in die Vorgeschichte, man versucht in alledem einen Sinn zu finden, herauszufinden, was es bedeuten könnte, "normal" zu sein, weil man anders keine Möglichkeit hat, die Bedeutung von unnormal oder krank zu definieren; und deswegen - mal ganz ehrlich - haben wir eigentlich überhaupt nichts, was wir unseren Patienten wirklich empfehlen könnten. Wie können wir sie "gesund machen", wenn wir noch nicht einmal sagen können, was Gesundheit ist?
Und - ich bedaure es, das innere Geheimnis der Anthropologie aufzudecken - aber die Anthropologie birgt keinerlei Antwort. Alles was wir finden werden, ist die Tatsache, daß menschliche Wesen vor ungefähr, sagen wir mal 400.000 Jahren, die Weltbühne betreten haben. Dann treibt ein heftiger Wildwuchs von Kulturen und Gesellschaften seine Blüten, und Tausende verschiedener Normen und Regeln und Glaubenssysteme und Verfahrensweisen und Ideen und Künsten und was man sich sonst noch so vorstellen kann, explodieren förmlich auf dieser Bühne.
Man wird dann also sehr bald feststellen, daß man noch nicht einmal beginnen kann, hier etwas zu begreifen, ohne irgendeine Form geistiger Kategorien, die einem helfen, diesen heterogenen Wust zu ordnen, zu klassifizieren und zu strukturieren. Was ist nützlich und was nicht? Was ist gut, was schlecht? Was ist wertvoll und was unwichtig? Was ist wahr und was falsch? Und schon ist man plötzlich ein Philosoph.
Oh nein! Man kann noch nicht einmal anfangen, etwas vom menschlichen Dasein zu begreifen, ohne tief in philosophische Themenkreise einzutauchen. Sogar jene, die der Philosophie jegliche Bedeutung oder Validität absprechen - sie führen philosophische Gründe an für ihre Ablehnung! In anderen Worten, ob man mag oder nicht, Mensch sein heißt Philosoph sein. Die einzige Wahlmöglichkeit besteht darin, ob man ein guter oder ein schlechter sein möchte.
Und dann, wenn man denn nun versuchen will, ein guter Philosoph zu sein, passiert es: Sobald man sich als Philosoph erlaubt, tatsächlich ein paar triftige Schlüsse zu ziehen - über das Wesen von Wirklichkeit, die Natur des Menschen, des Geistes, des Guten, Wahren und Schönen - dann wird man sehr schnell feststellen, daß mit zwingender Notwendigkeit versucht werden muß, die Gesellschaft zu einem Ort zu machen, an dem eine größtmögliche Anzahl von Menschen die Möglichkeit haben, das Gute und das Wahre und das Schöne anzustreben. Das wird dann zu einem brennenden kategorischen Imperativ, der sich mit seiner unerbittlichen moralischen Forderung in die Seele hineinfrißt.
Foucault hat auf eine der großartigen Sachen bei Kant hingewiesen, nämlich, daß er als erster moderner Philosoph die zentrale Frage gestellt hat, was es für eine Gesellschaft bedeutet, aufgeklärt (erleuchtet, A.d.Ü.) zu sein, in seinem Aufsatz "Was ist Aufklärung?". Wohlgemerkt, nicht einfach "Aufklärung" (engl. "Enlightenment" = meint im doppelten Sinn Aufklärung und Erleuchtung - A. d. Ü.) für Sie oder für mich, sondern für die Gesellschaft als Ganzes! Oder Karl Marx: Die Philosophen der Vergangenheit haben lediglich versucht, Wirklichkeit zu verstehen, während die wirkliche Aufgabe darin liegt, sie zu verändern. Sozial verpflichtet zu sein!
Und schon befindet man sich, als moderner Philosoph, im weiten Feld politischer Theorie. Man wird sich klar darüber, daß Bodhisattvas wohl oder übel zu Politikern werden müssen, so gruselig das zunächst auch klingen mag.
Und das geschieht also auch mit transpersonaler Psychologie?
Ja, die transpersonale Psychologie ist durch all diese Phasen gegangen. Sie begann mit Abraham Maslow und Anthony Sutich und einer Handvoll Leuten, die zum größten Teil professionell ausgebildete Psychologen waren. Auf der Basis dieses handfesten und soliden Fundaments hat sie sich rasch in zahlreiche Unterbereiche verzweigt, wie Roger Walsh und Frances Vaughan gezeigt haben (in: Paths Beyond Ego): Transpersonale Soziologie, transpersonale Anthropologie, transpersonale Ökologie, transpersonale Ethik, transpersonale Prozeßarbeit, transpersonale Philosophie, transpersonale Politik, transpersonale Transformation (wie in Michael Murphy's monumentalem Werk Die Zukunft des Körpers) - um nur einige zu nennen. Und all das, wie Michael Washburn so hilfreich darlegen konnte, wird jetzt als das transpersonale Arbeitsfeld gesehen. Und das ist sehr, sehr aufregend. Um eine Parallele zu ziehen: erinnern Sie sich, daß die Psychoanalyse einige ihrer größten Wirkungen in Bereichen erzielte, die ebenfalls jenseits der Psychologie lagen. Sie hatte einen wesentlichen und tiefgehenden Einfluß auf die Literatur, auf die Literaturwissenschaft, auf Theorie und Diskurs in der Politikwissenschaft (die enorm einflußreiche Frankfurter Schule - Horckheimer, Adorno, Fromm, Marcuse, Habermas - liefert ein konkretes Beispiel für den Versuch einer Integration der Gedanken von Freud und Marx), auf die Kunst und Kunstbetrachtung (die Surrealisten zum Beispiel), auf Pädagogik, Erziehungswissenschaft und -praxis. Weil die Psychoanalyse tatsächlich Zugang zu einigen äußerst wichtigen (wenn auch begrenzten) Wahrheiten fand, hat sie sich als außerordentlich einflußreich für diverse andere Bereiche erwiesen und ist förmlich über die engen Grenzen der Psychologie hinaus explodiert.
Und ich denke wir sind im Begriff, etwas ähnliches in bezug auf den transpersonalen Bereich zu erfahren, vielleicht nicht ganz so breit gefächert, aber zumindest recht ähnlich. Sein Einfluß reicht immer mehr über das Gebiet der Psychologie hinaus, und viele von uns haben bereits auf diesem weit größeren Feld des transpersonalen Bereichs gearbeitet, so auch ich in meiner eigenen Arbeit der letzten Zeit.
Wie würden Sie Ihre Arbeit charakterisieren? Wie charakterisieren Sie Ihren speziellen Ansatz in Bezug auf das Transpersonale?
Nun, mein Ansatz hat ebenfalls dieses Grundmuster durchlaufen, von der Psychologie zur Soziologie und Anthropologie, zur Philosophie, zur politischen Theorie. Tatsächlich können Sie das an meinen Büchern sehen: Das Spektrum des Bewußtseins, Ohne Grenzen, und Projekt Atman waren meine ersten drei Bücher und sind im weiteren Sinne als psychologische Bücher verstehbar. Dann: Up from Eden und A Sociable God, die Anthropologie und Soziologie betreffen. Dann Auge in Auge, eine sehr philosophische Arbeit. Und dann meine ganz neuen Sachen, die ziemlich schwer zu beschreiben sind, weil sie sich sozusagen auf alles beziehen.
Alles?
Nun, ich bin dabei, eine Trilogie namens Kosmos zu schreiben, die zumindest versucht, alle wesentlichen Bereiche menschlichen Wissens zu berühren. Der erste Band ist gerade auf Englisch erschienen, er heißt: Sex, Ecology, Spirituality: the Spirit of Evolution. Es ist ein extrem langes Buch mit über achthundert Seiten, was die Übersetzungsmöglichkeiten einschränkt, aber eine populärere Version namens A Brief History of Everything wird gerade in Deutsch, Holländisch, Französisch, Italienisch und andere europäische Sprachen übersetzt, so daß man wenigstens sehen kann, worum es mir geht.
Aber meinen Sie mit "Alles" denn wirklich Alles?
Womit wir es zu tun haben, ist: Wenn die transpersonale Richtung irgendeinen glaubwürdigen Wert besitzt, dann sollte sie sich auch auf buchstäblich jeden Aspekt menschlichen Strebens anwenden lassen. Sie müßte etwas Interessantes über alles auszusagen haben, von der Physik bis zur Psychologie, von der Philosophie zur Politik, von der Kosmologie bis zum Bewußtsein.
Aber das kann man nicht eklektisch anpacken, oder als einen Eintopf unzusammenhängender Bemerkungen und Beobachtungen. Da muß es etwas geben, was in die Richtung von Kohärenz und integrativer Aussagekraft geht. Die transpersonale Ausrichtung muß in der Lage sein, eine enorme Anzahl von Disziplinen in eine ziemlich vollständige, kohärente, plausible, einleuchtende Vision zu bündeln.
Nun muß man natürlich erst einmal sehen, ob das überhaupt machbar ist. Es könnte auch schlicht unmöglich sein, aus vielen Gründen. Aber "sticht ihn der Hafer, geht der Esel aufs Eis", und dieser Esel hier ist drauf gegangen. Das ist es, was die Kosmos-Trilogie anzugehen versucht - eine verständliche Anzahl von Wissensdisziplinen zu integrieren. Ob das nun klappt oder nicht, nun, das wird man zunächst mal abwarten müssen. Aber ich denke, daß es zumindest den Leuten helfen wird, ihre eigenen Visionen in einem verständlicheren und umfassenderen Maße auszuformen.
Wie hat sich Ihre Sichtweise über die Zeit entwickelt? Was ist geblieben? Was wurde verworfen?
Ja, sicherlich, meine Ansichten haben sich entwickelt, wie ich hoffe entlang der Linien dieses wundervollen Zitates von Erich Jantsch: "Evolution ist Selbst-Entwicklung durch Selbst-Transzendenz." Ich hoffe, daß ich mich entwickelt habe, und bete, daß ich mich transzendiert habe. In anderen Worten, eine Evolution durchlaufen habe.
Aber ich muß auch sagen, ich bin vielleicht einer der größten lebenden Glückspilze, was vergangene Veröffentlichungen angeht, insofern, als daß ich mich immer noch ziemlich wohl fühle mit fast allem, was ich geschrieben habe. Ich habe die Themenfelder meiner Schriften sehr stark ausgedehnt, aber meine frühen Werke bleiben immer noch, so glaube ich, sehr solide.
Dies trat erst neulich wieder deutlich an mich heran, weil ich durch eine Serie interessanter Zufälle dazu kam, im Laufe einer Woche Vorworte zu drei meiner frühen Bücher zu schreiben, die in neuen englischen Ausgaben aufgelegt werden. Wenn ein Autor ein Vorwort schreibt zu einer Arbeit, die vor ein oder zwei Dekaden verfaßt worden ist, dann erklärt das Vorwort im allgemeinen, warum der Autor nicht mehr an das Buch glaubt: "Ach, ich habe meine Meinung geändert, das war ein interessanter erster Versuch, andere können aus meinen Fehlern lernen, ich bin zu einer anderen Auffassung gelangt" - und so weiter. Ich war sehr froh feststellen zu dürfen, daß ich weiterhin meine frühen Bücher ernsthaft empfehlen kann.
So habe ich also anscheinend meine eigene Arbeit "transzendiert" und beziehe sie weiter mit ein. Ich habe beinahe alle wichtigen Konzepte der frühen Zeit beibehalten. Damals, als ich diese frühen Bücher schrieb, glaubte ich ausgesprochen fest daran, daß ihre Grundgedanken richtig seien: Und ich glaube, daß sie immer noch ausgesprochen richtig sind - mit ein wenig Feinanpassung (letztendlich reflektieren sie im Grunde die Philosophia perennis, daher ist das keine so besonders grandiose Leistung meinerseits). Aber ich habe in der Tat den Horizont meiner Arbeit erweitert. Ich versuche - wohlgemerkt versuche - die transpersonale Sichtweise auf allen Gebieten menschlichen Wissens zum Tragen zu bringen. Ich möchte hoffen, daß mein Werk ein Beispiel für eine tatsächliche "Welt-Philosophie" ist, indem es Osten und Westen, Norden und Süden respektiert und mit einschließt. Aber das sollte zweifelsohne von anderen beurteilt werden.
Ist Ihre Arbeit auf irgendeine substantielle Kritik gestoßen - aus dem transpersonalen Bereich?
Ja, auf jeden Fall. Und diese Kritik ist wichtig, wie ich meine, und ich nehme sie sehr ernst. Gleichzeitig möchte ich sagen, daß ich glaube, meine Position besitzt mehr Evidenz. Ich denke, mein Standpunkt hat das, was Habermas die "zwanglose Kraft des besseren Argumentes" nennt. Aber auch das sollte offensichtlich von anderen beurteilt werden.
Die wesentlichen alternative Ansätze zu Ihrem scheinen die von Grof und Washburn zu sein. Beide nehmen einen regressiven Blickwinkel auf das Wesen des Geistes ein: Wir müssen zu dem zurückkehren, was wir verloren haben (in unserer persönlichen Biographie). Irgendwelche Kommentare?
Ich habe ausgesprochenen Respekt für Stan Grof. Er ist ganz einfach ein außergewöhnlicher Mensch, und ich bin glücklich, ihn Freund nennen zu dürfen. Ich war immer sehr von seinen Schriften beeindruckt und habe sie immer ganz besonders weiterempfohlen. Was Michael Washburn betrifft, trotz der intensiven Natur unserer Debatte: Ich war von Anfang an ein Fan seines Schaffens. Als ich Herausgeber des ReVision Journal war, habe ich übrigens besonders hart dafür gekämpft, sein Werk veröffentlicht zu sehen. Obwohl es häufig von meiner eigenen Arbeit abweicht, fand ich seine Ideen immer klar und kraftvoll artikuliert. Ich war schon immer ein Befürworter der Veröffentlichung seines Schaffens, damit man alternative Konzeptionen kennenlernen und sich eine eigene Meinung bilden kann.
Denken Sie denn, daß es Probleme bei ihren Ansätzen gibt?
Ja, das vorausgeschickt, denke ich allerdings, daß es da einige Begrenzungen in ihren Ansätzen gibt, ziemlich nah entlang der Linien, die sie selbst skizziert haben: In einer letztendlichen Analyse sind beide Ansätze regressiv. Zwei wichtige Punkte sollten hier erwähnt werden.
Erstens, ich streite keinesfalls ab, daß die früheren Stadien der Entwicklung unterdrückt, verdrängt, verzerrt, entfremdet sein können; und daß "psychische Gesundheit" daher auch verlangt, daß wir mit den verdrängten oder entfremdeten Aspekten unseres Seins wieder Berührung aufnehmen. Seit Freuds Zeiten hat die Moderne diesen Gedanken völlig akzeptiert und ich akzeptiere ihn auch.
Das Problem ist doch aber: Wir können Entwicklung nicht in den Begriffen der Verdrängung definieren. Wenn die menschliche Entwicklung tatsächlich von Verdrängung vorangetrieben würde, dann gäbe es schlicht keinen Grund, warum sie überhaupt vorangehen sollte. Wenn Sie auf einer Pflanze rumtrampeln, hört sie auf, zu wachsen, Punkt. Auch wenn sie dahinsiecht und dann vielleicht doch noch ein bißchen vor sich hin wächst. Hier liegt der eigentliche Punkt.
In anderen Worten: Das hauptsächliche und wichtigste Prinzip ist das des Wachstums, oder Selbstentfaltung, Evolution, Entwicklung. Das ist zunächst mal da. Und dann, gar keine Frage, im Lauf von Evolution und Wachstum, können bestimmte Fähigkeiten und Potentiale unterdrückt und verdrängt werden. Aber das ist nicht der Mechanismus von Entwicklung, sondern etwas, was dabei schiefgehen kann. Besonders Washburn mißversteht diesen höchst simplen Sachverhalt.
Was Stan betrifft, so ist er viel sorgfältiger und geschickter, und er würde niemals sagen, daß die geistige Seinsebene lediglich wieder hereingeholt werden muß, weil sie ja im Lauf des Lebens verloren gegangen ist. Aber schauen Sie, zu etlichen Gelegenheiten klingt er ausgesprochen so, als ob er genau das sagen würde. Ich lese diesen Gedanken aus seinen Schriften heraus, und aufgrund Ihrer Fragestellung nehme ich an, Sie tun das auch. Also lassen Sie uns zumindest gemeinsam dafür appellieren, daß Stan seine Ansichten klarer ausführt.
Macht der Begriff des "Wesensverlustes" überhaupt Sinn? Und daher der Gedanke, daß sich menschliche Wesen "zum Wesen zurückwenden" sollten?
Oh, natürlich. Auf jeden Fall. Aber das ist nicht etwas, das auf Altersstufe eins oder zwei oder drei verloren ging! Die Weisheitstraditionen sprechen alle von der Schöpfung des Universums als einem "Wegfallen" vom Wesen oder von der Gottheit oder vom Geist (im Original verwendet Wilber hier das deutsche Wort "Geist" - A.d.Ü.) - welchen Ausdruck Sie auch immer bevorzugen. Dieses "Wegfallen" oder "Entleeren" (zum Beispiel Hegels Abfall, oder die Kenosis der christlichen Mystiker - es gibt so viele Beispiele!) ist nicht an sich "schlecht" - es ist eher des Geistes Überfluß, des Geistes Fülle, des Geistes Art und Weise des Erschaffens. Aber wir Menschen - durch eigene Verantwortung - lassen uns von dem phänomenalen Schauspiel derart intensiv in Beschlag nehmen, daß wir es für wirklich halten. Wir glauben an das Phänomen und keineswegs an das Numen. Daher leiden wir. Daher haben wir Teil an der Mathematik des Schmerzes und an dem Foltermechanismus namens "Selbst".
Aber dieser "Fall" ereignet sich nicht während des biologischen Geburtsvorganges, oder während des ersten Lebensjahres, oder irgend so was. Er ereignet sich mit dem Big Bang: Samsara tritt in die Erscheinung, als ein wundervoller Ausdruck der freudvollen Schöpfung des Geistes, einer Schöpfung allerdings, die durchblickt werden will, bis hin zu ihrer Quelle, glasklar. Und das Kleinkind lebt ganz entschieden nicht in der Quelle. Da geht in den Vorstellungen eine ganze Menge durcheinander. Das Kleinkind muß wachsen und sich entwickeln - genau wie die anderen Teile der Evolution - vom präpersonalen Stadium zum personalen und transpersonalen, vom Unterbewußten zum Selbst-Bewußtsein zum Überbewußtsein, vom Instinkt zum Ich zum Geistigen - um hierin seine höchste Identität wieder zu entdecken. Aber, sehen Sie, das hat nun gar nichts mit der Geburt von der biologischen Mama zu tun.
Das amerikanische Magazin New Age hat kürzlich in einem Artikel über Sie bemerkt: "So warm und sympathisch er auch auf der persönlichen Ebene sein mag, Wilber ist ein Samurai-Krieger, der keine Gefangenen macht". Kommentare dazu?
Wir alle im transpersonalen Bereich - das brauche ich Ihnen nicht zu sagen - werden von konventionellen Theoretikern betrachtet als völlig schrullig, übergeschnappt, abgedreht, verrückt. Man sieht uns als eine Art Phrenologen des Universums an. Wohlmeinend, aber völlig spinnert.
Als Schriftsteller habe ich daher versucht, sehr kritisch, sehr genau, sehr scharf, sehr intensiv zu sein. Wenn man das "Samurai" oder "Krieger" nennen will, bitte schön. Das stört mich nicht. Der Punkt ist jedoch ganz einfach, daß man in der Tat eine sehr mystische und transpersonale Sichtweise anbieten kann, die überhaupt nicht abgedreht ist. Kierkegaard weist darauf hin, daß sich die Wahrheit nur enthüllt, wenn man sie mit der Intensität der Verrücktheit angeht - keine Gefangenen! - und ich stehe in dieser Tradition.
Allerdings bedaure ich es, daß sich manche Leute von diesem leidenschaftlichen Ansatz und Stil verärgern lassen. Auf der emotionalen Ebene fühle ich mich überhaupt nicht wohl mit Konflikten - ich wünsche mir wirklich, daß sich alle mögen. Aber bedauerlicherweise schafft das Ringen um Wahrheit auch Feinde. Und vielleicht sind meine Ansichten völlig falsch, vielleicht richtig. So oder so, schafft das Gegner, und ich habe lernen müssen, damit klarzukommen.
Ein lustiger Aspekt dieses Zitats aus New Age von wegen "Samurai-Krieger" besteht darin, daß nahezu jeder in amerikanischen transpersonalen Kreisen "Kriegerschaft" durchaus befürwortet. Tonnen von Büchern sind zu dem Thema geschrieben worden - jeder in Amerika möchte ein "Krieger" sein; jeder möchte dem Krieger zujubeln. Nur will anscheinend so gut wie niemand tatsächlich einen treffen. Kommt es doch mal vor, ärgern sie sich eher.
Bin ich denn ein Krieger? Keine Ahnung. Sicherlich denke ich das nicht von mir selbst. Ich befürchte, das werden Sie selbst beurteilen müssen. Ich denke von mir selbst ganz einfach, daß ich mich der transpersonalen Sache leidenschaftlich verpflichtet fühle und aufgrund dieses intensiven Engagements halte ich es manchmal für notwendig, anzugreifen. Ich wünschte, es wäre anders.
Mit welchen Projekten befassen Sie sich im Moment? Welche Perspektiven sehen Sie für Ihre Karriere als Schriftsteller?
Da gibt es die bereits erwähnte Kosmos-Trilogie und ihre Zusammenfassung A Brief History of Everything. Und, so merkwürdig das klingen mag, ich denke ganz ernsthaft daran, Romane zu schreiben.
Warum?
Na ja, zunächst mal haben Romane keine Fußnoten. Hie und da wird es einfach recht mühsam, jeden dahingestammelten Satz belegen zu müssen. Ich denke, ich habe mir das Recht erworben - nach einem Dutzend Bücher - ganz einfach eine Welt heraufzubeschwören, ohne das belegen zu müssen.
Aber darüber hinaus ist die Erzählung eine extrem kraftvolle Form der Kommunikation. Sehen Sie mal hin, was einfache "fiktionale" Werke schon alles bewirken konnten: Harriet Beechers Stowe's Onkel Toms Hütte hat nahezu aus dem Stand die Sklaverei in den Staaten beendet. Wir haben Rousseau's Emile, Goethe's Leiden des jungen Werther, Thomas Mann's Buddenbrocks. Die weltweite Umwelt-Bewegung wurde fast schon unmittelbar von Rachel Carson's Silent Spring losgetreten - es ist nicht wirklich ein Roman, aber es liest sich so, und es zeigt sehr schön die Macht der Erzählform. Übrigens hat Freud höchstpersönlich lediglich eine wichtige Auszeichnung in seinem Leben erhalten, das war der Goethe-Preis für Literatur!
Und ich denke, es ist keine Überraschung, daß einer der meistrespektierten Politiker unserer Zeit (und einer meiner Helden), Vaclav Havel, im Grunde ein Mann der Literatur ist. Das ist richtig und gut. Es ist eine sehr edle Form der Kommunikation und sehr interessant für mich.
Was gibt es noch zu sagen?
Ich wünschte, ich würde in Amsterdam leben. Im Ernst. Amerika hat keine große Tradition transzendentalen Schaffens: William James, Ralph Waldo Emerson, Josiah Royce, und das war's auch fast schon. Außerdem sind Amerikaner Cowboy-Pragmatiker, das ist sehr entmutigend. Und wenn sich Amerikaner schon mal für "transpersonale Belange" interessieren, dann ist das beinahe immer ziemlich verrückt und regressiv.
Aber ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir uns alle der Bedeutung transpersonaler Praxis entsinnen sollten. Unsere Praxis kann Meditation sein, oder Yoga, oder Kontemplation, oder Visionssuche, oder Satsang, oder spirituelle Übung oder jede Form von Arbeit in Ausgeglichenheit.
Ganz ernsthaft, wir müssen praktizieren. Nicht viele Leute verstehen, daß Thomas Kuhn's extrem einflußreicher Begriff des "Paradigmas" nicht einen neuen konzeptionellen Gedanken meint; er meint eine neue Praxis, die Kuhn in "exemplarisch" umbenannt hat. Und die Praxis, das Paradigma, das Exemplarische des transpersonalen Ansatzes ist: Meditation oder Kontemplation, welcher Name auch immer.
Daher: Bitte praktiziert! Bitte laßt das Eure Führung sein. Und ich bin überzeugt, wenn Eure Praxis reift, dann werdet Ihr feststellen, daß der Geist zu Euch herunterreicht und jedes Eurer Worte und Taten segnen wird, und Ihr werdet weit über Euch selbst hinaus getragen werden, und das Göttliche wird strahlen im Licht von tausend Sonnen, und Pracht und Herrlichkeit wird Euch geschenkt werden, und Ihr werdet auf jede erdenkliche Weise zu Hause sein. Und dann, trotz all Eurer Entschuldigungen und all Eurer Einwände, werdet Ihr den Drang verspüren, Eure Vision mitzuteilen. Und genau aus diesem Grunde werden wir, Ihr und Ich, zueinander finden. Und das wird die wahre Rückkehr des Geistes zu sich selbst sein.
Ihr und ich werden einander finden. Und in unserem Dialog, in unserem gegenseitigen Erkennen und in unserer Freundschaft und unserem Respekt füreinander - bald sogar unserer Liebe füreinander! - werden wir den Geist des Kosmos selbst verkörpern, und dieser Vision höchste Ehre erweisen. Der sublime Ralph Waldo Emerson: "Das allgemeine Herz jeder ernsthaften Konversation ist Gottesdienst." Und der wunderbare, wunderbare Hölderlin: "Ruhig lächelten wir, erspürten unseren eigenen Gott im intimen Gespräch, im Einklang unserer Seelen."
Im Einklang unserer Seelen.
Danke für dieses Gespräch.
Frank Visser ist Autor des Buches
"Ken Wilber: Denken als Passie" (Lemniscaat, 1999).
Zudem ist er Redaktionsmitglied von Panta, dem Organ der holländischen Sektion der International Association, in dem dieses Interview zuerst veröffentlicht wurde (Ausgabe Frühling '96).
Die deutsche Übersetzung besorgte Martin Gruber.
EIN SHAMBHALA INTERVIEW
MIT KEN WILBER
Über Kritiker, das Integrale Institut, meine neueren Schriften,
und andere weniger wichtige Themen
DER RÜCKZUG VON DER TRANSPERSONALEN PSYCHOLOGIE
Shambhala: Wir haben verschiedene Themen die wir gerne besprechen möchten, also fangen wir gleich an. Zuerst, ihr Rückzug aus der transpersonalen psychologischen Bewegung. Das verursachte einige Aufregung. Sie galten als einer ihrer führenden Theoretiker, und doch haben sie dieser Bewegung einfach den Rücken gekehrt.
KW: Nun, wie ich schon auf früheren Veröffentlichungen dieser Webseite [www.Shambhala.com, „A Summary of My Psychological Model“] gesagt habe, hörte ich schon 1983 damit auf, mich als transpersonalen Psychologen zu bezeichnen. Weil ich darüber öffentlich nicht viel gesprochen habe, vermute ich, dass nur wenige zur Kenntnis genommen haben, dass ich praktisch schon vor zwei Jahrzehnten von dieser Bewegung Abstand genommen habe. Zu der damaligen Zeit war das eine sehr schwierige Entscheidung, die mich innerlich sehr beschäftigte, und die ich mir nicht leicht gemacht habe.
Shambhala: Betrachten Sie sich heute als einen Teil der transpersonalen Bewegung?
KW: Nein, das tue ich nicht.
Shambhala: Erzählen Sie uns etwas darüber.
KW: Nun, das grundlegende Problem dabei ist, dass die transpersonale Psychologie, was ihr grosser Verdienst ist, die erste Schule der heutigen Psychologie war, die Spiritualität ernst nahm. Doch weil es grosse Differenzen bezüglich der Frage gibt, was Spiritualität ausmacht, gibt es grosse Differenzen darüber worin eine transpersonale Psychologie selbst besteht. Und dies sind keine kleinen inneren Spannungen wie man sie z.B. in den verschiedenen Schulen der Psychoanalyse oder der Jung'schen Psychologie findet . Nein, hier handelt es sich um wesentliche innere Trennungslinien, und sich reibende Meinungsverschiedenheiten über das Wesen, den Geltungsbereich, und die Rolle der transpersonalen Psychologie selbst. Und damit ist der Boden bereitet für eine Fülle von politischen Spaltungen und sich bekriegenden Ideologien. Das ist der Grund dafür, so glaube ich, dass in drei Jahrzehnten, und abgesehen von ein oder zwei bestimmten Theoretikern, die derzeitige Schule der transpersonalen Psychologie keinen wesentlichen Einfluss ausserhalb der Bay Area (eine Gegend in Kalifornien) hatte, und sich heute, und da stimmen mir viele Menschen zu, sich in einem irreversiblen, endgültigem Abstieg befindet. Was von den vier Kräften (behavioristisch, psychoanalytisch, humanistisch, transpersonal) überlebt, überlebt - wenn überhaupt - nur durch die Aufnahme in einen integralen Ansatz [siehe „A Summary of My Psychological Model“, Abschnitt „Der Tod der Psychologie und die Geburt des Integralen“, veröffentlicht auf dieser WebSeite (A. d. Ü: damit ist im folgenden die Internetadresse www.Shambhala.com gemeint)].
Shambhala: Wir kommen auf den integralen Ansatz später zurück. Doch zuerst, welches sind die Haupt-Gruppierungen der transpersonalen Psychologie, aus ihrer Sicht?
KW: Da gibt es im Wesentlichen vier, mit vielen Variationen Zum einen ist da eine magisch-mythische Gruppe (diese Worte in einem strikten Gebserschen Sinn verwendent). Dies ist eine wichtige Dimension des menschlichen Bewusstseins, und sie muss in jede integraler Psychologie berücksichtigt werden. Sie ist jedoch nicht, meiner Ansicht nach, die am tiefsten reichende Dimension des Seins. Dieser Ansatz, so scheint es mir, hat die Tendenz, prärationale mythische Formen mit dem postrationalen formlosen GEIST zu verwechseln. Er tendiert zum New Age hin, der mythopoetischen Bewegung, und verschiedenen Romantizismen, was es beinahe unmöglich macht Brücken zum Mainstream (A. d. Ü: Hauptrichtung der Psychologie) zu bauen.
Zum Zweiten gibt es eine Gruppe veränderter Bewusstseinszustände, welche Entwicklung, Stufen und andauernde Praxis scheut, und sich stattdessen auf zeitlich begrenzte veränderte Bewusstseinszustände konzentriert, oft induziert durch Drogen oder Atemarbeit. Diese Haltung geht oft, aber nicht notwendigerweise einher mit einem Öko-Primitivismus, einer Verherrlichung eines früheren Stammesbewusstseins, von welchem behauptet wird das es „nichtdissoziiert“ wäre (dabei ist es wahrscheinlicheinfach nur „prädifferenziert“), und dieser Öko-Primitivismus ist verbunden mit der Verwendung psychotroper Substanzen, oft ayahausca. Nun bin ich der Überzeugung, dass die Existenz veränderter und nicht-gewöhnlicher Bewusstseinszustände ebenso ein wichtiger Teil einer integralen Psychologie ist, doch für sich alleine genommen führen sie zu vielen Schwierigkeiten, weil diese Haltung andere, gleichermassen wichtige Aspekte der Psyche ignoriert, ebenso wie einen gewaltigen Umfang von Forschungsmaterial, welcher nicht in das Modell veränderter Bewusstseinszustände passt. Dieser Ansatz endet oft in einer zurück-ins-Paradies Haltung, und diese Retro-romantische Orientierung macht es ebenso schwer, Brücken zum Mainstream zu bauen. Und daher isoliert und entfremdet diese Gruppe, wie auch die vorher beschriebene, die transpersonale Psychologie von den grösseren Strömungen in der Welt, was tatsächlich - leider - auch passiert ist.
Zum Dritten, oft verbunden mit der Schule aussergewöhnlicher Bewusstseinszustände, doch konzeptuell unterschieden, ist die postmoderne Gruppe, welche den Versuch unternimmt, nicht-duales Bewusstsein durch die Brille des pluralistischen Relativismus zu interpretieren, die Kritik der Postmodernisten am Universalismus, und gelegentlich intensiv Angriffen auf die ewige Philosophie. Ich glaube dass es viele wichtige Wahrheiten innerhalb dises postmodernen Ansatzes gibt, doch allein für sich genommen, führt er ebenso zu vielen Problemen, wovon Boomeritis nicht gerade das geringste ist. [Für eine Diskussion zu Boomeritis, siehe A Theory of Everything und die Einführung zum Band 7 Collected Works, veröffentlicht auf dieser WebSeite ]. Der Autor, nachdem er alle anderen für ihren ungehörigen Universalismus gescholten hat - von dem behauptet wird dass er Menschen unterdrückt und dominiert - behauptet dann dass seine Ansichten über Relativismus ihrerseits universell verbindlich sind für alle Kulturen und alle Menschen. Hmmmm. Wie auch immer, es gibt einige sehr kompetente Gelehrte die mit diesem grünen-Meme Ansatz arbeiten, doch ich glaube nicht dass sie etwas wirklich Neues zum postmodernen Dialog der vergangenen dreissig Jahre beigetragen haben. Tatsächlich, so sagen Kritiker, haben die „postmodernen Transpersonlisten“ einfach nur wiederholt was jetzt einfach nur noch müde Klischees sind, entwickelt von anderen Theoretikern. Meiner Ansicht nach liegt das Problem darin, dass sie im Wesentlichen eine hohe Dosis von postmodernen performativen Widersprüchen in die transpersonale Psychologie eingebracht haben, und so jeden Augenblick echten transzendentalen Bewusstseins geschwächt haben. Auch dies hat wenig dazu beigetragen, das Forschungsfeld in den Augen der grösseren Welt auszuzeichnen.
Shambhala: Folgt man diesen grünen-Meme postmodernen Kritikern, dann ist die ewige Philosphie eine die menschheitsgeschichte andauernde Quelle der Unterdrückung.
KW: Nun ja, und die Moderne ist der grosse Unterdrücker. Doch ich denke, dass das ein sehr armseliges Verstämdnis von der ewigen Philosophie wie auch dem Wesen der Unterdrückung darstellt. Tatsache ist, dass während der Menschheitsgeschichte die Kräfte der Unterdrückung überwiegend von den verschiedenen Produktionsmethoden herrührten. Die grösste soziale Unterdrückung z.B. geschah in den fortgeschrittenen Gartenbaugesellschaften und den frühen Agrargesellschaften, welche ganze Zivilisationen versklavten, und welche existieren, lange bevor es entwicklete Formen der ewigen Philosophie gab. Und für diese Beispiele ist es immer noch wahr, das die Ideologie den [technisch-ökonomischen] Grundlage folgt, und nicht umgekehrt. Das Hauptproblem der Moderne ist, dass sie dem Strammesbewusstsein erlaubte moderne Technologie zu kidnappen, und das führte zu Auschwitz [siehe „The Terror of Tomorrow,“ veröffentlicht auf dieser Website .] Diese postmodernen Kritiker haben meiner Meinung nach die Ursachen von Unterdrückung auf den Kopf gestellt, und sie geben uns jedenfalls eine merkwürdig selektive Auslegung der Geschichte, um zu ihren Schlussfolgerungen zu gelangen.
Shambhala: Und zwar, die Garstigkeit von jedermann, mit Ausnahme der Postmodernisten.
KW: (lacht) Ja, so etwa. Obgleich für einige dieser Schulen das Bewusstsein der früheren Zeiten in Ordnung war, eine Art Proto-Einheit, was wiederum verdächitg nach einer selektiven Interpretation der Fakten aussieht. Doch schauen Sie, Ich habe eine Menge des postmodernen Denkens in meine Arbeit aufgenommen. Ich bin ein grosser Fan vieler der grossen postmodernen Schriftsteller, speziell Heidegger, Nietzsche, Derrida, Foucault, Gadamer, der späte Wittgenstein. Sie finden viele Seiten von Anmerkungen in Eros, Kosmos, Logos, die sich mit deren Arbeit ausführlich beschäftigt.Und, wenn Sie erlauben, möchte ich als Zeichen meiner Bildung ein paar Namen erwähnen. Ich habe mit dem entsprechenden Einverständnis Abschnitte zitiert von Bataille, Althusser, Lacan, Barthes, de Man, Gramsci, Irigaray, Bourdieu, Jameson, Kristeva, Cixous, Bachelard, Baudrillard, Deleuze und Lyotard. Boomeritis widmet ihren wichtigen Einsichten verschiedene Kapitel. Die vielen positiven und auch brillianten Beiträge des Postmodernismus sind in einem ganzen Kapitel von Naturwissenschaft und Religion zusammengefasst. Der gesamte untere linke Quadrant meines Werkes ist eine Hommage an den postmodernen Genius. Doch allein für sich genommen ist der Postmodernismus eine wirkliche Sackgasse, eine Tatsache die mittlerweile weitgehend anerkannt wird (obgleich niemand zu wissen scheint was ihn ersetzen könnte). Und wenn er ausschliesslich angewandt wird, dann ist der die Heimat von Boomeritis, und all den Schattenseiten des grünen Meme....
Shambhala: Okay, wir werden darauf zurückkommen. Aber was ist falsch daran, Parallelen zu finden zwischen, sagen wir, einer bestimmten Art der Derrida'schen Dekonstruktion, und der Buddhistischen Leere oder der Madhymaka Schule?
KW: Daran ist nichts falsch, solange Sie sich bestimmter wesentlicher Unterschiede dabei bewusst sind. Das Hauptziel der Dekonstruktion besteht in der Arbeit mit Sprache, und - während des Wachbewusstseins oder dem grobstofflichen Bereich - dem Versuch, zu einer bestimmten Art des Verstehens zu gelangen über die Mehrdeutigkeit, Instabilität und Paradoxhaftigkeit von Signifikanten. Das Ziel buddhistischer Meditation ist die Stärkung des Bewusstseins in einer Art, die es ihm erlaubt, allen Phänomenen des Wachbewusstseins UND des Traumbewusstseins UND traumlosen Tiefschlafes mit reiner Aufmerksamkeit zu begegnen, so dass man zu einem all-durchdringenden Bewusstsein oder zum Buddhageist erwacht, welcher anwesend ist in allen drei Zuständen - wachen, träumen, Tiefschlaf - und so eine grosse Befreiung erfährt von allen vorübergehenden Zuständen des Seins, hoch oder niedrig, heilig oder profan.
Shambhala: So wie Sie es sagen, scheint es wenig Gemeinsamkeiten zu geben.
KW: Es gibt nur sehr wenig Gemeinsamkeiten. Was an Gemeinsamkeiten übrig bleibt bezieht sich auf die Beschränkungen der Sprache im Wachzustand. Ich finde diese Gemeinsamkeiten anregend und nützlich, und ich habe darüber geschrieben (z.B. in Anmerkungen zu Eros, Kosmos, Logos). Doch wenn man allein bei der Dekonstruktion bleibt, dann wird man sich nicht der mühsamen Praxis eines Yoga, Zen, oder einer Meditation unterziehen, welche das Bewusstsein über das verbale Denken hinaus transzendiert - tatsächlich über das Wachen, Träumen und den Tiefschlaf hinaus, was etwas ist was Dekonstruktion nicht nur nicht leisten kann, sondern sich noch nicht einmal vorstellen kann. Doch bevor Sie sich nicht einem Yoga unterziehen, in welchem Sie bewusst bleiben während des Wachzustandes, des Traumzustandes und des traumlosen Tiefschlafes, bleinen Sie lediglich mit dem oberflächenhaften Wachzustand identifiziert, und Sie manipulieren linguistische Signifikanten in diesem Zustand, und glauben dass diese „Dekonstruktion“ auf irgendeine Weise Samsara dekonstruiert, währenddessen sie einfach nur ein ziemlich oberflächliches Bewusstsien manipuliert, und nicht zu den tieferen Ursachen des Leidens führt, wie der Anhaftung an den Zustand des Wachbewusstseins. Dekonstruktion ist etwas was das Ego im Wachzustand tut, um am Ego festzuhalten.
Shambhala: Das habe ich verstanden. Zum nächsten Punkt: meistens ziehen die Postmodernisten keine Vergleiche zu den grossen Weisheitstraditionen oder der ewigen Philosophie, sondern greifen diese heftig an und bezeichnen sie als unterdrückend. Was die ewige Philosophie angeht, haben Sie sie ja auch hart kritisiert, warum dann ihre Kritik an den Postmodernisten was diesen Punkt angeht?
KW: Das ist richtig. Oder, genauer, ich versuche beides im Auge zu behalten, die Stärken und die Schwächen der ewigen Philosophie, wohingegen die meisten Postmodernisten (einschliesslich der postmodernen Transpersonalisten) darin nicht viel mehr als Müll sehen. Die Stärken der grossen Weisheitstraditionen sind zahlreich, und beinhalten die Tatsache des Auftretens einiger der grossen Pioniere der höheren Zustände und Stufen der Bewusstseinsentwicklung, und als solche verdienen sie eine ganz grosse Ehre und Respekt. Weiterhin, im Hinblick auf die zeitlose Natur oder die zeitlose Dimension des GEISTES, waren diese Pioniere die ersten die zu diesem ewigen Zustand erwachten, und dies ist eine ehrfurchtgebietende Vollendung, auf die die einzig angemessene Antwort in meinen Augen eine tiefe und bescheidene Verbeugung darstellt, etwas was das starke postmoderne Ego niemals in Erwägung ziehen würde. Die Mängel sind jedoch ebenso zahlreich: die ewige Philosophie wurde normalerweise in statischen und fixierten Form formuliert anstatt in dynamischen Prozessen; die psychologischen und kosmologischen Hierarchien waren oft zu starr; die Evolution über geologische und phylogenetische Zeiträume wurde nicht verstanden; die Archetypen wurden daher als unveränderliche Formen und nicht so sehr als kosmische Gewohnheiten definiert; die Quadranten wurden nicht ausreichend verstanden; und so weiter. Kritik an der ewigen Philosophie findet sich in fast allen meinen Büchern (siehe, z.B., Integral Psychology, One Taste, die Einführungen zu den Collected Works Bände 1,2,4,7, und 8, veröffentlicht auf dieser WebSeite).Was ich im Grunde versucht habe ist, die zeitlose Weisheit der grossen prämodernen Traditionen zu nehmen, und die ergänzenden Wahrheiten der Moderne und der Postmoderne hinzuzufügen, damit wir etwas haben was einer integraleren Sicht nahekommt, welche die Wahrheiten all dieser grossen Epochen umarmt; prämodern, modern und postmodern.
Shambhala: Sie erwähnten eine vierte Gruppe in der allgemeinen transpersonalen Bewegung.
KW: Die vierte Gruppe ist der integrale Ansatz. Diese Schule behauptet, dass sie das Wesenliche aller anderen Schulen beinhaltet („transzendiert und einschliesst“), doch genau das wird von den anderen Schulen heftig bestritten. Dennoch, der integrale Ansatz berücksichtigt das magisch-mythische, die postmoderne Wende, die Wichtigkeit aussergewöhnlicher Zustände, mit Strukturen, Stufen, Bereichen, Linien, Quadranten usw. Aus diesem Grund hat der integrale Ansatz nachweisbar verschiedene Brücken zum Mainstream gebaut, und eine bescheidene Akzeptanz diesbezüglich erreicht. Sie finden eine Aufstellung von integralen Psychologen, oder denjenigen die einem integralen Ansatz folgen, in „A Summary of My Psychological Model“, veröffentlicht auf dieser WebSite.
Shambhala: Aber die integrale Schule ist doch diejenige mit der Sie jetzt verbunden sind, und dennoch sagen sie dass sie nicht wirklich Teil der transpersonalen Bewegung ist.
KW: Das ist richtig. Meiner Meinung nach beinhaltet die Integrale Psychologie mehr als jede der traditionellen Schulen der Transpersonalen Psychologie, weshalb sie nicht mehr der transpersonalen Bewegung angehört. Wir bezeichnen sie normalerweise auch nicht mehr als eine „Psychologie“, sondern einfach als den integralen Ansatz, da er im wesentlichen aus „alle Quadranten, alle Ebenen, alle Linien, alle Zustände, usw“ besteht. And das geht weit über jede Form von Psychologie hinaus.
Shambhala: Sie glauben ja dass die Psychologie sowieso am ende ist.
KW: Als eine wissenschaftliche Disziplin ja. Schon seit fast zehn Jahren. Sie wird einfach nicht mehr ernst genommen ausserhalb des immer kleiner werdenden Kreises der eigenen Anhänger. Es ist eine „verstaubte Disziplin“ geworden. Sie wurde bei lebendigem Leibe verspeist durch die wissenschaftlichen Ansätze der rechtsseitigen Quadranten (wie z.B. der kognitiven Wissenschaft), und dekonstruiert und auseinandergenommen durch das gemeine grüne Meme [mean green meme] der linksseitigen Quadranten. Sie scheint in den letzten Zügen zu liegen.
Shambhala: Sie beschreiben deses Situation, und mögliche Gegenmittel, in „Der Tod der Psychologie und die Geburt des Intergralen [The Death of Psychology and the Birth of the Integral,]“ dem ersten Abschnitt von „An Introduction to My Psychological Model,“ veröffentlicht auf dieser Homepage.
KW: Ja
Shambhala: Ist das der Grund, warum Sie als beratender Mitherausgeber des Journal of Transpersonal Psychology zurückgetreten sind?
KW: Ja. Sehen Sie, der Punkt hinsichtlich dieser vier Gruppen ist einfach der, dass sie , von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht nur nicht vorankommen, sondern dass sie auch untereinander unter ihren eigenen Abhängigkeiten leiden - und alle sind sich darin einig dass dies der Fall ist. Wenn z.B. die Gruppe der alten Stammesmythologie einem New-Age Vertreter auf einer ihrer Konferenzen das Wort erteilt, dann wird die Zuhörerschaft sehr ärgerlich. Wenn auf einer integralen Konferenz postmoderne Pluralisten oder Repräsemtanten des grünen Meme versuchen die Diskussion mit endlosen Verfahrensfragen zu dominieren, langweilt sich die Zuhörerschaft sichtbar. Keine der vier Gruppen hat den anderen etwas anzubieren, ausser Irritationen.
Shambhala: Kein Wunder dass es bisher keinen transpersonalen Ansatz gegeben hat, auf den sich die einzelen Richtungen einigen können und dem sie zustimmen.
KW: Ich denke das stimmt. Jede Richtung hat ihren eigenen Ansatz und ihre eigene Theorie. Tatsächlich sind die verschiedenen Gruppierungen in verschiedenen Ebene des Bewusstseins verankert, warum sie sich aller Wahrschaeinlichkeit nach nie einigen werden. Das magisch-mythische Modell ist überwiegend rot/blau; das postmoderne Modell ist überwiegend grün; und das Modell der veränderten Bewusstseinszustände hat Zugang zu höheren, transmentalen, subtilen und kausalen Zuständen (jedoch ohne die entsprechenden Strukturen). Dies ist der Grund warum, meiner Meinung nach, nur wenige von ihnen sich einer unvoreingenommenen Forschung öffnen - sie ignorieren einfach das was nicht in das ihrem Modell entsprechende Paradigma passt, welches wiederum in ihrer eigenen persönlichen Ebene der Entwicklung gegründet ist. Anstatt den Versuch zu unternehmen die unterschiedlichen Ansätze und Paradigmen zu integrieren - was ein Erwachen zum eigenen vollen Potenzial voraussetzt, welches den Paradigmen als Ganzes zugrundeliegt - tendieren sie dazu die anderen als „alte Paradigmen“ oder „patriarchalisch“ oder „wertlos“ oder was nicht noch alles abzuwerten. Daher sind diesem ideologischen Krieg nur sehr wenige integrative Ansätze entsprungen. Dies ist einer von vielen Gründen, warum alles was mit dem Etikett „transpersonal“ versehen ist, keine Chance für eine finanzielle Unterstützung hat, weil die begabtesten Forscher und Professoren schon vor langer Zeit aufgrund einfacher ökonomischer Notwendigkeit das Feld verlassen haben.
Shambhala: Worin besteht denn nun die Lösung?
KW: Nun, ich denke zuallererst sollte jede der vier Gruppen einfach ihren Weg gehen. Ich glaube das deshalb, weil, wie die Gruppen selber sagen, jede von ihnen im Kern verletzt wird durch die Verbindung mit den anderen. Wenn Du z.B. den Mainstream erreichen willst, kannst Du nicht einfach zu Harvard gehen mit einer Psychologie die New-Age Kristalle beinhaltet; auf der anderen Seite, wenn du die New-Age Anhänger erreichen willst, dann werden Harvard Professoren, welche auf empirischer Evidenz besteht, das ganze Vorhaben ruinieren, weil ihr „Skeptizismus“ und ihr „Unglauben“ einen bestimmten Gruppenenthusiasmus verhindern wird. Man kann einfach nicht überzeugend die Ergebnisse eines psychedelischen Drogenexperimentes dem Mainstream nahebringen, weil der Mainstream diese Art von Spiritualität als drogeninduzierte Halluzinationen abtun wird, was das ganze Forschungsfeld lahmlegt, und so weiter. Das alles ist meiner Meinung nach sehr schade, aber so liegen die Dinge nun einmal, eine Realität die von dem Bereich hartnäckig ignoriert wurde, was letztlich zu seinem Untergang führte.
Jede dieser Richtungen wird von den anderen beschädigt, deswegen sage ich, lasst uns mit diesem gegenseitigen Verletzen aufhören. Es ist zeit für eine gesunde Differenzierung (auf dem Weg zu einer höheren Integration, einem wirklich integralen Ansatz). Anstatt zu versuchen alle vier Ansätze unter dem gleichen Dach zu vereinigen - wo sie sich untereinander bekriegen - sollten jeder zuerst für sich bleiben, und sich darauf konzentrieren was er am besten kann, ohne Beeinträchtigung durch die anderen. Das scheint mir ein wesentlich gesünderes Vorgehen zu sein. Ich wünsche diesem Forschungsbereich das Allerbeste, doch ich habe kein Verlangen an dieser Selbstbeschädigung teilzunehmen. Wie ich schon sagte, glaube ich dass alle vier Ansätze etwas sehr wichtiges anzubierten haben, und sie alle brauchen etwas Bewegungsfreiheit um ihre Ressourcen zu sammeln, und das ist es was sie tun sollten.
Und dann, wenn es soweit ist, emergiert ein wahrhaft integraler Ansatz. Ein Weg auf dem alle vier Ansätze systematisch berücksichtigt werden wird sichtbar (das heisst, ein systematisches Vorgehen welches sie alle differenziert-und-integriert - und, das Wichtigste, - unter Einschluss der konventionellen Lehre). Ich habe einen derartigen Ansatz in Integral Psychology vorgestellt, aber es gibt sicher noch viele andere. Wir werden sehen. Doch zu Zeit befindet sich das Forschungsfeld in einer Selbstzerfleischung, von der grösseren Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, und der integrale Ansatz ist dabei sich aus dieser unglücklichen Stimmungslage herauszudifferenzieren. Ich sehe einfach keinen aderen Weg, wie man hier vorgehen könnte.
BITTE LÄCHELN
Shambhala: Diese Differenzierung von der transpersonalen Bewegung scheint ein Teil einer grösseren Bewegung in ihrer gesamten theoretischen Arbeit zu sein. Indem Sie mehr und mehr Bereiche in einem integralen Ansatz „transzendieren und beinhalten", scheint für Sie immer mehr die Notwendigkeit zu bestehen, sich von engeren und weniger umfassenden Ansätzen zu unterscheiden. Bei ein paar Gelegenheiten in ihren späteren Schriften tun sie dies in polemischer Form, was uncharakteristisch für ihr Werk als Ganzes ist. Denken Sie an eine Überarbeitung dieser Passagen?
KW: Die polemischen Anmerkungen in Eros, Kosmos, Logos?
Shambhala: Ja. Warum haben Sie sie in das Buch mitaufgenommen? Es gibt Gerüchte dass die polemischen Anmerkungen in der Entwurfsfassung nicht enthalten waren.
KW: Das ist richtig, sie waren dort nicht enthalten. Ich bin durch einen sehr schwierigen Entscheidungsprozess hindurchgegangen, ob ich sie aufnehmen sollte oder nicht. Ich habe über ein dutzend Freunde und Kollegen befragt. Die Empfehlung lautete beinahe einmütig, die Anmerkungen in das Buch aufzunehmen. Die Idee dahinter bestand darin, das Feld wachzurütteln und den Prozess der Differenzierung zu beginnen (auf dem Weg zu einer höheren Integration). Roger Walsh unterrichtete zu dieser zeit ein Seminar an der University of California, Irvine, und er verwendete den zweiten Entwurf von EKL als einen Text für die Klasse - denjenigen mit den polemischen Anmerkungen - und so konnte ich diese Studenten als eine Testgruppe sehen. Nach dem Ende des ersten Kapitels stimmte die Gruppe beinahe einmütig dafür, die Anmerkungen herauszunehmen - sie waren zu provozierend. Doch am Ende des Buches stimmten sie - wieder beinahe einmütig - dafür die Anmerkungen drin zu lassen - sie erkannten genau was mein Anliegen war. Das war sehr interessant. Und am Ende entschied ich mich dafür die Anmerkungen im Buch zu lassen.
Shambhala: Was war dann Ihr Anliegen? Erklären Sie uns das bitte.
KW: Nun, es gibt verschiedene Wege um das zu erklären (oder, wie meine Kritiker sagen würden, es zu rationalisieren), doch am einfachsten geht es mit Verwendung von Spiral Dynamics [für eine kurze Erläuterung von Spiral Dynamics siehe der Abschnitt weiter unten, „Spiral Dynamics und die Wellen der Existenz"]. Einfach gesagt waren die Anmerkungen eine 2.-Rang [second-tier] Kritik an dem grünen Meme des 1.-Ranges, mit der Absicht den Lesern die Unterscheidung zu erleichtern - Leser konnten so klar erkennen mit welchem Meme sie sich identifizierten: grün oder türkis. Und die Antworten die ich bekam machten es sehr deutlich aus welcher Richtung die Menschen kamen: entweder eine sehr wütende grüne Reaktion, oder eine sehr sympathische türkise Zustimmung. Grün schoss zurück, in der gleichen Boshaftigkeit meiner Attacke, und das war ziemlich „cool"; und türkis schrieb mir tonnenweise Lob und Zustimmung. Das Thema wurde aus diesem Grund sehr kontrovers diskutiert, mit massivem grünen Ärger und gleichermassen grossem türkisem Lob. Gleichzeitig war dies ein Wendepunkt für diesen Bereich, weil niemand jemals wieder annehmen würde, dass grün und türkis dem gleichen Lager angehören würden - dies sind zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen an Themen wie Bewusstsein, Geschichte, Wirklichkeit und Spiritualität. Natürlich, nach Spiral Dynamics wird grün von türkis transzendiert und beinhaltet, ein Standpunkt den ich immer vertreten, und in den Anmerkungen auf die Spitze getrieben habe, und genau dagegen hat grün so wütend reagiert. Doch all dies wurde erst durch die Anmerkungen sichtbar, und ich glaube nicht dass ich dies auf eine andere Art hätte erreichen können.
Shambhala: Nun ja, doch ihre Kritiker sagen, dass diese polemischen Anmerkungen - tatsächlich sind es ja nicht so viele, vielleicht ein oder zwei Dutzend aus über eintausend - doch sie sagen dass diese Bemerkungen zeigen dass Sie von natur aus polemisch, wütend, arrogant... und dickköpfig seien.
KW [lacht] Schauen sie, Ich behaupte nicht dass ich von all dem frei bin. Ich nehme mal an dass ich genauso verkorkst bin wie jeder andere auch. Doch was die Kritiker sagen würde stimmen, wenn all die Polemik auch in dem ersten Entwurf enthalten gewesen wäre, dass all dies aus mir herausgekommen wäre, ohne dass ich etwas dagegen hätte machen können. Doch die Anmerkungen waren nicht im ersten Entwurf enthalten; sie wurden in den zweiten Entwurf aufgenommen nach einer langen und behutsamen Abwägung mit verschiedenen anderen Wissenschaftlern. Dies war kein hitzköpfiger Ausbruch. Wenn dies für mich charakteristisch wäre, dann würden Sie Tonnen von Polemik in meinen früheren Büchern finden, wohingegen tatsächlich, worauf viele Menschen hingewiesen haben, es keinen einzigen polemischen Satz in einem meiner etwa ein Dutzend vorausgehenden Bücher zu finden ist.
Shambhala: Heisst dass dann dass Sie überhaupt nicht wütend waren als Sie diese Anmerkungen schrieben?
KW: Nein, dass möchte ich damit nicht sagen. Ich sage, dass unter jeden anderen Umständen ich die Wut aus diesen Anmerkungen herausgenommen hätte, weil sie einfach nicht in ein wissenschaftliches Werk hineingehört, doch in diesem Fall entschied ich mich, sie drin zu lassen. Es gibt eine Atmophäre von Zorn und Schmerz die EKL durchdringt, ebenso wie Eine kurze Geschichte des Kosmos und Das Wahre, Schöne, Gute - meine Studenten nennen dies die „zornige Periode" [siehe die Einführung zu den CW 6, veröffentlicht auf dieser Internet-Seite] - zornig darüber was der extreme, dekonstruktive Postmodernismus und das gemeine grüne Meme [mean green meme] den kulturellen Studien, der Spiritualität und der Erziehung im allgemeinen angetan haben, den konventionellen wie auch den alternativen Richtungen. [Siehe die Einführung zu den CW 8, veröffentlicht auf dieser Internet-Seite.] All dies habe ich in einem anderen Buch während dieser Zeit, Boomeritis, beschrieben.
Shambhala: Okay, doch ihre Kritiker sagen ja auch, dass ihre Botschaft wesentlich besser gehört und aufgenommen worden wäre, wenn Sie sie etwas behutsamer vermittelt hätten.
KW: Das kann ich gut verstehen, doch das ist genau der Punkt den ich bezweifle. Diese Art einer integralen Botschaft ist ja nicht nur von mir in meinen früheren Büchern vermittelt worden, sondern auch von grossen integralen Schriftstellern von James Mark Baldwin über Jean Gebser zu Michael Murphy. Und diese integrale Botschaft ist praktisch über mehrere Jahrzehnte ignoriert worden, während die grosse Menge der akzeptierten Paradigmen magisch/mythischer Art waren (purpur/rot), sich auf aussergewöhnliche Zustände bezogen, oder postmodernistisch waren (grün), die drei Untergruppen die ich oben beschrieben habe, ohne jegliches Verständnis bezüglich einer Integration in einer umfassenden Synthese - worin ja schon eine scharfe Kritik an der Beschränktheit jedes einzelnen Ansatzes für sich genommen begründet ist, genau das also was ich in den Anmerkungen ausgedrückt habe. Manchmal wird das Rad, welches am lautesten quietscht, zuerst geschmiert, und die Anmerkungen waren in dieser Hinsicht sehr geräuschvoll, und bekamen sehr viel Schmiere. Dies hat die Thematik nach vorne gebracht, und schliesslich haben die positiven Auswirkung die negativen mehr als aufgewogen.
Shambhala: Ein kurze Geschichte des Kosmos und Das Wahre, Schön, Gute enthalten ein paar wenige polemische Sätze, doch all ihre nachfolgenden wissenschaftlichen Bücher wie z.B. Naturwissenschaft und Religion, Integral Psychology und A Theory of Everything waren frei von jeglicher Polemik. Es sieht so aus als wären Sie zu ihrer typischen Schreibweise zurückgelehrt.
KW: Mit einer Ausnahme. Wie ich kurz erwähnte, schrieb ich in dieser Zeit noch ein etwas polemisches Buch, ein Buch mit dem Titel Boomeritis. Und ich hoffe dass mein Stil weiterhin scharf und schneidend sein kann, falls notwendig, vielleicht auch witzig, an einem guten Tag, wenngleich auch nicht gemein oder böse, was ganz bestimmt nicht mein Absicht ist.
Shambhala: Wann erscheint Boomeritis?
KW: Shambhala wird das Buch im Herbst 2001 herausbringen. Unter dem Bevölkerungsanteil, welcher dem grünen Meme angehört, wird dieses Buch ganz sicher meinen Ruf als ein absolut arroganter, scheusslicher, dominierender Mensch zementieren... nun, wie Sie sagen, dickköpfig.
Shambhala: Genau das ist unser Eindruck von Ihnen.
KW: [lacht] Ja, herzlichen Dank.
Shambhala: Wir sollten noch erwähnen dass Sie eine Überarbeitung von EKL vorgenommen haben - 50 neue Textseiten und 6 neue Diagramme - verfügbar [auf englisch, (noch) nicht auf deutsch] als Band 6 der Gesammelten Werke, und als Einzelausgabe im Taschenbuch.
KW: Ja, für die Gesammelten Werke habe ich überarbeitete zweite Auflagen erstellt von EKL, Eine Kurze geschichte des Kosmos, und Das Wahre, Schöne, Gute. Sie werden alle [auf englisch] als Taschenbuch erscheinen.
Shambhala: Okay, kommen wir zurück auf die Spannungen zwischen grün und türkis, oder zwischen grün und dem zweiten Rang. Wie sehen Sie das? Und warum ist es wichtig?
KW: In Integral Psychology präsentiere ich Übersichten, welche die Arbeit von über 100 Entwicklungspsychologen zusammenfassen, aus Ost und West, aus früheren Zeiten, modern und postmodern. Spiral-Dynamik ist nur einer dieser 100, doch ich verwende es in letzter Zeit ziemlich oft weil es einfach und leicht zu verstehen ist, auch für Anfänger. Basierend auf intensiven Forschungen, begonnen von Clare Graves, sieht Spiral-Dynamik (entwickelt von Don Beck und Christopher Cowan) die Entwicklung oder Evolution der Menschen durch acht grosse Wellen des Bewusstseins. Der Einfachheit halber werde ich meine Zusammenfassung aus A Theory of Everything hier wiedergeben (diejenigen die mit Spiral-Dymanik vertraut sind können direkt zu Teil II des Interviews gehen: „Das grüne Meme").
SPIRAL-DYNAMIK UND DIE WELLEN DER EXISTENZ
Die ersten Ebenen sind Ebenen des „Existenzminimum", gekennzeichnet durch ein „Denken des ersten Ranges" [first-tier thinking]. Dann folgt eine evolutionäre Verschiebung im Bewusstsein: die Emergenz des „Denken des zweiten Ranges" [second-tier thinking], mit zwei Hauptwellen. Es folgt nun eine kurze Beschreibung aller acht Wellen, mit Prozentsatzangaben der Weltbevölkeurng jeder Welle, und dem Prozentsatz der sozialen Macht, die von jeder Welle gehalten wird.
1. Beige: Archaisch-Instinktiv. Die Ebene des Basis-Überlebens; Nahrung, Wasser, Wärme, Sex und Sicherheit haben Vorrang. Benutzt Gewohnheiten und Instinkte zum Überleben. Ein klar unterschiedenes Selbst ist kaum erwacht, oder wird aufrechterhalten. Organisiert in Überlebensgruppen, für die Aufrechterhaltung des Lebens.
Vorkommen: Frühe menschliche Gesellschaften, Neugeborene, senile Alte, Alzheimer Patienten im Spätstadium, verwirrte Obdachlose, Hungernde Massen, Explosionsschockopfer. Etwa 0,1% der erwachsenen Bevölkerung, 0% Macht.
2. Purpur: Magisch-Animistisch. Animistisches Denken; magische Geister, gut und böse, umschwärmen die Erde und verteilen Segen, Verwünschungen und Zaubersprüche welche Ereignisse bestimmen. Organisiert in ethnischen Stämmen. Die Geister exisistieren in den Ahnen und verbinden den Stamm. Verwandschaft und Nachfolge etablieren politische Verbindungen. Klingt „holistisch", ist jedoch atomistisch: „jede Krümmung des Flusses hat einen Namen, aber der Fluss selbst hat keinen".
Vorkommen: Glaube an Voodoo-ähnliche Verfluchungen, Blutschwüre, den Groll der Ahnen, Glückstalisman, Familienrituale, magisch-ethnische Überzeigungen und Aberglaube; verbreitet in der Dritten Welt, in Gangs, Sportmannschaften, und organisieretn „Stämmen". 10% der Bevölkerung, 1% der Macht.
3. Rot: Machtgötter. Erstes Emergieren eines Selbst welches sich vom Stamm unterscheidet; machtvoll, impulsiv, egozentrisch, heroisch. Magisch-mythische Geister, Drachen, wilde Tiere, und kraftvolle Menschen. Archetypische Götter und Göttinnen, machtvolle Wesen, Kräfte die wirken, gut und böse. Feudalherrscher beschützen Untergebene im Ausgleich für Gehorsam und Arbeit. Die grundlage feudaler Imperien - Macht und Ruhm. Die Welt ist ein Dschungel voller Gefahren und Raubtiere. Eroberer, Trickser und Herrscher; das Selbst in vollen Zügen geniessen, ohne Bedauern oder Reue; sei jetzt hier.
Vorkommen: Die „schrecklichen zwei" [„terrible twos"], regellierende Jugend, Grenzen-Mentalität, feudale Königreiche, epische Heroen, James Bond Bösewicht, Anführer von Gangs, Glücksritter, New-Age Narzissmus, wilde Rockstars, Attila der Hunnenkönig, Der Herr der Fliegen [Lord of the Flies]. 20% der Bevölkerung, 5% der Macht.
4. Blau: Mythische Ordnung. Leben hat Sinn, Richtung und Zweck, mit Ergebnissen welche durch ein allmächtiges Anderes oder eine Ordnung bestimmt werden. Diese selbstgerechte Ordnung erzwingt Verhaltensregeln basierend auf absolutistischen und unveränderlichen Prinzipien von „richtig" und „falsch". Das Verletzen dieser Regeln hat schwerwiegende, vielleicht auf ewig andauernde Konsequenzen. Das Befolgen der Regeln bringt Belohnungen für die die daran glauben. Grundlage der Nationen der Antike. Starre soziale Hierarchien; paternalisitisch; ein einziger - und nur ein eiziger - Weg wie die Dinge zu betrachten sind. Recht und Ordnung; Kontrolle von Impulsivität durch Schuld; wortwörtlicher und fundamentalisitscher Glaube; Gehorsam gegenüber den Gesetzmässigkeiten der Ordnung; stark konventionell und konformistisch. Oft „religiös" oder „mythisch" (im Sinne der mythischen Gruppenzugehörigkeit; Graves und Beck bezeichnen es als die heilig/absolutistische Ebene), kann sich jedoch auch auf eine sekuläre oder atheistische Ordnung oder Aufgabe beziehen.
Vorkommen: puritanisches Amerika, konfuzianisches China, Dickensianisches England, Singapur Disziplin, Totalitarismus, Kodex der Ritterlichkeit und Ehre, wohltätiges Handeln, religiöser Fundamentalismus (z.B. Christentum und Islam), Pfadfinder, „moralische Mehrheit", Patriotismus. 40% der Bevölkerung, 30% der Macht.
5. Orange: wissenschaftliches Erreichen. Auf dieser Welle „flüchtet" das Selbst aus der „Herdenmentalität" von blau, und strebt auf individuelle Art und Weise nach Wahrheit und Bedeutung - hypothetisch-deduktiv, experimentell, objektiv, mechanistisch, operational - im typischen Sinne „wissenschaftlich". Die Welt ist eine rationale und gut geölte Maschine mit natürlichen Gesetzen welche erlernt, gemeistert und für die eigenen Zwecke gehandhabt werden können. Sehr auf Zielerreichung ausgerichtet, speziell (in Amerika) auf materielle Ziele hin. Die Gesetze der Wissenschaft steuern die Politik, die Wirtschaft, und menschliche Ereignisse. Die Welt ist ein Schachbrett auf dem Spiele gespielt werden, bei denen die Gewinner Vorrang und Vergünstigungen gegenüber den Verlierern erhalten. Martwirtschaft; Manipulation der Ressourcen der Erde für die eigenen strategischen Ziele. Grundlage der korporativen Staaten.
Vorkommen: Die Aufklärung, Ayn Rand's Atlas Shrugged, Wall Street, aufstrebende Mittelklasse auf der ganzen Welt, Kosmetikindustrie, Trophäenjagd, Kolonialismus, der Kalte Krieg, Modeindustrie, Materialismus, säkularer Humanismus, liberales Eigeninteresse. 30% der Bevölkerung, 50% der Macht. 6. Grün: Das Sensitive Selbst. Gemeinschaftlich, menschliche Bindungen, ökologische Sensitivität, Vernetzung. Der menschliche Geist muss befreit werden von Gier, Dogma und der Tendenz alles zu unterteilen; Gefühle und Fürsorge treten an die Stelle von kalter Rationalität; liebevolles Sorgen für die Erde, Gaia, das Leben. Gegen Hierarchie; etabliert gleichrangige Bindungen und Verbindungen. Das durchlässige Selbst, relationale Selbst, Vernetzung von Gruppen. Betonung auf Dialog, Beziehungen. Basis der Wertegemeinschaften (d.H. frei wählbare Zugehörigkeit auf der Basis gemeinsam geteilter Neigungen). Entscheidungsfindung durch Schlichtung und Konsens (Nachteil: endlose Verfahrensdiskussionen und Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen). Anregung der Spiritualität, harmoniebringend, Bereicherung des menschlichen Potentials. Stark egalitär, antihierarchisch, pluralitische Werte, soziale Konstruktion der Wirklichkeit, Vielheit und Verschiedenheit, multikulturell, relativistische Wertesysteme; diese Weltsicht wird oft auch pluralistischer Relativismus genannt. Subjektiv, nichtlineares Denken; zeigt vermehrt gefühlsmässige Wärme, Sensitivität und Fürsorge, für die Erde und alle ihre Bewohner.
Vorkommen: Tiefenökologie, Postmodernismus, niederländischer Idealismus; Rogerianische Beratung [Rogerian Counseling], Canadisches Gesundheitssystem, humanistische Psychologie, Befreiungstheologie, gemeinschaftliche Untersuchungen, Weltkonzil der Kirchen, Greenpeace, Tierschutz, Ökofeminismus, Post-Kolonialismus, Foucault/Derrida, politische Korrektheit, Bewegungen der Vielfalt, Menschenrechtsfragen, Ökopsychologie. 10% der Bevölkerung, 15% der Macht. (Hinweis: dies sind 10% der Weltbevölkerung. Don Beck schätzt, dass etwa 20-25% der amerikanischen Bevölkerung grün ist.)
Mit dem Erreichen des grünen Meme ist das menschliche Bewusstsein bereit für einen Quantensprung in das „zweite-Rang Denken" [„second-tier thinking"]. Clare Graves bezeichnet dies als einen „bedeutungsvollen Sprung", wo „eine Kluft unvorstellbarer Tiefe überwunden wird". Im Wesentlichen erlaubt einem das zweite-Rang Denken vertikal und horizontal zu denken, unter Verwendung von Hierarchien wie auch Heterarchien (beide unterscheidend und verbindend). Zum erstenmal ist man in der Lage, anschaulich und lebendig das gesamte Spektrum der inneren Entwicklung zu erfassen, und so erkennen, dass jede Ebene, jedes Meme, jede Welle entscheident wichtig für die Gesundheit der gesamten Spirale ist. Mit meinen Worten, jede Welle ist ein „Transzendieren und Beinhalten." Das bedeutet, jede Welle geht über ihren Vorgänger hinaus (oder transzendiert), und beinhaltet oder umarmt ihn auf ihre eigene Art und Weise. Eine Zelle z.B. transzendiert und beinhaltet Moleküle, welche Atome transzendieren und beinhalten. Die Feststellung dass Moleküle über ein Atom hinausgehen bedeutet nicht dass Moleküle Atome hassen, sondern dass sie sie lieben: sie umfangen sie auf ihre Art und Weise; sie beinhalten sie, ohne sie zu vernachlässigen. Genau so ist jede Welle der Existenz ein fundamentaler Bestandteil aller nachfolgenden Wellen, und daher sollte jede gewürdigt und umarmt werden. Weiterhin kann jede Welle für sich aktiviert oder reaktiviert werden, sollten die Lebensumstände dies fordern. In Notfallsituationen können wir den roten Kraftantrieb aktivieren; als Antwort auf das Chaos müssen wir vielleicht die blaue Ordnung aktivieren; bei der Suche nach Arbeit benötigen wir vielleicht unseren orangenen Zielerreichungsantrieb; in Liebesbeziehungen und mit Freunden nahe grüne Beziehungsfähigkeiten. All diese Meme haben etwas wichtiges beizutragen. Doch was keines der ersten-Rang Meme für sich tun kann, ist die volle Würdigung der Existenz der anderen Meme. Jedes der ersten-Rang Meme denk dass seine Weltsicht die richtige oder beste Perspektive ist - und reagiert negativ wenn diese Sicht angegriffen wird; es schlägt zurück, unter Verwendung der eigenen Werkzeuge, wann immer es sich bedroht sieht. Blaue Ordnung fühlt sich sehr unwohl mit der roten Impulsivität und dem orangenen Individualismus. Oranger Individualismus denkt dass blaue Ordnung etwas für Daumenlutscher ist und dass grüner Egalitarismus schwach und wachsweich ist. Grüner Egalitarismus tut sich schwer mit Elitedenken und Wertunterscheidungen, grossen Weltsichten, Hierarchien, oder irgendetwas was autoritär erscheint, und daher reagiert grün stark auf blau, orange und alles Post-Grüne. All dies beginnt sich mit dem Denken des zweiten Ranges zu verändern. Weil das zweite-Rang Bewusstsein sich der inneren Stufen der Entwicklung voll bewusst ist - auch wenn es sie nicht in technischen Formulierungen artikulieren kann - tritt es einen Schritt zurück und erfasst das Gesamtbild, und deswegen würdigt das zweite-Rang denken die notwendige Rolle die all die verschiedenen Meme spielen. Das zweite-Rang Bewusstsein bedenkt und erfasst die gesamte Spirale der Existenz, und betrachtet nicht nur eine der Ebenen. Während das grüne Meme beginnt, die zahlreichen verschiedenen Systeme und pluralistischen Kontexte die in den verschiedenen Kulturen existieren zu erfassen (weswegen es tatsächlich ein sensitives Selbst ist, d.h. sensibel hinsichtlich der Marginalisierung anderer), geht das zweite-Rang Denken einen Schritt weiter. Es schaut nach den reichen Kontexten welche diese pluralistischen Systeme verbinden und zusammenfügen, und nimmt daher die voneinander unterschiedenen Systeme und beginnt sie zu umarmen, zu beinhalten, und sie in einer integralen Spirale und in einem integralen Netzwerk zu integrieren. Das zweite-Rang Denken ist, mit anderen Worten, entscheidend für die Bewegung vom Relativismus zum Holismus, oder vom Pluralismus zum Integralismus.
Die umfangreichen Forschungen von Graves, Beck und Cowan weisen darauf hin dass es mindestens zwei weitere Hauptwellen in diesem integralen Bewusstsein des zweiten Ranges gibt:
7. Gelb: Integrativ. Das Leben ist ein Kaleidoskop natürlicher Hierarchien (Holarchien), Systeme und Formen. Flexibilität, Spontanität und Funktionalität haben die höchste Priorität. Unterschiede und Pluralitäten lassen sich in voneinander abhängigen, natürlichen Ströme integrieren. Egalitarismus wird ergänzt durch natürliche Rangordnungen und Qualitäten. Wissen und Kompetenz tritt an die Stelle von Macht, Status oder Gruppensensitivität. Die vorherrschende Weltordnung ist das Ergebnis der Existenz von verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit (Memes) und der unvermeidbaren Muster der Auf- und Abwärtsbewegungen in der dynamischen Spirale. Ein gutes Regieren erleichtert die Emergenz der Lebewesen durch die Ebenen fortschreitender Komplexität (verschachtelte Hierarchien). 1% der Bevölkerung, 5% der Macht.
8. Türkis: Holistisch. Universale holistische Systeme, Holons/Wellen von integrativen Energien; Vereinigung von Fühlen und Wissen; verschiedene Ebenen, verwoben in ein bewusstes System. Universale Ordnung, in einer lebendigen, bewussten Weise, nicht basierend auf äusseren Regeln (blau) oder Gemeinschaftsverbindungen (grün). Eine „grosse Vereinheitlichung" (eine „Theorie von Allem" [A Theory of Everything], oder T.V.A.) ist möglich, in Theorie und Verwirklichung. Manchmal erscheint die Emergenz einer neuen Spiritualität als ein Netzwerk von allem was existiert. Das türkise Denken verwendet die gesamte Spirale; sieht verschiedene Ebenen der Interaktion, findet Resonanzen und Obertöne, die mystischen Kräfte, und die alles durchdringenden Fliess-Zustände die jede Organisation durchdringen. 0,1% der Bevölkeurng, 1% der Macht.
Mit weniger als 2 Prozent der Bevölkerung auf dem zweiten-Rang Bewusstsein (und lediglich 0,1% auf türkis), ist das zweite-Rang Bewusstsein relativ selten, und stellt jetzt die Spitze der kollektiven menschlichen Evolution dar. Als Beispiele dafür führen Beck und Cowan die Noosphäre von Teilhard de Chardin, die Chaos- und Komplexitätstheorien, universelles Systemdenken, integral-holistische Theorien, Gandhi's und Mandela's pluralistische Integration an, mit deutlich zunehmender Tendenz, und noch höheren Memes in Aussicht...
Der Sprung zum zweiten-Rang Bewusstsein
Wie Beck und Cowan sagen, erfolgt die Emergenmz des zweiten-Rang Denkens angesichts grosser Widerstände seitens des ersten-Rang Denkens. Tatsächlich hat eine Version des postmodernen grünen Meme, mit seinem Pluralismus und Relativismus, aktiv die Emergenz eines mehr integrativen und holistischen Denkens bekämpft. Und doch bleibt ohne das zweite-Rang Denken, wie Graves, Beck und Cowan sagen, die Menschheit ein Opfer einer globalen „Autoimmunerkrankung", wo verschiedene Meme sich gegeneinanderstellen in dem Versuch die Vorherrschaft zu erlangen. Dies ist der Grund warum viele Argumente nicht wirklich eine Angelegenheit besserer objektiver Beweise sind, sondern von der Ebene desjenigen der argumentiert bestimmt werden. Keine noch so grosse Menge wissenschaftlicher Beweise wird einen blauen mythologisch Glaubenden überzeugen; Keine noch so starke grüne Verbundenheit wird eine orange Aggressivität beeindrucken; kein türkiser Holismus wird den grünen Pluralismus verdrängen - solange bis das Individuum bereit ist sich durch die dynamische Spirale des Bewusstseins nach vorne zu entwickeln. Aus diesem Grund führen „cross-level" Debatten nur selten zu einer Lösung, und alle Beteiligten fühlen sich meistens ungehört und nicht gewürdigt. Ebenso wird nichts, was in diesem Buch [A Theory of Everything] gesagt wird, Sie davon überzeugen dass eine T.O.E. [Theorie von Allem, Theory of Everything] möglich ist, es sei denn sie haben bereits einen Tupfer der türkisen Farbe auf Ihrer kognitiven Palette (und dann werden Sie auf fast jeder Seite des Buches denken, „das habe ich schon gewusst! Ich wusste nur nicht, wie ich es ausdrücken konnte"). Wie wir gesagt haben, leistet das erste-Rang Denken der Emergenz der zweiten-Rang Meme generell Widerstand. Wissenschaftlicher Materialismus (orange) ist auf eine aggressive Weise reduktionistisch gegenüber den Gedankengebäuden des zweiten Ranges, und versucht alle inneren Zustände auf ein objektives neuronales Feuerwerk zu reduzieren. Mythischer Fundamentalismus (blau) ist meistens empört gegenüber allen Bemühungen die die gegebene Ordnung in Frage stellen. Egozentrik (rot) ignoriert den zweiten Rang überhaupt. Magie (purpur) belegt ihn mit einem Fluch. Grün wirft dem zweiten-Rang Bewusstsein vor dass es autoritär, starr hierarchisch, patriarchalisch, vernachlässigend, unterdrückend, rassistisch und sexistisch ist. Grün hat die kulturellen Studien der vergangenen drei Jahrzehnte bestimmt. Sie haben wahrscheinlich schon einige der Standardbegriffe des grünen Meme wiedererkannt: Pluralismus, Relativismus, Vielfalt, Multikulturalismus, Dekonstruktion, Anti-Hierarchie, und so weiter. Auf der einen Seite hat der grüne pluralistische Relativismus den Bereich der kulturellen Studien bereichernd erweitert, und so viele Menschen, Ideen und Erzählungen mit berücksichtigt, die vorher vernachlässigt worden waren. Er hat einfühlsam und fürsorgend agiert im Bemühen, soziale Unausgewogenheiten auszugleichen, und jede Art von Ausschluss zu vermeiden. Er war verantwortlich für grundlegende Initiativen für die Bürgerrechte und den Schutz der Umwelt. Er hat starke und oft auch überzeugende Kritiken der Philosophien, der Metaphysik, und der sozialen Praktiken der konventionellen religiösen (blau) und wissenschaftlichen (orange) Meme entwickelt, mit ihren oftmals ausschliessenden, patriarchalen, sexistischen und kolonialistischen Programmen.
Auf der anderen Seite, so effektiv diese Kritik an den prä-grünen Stufen auch waren, grün hat versucht seine Kanonen auch auf die post-grünen Stufen gerichtet, mit sehr unglücklichen Ergebnissen. Dies hat es sehr schwierig, und oft unmöglich für grün gemacht, hin zu mehr holistischen, integralen Modellen voranzuschreiten. Weil der pluralistische Relativismus (grün) über den mythischen Absolutismus (blau) und die formale Rationalität (orange) hinausgeht, zu reichhaltigen Strukturen individualistischer Kontexte, ist eines seiner definierenden Charakteristika sein starker Subjektivismus. Das bedeutet dass seine Zustimmung zu dem was wahr und gut ist überwiegend von individueller Neigung bestimmt ist (solang das Individuum nicht andere verletzt). Was wahr für Dich ist, ist nicht notwendigerweise wahr für mich; was richtig ist ist einfach das worüber Individuen oder Kulturen zu einem gegebenen Moment übereinstimmen; es gibt keinen universellen Anspruch für Wissen oder Wahrheit; jeder Mensch ist frei seine eigenen Werte zu finden, welche niemanden anderen auf irgeneine Weise binden. „Du machst Dein Ding, ich mache meines" ist eine populäre Zusammenfassung dieses Standpunktes. Dies ist der Grund warum das Selbst auf dieser Stufe ein wirklich „sensitives Selbst" ist. Genau deshalb weil es sich der vielen verschiedenen Kontexte und verschiedenen Typen von Wahrheiten (Plurakismus) bewusst ist, lehnt es sich zurück und lässt jede Wahrheit ihre eigene Aussage haben, ohne eine zu vernachlässigen oder herabzusetzen. Man erkennt es an den Schagworten „Anti-Hierarchie," „Pluralismus", Relativismus", und Egalitarismus", wann immer Sie das Wort „Vernachlässigung" und eine Kritik daran hören, befinden Sie sich fast immer in der Gegenwart eines grünen Meme. Dieser noble Ansatz hat natürlich auch seine Nachteile. Besprechungen die nach grünen Prinzipien ablaufen haben oftmals die gleiche Tendenz: jeder kann seine Gefühle ausdrücken, was oft Stunden dauert; es gibt ein fast endloses Abfolge von Meinungen, oftmals ohne zu einer Entscheidung zu kommen oder zu Aktionen, weil eine bestimmte Aktionsfestlegung wahrscheinlich jemanden ausschliessen würde. Deswegen wird immer wieder zu Einschluss, Nichtvernachlässigung und leidenschaftlicher Umarmung aller Ansichten aufgerufen, doch wie genau das getan werden kann wird selten ausgesprochen, weil in der Wirklichkeit nicht alle Ansichten von gleichem Nutzen sind. Die Besprechung gilt dann als Erfolg, nicht wenn ein Beschluss gefunden wird, sondern wenn jeder die Gelegenheit hatte seine Gefühle mitzuteilen. Da keine Ansicht von Natur aus besser ist als eine andere, werden keine konkreten Ziele und Aktionen verfolgt, ausser dass alle Ansichten mitgeteilt werden. Wenn irgendwelche Aussagen mit Bestimmtheit getroffen werden, dann sind es Aussagen darüber wie unterdrückend und scheusslich all die alternativen Konzepte sind. Es gab einen typischen Spruch in den sechzigern: „Freiheit ist eine endlose Besprechung". Nun, das Endlose daran war sicherlich richtig. In der akademischen Welt ist dieser pluralistisch Relativismus die vorherrschende Meinung. Colin McGuinn fast es wie folgt zusammen: „Folgt man dieser Konzeption, ist das menschliche Denken von Natur aus lokal, kulturbezogen, verwurzelt in den verschiedenen Fakten der menschlichen Natur und Geschichte, und eine Angelegenheit unterschiedlicher 'Praktiken' und 'Lebensformen' und 'Bezugsrahmen' und 'konzeptueller Projekte'. Es gibt keine Regeln des Denkens, welche dasjenige transzendiert was von einer Gesellschaft oder Epoche als akzeptiert gilt, keine objektive Rechtfertigung für Überzeugungen die für jeden gültig wären, vor dem Hintergrund offensichtlicher schmerzhafter Denkfehler. Gültig wird einfach als gültig genommen, und veschiedene Menschen können legitim ganz unterschiedliche Muster dieses Nehmens haben. Am Ende besteht die einzige Rechtfertigungen für Überzeugungen in einem 'richtig für mich'". Clare graves formuliert es so, „Dieses System sieht die Welt relativistisch. Das Denken zeigt eine radikale, fast schon zwanghafte Tendenz, alles von einem relativistischen, subjektiven Bezugsrahmen her zu betrachten." Worum es dabei geht ist vielleicht offensichtlich: weil der pluralistische Relativismus einen ausgeprägten subjektivistischen Standpunkt darstellt, ist er eine leichte Beute für den Narzissmus. Pluralismus wird unbewusst zu einer Heimat für die Kultur des Narzissmus, und Narzissmus ist der grosse Verleugner von jeder allgemeinen integralen Kultur und jeder T.O.E speziell (weil Narzissmus sich weigert aus seinem eigenen subjektiven Orbit herauszutreten, und daher auch keine anderen Wahrheiten duldet als seine eigenen). Daher gehört auf unsere Liste von Hindernissen für eine echte Theorie über Alles [Theory of Everything] auch die Kultur des Narzissmus und die ausschliessende Vorherrschaft des grünen Meme...
Ende Teil I der Interviews
https://www.youtube.com/watch?annotation_id=annotation_3063727149&feature=iv&src_vid=vNVp5IwQcYc&v=JPKAUZ5JrTw
http://www.integralworld.net/de.html
Ken Wilber: Integrale Politik oder Heraus aus dem Gefängnis der Teilwahrheiten!
von Jörg Perband
Ausschnitt aus Kapitel 14 des neuen Romans von Ken Wilber: The Many Faces of Terrorism.
„Durchschnittlich einmal alle zwei Jahrhunderte erscheint eine neue politische Philosophie – und möglicherweise eine neue politische Bewegung. Integrale Politik scheint eine davon zu sein.“
--Joyce Kerner Capshaw, A Passion to Embrace
„Der weiterentwickelte Mensch erscheint...“ war das Erste, was ich in der Ausgabe des Centrix Reports las, als ich ihn überflog. Etwa die Hälfte der Presseleute war zu den Türen hinausgeeilt, die andere Hälfte hatte ihre Blackberries gezückt und tippte mit flinken Daumen für ihre Agenturen die wichtigste Nachricht der letzten Dekade, so jedenfalls war mein Eindruck. Ich blätterte weiter durch die Broschüre und fing hier und da Schlagworte und Sätze auf: „Techno-Singularität wahrscheinlich, doch in bislang unverstandener Weise“, „Regierung des zweiten Rangs als neuartige Entwicklung verändert die weltweiten Allianzen grundlegend“, „10%10x der entscheidende Faktor“, „Neu entwickeltes Bewusstsein des zweiten Rangs scheint alle menschlichen Disziplinen neu zu definieren“. Mein Verstand jubelte bei jeder Schlagzeile, taumelte überwältigt von den Dingen, die ich schon kannte, verblüfft, es konkret gedruckt zu sehen, als wenn eine Vorstellung real würde, und ich fragte mich, was das alles bedeutete, was es bedeuten könnte ...?
Und was genau stand nun in diesem Report?
Während ich schnell durch das dünne Buch blätterte und der milde Aufruhr im Saal sich legte, trat Charles Morin ans Podium. Im kleinen Zuschauerraum war nur noch leises Blättern zu hören.
„Guten Tag, meine Klasse, Damen und Herren von der Presse und liebe Gäste. Ich werde mich kurz fassen. Wie viele von Ihnen wissen – aber ich werde es für unsere Gäste wiederholen – ist der AQAL-Code das Ergebnis des Human Conciousness Project (HCP Projekt Menschliches Bewusstsein). Ähnlich wie das Human Genom Project wurde das Consciousness Project gestartet zur Kartierung der Zustände des Bewusstseins, des Persönlichkeitstyps, der Meme, der Neurotransmitter von Dopamin zu Serotonin, jeder Synapse, des PET Verteilungsscans, der Meditationszustände, geänderten Zustände, Gipfelerfahrungen, Neuropeptide, Bewusstseinszustände, neuronaler Anzeigen, dem Zucken, Zittern und Zappeln des menschlichen Geistes, der Psyche, des Körperbewusstseins oder des Verstandes oder wie auch immer Sie unser Sein bezeichnen wollen. Die Vorstellung war, einekomplette Kartographie des menschlichen Geistes zu erhalten, zusammengesetzt aus allen Blickrichtungen auf jede Kultur und ihren psychologischen, spirituellen und wissenschaftlichen Ansichten der menschlichen Psyche der letzten Jahrtausende, um dann aus all diesen Teilansichten eine Karte des vollen Potenzials der vollständig bekannten Bereiche der menschlichen Psyche heutigen Standes zu erzeugen.“
Ich erinnerte mich daran, wie ich zur Zeit des intensivsten Suchens nach dieser großen Karte am Integralen Zentrum ankam, und an all die Aufregung darum. Die Frage war, ob es überhaupt machbar sei. Das Problem dabei war nicht das Sammeln von Informationen aus Tausenden von Quellen – Cray Supercomputer hatten diese Informationen nun schon seit einem Jahrzehnt durchgekaut. Nach Aussagen der Systemwissenschaftler und Informationsspezialisten hätten die Crays schon vor langer Zeit diese Daten gesammelt, zu einer Übersicht zusammengestellt und die Antwort ausgespuckt haben müssen, doch stattdessen liefen sie einfach nur heiß. Das Problem, soviel wurde schließlich klar, war, dass mit den meisten Daten Äpfel und Birnen verglichen wurden, und die sind im wahrsten Sinne nicht vergleichbar. Die Forscher konnten sich nicht vorstellen, was sie mit so etwas wie Plotins nous – grob gesagt der Weltseele – anstellen sollten und wie das mit – sagen wir – Serotonin und Dopamin zusammenpassen sollte.
Die Wissenschaftler teilten sich sofort in zwei Lager, von denen die Einen die Eingangsdaten auf reine Neurowissenschaft reduzieren und damit alle psychologischen und spirituellen Kartenanteile als hoffnungslos unmodern und vorwissenschaftlich herausreißen wollten – diese seien nichts weiter als Volkspsychologie (was meint: abergläubisches Gewäsch). Indem sie alle Birnen fortwarfen, blieben nur die Äpfel übrig, und das war sicherlich ein Weg, das Problem anzugehen. Das andere Lager, viel kleiner, aber ebenso entschlossen, entgegnete, das erste Lager verwerfe das gesammelte Wissen der gesamten menschlichen Rasse. Dies sei wie der Versuch, die Kunst der gesamten Menschheit zu kategorisieren, indem man zuerst alles aus den Kunstmuseen entfernte.
Dieses Ringen währte nun schon den größten Teil der Dekade, während die Crays regelmäßig heißliefen, als neue und nutzlose Klassifikationen die Schaltkreise verklemmten, die nur dazu gebaut waren, Nullen und Einsen zu verarbeiten und nicht Gedanken und Wünsche.
An diesem Punkt gab die Verwaltung das HCP-Projekt an Außenstehenden weiter, darunter das Integrale Zentrum. Hier wird die Geschichte etwas undurchsichtig, doch hielt sich das Gerücht, ein Tellerwäscher aus Lincoln, Nebraska, ein Freund von Charles, habe das zugrundeliegende Schema erkannt, mit dem sowohl Dopamin als auch die Weltseele auf eine gemeinsame Karte passen. Die Erkenntnis war nicht topographisch – die Cray Computer hatten das schon probiert, etwa achtunddreissigtausendmal – sondern hatte mit der Sichtweise auf die Quadranten zu tun. Nicht Rechenkapazität, eine Vision schlug die Crays.
An dieser Stelle kamen die Dinge wieder in die Spur, und die Crays starteten eine massive Meta-Analyse aller bekannten Karten des menschlichen Bewusstseins inklusive der prämodernen, modernen und postmodernen Quellen. Die erzeugte Karte– AQAL genannt – fand sich dann schnell zusammen. Der Junge aus Lincoln schrieb „Rosetta“[1] auf den Ausdruck.
Irgendwie wusste ich dies alles schon. Irgendwie waren die Komponenten des AQAL mir vertrauter als die Linien auf meinem Handrücken. Und nun schlug Charles genau in diese Kerbe, völlig unspektakulär, und erklärte es der Presse und der Welt. Das muss ich ans Integrale Zentrum weitergeben. Die Regierung wird sie vielleicht umbringen.
Gleich, nachdem die Terroristen mich umgebracht haben. Selbst nach meiner erschreckenden fast-Halluzination kann ich nicht aufhören, über diese Möglichkeit nachzudenken und darüber, ob uns AQAL helfen kann, dieses terroristische Chaos zu verhindern oder wenigstens einen guten Weg zu dessen Verständnis zu weisen, damit diejenigen, die mich beerdigen, sich nicht den Kopf zerbrechen müssen über das Warum, sondern das Wo – in diesem Fall, wo die Asche zu verstreuen ist.
Doch danach wusste ich, wie diese Gedanken zusammenzuhalten sind. Ich wusste, wie der Denker zu beobachten ist, ein Durchmarsch zu tun ist, alles in seine ursprüngliche Quelle aufgelöst wird – und wenn sich die manifestierte Welt erhebt, dem Universum zu erlauben, sich mit so viel Freude wie auch Trauer zu füllen...
Die Singularität ist positiv, soviel zeigen die Daten. Es ist nicht gerade das, was Kurzweil und Garreau behaupten, doch es ist das, was das Handout sagt, was die Lehrer am Integralen Zentrum denken, und es ist das, was ich langsam aufnehme. Oder vielleicht sollte ich sagen, ich mir erlaube aufzunehmen angesichts der einfachen Möglichkeit, dass etwas zutiefst Positives in der wirklichen Welt geschehen könnte, denn meine Depression hatte das vollständig ausgeblendet, und so war ich nicht einmal in der Lage, die Fakten zu sehen. Die Singularität mag positiv oder negativ sein, ich muss beides gründlich akzeptieren, wobei ich eines davon gänzlich ausgeblendet habe. Und schon verkündet diese Pressekonferenz...
„Sehr gute Neuigkeiten“, strahlte Charles ins Publikum. „Sobald der AQAL-Code entdeckt war, begannen wir ihn zu benutzen, unter anderem in verschiedenen Supercomputer-Zukunftsszenarien. Heute werden wir Ihnen die Ergebnisse dieser bislang geheimen Computerszenarien präsentieren. Sie haben vielleicht gehört, dass mit der Nutzung dieses Codes die Programme erstmals die Gegenwart exakt voraussagen können. Deshalb glauben die Experten, dass die Zukunft mit weit größerer Exaktheit vorhergesagt werden kann, als man das bisher für möglich hielt. Zu diesem Zeitpunkt sind wir 30 Jahre zurückgegangen und haben die Gegenwart von da aus exakt vorhergesagt, daher glauben wir, 30 Jahre in die Zukunft blicken und ein gutes Bild einer wahrscheinlichen Zukunft erhalten zu können. Derzeit rechnen wir Szenarien sogar noch weiter zurück und nach vorn, und wir werden Ihnen die Ergebnisse mitteilen, sobald diese verfügbar sind.
Von heute an gesehen schlagen unsere Computerszenarien, unter Berücksichtigung der linearen und exponentiellen Änderungen sowie der typischen Aufs und Abs der Gesellschaft, vor, es gebe einen Umkehrpunkt in etwa 10 Jahren von heute anund eine wesentliche Realisierung in etwa 30 Jahren. Wir nennen das den Umkehrpunkt ‚P+10‘, um anzuzeigen, dass es 10 Jahre nach der Gegenwart geschehen wird, und den Realisierungsoder Transformationspunkt ‚P+30‘, um seine Lage 30 Jahre nach der Gegenwart zu beschreiben. Diese Pressekonferenz wurde unter anderem einberufen, um die Natur dieses Transformationspunktes zu diskutieren: Was er ist, was er bedeuten kann und den AQAL Code, der ihn enthüllt.“
Erneut eilte die Hälfte der verbliebenen Presse aus der Zuhörerschaft. Man konnte die meisten draußen bei den schon zuvor hinausgeeilten Kollegen stehen sehen, wo sie wie wild mit ihren Handys telefonierten, die man aus dem Saal verbannt hatte. Ich konnte schon die Schlagzeilen sehen: „Umkehrpunkt 10 Jahre von heute – Transformation folgt.“ Ich sah nach rechts und nach links: Beide, Kim und Ronnie, saßen da und starrten mit offenen Mündern – es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich sah, wie jemandem wirklich die Kinnlade herunterfällt. Und dabei waren wir noch nicht einmal beim wirklich interessanten Teil angekommen.
AQAL selbst ist inhaltsleer. Es handelt sich einfach um eine Reihe von Perspektiven, die in jeder Entdeckung enthalten sein müssen, um etwas von so vielen Blickwinkeln wie möglich zu betrachten.
„Der Grund, warum der Code bei Programmen für Zukunftsszenarien funktioniert, liegt darin, dass die bis hierher benutzten Agenten-modellierenden Programme keine reale Psychologie verwenden, kein dreidimensionales psychologisches Modell, das Höhen und Tiefen neben Wäldern und Ebenen hat. Das typische Computerprogramm nimmt an, dass Menschen sich so verhalten, wie sie es tun, weil sie von rationalen Erwägungen zum Erreichen ihrer wirtschaftlichen Ziele getrieben seien.
Oder sie seien getrieben vom Drang zu überleben. Die etwas abenteuerlicheren Anwendungen setzen den Drang nach Bedeutung voraus. Doch wissen Sie was? Wie Sie schon wissen, können Menschen – Sie und ich – von all diesen Trieben angespornt werden und noch von vielen mehr. Gebraucht wurde also eine Psychologie, die all diese Triebe richtig berücksichtigt.
Und es war nicht nur Psychologie. Wir hatten weder korrekte ökonomische Modelle noch religiöse noch politische. AQAL schien die hier klaffende Lücke zu schließen. Wie ich schon sagte, waren bei Benutzung dieses Codes unsere Computerszenarien in der Lage, die Gegenwart in Bezug auf bestimmte Schlüsselwerte aus einem Blickwinkel von vor 30 Jahren vorherzusagen. Daher hatten wir das Gefühl, dass diese Szenarien – nicht mit Sicherheit, aber mit größerer Zuverlässigkeit als andere Programme unserer Zeit – uns zeigen konnten, wie bestimmte Schlüsselentwicklungen in den nächsten 30 Jahren aussehen werden. Dies sind Szenarien, keine Vorhersagen, doch Szenarien, deren sämtliche von uns geprüften Variablen eine extrem hohe positive Übereinstimmung aufwiesen. Wir waren insbesondere an verschiedenen ökonomischen, politischen, militärischen, sozialen, religiösen und technologischen Entwicklungen interessiert.“
Charles machte eine Pause und sah zum ersten Mal auf seine Kollegen in der ersten Reihe, lächelte und fuhr fort: „Beginnen wir mit den technologischen Entwicklungen. Sie werden die so genannten Singularitäts-Diskussionen verfolgt haben, die in den letzten paar Jahren öffentlich wurden. Unsere Szenarien zeigen an, was wir als die singularitätsähnliche Wellenfunktion über 15 Variablen bezeichnen, beginnend bei P+25, und die bei P+30 entweder völlig zusammenbrechen oder sich zu einem Höhepunkt steigern – hier sind wir nicht sicher. Unsere Computer stürzen grundsätzlich an diesem Punkt ab. Unsere vereinfachte Zusammenfassung ist unsere Überzeugung, dass eine technologische Singularität[2] bei P+30 auftritt und deshalb die Computer an diesem Punkt abstürzen, doch die beobachteten Bewegungen und die Abstürze können nicht allein mit technologischen Faktoren erklärt werden. Das ist wichtig: Technologische Faktoren allein können nicht für diese singularitätsähnlichen Wellen bei P+30 verantwortlich sein – und sind es auch nicht. Deshalb ist es notwendig, auch interne Variablen über differenzielle und integrale Vektorfunktionen einzugeben und AQAL-Algorithmen in integralen mathematischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die ... nun, das ist alles Quatsch. In klaren Worten: Man braucht den Code. Man braucht den Code mitsamt seinem Verständnis beider, der externen technologischen und der internen Bewusstseinsentwicklung, damit die Änderungen verständlich werden, die zu P+30 führen. Das ist es, was Sie bei dieser Pressekonferenz wieder und wieder hören werden: Sie müssen das Innere einbeziehen, wenn Sie irgendetwas vom Gestern, Heute oder Morgen verstehen wollen.“
Ich fühlte tiefe Befriedigung, als ich Charles das sagen hörte, das, was ich ihn so oft schon hatte sagen hören. Doch nun bekam es eine gewisse Dringlichkeit. Doch was war genau mit dem „Zusammenbruch oder Höhepunkt“ gemeint? Ist die „Singularität“ ein Zusammenbruch (also sehr schlecht) oder ein Höhepunkt (also sehr gut)? Das Integrale Zentrum nahm das Zweite an, doch warum?
„In dieser Seminar-Präsentation werden wir jene Szenarien durchgehen und auch den Code, mit dem wir sie erzeugt haben. Nun haben Sie schon Carla die grundlegenden Elemente des Codes erläutern hören – die Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen, die eine wahrhaft integrale oder umfassende Karte einschließen muss.“
Während Charles das sagte, überflog ich das Heft auf der Suche nach dem Abschnitt über die technologische Singularität ...
„Und Sie haben bemerkt (oder etwa nicht?), dass diese Elemente ohne Inhalt sind. AQAL selbst ist inhaltsleer. Es handelt sich einfach um eine Reihe von Perspektiven, die in jeder Entdeckung enthalten sein müssen, um etwas von so vielen Blickwinkeln wie möglich zu betrachten. Tun sie dies nicht, sind sie nicht umfassend, nicht einschließend; sie sind nicht integral. Das sagt aber nichts über die Inhalte aus, die Sie in diese Perspektiven einbetten sollen. Zu sagen, dass Sie alle Quadranten einschließen oder alle Perspektiven der ersten, zweiten und dritten Person nutzen wollen, sagt nichts darüber, was Sie dort sehen sollten, was schließlich alles Mögliche sein kann. Gleiches gilt für die Ebenen. Sie können für die Ebenen des Bewusstseins jedes beliebige Modell nutzen, sei es Loevinger, Kegan, Graves, Maslow, Wade, Arlin oder welches Modell auch immer, das eine substanzielle Aussage hat, doch nutzen Sie irgendetwas, um die vertikale Tiefe auszuloten. Gleiches gilt für die Zustände. Oder die Linien. Es ist gleich, welche entwicklungsmäßigen Linien Sie nutzen, solange Ihnen klar ist, dass Individuen vielfache Linien oder Intelligenzen haben und Sie nicht alle Linien auf eine reduzieren und diese dann verabsolutieren. Aber wir sagen nichts über die Inhalte aus, die Sie in den Linien sehen sollen, ebenso wenig über die Zustände.
Zu sagen, man wolle den Grund mit den Zuständen berühren, wie Erwachen, Traum-Visionen und Kausal-Kreativität, bedeutet nicht zu erklären, was man beim Erwachen denken soll oder beim Träumen sehen. Es schließt lediglich Bewusstseinszustände ein, wenn man wirklich umfassend sein will.
Kurz gesagt, alle Elemente des AQAL sind ohne Inhalt. Packen Sie hinein, was immer Sie mögen. Wenn Sie ursprünglich integral sein wollen, geben Sie allen fünf Elementen des AQAL einen Inhalt. Wir kommen gleich darauf zurück, doch es ist ein wichtiger Punkt, so nochmals: Wir sagen nicht, was Sie denken sollen, noch wie Sie denken sollen, noch was Sie weitertragen sollen, noch sonst etwas. Davon halten wir uns fern. Wir sagen nur: Berücksichtigen Sie alle diese fünf Perspektiven, wenn Sie integral sein wollen. Also erinnern Sie sich an das „Finger weg“ – es ist besonders wichtig, wenn wir darauf kommen, wie eine Integrale Gesellschaft aussehen könnte.
Die integrale Gesellschaft ist in der Tat unser nächstes Thema.“
Ronnie beobachtete mich mit verwirrtem Blick, wie ich vor und zurück durch die Broschüre blätterte. „Technische Singularität?“ fragte ich. „Hab‘ ich gefunden. Seite 87.“ – „Danke.“ Ich blätterte zu Seite 87, neugierig, was nun das Integrale Zentrum letztlich über das Äußere bei P+30 zu berichten weiß. Was war deren endgültige Haltung dazu?
„Ich möchte Ihnen Dr. Lesa Powell vorstellen, die mit uns in das Abenteuer der Entdeckung einer möglichen Integralen Gesellschaft starten wird. Warum ist es wichtig, eine Integrale Gesellschaft zu verstehen? Und lassen Sie uns das hervorheben, um ihr höchstes Gewicht zu geben: Großes „I“, Integrale, großes „G“, Gesellschaft. Integrale Gesellschaft. Doch frage ich mich, ist es von überragender Wichtigkeit, es groß zu schreiben, oder vielleicht doch nicht?
Doch, denn dies, meine Damen und Herren, ist Teil der wirklich guten Neuigkeiten: Verschiedene Auswahlund Untersuchungswerkzeuge haben enthüllt, dass der Prozentsatz einer Bevölkerung mit umfassendem Bewusstsein des Zweiten Rangs – oder der türkisen oder schau-logischen oder integralen oder zentaurischen Stufe, welches Modell Sie auch wählen – sich in der letzten Dekade von 5% auf nunmehr 7% gesteigert hat. 7%, meine Damen und Herren! Das lässt uns vermuten, dass wir einen Anteil von 10% innerhalb einer Dekade erreichen werden. Mit anderen Worten, derzeit erwarten die Szenarien für P+10 einen Anteil von 10% der Bevölkerung, die den Zweiten Rang erreichen. Wir nennen daher diesen 10%-Anteil den Umkehrpunkt.
Was bedeutet das: Umkehrpunkt? Wie Sie noch hören werden, hat historisch gesehen jede Entwicklungsstufe – ob nun rot, bernstein, orange oder grün – bei 10% Bevölkerungsanteil einen massiven Umschwung bewirkt, mit grundlegenden sozialen, kulturellen und politischen Veränderungen. Das kann sich innerhalb eines Zeitraums von 5 bis 50 Jahren oder länger ereignen, doch es geschieht. Wenn 10% des unteren linken Quadranten die Bugwelle eines neuen Bewusstseins zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Geschichte erreicht hatte, dann folgten entsprechende umfangreiche Veränderungen in der Gesellschaft, obwohl in dieser Gesellschaft nur 10% in diesem Bewusstsein geankert waren. Nicht die gesamte Gesellschaft umfasst diese Veränderung, 90% erreicht sie nicht; doch die 10% genügen, sie reichen hinab und ändern alles grundlegend und weit reichend. Dieser 10%-Schwellen-Effekt wird nun als Carlson-Effekt bezeichnet, nach Dr. Margaret Carlson, die ihn zuerst aufgezeigt hat.
Also, meine Damen und Herren, schnallen Sie sich an. Es ist nicht nur die bevorstehende technologische Singularität, die auftreten kann oder nicht – darüber reden wir in einer Minute. Es ist die bevorstehende kulturelle Singularität, wenn Sie so wollen. Unsere Zukunftsszenarien zeigen an, dass 10% der Bevölkerung den Zweiten Rang in rund 10 Jahren erreicht haben wird, alsoP+10. Und wenn dies geschieht, dann zeigen unsere Computerberechnungen, neben hunderten weiterer Variablen, mit denen ich Sie nicht langweilen muss, eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine neu entwickelte Weltföderation bei P+25. Was das bedeutet, werden wir im späteren Verlauf des Tages noch beschreiben.
Wir zeigen diese wichtigen anstehenden Änderungen durch ein paar Symbole. Hier sind ein paar davon:
P+10 = 10%10x
Mit anderen Worten: In 10 Jahren erreichen wir eine 10%ige Zehnfachheit (10% der Bevölkerung bei 10fach effizienterem Zweitem Rang; auch als Umkehrpunkt des Zweiten Rangs bezeichnet).
P+10 → P+25 = WL/R
Oder, wenn es den 10%10x-Umkehrpunkt gibt, dann wird sich in 25 Jahren eine Welt-Liga oder Weltregierung zeigen, die für den ersten Rang zu früh käme, doch nicht bei einem 10%10x im Zweiten Rang.
P+30 = T-S + K-S = OTW (Off The Wall = ohne Anhaltspunkte „aus der Luft gegriffen“ A.d.Ü.)
Oder, 30 Jahre später erscheint ein Transformationspunkt als Ergebnis der Kombination der Technischen Singularität (oder exakter, der singularitätsähnlichen Welle, T-S) und einer Kulturellen Singularitäts-ähnlichen Welle (K-S). Und diese Ergebnisse sind der Transformationspunkt des zweiten Rangs.
Lassen Sie uns also diese Diskussion mit der Integralen Politik beginnen. Wie würde eine Integrale Gesellschaft, geführt oder wenigstens beeinflusst von Integraler Politik, denn aussehen? Wir müssen nicht im Detail verstehen, was Integrale Politik ist, sondern sie im allgemeinen beschreiben können – was wir als orientierende Verallgemeinerung bezeichnen. Ein Umriss Integraler Politik und Integraler Regierung – die Eckpfeiler einer Integralen Gesellschaft – geben ein besseres Verständnis, was es mit dem Umkehrpunkt P+10 und dem TransformationspunktP+30 auf sich hat. Behalten Sie im Kopf, dass, auch wenn die technologische Singularität für P+30 vorhergesagt wird, der kulturelle Umkehrpunkt bei P+10 startet, also in gerade einmal zehn Jahren.
Lassen Sie uns beginnen, lassen Sie mich Ihnen Dr. Lesa Powell vorstellen.“
Als ich Seite 87 erreichte, trat Lesa aufs Podium. So dringlich meine Suche im Handout auch war, konnte ich mich für mehrere Minuten nicht von ihrem Anblick losreißen. Sie war die beeindruckendste Person, die ich je gesehen hatte. Ihre berühmten Dreadlocks hatte sie dramatisch gekürzt, von rückenlang auf etwa – warten Sie mal – etwa wie Halle Berry im Film „Bullocks“.
(Ich rede über einen Film; ist es nicht erstaunlich, wie albern Autoren werden können, wenn sie sich an die integrale Politik herankämpfen? (...) Jedermann wird im Quadranten 1 geboren, und solange die große Entwicklungsspirale in ihrer Gesamtheit weiterbesteht, wird jede Ebene des Ersten Ranges die übrigen Ebenen als die ‚Anderen’ sehen, als potenzielle Dämonen, also jemanden, den es zu bekämpfen, zu unterdrücken, zu beherrschen gilt. Das wird nicht verschwinden, sowenig wie Atome, Moleküle und Zellen verschwinden werden. Was wir brauchen, ist in der Tat eine integrale Politik, die mit allen diesen fortbestehenden Ebenen umgehen kann.) (...)
Lesa: „Okay, dies ist ein grober Entwurf, haben Sie Geduld mit mir. Mein Buch, gerade in Arbeit, heißt Integrale Politik: Die mögliche Form eine Regierung nach dem Umkehrpunkt. Und bitte denken Sie daran, dass es ein erster grober Entwurf ist.
Das erste Kapitel heißt ‚Warum leiden Menschen? – Die demokratischen und die republikanischen Antworten’. Folgendermaßen: Es ist erstaunlich, dass bis heute niemand eine befriedigende Definition geben konnte, was liberal oder konservativ bedeutet, oder allgemeiner, was links und rechts der politischen Mitte sein soll. Wir werden diese Definitionen verfeinern, während wir voranschreiten. Doch zunächst benutzen wir die Begriffe einfach für Demokraten und Republikaner in Amerika.
Es wurden natürlich schon viele Definitionen für ‚Demokrat‘ und ‚Republikaner‘ angeboten, und viele davon sind ganz nützlich. Doch keine davon trifft den Nagel auf den Kopf, ist klar und offensichtlich. Bis auf eine, und ich sage mit Stolz, dass diese zuerst von einem unserer Mitarbeiter aus unserem Integralen Zentrum in dem BuchUp from Eden (Halbzeit der Evolution, Anm. d. Übers.) vorgeschlagen wurde. Was ist also der grundsätzliche Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen der Linken und den Rechten? Hier ist eine einfache Formulierung. Wenn Sie die einfache Frage stellen – ‚Warum leiden Menschen?’ – erhalten Sie zwei grundsätzliche Antworten. Die Rechten werden sagen, ‚Du leidest deinetwegen’, die Linken ‚Du leidest wegen der Anderen’.
Wo lokalisiert die politische Theorie oder Bewegung die Quelle menschlichen Leids?
Warum zum Beispiel sind einige Menschen arm? Die Republikaner werden sagen: ‚Weil sie faul sind, nicht hart genug arbeiten, eine Berechtigungsmentalität haben, weil sie träge sind, weil sie keine familiären Werte haben, keine richtige Arbeitsmoral: Ich arbeite hart für mein Geld, lasst sie auch hart arbeiten für ihres!‘ Der Demokrat wird sagen: ‚Sie sind arm, weil sie unterdrückt werden, man ihnen keine faire Chance gibt, weil sie Opfer sind – es ist nicht ihre Schuld, sondern die Schuld der Gesellschaft.‘ Die Republikaner machen das Innere verantwortlich, die Demokraten das Äußere.
Nehmen wir die erhitzten Debatten zum Schusswaffengebrauch – was sollen wir tun, um die fast 50.000 jährlichen Toten durch Schusswaffen zu vermindern? Die Republikaner sagen: ‚Die Kriminellen beschaffen sich ihre Waffen sowieso, also lasst den verantwortungsbewussten Bürgern ihre Waffen, denn das Problem ist nicht irgendwo da draußen; wir müssen der Gesellschaft mehr Moral beibringen: Erzieht die Kinder mit familiären Werten, und sie werden nicht umherlaufen und Menschen umbringen.‘ Die Demokraten sagen: ‚Nehmt ihnen die Waffen weg.‘
Mit anderen Worten, die Republikaner halten das für ein inneres Problem, die Demokraten für ein äußeres. Und beide sind wütend absolut wütend aufeinander. Nehmen Sie die Schießerei in Columbine, Colorado, worüber die Liberalen Filme wieBowling for Columbine drehten mit der einfachen Botschaft: Verbietet Schusswaffen – Punkt – und eine solche Tragödie wird nicht mehr geschehen. Die Konservativen antworten mit hochrotem Kopf und ebenso ärgerlich: ‚Kriminelle kommen immer an Waffen; das Problem sind nicht die Waffen, sondern die freie Gesellschaft, die kein Gespür mehr hat für Schuld, nicht an die ethische Selbstbestimmung glaubt und damit Waffen verbieten muss, was wiederum Menschen einlädt, diese Art des ultimativen Narzissmus zu entwickeln.“ (...)
„Ebenso sieht es bei sozialen Veränderungen aus. Die Republikaner empfehleninnere Entwicklung (Formung des Charakters, familiäre Werte, religiöse Werte, Fleiß, Selbstverantwortung, Arbeitsmoral), die Demokraten empfehlen dagegen externe Entwicklungen (materielle Verbesserung, ökonomische Umverteilung, umfassende Gesundheitsvorsorge, Wohlfahrt). Natürlich gibt es allerlei Ausnahmen und Mixturen. Doch in der Regel ist dies der grundlegende Unterschied in der sozio-politischen Ausrichtung zwischen Demokraten und Republikanern.“
Schließlich schaute ich von Lesas strahlendem Gesicht auf die Seite 87: „Eine mögliche technologische Singularität“. Dabei erregte der Garreau-Abschnitt meine Aufmerksamkeit, der in der Broschüre des Integralen Zentrums zustimmend abgedruckt war:
„Die weiterentwickelten Menschen kommen – noch zu unseren Lebzeiten, deshalb werden wir mehr und mehr die Wahl der Verbesserungen haben. Die weiterentwickelten Menschen – Du selbst in ein paar Dekaden – haben erstaunliche intellektuelle Fähigkeiten. Sie haben ein fotografisches Gedächtnis und eine totale Erinnerung. Sie können Bücher in Minuten aufnehmen. Obwohl sie nicht übermäßig trainieren, sind ihre Körper erstaunlich gesund. Sie werden beiläufig darüber reden, dass sie lange leben, vielleicht unsterblich sind. Sie sind gegen Schmerzen immun; starke Schmerzen fühlen sie nur kurz. Sie werden ständig miteinander verbunden sein, wenn sie dies wollen, und ihre Gedanken über weite Entfernungen austauschen, ohne erkennbare Apparaturen. Sie nennen es ‚stille Post’. Es scheint fast wie Telepathie. Sie haben dieses seltsame Verhalten des besonderen Kopfnickens, wenn sie auf Informationen zugreifen, die noch nicht in ihren Köpfen sind, als ob sie auf eine kabellose Lieferung warten. Was sie auch tun. Sie schlafen manchmal eine Woche oder länger nicht. Sie sind weiterentwickelte Menschen, sie sind Du in ein paar Jahren.“
Die weiterentwickelten Menschen. Und das ist nur die rechte Seite. Das Integrale Zentrum liefert die linke Seite oder den bevorstehenden Transformationspunkt, der die „Kulturelle Singularität“ einbezieht, nicht nur die technologische. Garreaus BuchRadikale Evolution handelt von den bevorstehenden Verbesserungen der menschlichen Biologie, so weit, dass in den nächsten paar Dekaden sich die menschliche Biologie tatsächlich in einem hohen Maße weiterentwickelt haben könnte. Schauen Sie also im Büchlein den Abschnitt zur „Technologischen Singularität“ an und Sie werden sehen, dass wirklich vieles von dem bei P+30 zum Tragen kommen kann. Und das berücksichtigt wiederum nur die rechten Quadranten. Nehmen wir noch die linken Quadranten hinzu, werden die Dinge auf eine schwindelerregend-fröhliche Weise noch deutlich spekulativer, wenn wir das zulassen. „Weiterhin glücklich und zufrieden“ scheint wahr zu werden. Garreau berichtet nämlich einfach über Forschung, die gerade geschieht, und viele der AQAL-Zukunftsszenarien scheinen das zu bestätigen. Deshalb glauben sie, P+30 sei Off the Wall.“ (OTW)
Ich schaue zu Ronnie hinüber. Seine Lippen formen die Worte „Off the Wall“.
„Ich weiß“, gebe ich zurück.
„Ich habe diese Definition von Republikanern und Demokraten immer schon gemocht“, kommentierte Mark Jefferson aus der ersten Reihe, wo die anderen Lehrkräfte saßen, laut genug, dass die Presse es hören konnte. „Und ich stelle fest, dass sie seit ein paar Jahren zunehmend öffentliche Akzeptanz gewinnt und Verwendung findet. Selbst das Magazin Time verwendet sie. Ich stimme für Time“, er grub in seiner Brieftasche, „Halten wir fest, dass sie genau diese Definition verwenden...[3] Dies ist der Unterschied zwischen dem, was wir die Externalisten und die Internalisten nennen. Externalisten, die zur politischen Linken tendieren, behaupten, Amerikas Rassenprobleme wären durch Eingriffe von Außen zu regeln (Scheinaktionen, Aufteilung von Schulkindern per Bus in andere Bezirke und andere Regierungsprogramme, um die Schäden der Vergangenheit zu beheben und rassische Gerechtigkeit zu erzwingen). Internalisten, meist dem konservativen Lager zuzurechnen, bemühen sich um Lösungen von Innen: Bildung, harte Arbeit, Selbst-Motivation, Moral, bürgerliche Werte, Genussverzögerung, die alten Einwanderertugenden ...“
„Danke Mark“, sagte Lesa. „Hat das jeder gehört? Klasse. Das ist also die erste Variable einer Integralen Politik, nämlich: Wo lokalisiert die politische Theorie oder Bewegung die Quelle menschlichen Leids? Dies ist der interne-externe Maßstab, der besonders bedeutend ist, weil er grundsätzlich bestimmt, wen oder was Sie für Ihre Probleme – und die der Gesellschaft – verantwortlich machen und was Sie zu deren Lösung vorschlagen. Das ist der große Unterscheid zwischen vielen politischen Parteien und eines der wichtigsten Puzzlesteine, die die Integrale Politik integrieren muss. Doch wie wir sehen werden, gibt es noch mehrere andere Haupt-Variablen in der Integralen Politik, und wir wollen uns ansehen, wie politische Bewegungen mit all diesen Variablen umgehen.
Im Falle des AQAL-Codes bedeutet das einfach, dass die Internalisten – in diesem Lande hauptsächlich Republikaner – die Bedeutung der Quadranten der linken Seite als Grund für das menschliche Leid sehen, während die Externalisten – üblicherweise Demokraten – die rechten Quadranten als dessen primäre Quelle ausmachen. Um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, wollen die Republikaner meist in den inneren (linksseitigen) Quadranten herumpfuschen, die Demokraten wollen die rechten Quadranten bearbeiten.“
„Dr. Powell, könnten Sie kurz auf die gewalttätigen Aktionen wie den 11. September eingehen?“ fragte ein Student aus der vierten Reihe.
„Klar. Versuchen wir es so: Wenn Sie Republikaner fragen, was die militanten Kräfte dazu bringt, sich selbst in so verzweifelter Weise zu engagieren, werden sie nicht zögern, alle Schuld den Terroristen selbst zuzuweisen: Sie sind primitiv, böse, unmenschlich, sie haben keine Werte, ihnen fehlt es an Charakter, sie glauben an den falschen Gott, ihnen fehlt dieses oder jenes, doch immer ist es deren eigene Schuld, Punkt! Es ist ein innerliches Problem, ihr Inneres ist völlig durcheinander.
Und der typische Demokrat wird ins andere Extrem verfallen und die äußeren Umstände verantwortlich machen: Ja, die Terroristen sind für ihre Taten verantwortlich, doch in ihrer Umgebung läuft etwas brutal schief und bringt sie zu solchen Handlungen. Und in diesem Fall hat dieser Schrecken sechs Buchstaben: Der Westen.
Der AQAL-Code zeigt uns nun auf, dass beide Ansichten einen Teil Wahrheit beinhalten (einfach weil alle Geschehnisse linke und rechte Quadranten haben!). Doch wollen wir zum Terrorismus zurückkehren. Niemand auf der Weltenbühne, absolut niemand, ob hier oder im Ausland, theoretisch oder praktisch, in der akademischen Welt oder der Wirtschaft, nimmt eine Perspektive der Integralen Politik ein, und deshalb fallen die Antworten auf militanten Terrorismus vorhersagbar und unglücklich in eine dieser beiden dualistischen, teilweisen und fragmentarischen Blickwinkel, und wir wollen schauen, ob wir das besser können.
Nun, dies ist die erste Variable einer Integralen Politik, die wir einführen müssen – Betonung des Inneren versus Betonung des Äußeren oder linksseitige und rechtsseitige Quadranten. Die zweite Variable beinhaltet die Ebenen: Von welcher allgemeinen Entwicklungsebene kommt eine politische Partei oder Bewegung, aus welchem Kontext empfindet und handelt sie?
Ich werde gleich einige Beispiele hierzu geben. Doch sehen Sie, wo ich damit hin will? Der AQAL-Code – alle Quadranten, alle Ebenen, alle Linien, alle Zustände, alle Typen – gibt uns eine Möglichkeit, Politik auf eine tiefe, bedeutungsschwere Weise zu verstehen: Sie müssen einfach die politischen Perspektiven oder Bewegungen in der AQAL-Matrix finden. Finden Sie ihren kosmischen Standpunkt und Sie verstehen genau, was es mit dieser Partei auf sich hat, was sie von Ihnen erwartet ...“
[1] Der Rosetta-Stein: 1799 in Rosetta in Unterägypten gefunden mit grie- chischer Inschrift und Hieroglyphen; machte die Entzifferung der altä- gyptischen Hieroglyphen möglich (Anm. d. Übers.).
[2] „In der Futurologie bezeichnet der Begriff Technologische Singularität den Zeitpunkt, ab dem der technische Fortschritt so schnell abläuft, dass ihn ein durchschnittlicher Mensch ohne Hilfsmittel nicht mehr begreifen kann.“ Aus: Wikipedia (Anm. d. Übers.).
[3] siehe Ken Wilber: Ganzheitlich handeln, Seite 99
Quelle: IP 8 / 2007
Hallo Nil,
an den letzten sehhhr langen Kommentar knüpf ich dann mal mit kollegialem Gruß und einer Verlinkung an, in der Wilbers Arbeit über den Terrorisms und der Psychoanalytiker Kernberg eine Rolle spielen:
Das messianische Weltbild
Das paranoid-grandiose Selbstbild
Zum eigentlichen Thema scheibe ich irgendwann auch noch mal was.
Wenn Du Lust dazu hast, können wir die integrale Bewegung ja auch mal (kritisch) beleuchten.
Hi. Vielen Dank fuer die Links.
Ja, ich bin sehr gespannt auf die Erscheinung des Buches, The Many Faces Of Terrorism von Wilber. Was ist integrale Spiritualitaet, von Wilber, wo er auch auf die problematische Psyche von Terroristen eingegangen ist, kenne ich.
Ich freue mich, dass Du das hoch aktuelle Thema bald mal aufgreifen moechtest.
siehe unten
ich meinte oben.)
Hach ... schmunzel
Ich kopiere das mal für weitere Physik Diskussionen ^^
Eine interessante Diskussion, die vor meiner Zeit in der FC lag. Schade. Aber ich sehe hier, dass Du genauso tickst. HIlft für weitere Diskussionen.
reiner Zufall ^^
statistisch gesehen hätte ich es eigentlich nicht finden dürfen bei der Masse. ^^
http://integralesleben.org/if-home/il-integrales-leben/anwendungen/philosophie/wer-ass-kapitain-cook/
SUBTILE ENERGIE-MEDIZIN
übersetzt und zusammengefasst von Michael Habecker
Quelle: https://www.integrallife.com/ken-wilber-dialogues/subtle-energy-medicine
Einleitung
Das Thema „subtile Energien“ beschäftigt Ken Wilber schon lange, so z. B. in dem bereits 1979 veröffentlichten Beitrag Are the Chakras real? – Kundalini, Evolution and Enlightenment, oder in Gesprächen mit Rupert Sheldrake über dessen Arbeit zu morphogenetischen Feldern. Mit der Veröffentlichung des excerpt G, Auf dem Weg zu einer umfassenden Theorie der subtilen Energien, hat Wilber 2003 ein Erklärungsmodell zur Entstehung subtiler Energien vorgelegt. (Eine Übersetzung dieses Grundlagentextes befindet sich auf der Homepage des Integralen Forums. integralesleben.org/if-home/il-integrales-leben/aufbauwissen/exzerpte-kosmic-karma-and-creativity/auszug-g-subtile-energien/)
Der folgende Beitrag ist eine Zusammenfassung eines Dialogs zwischen Donna Eden und Ken Wilber, bei dem das Buch Energy Medicine von Donna Eden im Mittelpunkt steht. Einzelne Passagen aus dem Buch sind als Zitate aufgeführt. Ausgangspunkt ist die These bzw. Erfahrung, dass Menschen (und andere Wesen) nicht nur als grobstofflich-physische, sondern auch als energetische Wesen existieren, mit einer entsprechenden feinstofflichen Anatomie, Physiologie und Pathologie, die ihrerseits auch auf den grobstofflichen Körper wirkt.
Zum Buch
Den Inhalt ihres Buches Energy Medicine beschreibt die Autorin auf S. 11 wie folgt:
Teil I, „Das Erwecken des Zwei-Millionen-Jahre-alten Heilers im Inneren“ betont meine Überzeugung, dass wir instinktiv sehr viel mehr über die Energien unseres Körpers und den Umgang damit wissen als uns bewusst ist. Das erste Kapitel spricht einige der schwer fassbaren Begriffe im Zusammenhang mit einer Energie-Medizin an, wie Energie, subtile Energie, Seele und GEIST. Dabei wird die Sprache der Energien des Körpers als eine Sprache, die erlernt werden kann, vorgestellt. Kapitel 2 erläutert Techniken zur Identifikation der Energien, die innerhalb deines eigenen Körpers sowie auch außerhalb davon wirksam sind. Das Kapitel stellt die Methode des Energietestens vor, zur Feststellung des Zustandes und der Gesundheit der eigenen Energien. Das Energietesten kann auch dabei helfen festzustellen, wie der Umwelteinfluss auf das eigene Energiefeld ist. Weiterhin erlaubt es dir, die im Buch vorgestellten Verfahren an deine eigenen Bedürfnisse anzupassen. Kapitel drei erläutert eine fünfminütige Übungspraxis zur täglichen Anwendung. Diese Praxis entwirrt und unterstützt die eigenen Energien für mehr Gesundheit und Heilung. Sie zeigt auch, wie du mit dem Energietesten experimentieren, davon profitieren und auch die Körperreaktionen auf Stress neu programmieren kannst.
Teil II „Die Anatomie deines Energiekörpers“ stellt neun Hauptenergiesysteme vor. Weil ich in meiner sensorischen Wahrnehmung subtile Energien in Bildern sehe, zeigt sich mir der menschliche Körper als ein Energiespektrum, das oft mehr Farben enthält als eine Blumenwiese im Frühling. Über die Jahre habe ich festgestellt, dass ich mich hauptsächlich auf neun Energiesysteme in meiner Arbeit konzentriere. Beschreibungen jedes dieser Energiesysteme finden sich in den Heilungstraditionen der Kulturen, mal mehr und mal weniger ausführlich. Die neun Energiesysteme sind die Meridiane, die Chakren, die Aura, die Elektrik, das Keltische Gewebe, die Grundstruktur, die Fünf Rhythmen, der Dreifache Erwärmer und die strahlenden Kreise. Ich sage nicht, dass es nur diese neun Energiesysteme im menschlichen Körper gibt, doch ich sage, dass man innerhalb dieser neun Systeme Zugänge zu mehr Heilung findet. Wenn du diese Systeme zum Blühen und Gedeihen bringst, dann führt das zu größerer physischer und emotionaler Gesundheit.
Teil III, „Alles Zusammenbringen“ zeigt, wie du das, was du gelernt hast, in deinem Leben umsetzen kannst. Es geht um Wege für einen effektiveren Umgang mit Erkrankungen, um Schmerzlinderung und um die Schaffung eines inneren und äußeren Energiefeldes, welches deine Gesundheit und Freude optimiert. Der Epilog lädt dich dazu ein, über die geheimnisvollen Räume zu reflektieren, die sich durch einen Energieansatz und einem damit verbundenen Öffnen eines Fensters zur Reise deiner Seele bieten. In den Text eingebettet sind etwa einhundert Übungen, die ich im Laufe tausender individueller neunzigminütiger Sitzungen und hunderter von Seminaren entwickelt ober übernommen habe.
Der Dialog
Teil 1 Was ist Energie-Medizin?
Ken: Das Buch Energy Medicine bietet eine Kombination von Informationen und Übungen zur Selbsthilfe. Krankheiten entstehen, wenn die Energiesysteme innerlich und äußerlich nicht mehr miteinander kommunizieren bzw. harmonisieren, und hier gibt es viele Möglichkeiten, sich selbst zu helfen. Die großen Weisheitstraditionen geben uns eine wirklich zusammenhängende Erklärung dafür, warum eine Energie-Medizin wichtig ist, warum sie funktioniert und warum sie auf eine Weise bedeutender ist als konventionelle Medizin, die allein auf die physische Ebene ausgerichtet ist. Dahinter steht die Vorstellung von Involution und Evolution. Zur Involution: Eine „Große Kette des Seins“ findet sich in allen großen Traditionen, als Variationen von Materie-(energetischer) Körper-Geist-Seele und GEIST. Danach wird das Universum erschaffen indem GEIST sich entäußert und in einem Abwärtsschritt Seele erschafft, welche sich wiederum entäußert und in einem weiteren Abwärtsschritt Geist erschafft, welcher wiederum den energetischen Körper erschafft, und dieser erschafft und entäußert sich in einem weiteren Abwärtsschritt in dem materiell-physischen Körper. Dies wird manchmal auch zusammengefasst als grobstofflich-subtil-kausal, wobei „kausal“ sich auf etwas Verursachendes bezieht, aus dem alles entsteht. Aus dem Kausalen entstehen das Subtile und daraus der physische Bereich. Was wir daher als physische Krankheit sehen, hat seinen Ausgangspunkt in einer dieser höheren Dimensionen. Und so können wir schon auf diesen höheren Ebenen eingreifen, bevor sich etwas als eine physische Krankheit manifestiert.
Weiterhin werden mit dieser Sichtweise der großen Traditionen auf Energie auch allgemeine Bewusstseinszustände in Verbindung gebracht, wie Wachen, Träumen und traumloser Tiefschlaf, Zeugenbewusstsein, nichtduales Bewusstsein und so weiter. Und jeder dieser Zustände wird von einer bestimmten Energie unterstützt und getragen. Unser Wachbewusstsein wird von einer grobstofflichen Energie unterstützt, der Traumzustand, der Bardozustand, kreative Zustände und Visualisierungen werden unterstützt von einem subtilen Körper, und der tiefe formlose Zustand wird von einem kausalen Körper unterstützt. Es existiert also ein Spektrum von Energie, das unserem Bewusstseinsspektrum zugrunde liegt. Energiearbeit ist daher auch Bewusstseinsarbeit. Das eine unterstützt das andere.
Donna: Ich erlebe diese Energie als eine Intelligenz, ausgestattet mit einer großen Weisheit und hineinwirkend in all die beschriebenen Ebenen und Bereiche. Dieses alte Wissen unserer Vorfahren, wie wir uns heilen können, ist intuitiv in uns vorhanden, und viele Menschen machen es intuitiv. Menschen massieren instinktiv ihre Meridiane, berühren bestimmte Punkte, bringen Energiekreisläufe in Gang. Kinder machen es ganz instinktiv, sie sind diesem Spüren noch näher als Erwachsene, und sie lernen diese Dinge sehr leicht. Sie lernen dadurch leichter und stecken sich z. B. nicht so leicht an, wenn andere erkältet sind.
Ken: Dies alles sollte Teil einer Bildung und Erziehung sein und wird doch oft nicht beachtet, was tragisch ist. Doch gleichzeitig nimmt das Interesse an den subtileren Energien, die im Universum existieren, zu und deren Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Donna: Vor ca. 35 Jahren wurde ich wegen meiner Arbeit von einer Gruppe von Ärzten vor Gericht gebracht, mit dem Vorwurf einer Heilkundeausübung ohne Lizenz, doch es konnte keinerlei Schaden festgestellt werden. Bereits zehn Jahre später interessierten sich die gleichen Ärzte auf einmal für das Thema. Heute gibt es ein exponentielles Wachstum, und meine Kurse werden auch von Ärzten und Pflegekräfte besuchen. Ärzte leisten wunderbare Arbeit, doch sie stellen auch mehr und mehr die Grenzen fest, an die sie dabei stoßen.
Ken: Energie-Medizin ist auf eine Weise zeitlos und sehr alt, doch auf eine andere Weise ist es eine Vorstellung, deren Zeit jetzt gekommen ist. Menschen suchen nach anderen Möglichkeiten, und Energie-Medizin ist einfach und anwenderfreundlich. Man erhält sehr schnell ein Feedback über die Wirkung. Es ist die älteste Medizin, und es geht dabei um die Lebensenergie. Der Körper ist darauf angelegt, sich selbst zu helfen. Nimmt man einmal Kontakt auf mit dieser heilenden Kraft, wird sie einen zur Gesundheit führen. Und es ist nicht nur die Persönlichkeit oder die Seele, die möchte, dass es dem Körper besser geht, der Körper möchte heil werden, und jede Zelle trägt eine außerordentliche Intelligenz in sich. Auch wenn wir immer wieder Hilfe und Unterstützung von außen brauchen, so ist doch Heilung etwas, was von innen geschieht. Es ist eine Art sich selbst organisierende und selbstreparierende Souveränität, die darin zum Ausdruck kommt, auch wenn es gelegentlich einen Anstoß von außen braucht.
Aus dem Buch: „Zahlreiche Kulturen beschreiben eine Matrix subtiler Energien, welche den physischen Körper unterstützt, formt und lebendig hält, mit einer Intelligenz, die menschliches Wissen oft übersteigt. Im Chinesischen wird dies qi oder chi genannt, prana in den Yogatraditionen von Indien und Tibet, ruach im Hebräischen, ki in Japan, baraka bei den Sufis, wakan bei den Lakota Indianern, orenda bei den Irokesen, megbe bei den Ituri Pygmäen, und in den christlichen Traditionen sprechen wir vom heiligen Geist. Es ist wirklich keine neue Idee, wenn wir davon sprechen, dass die subtilen Energien wie in einem Tandem zusammenwirken mit den dichteren, „geronnenen“ Energien des materiellen Körpers.“
Ken: Diese subtilen Energien gehen, wie schon gesagt, den Manifestationen des dichteren Physisch-Manifesten voraus. Wenn also etwas schief geht, dann geht es zuerst in einer der Komponenten der subtilen Energien schief. Wird das nicht behoben, wird es sich physisch manifestieren, und dann ist die Behebung schwieriger.
Donna: Die Arbeit an und mit den eigenen Energien kann so vieles verändern. Ich war sehr krank, bevor ist darauf stieß. Ich konnte mit Multipler Sklerose zwei Jahre lang nicht mehr laufen. Doch der Körper möchte heil werden, und ich habe begonnen mit den Energien Kontakt aufzunehmen - Energie ist die Sprache, in welcher der Körper spricht. Das Gespräch kommt wieder in Gang und die Dinge verändern sich. Dinge kommen in Ordnung, an die man gar nicht gedacht hatte. Ich versuchte meine Beine zu heilen, um wieder laufen zu können, doch was geschah war, dass mein Asthma verschwand. Diese verschiedenen Energiesysteme sind alle miteinander verbunden. Gleichzeitig nahm ich 8 Kilo ab, mein Stoffwechsel kam wieder in Gang. Wir sind heutzutage so unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt – nicht nur unseren persönlichen Belastungen, sondern auch Umweltbelastungen. Jeder Kubikmeter unserer Umgebung ist angefüllt mit menschengemachten, elektromagnetischen Feldern. Daran ist unser Körper nicht angepasst, eine solche Anpassung dauert vielleicht eine Million Jahre. Doch diese Zeit haben wir nicht. Wir müssen jetzt schnell irgendwie unserem Körper beibringen damit umzugehen und sich zu entwickeln. Das kann geschehen, ich habe es immer wieder beobachtet.
Ich bin davon überzeugt, dass Babys diese Energien sehen können, doch wenn diese Fähigkeit im ersten Lebensjahr nicht unterstützt wird, dann verschwindet sie und niemand spricht darüber. Ich kann dies sehen und mein Bruder und meine Schwester auch, und ich denke das ist so, weil unsere Mutter immer von Energien und Farben sprach. Dies wurde lebendig gehalten. Das sage ich auch zu werdenden Müttern und den Vätern: ob ihr diese Energien sehen könnt oder nicht, wenn ihr wollt, dass euer Baby diese Fähigkeit behält, dann sprecht darüber, haltet es lebendig. Es ist sehr verbreitet, zumindest in unserer Kultur, dass die wenigen Menschen, welche diese Energien sehen können, davon ausgehen, dass alle diese Energien sehen können. Sie halten das für ganz natürlich. Ich war bereits zwanzig Jahre alt als ich begriff, dass nicht alle diese Energien sehen konnten. Das ist so schockierend wie wenn man bemerkt, dass man der einzige Mensch ist der hören und schmecken kann.
Ken: Es gibt unterschiedliche Arten von Energien, mit denen eine Energie-Medizin arbeitet. In dem Buch weist du darauf hin, dass Energie unterschiedliche Formen annimmt: „Während Energie unterschiedliche Formen annehmen kann – kinetisch, thermisch, chemisch, nuklear – sind die für eine Energie-Medizin wichtigsten Energieformen Kombinationen der 1. elektrischen Energien, 2. elektromagnetische Energien und 3. „subtilen“ Energien des Körpers.
1. Elektrizität hat mit der Bewegung von Elektronen und Protonen zu tun. Jede Körperzelle speichert wie eine Miniaturbatterie in ihre Mitte Elektrizität und sendet diese auch aus.
2. Elektromagnetische Energie bewegt sich in einem Wellenspektrum von Radiowellen zu Mikrowellen zu infrarotem Licht zu sichtbarem Licht zu ultraviolettem Licht zu Röntgenstrahlen zu Gammastrahlung.
3. Subtile Energien wurden von Einstein als Energien beschrieben, von deren Existenz wir über ihre Wirkungen wissen, für die wir aber keine Instrumente haben, um sie direkt zu messen. Diese Energien können keine Kompassnadel bewegen, aber viele Heiler wissen, wie durch die Arbeit mit diese Energien Gesundheit und Vitalität wiederhergestellt werden können. William Tiller und seine Kollegen an der Stanford Universität haben die Existenz eines Energiefeldes demonstriert, welches sich nicht innerhalb des elektromagnetischen Spektrums findet. Ebenso hat Tillers in einer Versuchsanordnung herausgefunden, dass dieses subtile Energiefeld auf menschliche Intentionen reagiert. Daher denke ich, dass diese grundlegenden Energiesysteme wie die Meridiane, die Chakren und die Aura sich aus diesen Arten von Energien zusammensetzen.“
Ken: Wir haben es hier also nicht mit einer einzigen Bioenergie zu tun, sondern mit einem sehr viel komplexeren Energiefeld.
Donna: Ich sehe diese Energien mein ganzes Leben lang und bin an kein Ende gelangt in meinem Verständnis darüber – außer dass dies die Grundlage von allem Physischen ist. Dabei gibt es immer wieder Neues und Aufregendes zu entdecken. Wenn es Menschen gelingt, ihren Körper von Stressbelastungen zu befreien, dann kann die Energie leichter fließen, dann entstehen Freude und Lebensqualität, mit einer Verbesserung in allem, und das geht immer weiter. Wenn diese Freude-Kreisläufe zu fließen beginnen, dann wird das Bewusstsein auch offener für Psychisches als eine energetische Verbindung über große Entfernungen hinweg, auch mit der Möglichkeit zu heilen. Es ist wirklich aufregend.
Ken: Dieses Thema ist praktisch unerschöpflich und wir wissen relativ wenig darüber. So wie 95% des Universums aus dunkler Materie besteht und wir keine Ahnung haben, was das ist, gibt es auch eine Menge zu entdecken, was subtile Energien betrifft. Doch was wir bereits wissen ist von unschätzbarem Wert. Hier nun aus deinem Buch eine kurze Vorstellung der wesentlichen Instrumente, die wir verwenden können um festzustellen, ob subtile Energien einen Einfluss auf uns haben – was als Energietest bezeichnet wird:
„Energietests, von George Goodheart, dem Begründer der angewendeten Kinesiologie als Muskeltests entwickelt und weiterentwickelt durch Alan Beardall sind konkret handhabbare Verfahren. Man kann durch sie feststellen, ob ein Energiekanal fließt oder blockiert ist, ob ein Organ die Energie erhält, die es benötigt um gut zu funktionieren, und ob eine von einer äußeren Quelle wie Nahrung oder Giftstoffe zugefügte Beeinflussung dem eigenen System Schaden zufügt.“
Ken: Wie sieht ein typischer Armtest aus?
Donna: Der Armtest, den ich gerne verwende heißt Milz-Test und ist sehr einfach: die Person hält ihre Arme nach unten am Körper, die Daumen neben den Beinen, und man schiebt die Hand zwischen Handgelenk und Körper der Person und bittet sie, dagegen zu halten. Es sollte dann sehr einfach sein, die Hand herauszuziehen oder auch nicht. Viele Kinesiologie oder Energietests oder Muskeltests Praktizierende machen das an einem Arm, der nach vorne ausgestreckt ist, und das ist in Ordnung. Doch wenn es um das Austesten von Nahrung geht, oder das Herausfinden einer Allergie dann ist der Milz Test angebracht, weil Milz die Energie ist, die den Stoffwechsel steuert und die Anpassung des Körpers an das, was man zu sich nimmt. Dies ist eine der Fähigkeiten, die wir schnell entwickeln sollten.
Dies ist so etwas wie der Königinnenmeridian, und der König ist wahrscheinlich der Dreifache Erwärmer [Meridian]. Es sind viele unterschiedliche Energien im Spiel, wenn jemand krank wird, doch was man immer findet, ist ein Ungleichgewicht zwischen Milz und Dreifachem Erwärmer. Der Körper kann sich dann nicht anpassen, der Stoffwechsel ist gestört.
Ken: Das gefällt mir neben den Inhalten sehr an deinem Buch, dass du immer wieder einfache Übungen dazu anbietest. So stellst du zum Beispiel eine tägliche energetische Übungspraxis vor, mit sieben einfachen Übungen, die innerhalb von fünf Minuten gemacht werden können. Dabei konzentrierst du dich auf grundlegende Meridiane, Energien und Chakren – es geht um ein ins Gleichgewicht bringen, und Harmonisieren – und das tagtäglich zu stabilisieren1.
Donna: Diese tägliche 5-Minuten-Praxis führt zu besseren energetischen Gewohnheiten, so dass uns fremde Energien, denen wir ausgesetzt sind, nicht mehr so leicht umwerfen. Das Immunsystem wird stärker, alles wird gestärkt. Diese Techniken helfen dem Körper sich zu entwickeln. Wenn jemand sehr krank ist, ist einer der Gründe, warum auch die größten Heiler nichts mehr ausrichten können, dass das Energiesystem völlig zusammengebrochen ist. Diese 5-Minuten-Praxis hält die Energie im Fluss, sie ist eine Art Heilpraxis, und ich empfehle sie sehr. Bevor man eine Therapie beginnt, empfiehlt sich diese Praxis.
Ken: Ich praktiziere dies selbst und merke deutlich die Effekte.
Teil 2 Meridiane und Chakren
Ken: Meridiane sind neben den Chakren wahrscheinlich die Energiesysteme, die im Westen am bekanntesten sind. Die Akupunktur arbeitet mit den Meridianen. Energiesysteme haben verschiedene Aufgaben. Manche transportieren Energie, andere bringen Energie ins Gleichgewicht, andere steuern Energie, und das Meridiansystem ist vor allem ein System des Energietransportes. Du schreibst:
„Das Design des Meridiannetzwerkes ist atemberaubend. Wir können uns die Meridiane als 14 konkrete Transportwege vorstellen, welche Energie in, durch und aus dem Körper heraus transportieren. Dort wohnt eine tiefe Intelligenz. Sie dienen uns gut, auch wenn wir uns ihrer Existenz nicht bewusst sind. Bitten wir sie jedoch in ihrer Sprache um Energie, werden wir diese auch erhalten. Meridiane verbinden als Transportwege die „Knoten“. Das sind hunderte kleine Reservoirs von Wärme, elektromagnetischer und noch subtilerer Energie die über die ganze Hautoberfläche verteil sind. Als Akupunkturpunkte in der chinesischen Medizin können diese Energiepunkte oder „hot spots“ mit Nadeln oder durch physischen Druck stimuliert werden zur Freisetzung oder Umverteilung von Energie. Wie ein Flusslauf zu- und abnimmt, so verändert sich auch der Energiefluss in den Meridianen ständig. Diese Fluktuationen können durch entsprechend sensitive Menschen wie auch durch mechanische Instrumente erspürt werden. Akupunkturpunkte befinden sich an der Hautoberfläche, doch die Meridiane, für die die Akupunkturpunkte eine Öffnung darstellen, verlaufen durch den Körper und in die Organe und Muskelgruppen hinein. Die Meridiane können so als ein energetischer Blutkreislauf verstanden werden. Die alten chinesischen Karten des Meridiansystems wurden im Westen zuerst abgelehnt, weil es dazu keine erkennbaren anatomischen Entsprechungen gab. Man sah keine den bekannten Strukturen des Blutkreislaufes, des Lymphsystems oder des Nervensystems ähnliche Gebilde. Jüngere Forschungen über die Verbindungen der Meridiane zum Gewebe haben jedoch das fehlende Bindeglied hervorgebracht, welches frühere Forschungsergebnisse erklärt. So hat beispielsweise eine Studie, veröffentlicht in den Proceedings oft the National Academy of Science 1998 unter Verwendung von Magnetresonanzbildgebung gezeigt, dass die Stimulanz eines Akupunkturpunktes in einem Zeh – jeder Akupunkturpunkt ist verbunden und reguliert die Energie eines spezifischen Meridians – eine bestimmte Gehirnregion aktiviert. Diese Verbindung lässt sich nicht über die bekannten anatomischen Informationswege vom Zeh zu dieser Gehirnregion erklären. Dies wurde mit großem Interesse von der wissenschaftlichen Gemeinschaft aufgenommen, weil dieser Zehpunkt in der Akupunktur zur Aktivierung einer Augenregion im Gehirn bei Sehproblemen verwendet wird. Woher konnte man von dieser Beziehung vor Tausenden von Jahren wissen? Immer mehr Wissen dieser Art wird nachgewiesen. Eine spezielle Kamera zur Messung von Biophotonen im Spektrum zwischen 200 und 800 Nanometern zeigt, dass Meridiane bei Stimulation Licht entlang Kanälen aussenden, welche identisch verlaufen zu den Beschreibungen in den Texten der traditionellen chinesischen Medizin. Die Meridiane und ihre entsprechenden Akupunkturpunkte zeigen auch andere physische Charakteristiken wie einen geringeren elektromagnetischer Widerstand, eine verstärkte Ultraschalldämpfung und die Leitung von Licht, Infrarotstrahlung und Mikrowellenstrahlung.“
Ken: Seit Harold Burr in Yale in den 1930 Jahren begann, einiger dieser Felder zu messen, werden immer mehr Wege gefunden, um Evidenz für die Existenz dieser Energie zu erhalten und sie zu beobachten.
„Diese Forscher glauben, dass die Meridiane innerhalb eines bestimmten energetischen Spektrums, dessen Bewegungen denen einer Energiewelle ähneln, einen Einfluss auf biologische Vorgänge haben. Die Forschungen legen nahe, dass die Unterbrechung eines Meridiankanals Erkrankungen in Organen vorangeht, welche von diesem Meridian versorgt werden. Meridiane, deren Energiebahnen unterbrochen werden, können jedoch behandelt werden.“
Ken: Das ist das, worüber wir gesprochen haben, das Subtile nimmt Einfluss auf das Grobstoffliche, die physisch-biologisch dichteren Formen. Neben der kausal-verursachenden Wirkung ergibt sich damit eine Vorhersehbarkeit für diagnostische Zwecke, und natürlich auch die Möglichkeit eines Heilungsweges.
Donna: Ja, und es ist auch etwas, was man wissen und fühlen kann. Man kann fühlen, wenn Energie blockiert oder steckengeblieben ist, oder wenn Energiekreisläufe zusammengebrochen sind. Es ist wirklich etwas Grundlegendes.
Ken: Im Buch - im Abschnitt über die Meridiane - gibst du viele praktische Beispiele und Übungen dafür, wie sie in ein Gleichgewicht gebracht werden können, beginnend damit, dass man sie spüren und verfolgen kann. Dafür lieferst du auch sehr anschauliche Diagramme all dieser Energiesysteme. Du führst 14 grundlegende Meridiane auf, die man sich, wie du sagst, als unterschiedliche Strömungen eines großen Flusses vorstellen kann. Dabei ist die Namensgebung etwas irreführend, weil Meridiane noch viel mehr tun als das, womit sie bezeichnet sind. Diese Meridiane sind für das subtile Energiesystem das, was das Kreislaufsystem für das Blut darstellt, sie bewegen die Energie durch den grobstofflichen, subtilen und kausalen Körper.
Diese Energiearbeit sollte Teil einer integralen Lebenspraxis sein oder werden. Das Spektrum subtiler Energien – von grobstofflich zu subtil zu kausal – ist eine ganz grundlegende menschliche Dimension. Und diese Energien unterstützen alle anderen Dimensionen im menschlichen Körper – Geist, Seele, GEIST.
Donna: Wenn jemand sehr krank ist, ist es gut sich daran zu erinnern, dass der Körper eine eigene Intelligenz hat um auch einen anderen Heilungsweg finden zu können.
Ken: Kommen wir nun zu den Chakren, als den bekannteren Energiesystemen des Körpers, die im Buch als Energiestationen bezeichnet werden. Du schreibst dazu:
„Das Wort Chakra bedeutet Scheibe, Wirbel oder Rad. Während die Meridiane Energietransportsysteme sind, sind die Chakren Energiestationen. Jedes Hauptchakra im menschlichen Körper ist ein Zentrum wirbelnder Energie und es gibt sieben Hauptpositionen, von der Wirbelsäulenbasis bis zum Scheitel des Kopfes. Unsere Erinnerung ist energetisch gespeichert in den Chakren, wie auch chemisch in den Neuronen. Dieses dem neuronalen Speichersystem analoge energetische Erinnerungsspeichersystem kennen viele der Heilungstraditionen, es ist dem westlichen Denken jedoch fremd. Es wird angenommen, dass jedes emotional bedeutende Ereignis, das erfahren wurde, einen Abdruck in der Chakra-Energie hinterlässt, und so erfahre ich es auch. Kenne ich deine Chakren, dann kenne ich deine Vergangenheit, die Wachstumshindernisse, die Anfälligkeit für Krankheiten und das, wonach sich die Seele sehnt.“
Ken: Dies sind zentrale Funktionen. Sie beinhalten viele Informationen und variieren von Mensch zu Mensch. Jedes der sieben Chakren hat darüber hinaus sieben Schichten, ähnlich denen einer Zwiebel, von denen jede eine andere Farbe haben kann. Dies ist der Grund warum wir so viele unterschiedliche Beschreibungen von Chakren haben und so unterschiedliche Erklärungen darüber, was sie tun. Besonders faszinierend ist die vierte Schicht als das morphogenetische Feld des gesamten Organismus. Zur Funktion der Chakren auf drei grundlegenden Ebenen – Körper, Geist und GEIST – schreibst du:
„Auf der physiologischen Ebenen umhüllen die Chakren mit ihrer Energie die Organe in ihrer Nähe und beeinflussen so die Gesundheit dieser Organe. Jedes Chakra ist nach dem Teil des Körpers benannt, über den sich seine Energie erstreckt. Sie heißen, von unten nach oben, das Wurzelchakra, das Gebärmutter-Chakra (das zweite Chakra hat eine gebärmutterähnliche Form sowohl bei Männern wie auch bei Frauen), das Solarplexuschakra, das Herzchakra, das Halschakra, das dritte-Auge Chakra und das Kronenchakra. Es gibt eine starke Evidenz in Untersuchungen, dass das Gleichgewicht in den Energien der Chakren nicht nur im Zusammenhang mit der Gesundheit der Organe in diesem Chakrenfeld steht, sondern auch dass Ungleichgewichte in einem Chakrenfeld Krankheitsausbrüchen vorausgehen und diese auch bestimmen.“
Ken: Hier haben wir wieder die grundlegende Regel, dass subtile Energien physischen Energien vorangehen, und dass Störungen im subtilen Bereich zu Krankheiten im physischen Bereich führen, wenn es uns nicht gelingt dies zu beheben. Weiter schreibst du:
„Auf der psychologischen Ebene ist jedes Chakra mit spezifischen psychologischen Aufgaben geladen, wie der Regulation bestimmter Persönlichkeitsaspekte und der Integration von schwierigen Erfahrungen in das Energiesystem. Der Persönlichkeitsaspekt, welcher durch ein bestimmtes Chakra reguliert wird, steht in einem Zusammenhang mit dem Entwicklungsthema dieses Chakra. Jedes Chakra enthält so ein Stück der eigenen Lebensgeschichte und steht mit einem bestimmten Entwicklungsthema im Zusammenhang. Diese Themen umfassen Überleben und Sexualität (Wurzelchakra), Kreativität (Gebärmutterchakra), Identität und Macht (Solarplexuschakra), Liebe und Mitgefühl (Herzchakra), Ausdruck (Halschakra), Tiefenwahrnehmung und Verstehen (Drittes-Auge Chakra), und Transzendenz des Selbst (Kronenchakra).“
„Spirituelle Funktionen, die den Chakren zugeschrieben werden, basieren darauf, in wie weit die Chakren in Verbindung mit metaphysischen Themen stehen wie „Erinnerung der Ahnen“, „vergangenen Leben“ und „Archetypen“. Diese universellen Themen verlaufen parallel zu den psychologischen Themen, die davor erwähnt wurden, wie Überleben, Fortpflanzung, Identität, Liebe und Ausdruck. Es handelt sich hierbei um Kräfte, welche die Entfaltung des Lebens auf dem Planeten strukturieren. Sie leiten diese energetischen Prototypen in deinen Körper, nähren die physische Struktur und verbinden den Körper mit der Weisheit der Natur, die sich auch in den subtilen Energien zeigt, die dich umgeben.“
Donna: Zu den sieben Schichten jedes Chakra noch ein Hinweis: die erste Schicht kann man als Ablagerung und Schutt bezeichnen. Sie scheint im Zusammenhang zu kürzlich erlebten Ereignissen zu stehen, als etwas, was noch nicht integriert wurde. Doch wenn man tiefer geht, werden die Energien klarer und zusammenhängender. Mit der 4. 5. und 6. Schicht gelangt man zu Bildern und Geschichten, die wesentliche Aspekte im Leben eines Menschen darstellen. Mit der 7. Schicht erreicht man das, was ein Mensch zwischen den Leben gelernt hat als einen großen Zyklus von Wiedergeburt zu Wiedergeburt und den damit verbundenen gelernten Lektionen. Hierin liegt eine große Weisheit, die auch bescheiden macht, wenn man in der Arbeit mit einem Menschen diese Schicht erreicht. Ich kann nicht oft genug den Wert eines Ausbalancierens der Chakren betonen, die Leichtigkeit, mit der dies geschehen kann, und wieviel dadurch zu erreichen ist. Dies kann sehr direkt und einfach geschehen, am besten miteinander und füreinander. Reibe die Hände gegeneinander und schüttele sie dann aus, so dass die Energie frei fließen kann. Beginne nun in Kreisen gegen den Uhrzeigersinn mit etwas Abstand auf das Energiefeld eines liegenden Menschen einzuwirken, beim Wurzelchakra anfangend, und dann weiter hoch, für jedes Chakra etwa 2-3 Minuten lang. Wechsele bei jedem Chakra die Drehrichtung etwa nach der Hälfte der Zeit. Tue dies sehr langsam – wenn du nichts dabei spürst, werde noch langsamer – bis du die Energie des Anderen spürst. Nach einer Zeit kann dies jeder fühlen. Lasse die Energie der anderen Person nicht höher als über deinen Ellbogen hinaus in deinen Körper strömen. Beim Kronenchakra sollte bei Männern mit der Drehbewegung im Uhrzeigersinn begonnen werden, während bei Frauen mit der Drehbewegung entgegen dem Uhrzeigersinn begonnen wird. Wenn du dabei immer tiefer gehst, kann dieser Klärungsprozess auch tiefer gehen, und das führt zu einem guten, klaren und ganzen Gefühl. Diese Energiestationen geben den Meridianen und anderen Körpersystemen Nahrung, sie sind wirklich wichtig. Nach so einer Klärungsenergiearbeit mit den Chakren fühlen sich Männer oft offener und aufnahmefähiger und Frauen mehr autonom, und auch das ist ein Hinweis auf eine größere Balance zwischen Yin und Yang.
Teil 3 Die Aura, die Elektrik und das Keltische Gewebe
Das Buch beschäftigt sich dann mit Energiesystemen, die weniger bekannt sind. Die Aura ist noch das bekanntere davon, aber dann gibt es auch noch die Elektrik, das Keltische Gewebe und die Grundstruktur. Auch diese Systeme sind sehr wichtig. Dazu schreibst du:
„Die Meridiane und Chakren versorgen jedes Organ im Körper mit Energie. Die anderen [genannten] vier Systeme haben mehr mit der Aufrechterhaltung der Körperfunktionen als mit einem Energiesystem zu tun. Die Aura enthält die Energien; die Elektrik verbindet die Energiesysteme untereinander; das Keltische Gewebe liefert eine Struktur für ihre Balance und Stärke und die Grundstruktur bildet ihre Basis. Doch kein System ist wichtiger als ein anderes. Das jeweils schwächste Glied in dieser Kette wird zum wichtigsten System.“
„Die Aura: sie umarmt und schützt dich. Wenn du dich glücklich, attraktiv und inspiriert fühlst, dann kann deine Aura einen ganzen Raum ausfüllen. Bist du traurig, niedergeschlagen und betrübt, bricht deine Aura in dir zusammen und wird zu einer energetischen Muschel, welche dich von der Welt isoliert.“
Donna: Die Aura ist von einer viel größeren Bedeutung, als dies den meisten Menschen bewusst ist. Sie unterstützt in ihrer gesunden, rhythmischen Form die Informationsaufnahme und alles das, was um einen herum vor sich geht. Und sie schützt uns auch. Ich sehe sie als einen sich bewegenden Rhythmus.
Ken: Die westliche Wissenschaft beginnt sich mehr und mehr diesem Phänomen zu öffnen.
„Diese Berichte [über die Aura] enthalten faszinierende Schilderungen von Menschen, doch die meisten Studien über die Aura kommen nicht von Menschen welche eine Aura „lesen“. Diese Studien kombinieren die Ergebnisse von Biofeedback-Sensoren, die mit der Hand gehalten werden, Computerausrüstung und Spezialfotografie, welche zeigen, dass sich die Farbe, die Form und die Größe eines Aurafeldes nach der Anwendung von Akupunktur, Heilungen durch Handauflegen oder Gebet verändert. Das Aurafeld verändert sich auch bei Stimmungsänderungen, und es gibt auch Hinweise, dass das Aurafeld zuverlässige diagnostische Hinweise erlaubt.“
Donna: Die Aura ist sehr viel komplexer als angenommen, es gibt unterschiedliche Bänder mit unterschiedlichen Farben – ich halte dabei nach der Lebensfarbe eines Menschen Ausschau, als der Energie, die sich nicht verändert und bewegt. Mit dieser Energie werden wir geboren und mit dieser Energie sterben wir auch. Diese Farbe sagt etwas darüber aus, wer wir auf einer sehr tiefen Ebene sind. Es hat nichts damit zu tun, was wir in diesem Leben gelernt haben, es ist etwas, was wir mit und in uns tragen.
„Jedes Auraband steht mit dem Körper durch das Chakra in Verbindung, mit dem es korrespondiert. Bei manchen Menschen ist diese Verknüpfung lose und nach außen gerichtet, d. h. offen zur Welt. Bei anderen ist es eine feste Verknüpfung, als ein „sich bedeckt halten“. Die Dichte der Aura fluktuiert innerhalb einer Person und reflektiert so unterschiedliche Gesundheitszustände, Erregung und Zufriedenheit. Ist man krank, kann die Aura zusammenbrechen als ein Versuch die Organe, Knochen und das Gewebe zu beschützen, durch eine Isolation von der Welt. Man ist so beschützter, und andere werden vor der eigenen Krankheit beschützt. Wenn Menschen altern und schwächer werden, zieht sich die Aura zurück. Kurz vor dem natürlichen Tod kann das Aurafeld so schwach geworden sein, dass es die Körperenergien nicht mehr länger aufrechterhalten kann. Wenn man das Gefühl hat bei einem Menschen, der kurz vor dem Sterben ist, dass sich dieser schon ein Stück weit entfernt hat, dann ist dies ein energetisch richtiges Gefühl.“
Ken: Ein weiteres faszinierendes Energiesystem ist die so bezeichnete Elektrik, welche die dichteren mit den subtileren Energien verbindet:
„Jedes der Energiesysteme des Körpers setzt sich aus einer Kombination von elektrischer, elektromagnetischer und subtiler Energie zusammen, die elektrische Dimension ist davon die dichteste. Das Subtile ist am amorphsten von allen dreien. Der Elektromagnetismus wirkt in unsichtbaren Feldern, und das Elektrische hat mit der Bewegung von Elektronen und Protonen zu tun als den „Partikeln“ von Materie. Das Elektrische besteht aus einer Energie, welche aus der elektrischen Dimension der anderen Energiesysteme zu entstehen scheint. Das Elektrische ist die dichteste der subtilen Energien – Aura, Chakren, Meridiane –, und die subtilste Form der dichten Energien – der Elektrizität und den elektrischen Feldern. Es dient als eine Brücke zwischen allen Energiesystemen auf der Basis der körperlichen Elektrizität. Die Elektrik ist kein unabhängiges Energiesystem wie die Chakren oder die Meridiane, sondern steht in enger Verbindung mit allen Hauptenergiesystemen – getrennt von ihnen und gleichzeitig ein Aspekt von ihnen. Die Elektrik, das Keltische Gewebe und die Fünf Rhythmen, wie wir noch sehen werden, haben alle diese Eigenschaft von „getrennt, und doch ein Teil von“, so wie auch die Körperflüssigkeiten getrennt und doch ein Teil von jedem unserer Organe sind. Doch am wichtigsten bei der Heilung des ganzen Körpers ist die Art, wie die Elektrik all die Systeme miteinander verbindet. Während Energiefelder wie die Aura und die Chakren die Organe und die anderen Energien justieren, indem sie sie umfangen, bewegt sich die Elektrik direkt durch sie hindurch und verbindet und koordiniert sie als eine konkrete Dimension ihrer elektrischen Natur.“
Donna: Diese elektrische Energie kann man fühlen, wie sie sich in einem bewegt. Und es gibt Körperpunkte, wo man diese Energie zum Fließen bringen kann, man kann erleben wie etwas „verbrannt“ wird, und fühlt sich danach besser.
Ken: Viele der Übungen, die du beschreibst, kann man selbst machen, andere erfordern einen Partner. Und mit einem Partner macht dies natürlich auch mehr Spaß. Diese Arbeit ist sehr beziehungsfördernd!
Donna: Ja, man kann von einer Energie der Liebe sprechen. Das ist sehr verbindend. Und es ist natürlich auch sehr viel besser, diese Energien miteinander zu erleben, als nur davon zu sprechen, vielleicht noch in einer negativen Form von „schlechter Energie“, die ein anderer Mensch angeblich hat.
Ken: Das Keltische Gewebe verbindet die Energiesysteme:
„Die Körperenergie dreht, kurvt, windet und webt sich in Mustern atemberaubender Schönheit. Das Gleichgewicht dieses Kaleidoskops von Farben und Formen wird durch ein Energiesystem aufrechterhalten, dem die Energieheiler der Welt unterschiedliche Namen gegeben haben. Im Osten wurde eine Facette dieses Musters als „Tibetischer Energiering“ bezeichnet. In der Yogatradition wird er durch zwei gewundene Linien repräsentiert, welche sich siebenmal in einer symbolischen Umrundung der sieben Chakren überkreuzen. Im Westen kennt man das Symbol des Caduceus, als zwei sich um einen Stab ebenfalls siebenmal überkreuzende Schlangen. Dies stand ursprünglich mit dem griechischen Gott Hermes in einem Zusammenhang, dem Götterboten, und wurde später als Symbol in der Alchemie und dann in der Medizin verwendet. Ich verwende den Begriff Keltisches Gewebe nicht nur, weil ich einen persönlichen Bezug zu keltischen Heilungsmethoden habe, sondern weil dieses Energiemuster auch aussieht wie die alten keltischen dynamischen Unendlichkeitszeichen. Sie beginnen und enden niemals und formen manchmal eine Dreifachspirale. Wie unsichtbare Fäden, die alle Energiesysteme zu einer Einheit verbinden, stellt das Keltische Gewebe ein Netzwerk dar, das sich in spiralförmigen Mustern um den Körper legt. Es ist ein lebendiges System, welches ständig neue Verbindungen herstellt, sich ausdehnt und zusammenzieht. Im Mikrokosmos entspricht die DNA Doppelhelix diesem Muster. Die linke Hirnhemisphäre und ihre Kontrolle der rechten Körperhälfte und die Kontrolle der rechten Hirnhemisphäre über die linke Körperhälfte sind ebenso ein Ausdruck davon.
Das Keltische Gewebe als ein Energiesystem durchzieht alle anderen Energiesysteme und erzeugt eine Resonanz unter ihnen. Es ist der Weber des Kraftfeldes. Es hält die gesamte energetische Struktur zusammen. Als eine Übung verwendet man das Keltische Gewebe, um die Energie der Aura nach außen zu senden und sie zu stärken. Die Übung dient auch dazu, die eigenen Energien zu verbinden, so dass sie als ein Netz zusammenwirken. Berührt man nur einen Faden dieses Netzes, dann entsteht eine harmonische Resonanz im gesamten Netz.“
Donna: Diese Übung ist etwas ganz Organisches, was der Körper tun möchte, z. B. in der Bewegung zur Musik. Aber auch Asana-Stellungen im Yoga nehmen diese Formen an.
„Eine Funktion des Keltischen Gewebes ist die Zusammenführung aller Energiesysteme in ein Kommunikationsnetz, in dem Informationen leicht dorthin gelangen können, wo sie benötigt werden. So arbeitet dieses Gewebe in Harmonie und Kooperation. Wird das Keltische Gewebe dynamisch angesprochen, erfährt man ein Kraftgefühl und ein Gefühl von aufgeladen werden – die Energie summt und brummt.“
Ken: Im physischen Körper geschieht die Koordination der Organe durch das zentrale Nervensystem und das endokrine System usw., und für das Energiesystem übernimmt diese Funktion unter anderem das Keltische Gewebe. Um es noch einmal zu sagen, wir haben dieses Wissen in unserem Bildungssystem völlig verloren. Wir sollten Unterrichtsfächer über subtile Energien haben.
Donna: Vor vielen Jahren, als ich in Australien lehrte, gab es dies in einigen Schulbezirken. Es war offensichtlich, wie die Kinder davon profitierten, was das Lernen betrifft, die sozialen Fähigkeiten, Kinästhetik, alles. Ich erinnere mich, dass ich jeden Morgen an einer Schule vorbeifuhr, wo sich alle auf dem Schulhof zu einer Übung versammelt hatten. Und es kommen viele Lehrer in meine Kurse um dies zu lernen – es verbreitet sich also.
David Feinstein hat ein Buch über Energiepsychologie geschrieben, und es dauerte fast zwanzig Jahre um die American Psychological Association davon zu überzeugen, dass dies eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden psychologischen Ansätzen ist – das ist gerade vor drei Wochen geschehen.
Ken: Meinen Glückwunsch!
Donna: Es gibt so viel Widerstand gegen Methoden, die schnell, einfach und effizient sind.
Ken: Ich kann zum einen schon verstehen, dass wenn es um Medizin, Behandlung und Heilung geht, Institutionen einen leicht konservativen Standpunkt einnehmen und erst einmal zurückhaltend reagieren. Doch hier ist sehr viel Politik und Berufseifersucht im Spiel. Aber immerhin, das sind gute Neuigkeiten.
Teil 4 Die Grundstruktur und die Fünf Rhythmen
Ken: Wir kommen jetzt zu einem Energiesystem von dem wahrscheinlich noch nicht viele Menschen gehört haben, und du bezeichnest es als die Grundstruktur, als die Grundlage der Körperenergien:
„Wenn man aufrecht steht, dann hat es den Anschein als wäre das Wurzelchakra die Basis der Energiezentren. Alle anderen Chakren „sitzen“ darüber. Legt man sich jedoch hin, dann sieht es so aus, als wäre die Grundstruktur die Basis der Energiezentren. Jedes der Chakren ist in diese Struktur eingebettet, als der Grundstein aller Energiesysteme. Die Grundstruktur sieht für mich ganz anders aus als die Chakren. Die Chakren ähneln Spiralen, die Grundstruktur sieht jedoch aus wie ein Raster von Energielinien. Dies ist vergleichbar mit dem Stahlgerüst eines Wolkenkratzers. Während die Chakraenergie eine Verbindung zu den Energien in der Umgebung herstellt, ist die Energie der Grundstruktur vollständig im Körper enthalten. Die anderen Energiesysteme werden in ihrer Wirkung stark eingeschränkt, wenn diese Grundlage aus dem Gleichgewicht geraten ist. Betrachte ich die mittleren Schichten eines Chakras, erhalte ich Bilder von der Vergangenheit dieses Menschen, sowohl angenehm als auch verstörend, die einen Bezug haben zum Grundthema dieses Chakras. Bekomme ich dann noch Einblick in die tiefsten Schichten eines Chakras, sehe ich meistens das latente Potential dieses Menschen als sein Erbe vergangener Leben. Schaue ich dann noch unter die tiefsten Chakraschicht, dann sehe ich nur noch das karge Raster der Grundstruktur.“
Donna: Hat man schlimme, traumatische Erfahrungen in seinem Leben gemacht, und hat dann Körper- und auch psychologische Therapien gemacht, und hat das Gefühl, das immer noch etwas nicht an seinem Platz ist, dass es irgendwo noch einen Bruch gibt, dann liegt das meist an einem schweren Schaden der Grundstruktur. Dieser muss behoben werden, und das verändert das Leben grundlegend.
„Eine intensive traumatische Erfahrung im Körper, in der Psyche oder in der Seele ist wie ein Erdbeben, welches die energetischen Grundlagen erschüttert. Die Grundstruktur fällt auseinander. Sie wirkt wie ein Stoßdämpfer und nimmt den Schock auf. Würde sie dies nicht tun, würde vielleicht das Herz aufhören zu schlagen oder ein anderes lebenswichtiges System würde zusammenbrechen. Kurzfristig mildert die Grundstruktur den Schlag ab. Doch wie wenn sich der Rahmen des Autos bei einem Unfall verzogen hat, funktionieren die anderen Systeme nicht richtig, bis der Rahmen wieder in seine ursprüngliche Form gebracht wurde, entweder im Laufe der Zeit oder durch eine Intervention.“
Donna: Es ist sehr schwierig, dass diese Heilung von alleine geschieht. Es hat auch mit der eigenen Bewusstheit zu tun - Dinge, die einem vor langer Zeit geschehen sind begleiten den Menschen und führen ein Eigenleben in ihm. Es braucht jemanden mit der entsprechenden Erfahrung, der die Gitterlinien der Struktur halten kann, so dass durch sie die Energie wieder ins Fließen kommt. Nach meiner Erfahrung fühlt die Person, bei der dies ausgeübt wird, kaum etwas, doch die Person welche dies tut, wie ich z. B., fühlt sehr viel dabei, und das macht diese Arbeit sehr intensiv und anstrengend. Ist diese Arbeit getan und sind ein paar Tage vergangen, oder auch eine sehr viel längere Zeit, kommt die blockierte Energie wieder ins Fließen, und das führt bei den Betroffenen zu erstaunlichen Aha-Erfahrungen und anderen Erlebnissen, Erinnerungen und einem Verstehen von Zusammengängen, doch dies geschieht erst nach der Behandlung.
Ken: Du gibst ein paar Hinweise, wie man auch selbst an der Grundstruktur arbeiten kann. Was mich dabei fasziniert hat, ist der Hinweis, dass die Grundstruktur auch von Geisteshaltungen und inneren Einstellungen beeinflusst wird. Die Haltung von Dankbarkeit beispielsweise ist hilfreich bei der Wiederherstellung der Grundstruktur. Das wiederum entspricht dem, was in den Traditionen empfohlen wird, als eine Einflussnahme durch den Geist – mentale Ideen lassen subtile Energien entstehen und beeinflussen diese. Und wieder kommen wir zu einer Verursachungskette, wo Störungen der Seele den Geist verzerren. Diese Verzerrungen stören die subtilen Energien, was wiederum zu physischen Krankheiten führt.
Donna: Dringt man tief in die Energien der unteren Chakren und der Grundstruktur ein, dann fühlt sich das wie eine Seelenreise an. Mit ihnen zu arbeiten und sie wiederherzustellen ist etwas ganz Erstaunliches.
Ken: Du besprichst dann ein weiteres Energiesystem, welches ebenso einen bedeutenden Einfluss auf alle Energiesysteme hat, und das bezeichnest du als die fünf Rhythmen, als die „Trommeln nach denen wir marschieren.“ Viele Menschen kennen dies als die Fünf Elemente:
„Die Meridiane, Chakren, die Aura und andere wesentliche Energien eines Menschen werden durch etwas alles Durchdringendes beeinflusst. Ich sehe dies nicht als eine getrennte Energie, sondern als einen Rhythmus, der alles durchdringt und so einen vibrierenden Eindruck hinterlässt auf die physischen Eigenschaften, Gesundheitsmuster und persönliche Gewohnheiten. Diese Rhythmen wurden bereits vor langer Zeit beschrieben. Vielleicht schon 3000 v. Chr. haben chinesische Ärzte das gesamte Leben in fünf Kategorien eingeteilt, die „fünf Elementen“ bzw. die „fünf Phasen“ oder „fünf Jahreszeiten“. Dies war eine Grundlage zum Verständnis, wie die Welt funktioniert, wie sich Gesellschaften organisieren und was der menschliche Körper braucht, um seine Gesundheit aufrecht zu erhalten. In diesem Kapitel gebe ich eine kurze Einführung in dieses anspruchsvolle System, gebe einen Überblick über jeden der fünf Rhythmen, so dass man seinem eigenen Primärrhythmus und den Primärrhythmus anderer erkennen kann. Ich stelle auch Techniken vor, mit denen man die fünf Rhythmen in seinem Leben in eine größere Balance bringen kann.“
Donna: Diese fünf Rhythmen lassen sich noch auf sehr subtile Weisen weiter unterteilen. Es ist ein Rhythmus, der den physischen Körper bewegt, die Aura und eigentlich alles. Ich liebe die Rhythmen.
„Durch eine sorgfältige Beobachtung der Jahreszeiten der Erde haben die chinesischen Weisen tiefe Einsichten darüber erhalten, wie die Natur arbeitet. In den natürlichen Jahreszeiten fanden sie Analogien für das Verstehen des Wachsens, Werdens und Vergehens aller Dinge unter dem Himmel. Zusätzlich zu den vier Jahreszeiten von Winter, Frühling, Sommer und Herbst wurden die Übergangszeiten zwischen den Jahreszeiten zusammen als eine weitere Jahreszeit angesehen.
Die Energien eines Menschen sind durch eines dieser Elemente oder Jahreszeiten charakterisiert und manchmal auch durch Kombinationen von ihnen. Im menschlichen Lebenszyklus durchlaufen wir ebenso Perioden oder Phasen analog zu den Jahreszeiten hinsichtlich Geschwindigkeit, Intensität und Funktion, und jede dieser Zeiten dauert Jahre. Ich finde die Sprache der Jahreszeiten eine poetische Beschreibung der unterschiedlichen Rhythmen welche den gesamten Energiekörper zu jeder Zeit durchpulsen. Jede Jahreszeit hat ihren eigenen Rhythmus. Ich sehe Menschen in Begriffen der Energie einer Saison und spreche von den Rhythmen des Sommers oder den Rhythmen des Herbstes bei der Beschreibung des „Elementes“ einer Person. Jeder von uns enthält alle fünf Jahreszeiten, doch der eigene Rhythmus eines Menschen ist eine davon oder eine spezielle Kombination. Die Resonanz zu anderen Menschen oder einer Umwelt oder Aktivität geschieht leichter, wenn deren Rhythmus dem eigenen Rhythmus entspricht. Menschen und Ereignisse mit einem anderen Rhythmus werden herausfordernder erlebt, haben aber auch das Potenzial zu einer Bereicherung und Erweiterung.“
Donna: Diese Rhythmen helfen auch, zu verstehen auf welche Weise man argumentiert, kämpft, auseinanderfällt oder Freude lebt – alle diese Dinge sind ein Teil des eigenen Rhythmus.
Ken: Du stellst diese Rhythmen dann ausführlich vor und fasst zusammen:
„Von diesen Beschreibungen wird es möglich ein, zwei oder drei Verhaltensmuster selbst zu erkennen. Ein Verständnis des eigenen Rhythmus und dessen, was daraus folgt ist ein lebenslanger Prozess. Dieses System ist sehr grundlegend und tiefgründig.“
Ken: Du beschreibst dann noch zwei wichtige Kanäle des Immunsystems, und zwar den Dreifachen Erwärmer und die Strahlenden Kreise, und sprichst dann auch noch über das Gewohnheitsfeld, als das, was Waddington als morphogenetisches Feld beschreibt und Sheldrake morphisches Feld nennt, als Felder welche das Gesamtmuster unseres höheren Organismus steuern. Es gibt dann noch einen sehr nützlichen Anhang mit Quellenangaben zur Energie-Medizin.
Energy Medicine ist ein wunderbares Buch, sowohl was die Informationen darin betrifft wie auch die Übungen.
Weitere Hinweise zur Arbeit und zu Veröffentlichungen von Donna Eden finden sich unter www.learnenergymedicine.com und auf youtube.
Anhang: Die Rhythmen im Leben eines Menschen
In ihrem Buch Energy Medicine beschreibt die Autorin Donna Eden unterschiedliche Energiesysteme des Menschen, ihre Arbeit mit diesen Systemen und die Bedeutung davon. Eines dieser Systeme bezeichnet sie unter Bezugnahme auf die Lehre der fünf Elemente, als die fünf Jahreszeiten oder „Rhythmen“. Dabei wird deutlich, dass wir es hier nicht so sehr mit einer statischen Kategorisierung zu tun haben, sondern mit einem dynamischen System, welches schon vor einigen Tausend Jahren entwickelt wurde und neben einer Typisierung auch eine (zyklische) Entwicklungspsychologie enthielt, und darauf aufbauend auch eine Psychologie.
Donna schreibt dazu:
„Durch eine sorgfältige Beobachtung der Jahreszeiten erhielten die chinesischen Weisen tiefe Einsichten in die Art und Weise wie die Natur wirkt und arbeitet. In den Jahreszeiten der Natur fanden sie Analogien zum Verständnis des Wachstums und der Zyklen von allen Dingen unter dem Himmel. Zusätzlich zu den vier Jahreszeiten von Frühling, Sommer, Herbst und Winter wurden Übergangszeiten zwischen den Jahreszeiten zusammengefasst und als eine eigene Jahreszeit behandelt, als Zeitabschnitte von etwa zwei Wochen um die zwei Tag- und Nachtgleichen und die zwei Winter- und Sommersonnenwendepunkte ...“
„Unter den vielen Methoden, Menschen durch Typologien zu kategorisieren hat der Ansatz der fünf Rhythmen den Vorteil, dass er sich in den Kernbioenergien eines Menschen gründet. Gleichzeitig lernen wir durch ihn viel über die gesundheitlichen Herausforderungen, die Persönlichkeit und die spirituelle Reise eines Menschen.“
Dies beschreibt Donna anhand des Lebens ihres Vaters konkret wie folgt:
„Während es so aussah, als würde er an einer Herzerkrankung sterben, durchlief mein Vater eine ebenso schöne wie tiefgründige Transformation. Daddy war sehr stark, sowohl was die Rhythmen des Frühlings als auch die des Sommers betraf, doch er lebte davon hauptsächlich die Schattenseiten. Frühling ist die Zeit der Unbedingtheit, des Wurzelaustreibens und des Vorwärtsdrängens im Leben. Da gibt es kein Dazwischen: du blühst oder du stirbst, und Daddy sah das Leben in Kategorien von schwarz/weiß bzw. richtig/falsch. Vieles von der Fülle des Lebens ging ihm dabei verloren. Der Frühling ist auch durch das Auskeimen der Samen in Triebe bestimmt, und er ist auch in der Verteidigung des noch ganz jungen Lebens schützend. Wird dies jedoch unterdrückt oder erstickt, wird daraus Zorn. Daddy’s Verhalten konnte andere sehr schnell in die Defensive bringen. Er war ein sehr zorniger Mann.
Der Sommer ist dem gegenüber unbeschwert und voller Leidenschaft und Gefühle. Daddy hatte ein sehr dynamisches emotionales Leben, doch im ländlichen Süden der USA, wo er aufwuchs, brachte ihm diese Sensibilität die Bezeichnung „Hühnerherz“ ein. Daher unterdrückte er all seine Gefühle und Sentimentalitäten. Wann immer er über seine Mängel nachdachte, dachte er an sein „Hühnerherz“. Seine Empfindsamkeit war jedoch etwas, was wir gerne von ihm kennengelernt hätten, aber nur sehr selten erlebten. Er war ein bitterer und unglücklicher Mensch, voller emotionaler Widersprüche.
Frühling ist die Zeit, in der Beurteilungen zu treffen sind. Wo kann der Samen bestmöglich zur Frucht reifen? Wie sollen die Ressourcen verteilt werden? Im Rhythmus des Frühlings steckenzubleiben bedeutet, an diesen Beurteilungen festzuhalten, ohne die Fähigkeit neue Informationen aufzunehmen bei gleichzeitigem Widerstand gegen andere Jahreszeiten. Mein Vater war in seinen Beurteilungen und Anschauungen steckengeblieben. Achtet man jedoch nicht auf die grundlegende Forderung des Lebens mit den Jahreszeiten zu gehen, wird der eigene Körper das für einen tun. Wenn alle äußeren Möglichkeiten, Veränderungen zu erzwingen, erschöpft wurden, wie Zusammenbrüche in Liebe, Familie, im Arbeitsumfeld oder dem finanziellen Sektor, wird der Körper am Ende klare Zeichen setzen, welche die volle Aufmerksamkeit einfordern. Dies ist eine weitere Gelegenheit, die eigenen Rhythmen mit den Rhythmen der Natur und des Lebens in Einklang zu bringen. Daddy war nicht nur in seiner Persönlichkeit steckengeblieben, auch sein Herz steckte fest. Herzerkrankungen sind eine typische Schwachstelle bei Menschen, die hinsichtlich des Sommerrhythmus aus der Balance geraten sind. Im Alter von fünfundfünfzig Jahren hatte Daddy einen Herzanfall. Während seines Krankenhausaufenthaltes hatte er innerhalb von fünf Tagen neun Herzstillstände. Er wurde jedesmal wiederbelebt. Beim letzten Anfall ging man davon aus, dass er sterben würde, doch er erwachte wieder zum Leben, gerade als das Reanimationsteam seine Arbeit beenden wollte. Während seines neunten „Todes“ hatte er eine klassische Nahtoderfahrung. Er sah einen Freund seiner Kindheit, der vor langer Zeit gestorben war. Der Freund grüßte ihn herzlich und sagte „Du kannst mit mir kommen oder zurückgehen.“ „Warum sollte ich zurückgehen?“ „Weil du überhaupt noch nichts kapiert hast!“ Daddy wollte protestieren, doch der Freund sagte, „Nein, nein … du hast nicht gelernt zu lieben.“ Mit diesem Satz war Daddy zurück in seinem Körper. Er öffnete seine Augen und sagte „Ich liebe dich“ zu jeder Person des erstaunten Krankenhausteams. Ein Arzt erwiderte betreten: „Das ist nicht notwendig.“
Während diese Erfahrung real nur kurze Zeit dauerte, war in der Nahtoderfahrung von Daddy die Essenz des Herbstrhythmus enthalten. Die Eigenschaft von Metall, dauerhaft zu sein, macht es zu einem guten Symbol für den Herbstrhythmus. Im chinesischen System wird Metall mit dem Herbst in Verbindung gebracht. Im Herbst deines Lebens wertest und gewichtest du, was von bleibendem Wert ist und was nicht. Wie bei der Suche nach Gold schürfst du die Erzader deiner Lebenserfahrungen, verwirfst Unreinheiten und vervollständigst so die Sammlung deiner Goldnuggets an Weisheiten für die nächste Runde.
In diesem intensiven Augenblick des Übergangs zum Herbstrhythmus starben in Daddy seine alten Vorurteile, Beurteilungen und sein Zorn. Die Aussage seines Freundes, dass er nichts verstanden und noch nicht gelernt hätte zu lieben, war wie ein Brennglas, durch welches er die Unreinheiten seiner Haltung gegenüber dem Leben erkannte. Liebe wurde für Daddy nun zum Goldstandard. Er verlor die Leidenschaft für jegliche Unternehmung, welche nicht von Liebe getragen war und wurde so wiedergeboren. Aus diesem Herbstrhythmus heraus bewegte er sich in den Winterrhythmus, welcher zutiefst reflektierend ist. Und dann gelangte er wieder zum Frühlingsrhythmus. Doch diesmal fand er sich auf der Lichtseite des Frühlings wieder, wo die Dinge nicht mehr nur schwarz oder weiß sind sondern voller Farben leuchten. Er fand nun Schönheit und Wahrheit in allem. Er hatte die Lebendigkeit, die Vitalität und das Lachen eines Kindes. Überall erschien ihm das Leben als ein Wunder. Ich erinnere mich, wie er einst über eine Rose weinte, so sehr berührte ihn diese Schönheit. Während der weiteren 16 Jahre seines Lebens wurde er zur glücklichsten Person, der ich je begegnet bin.“
(aus: Online Journal Nr. 52)
http://integralesleben.org/if-home/il-integrales-leben/aufbauwissen/exzerpte-kosmic-karma-and-creativity/auszug-g-subtile-energien/
http://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2017-05/bernie-sanders-christoph-amend-interview-livestream
http://integralesleben.org/if-home/il-integrales-leben/anwendungen/wirtschaft/geld-als-zivilisatorische-chance-und-initiative-neue-geldordnung/
ken wilber auf bayern 2 - Plädoyer für eine neue Aufklärung
https://www.youtube.com/watch?v=KrnbXtBdRNw&frags=pl%2Cwn
Moralische Intelligenz lässt uns wissen, welches Verhalten richtig und angemessen ist. Wir behandeln andere in dem Maße fair, wie wir uns mit ihnen verbunden und solidarisch fühlen, und folglich nimmt unser moralisches Empfinden mit unserer Identität zu, die sich über die bisher bekannten sechs bis acht Stufen der moralischen Entwichlungslinie entlang evolutionär entwickelt und immer umfassender wird.
Auf der egozentrischen Stufe der moralischen Entwicklungslinie interessieren mich nur meine persönlichen Dinge, auf der ethnozentrischen Stufe der moralischen Entwicklunglinie liegen mir daüber hinaus die Angehörigen meiner Gruppe am Herzen, auf der weltzentrischen Entwicklungsstufe der moralischen Entwicklungslinie sind es alle Menschen und auf der kósmozentrischen Stufe der moralischen Entwicklungslinie schliesslich alle Wesen überall.
Das ist auch richtig, dass Moral und Ethik nicht ganz dasselbe ist. Zur Ethik gehören die Regeln und Vorschriften, die eine Gesellschaft oder Gruppierung für angebracht und notwendig hält. Gut ist hier das, was von der jeweiligen Kultur als gut erachtet wird. Moral dagegen beschränkt sich nicht auf das, was regional als gut definiert ist, sondern orientiert sich an universalen Prinzipien und definiert weniger das Gute als vielmehr das, was richtig ist. Ethik kann moralisch sein oder auch nicht. Ihre Definition des Guten beansprucht Gültigkeit in den inneren kollektiven Dimensionen, des in der Welt seins, und legt fest, was in einer Gruppierung, Organisation oder Kultur als richtig, gerecht oder angemessen gilt. Berufsgruppen beispielsweise haben oft ein für die Angehörigen verbindliches Ethos - wir können hier an Medizin, Rechtswesen oder Politik denken. Wir müssen beachten, dass dieses Ethos nicht immer gar so moralisch ist. Auch die Mafia besitzt ihr ganz eigenes Ethos, und das ist wirklich nicht moralisch. sondern repräsentiert, um genau zu sein, die ethnozentrische Stufe der moralischen Entwicklungslinie. Eine dieser "ethischen" Regeln ist die Omertá, die Schweigepflicht, die für alle Mitglieder verbindlich ist, und das oft unter Androhung des Todes.
Moral betrachtet die Dinge von einer höheren Warte aus und fragt, ob ein bestimmtes Ethos universale Gültigkeit beanspruchen kann. Was für die Mafia gut ist, muss deswegen nicht für alle Menschen richtig sein. Moral also gelangt zu universalen Urteilen über das, was richtig ist, während eine Ethik oder ein Ethos bestmmt, was für eine bestmmte Gruppierung angemessen und gut ist. Der Bezugsrahmen ist hier also nur die eine innerliche kollektive Dimension des in der Welt seins. Moralische Urteile sind dagegen zu Inhalten von allen vier Dimensionen des in der Welt seins, wie innerlich-/individuell, äusserlich/individuell oder äusserlich/kollektiv, möglich. Denn hier wird ja gefragt, was im Hinblick auf das Ich oder das Wir oder das Es richtig ist - es geht nicht allein um das, was für das Wir angemessen ist.
Moral gehört zu den multiplen Intelligenzen, weil sie einen sechs bis acht Hauptstufen durchlaufenden und universal gültige Entwicklungslinie darstellt. Ethik repräsentiert dagegen keine universale Entwicklungslinie, weil sie von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein und sich im Laufe der Geschichte einer Kultur ändern kann. Sie ist in der Regel eine Mischung aus einigen moralischen Anteilen und vielen kulturell bedingten Vorlieben und Eigentümlichkeiten und historischen Variablen, die durchaus moralisch, aber eben auch schlicht unmoralisch sein können.
Sicher, es gibt "ethische Intelligenz", aber sie behandelt lediglich, dass man die Regeln und Rollen, die historischen Hintergründe und Zusammenhänge seiner Kultur kennt - und was man da sieht, hängt weitgehend von der erreichten Stufe der eigenen moralischen Entwicklunslinie ab. Wenn sich Menschen, beispielsweise, entscheiden, zivilen gewaltfreien Ungehorsam zu leisten, um zu zeigen, dass Moral manchmal über der Ethik steht und mehr zählt. Ziviler Ungehorman, etwa eines Gandhi oder einer Rosa Park, beruft sich darauf, dass manche als ethisch deklarierten Regeln und Gesetzte einer bestimmten Gesellschaft unter höheren, universalen Gesichtspunken unmoralisch sind und nicht befolgt werden dürfen. Wer zivilen Ungehorsam übt, nimmt in Kauf, dass sein Handeln als "Gesetzesbruch" hingestellt wird, aber in diesem Fall ist das "illegale"Handeln nicht unmoralisch, sondern im Gegenteil hoch moralisch.Deshalb kann ziviler Ungehorsam ein sehr mutiges, von hoher Gesinnung getragenes Handeln sein. Der Mensch folgt seinem Gewissen, und das heißt: seiner moralischen Intelligenz. Moral als Intelligenz folgt dem evolutionären "Trend" des Kósmos, sie tranzendiert und schliesst ein, und ihre Entwicklungsstufen sind Ausdruck einer durch Transzendenz und Inklusion immer mehr Umfassenden Identität.
Genpo Roshi
(Übersetzung: Michael Habecker)
(aus einem Interview mit Genpo Roshi, veröffentlicht unter http://www.coach-your-self.tv/)
Zen war immer eine Schule des plötzlichen Erwachens, während andere Schulen des Buddhismus schrittweise vorgehen. Das Problem dabei ist jedoch, dass, wenn wir uns zu sehr auf das Suchen konzentrieren, dann können wir darin stecken bleiben. Stelle dir ein zweigleisiges Bahngleis vor. Eines der beiden Gleise nennen wir die relative Wirklichkeit, die menschliche Wirklichkeit, wo wir unseren Tagesgeschäften nachgehen, Beurteilungen und Entscheidungen treffen, Dinge analysieren und verbalisieren, miteinander kommunizieren – das nennen wir im Zen alltäglichen Geist [every day mind]. Der andere Schienenstrang ist diejenige Wirklichkeit, nach der wir alle suchen, wenn wir uns auf die Suche machen. Wir suchen nach Gott, nach Wahrheit, Befreiung, Erwachen, unserem wahren Selbst. Danach suchen wir. Doch solange wir dabei auf dem Alltagsgleis bleiben, kommen wir nicht auf das andere Gleis, wir hängen fest. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange wir schon darauf feststecken oder wie schnell wir uns auf dieser einen Gleisschiene bewegen, wir bleiben dabei immer nur auf diesem einen Gleis. Wenn wir in die Ferne schauen, dann sieht es so aus, als wenn sich hinten am Horizont beide Gleise treffen und zusammenlaufen, und wir meinen, dass wenn wir noch härter üben und uns noch mehr anstrengen, dass wir dann dorthin gelangen. Doch die Illusion der Vereinung beider Gleise bleibt immer hinten am Horizont, wir kommen nicht wirklich näher. Was wir daher tun sollten, ist einen Weg zu finden, wie wir auf das andere Gleis hinüberspringen können. Das schaffen wir jedoch nicht innerhalb des Raum-Zeit Gefüges. Der relative Bereich, der menschliche Bereich, ist immer an Zeit und Raum gebunden. Dort stecken wir drin, ich sehe mich selbst hier, dort drüben bist du, dann gibt es die Umgebung, der Baum ist ein Baum und ich bin ich, wir sind getrennt, die Zeit schreitet voran, ich verliere Zeit, werde dabei immer älter, alles verändert sich, dem versuche ich mich entgegenzustellen. Ich möchte das Ewige erleben, das Gegenwärtige, das andere Gleis. Aber wie komme ich dahin? In dem Augenblick wo ich [im Rahmen des Big Mind Prozesses] die Frage an diesen Aspekt in dir stelle, kannst du sofort aus dem Big Mind heraus sprechen, du bist da. Du bist jenseits von Zeit und Raum.
NICHT-DUALITÄT
Was ist Sein und Wirklichkeit letztendlich und dem Wesen nach? Eine Antwort auf diese Frage ist die Lehre (und Praxis) der Nichtdualität. Demnach bestehen Sein und Wirklichkeit aus zwei Aspekten die voneinander unterschieden, aber nicht voneinander zu trennen sind, und in unterschiedlichen Begriffspaaren sowohl von den kontemplativen Traditionen wie auch von der Philosophie beschrieben werden:
Absolut Relativ
Leere Form
Transzendent Immanent
Seinsgrund Manifestation
Ungeboren Vergänglich
Zeit-los Zeit-lich
Freiheit Fülle
daß etwas ist was etwas ist
Sein Werden
Nirvana Samsara
Dies bedeutet in seiner allgemeinsten Konsequenz für den Menschen, dass er (oder sie) sich nicht nur in einer Welt der Formen und Veränderungen befindet, sondern auch eingetaucht ist in etwas was vor aller Zeit und an jedem Ort immer-schon von Anbeginn vorhanden war, und auch jetzt, von Augenblick zu Augenblick, jeden Wirklichkeitsmoment durchdringt. Das Erwachen zu dieser Absolutheit ist das Bestreben der kontemplativ-mystischen Traditionen der großen Weltreligionen, und auch eines Teils der (kontemplativen) Philosophie. Dabei handelt es sich nicht um eine dogmatische Theorie, sondern um eine lebendige Praxis (oder, besserer gesagt, um eine Nicht-Praxis), die jedem Menschen offen steht. Das Aufwachen und sich immer besser zurechtfinden in der Welt der Formen ist das erklärte Ziel aller Wissenschaft, einschliesslich der humanistischen Geisteswissenschaften. Die Versöhnung von beidem führt uns in die integrale Verwirklichung von Nicht-Dualität.
@ W.Endemann:
Zu verteidigen habe ich da wenig, weil das für mich auf direkte Erfahrungen zurück geht, über die man zwar reden kann (und sollte), aber auch nur reden kann, wenn man entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Im Kern geht es dann also um Redlichkeit und Richtigkeit der Interpretation von Erfahrungen, dass man also nicht überinterpretiert, was man erlebt hat oder schwindelt. Ich würde eingestehen, dass man sich vertun kann und bestimmt auch geschwindelt wird, dies auch öfter mal der Fall ist – d.h., dass etwas, was irgendwie „übersinnlich“ erscheinen mag, in Wahrheit sehr wohl mit handelsüblichen Mitteln erklärt werden kann, von Wunschdenken über Gruppendynamik bis zu erklärbaren Zufällen – aber dass dies nie alles erklärt.
Ein Argument über Bande ist, dass die subjektive Erfahrung, sei sie nun so erklärbar oder nicht, wie sie will, keinesfalls die Schmalspurversion einer „objektiven“ Erklärung ist, sondern, im Gegenteil Vorrang hat, denn bei der und durch die direkte Erfahrung hat man noch den emotionalen Wumms dabei. Bestes Beispiel sind Nahtod-Erfahrungen, wie immer man sie einordnet, statistisch ist es sehr häufig so, dass Menschen, die so eine Erfahrung machten, die Angst vor dem Tod verlieren. Was will man mehr?
Ein weiterer Punkt ist, dass wir überhaupt nicht wissen, wie nun mentale Größen, also z.B. Argumente, sich in körperliche Ereignisse, z.B. Neurotransmitterausstoß verwandeln und dann, warum dies beim einen klappt, bei anderen aber an der selben Stelle nicht. Weltbilder und daraus resultierende Erwartungen spielen eine große Rolle, aber für Erwartungen gilt dasselbe. Wir wissen – z.B. aus der Schmerz- und Placebo-Forschung – um ihren gravierenden Einfluss, aber verstehen überhaupt nicht was dazwischen passiert. Dass am Ende Opioide ausgestoßen werden und diese durch Naloxon geblockt werden können, ist ein funktionaler Zusammenhang, der aber gerade nichts erklärt.
Wir halten Theorien gegeneinander und eine dieser Theorien besagt, dass spirituelle Erfahrungen und Erleuchtung reale Größen (oder Zustände oder Stufen) sind, die etwas bewirken, so wie es etwas bewirkt, wenn man Demokrat ist. Das – Demokrat zu sein – mag eine Selbstverpflichtung sein oder was auch immer, aber es wirkt, genau wie das Gewissen keine beliebige Erfindung ist, sondern uns tatsächlich nicht schlafen lässt, wenn wir gegen unsere eigenen Wertvorstellungen eklatant verstoßen.
Aber jemandem der kein Gewissen hat (nicht in der Lage ist, sich auf ein Wertesystem zu verpflichten) kommt das schräg vor, er meint, dies sei nur eine Erfindung oder Selbstsuggestion, aber letztlich keine reale Größe. Aber was ist dieses Reale? Ist es die Körperlichkeit, das Materielle? Nun, die Selbstverpflichtung wirkt, genauso wie die Erwartung und zwar auch rein körperlich. Wir wissen halt nicht wie und warum, genau das müssen wir aber erklären, wenn wir materialistische Monisten (Physikalisten/Materialisten) sind. Man kann sich drauf einigen, dass es ja doch so aussieht und fragen, wie es denn bitteschön sonst gehen sollte, aber eine Erklärung ist auch das nicht, sondern nur die Aussage, man wüsste es doch schließlich selbst auch nicht besser. (Den Quantenkrempel finde ich öde, weil der mögliche Erklärungen abermals ins Irgendwie und Irgendwann vertagt.) D.h. der Naturalistmus oder Materialismus erklärt uns nichts. Genauer: Er erklärt uns sehr viel, sehr geht, aber im Bereich Bewusstsein sehr wenig,
Aber heißt dass nun, dass wir gar nichts wissen? Nein, denn es ist, wie bei der Reflexion: Ist Demokratie nicht real, weil wir sie nicht auf Physik zurückführen können? Wie ist es mit dem Gewissen, mit Qualität, mit Aufrichtigkeit, was ist mit Reue oder Verzeihen? Wie mit Logik und Argumenten? Alles unecht, Strategiespiel oder nur so ein Trieb? Nein, wir kommen weiter, wenn wir die Menschen fragen, die sich wirklich für Demokraten halten, oder meine, sie hätten ein Gewissen und sagen können, was Reue ist. Die Analogie ist klar: Was ist denn nun eine Flow- oder Gipfelerfahrung, was ist Spiritualität oder Erleuchtung? Man fragt wieder die, die meinen es zu wissen, egal wie tastend oder vorläufig. Es steht Interpretation gegen Interpretation. Ob da irgendeine Hirnregion (oder alle zusammen) sonderlich aktiv ist, welche Hirnwellen da dominieren, ist alles ganz interessant, aber der Reduktionismus von Schläfenlappen und Delta- oder Gamma-Wellen erklärt uns auch dieses mal gar nichts, er kann ja nicht mal Reue oder Erwartungen erklären. Die Psychologie ist da näher dran. Projizierte Idealisierungen, Wunschträume usw. Aber wie kann man etwas erwarten, was man noch gar nicht kennt? Man erlebt sich ja stets getrennt und kann sich eben gerade nicht vorstellen, eins mit der Straße zu sein. Ein Wunsch nach Rückkehr an Mutterbrust oder Uterus? Man sein, beschreibt aber nicht alles, was man da erlebt. Wichtig ist durchaus der Austausch, aber zwischen Leuten, die auch etwas über ihre praktischen Erfahrungen zu erzählen haben. Wie hast du das erlebt, wie war es bei dir? Wenn jemand sagt, Reue ist super, die vergrößert meine Möglichkeiten, könnten andere bemerken, dass der Betreffende doch stark von den Erfahrungen anderer abweicht, die Reue empfinden. Genau so kann man auch Erleuchtungserfahrungen behandeln oder Ichlosigkeit (die man sich auch nicht vorstellen kann) usw.
Und klar, man kann meinen, hier träfen sich nur Lügner, Kranke und Überspannte, aber auch diese These muss man belegen. Wer sagt, man wisse doch, das Menschen immer lügen, stets auf ihren Vorteil aus sind, sich um jeden Preis wichtig machen wollen, sagt etwas über sich aus – über die Prämissen seines Weltbildes – nicht über die Phänomene. Letztlich geht es darum, jemanden zu fragen, ob er etwas erlebt hat, von dem er meint, es sei eine spirituelle Erfahrung (oder könnte zumindest eine sein) und sich dann zu beschreiben, was er erlebt hat und was das z.B. für sein Leben bedeutet. Mehr ist das im Grunde nicht und da kann man auch fragen, ob jemand ein Instrument spielt, schon mal in Peru war oder weiß, wie Quitten schmecken.
Das Blog stammt aus einer Zeit, da mir Freitag und FC noch unbekannt waren. Diesen Thread nachzulesen, ist mir zu aufwändig, also nur zu Ihrem letzten Kommentar, ich verlasse mich auf Ihre Einschätzung der Blogkonformität.
Was man Erfahrung nennt, ist eine stabile Verarbeitung eines inputs im Denken, Fühlen und möglicherweise Handeln eines Subjekts. Die Verarbeitung ist ein output, von Wahrheit redet man, wenn dieser output zwangsläufig, regelmäßig in gleicher Weise geschieht. Von einer objektiven Wahrheit, wenn bei (fast) allen Subjekten der output auf einen identischen input gleich ist. In dem output realisiert sich eine Wahrheit, aber er ist nicht schon diese Wahrheit, wieso der input zum output führt, ist meistens dem Subjekt verborgen.
Nun bedeutet ein individuell abweichender output keineswegs, daß die Wahrheit beim normalen output zu finden ist. Einstein hatte recht, auch als er noch auf allgemeines Unverständnis und Ablehnung stieß. Aber zur anzuerkennenden Wahrheit wurde seine Erfahrung, indem sie allgemein nachvollziehbar, objektiviert oder schwächer ausgedrückt intersubjektiv wurde. Was sollte mich veranlassen, in einer subjektiven Erfahrung, die sich nicht verallgemeinern läßt, Wahrheit zu unterstellen? Sehr viel naheliegender ist die Unterstellung individueller Spinnerei. Und wenn solche Erfahrung doch nicht so individuell ist, sondern gehäuft auftritt, darf ich annehmen, daß dahinter eine Wahrheit verborgen ist, und wie im Falle Einsteins kann sich ein richtigerer output darin äußern, aber es bleibt der wissenschaftlichen Analyse vorbehalten, diese Wahrheit herauszuarbeiten.
Um das Beispiel Nahtoderfahrung zu nehmen. Offensichtlich führen Nahtodsituationen auf ähnliche Reaktionen, Erlebnisse der Subjekte. Wissenschaft versucht, dafür Erklärungen zu finden, also auf Wahrheit zu stoßen. Aber wie kann man in der subjektiven Erfahrung Wahrheit sehen? Dann könnte man mit größerem Recht bei einer Massenhysterie auf eine Wahrheitserfahrung der Massen schließen.
Und was die Transzendenz in der Nahtoderfahrung sein soll, ist mir ein Rätsel.
„Nun bedeutet ein individuell abweichender output keineswegs, daß die Wahrheit beim normalen output zu finden ist. Einstein hatte recht, auch als er noch auf allgemeines Unverständnis und Ablehnung stieß. Aber zur anzuerkennenden Wahrheit wurde seine Erfahrung, indem sie allgemein nachvollziehbar, objektiviert oder schwächer ausgedrückt intersubjektiv wurde.“
Ja, so schätze ich das auch ein.
„Was sollte mich veranlassen, in einer subjektiven Erfahrung, die sich nicht verallgemeinern läßt, Wahrheit zu unterstellen?“
Warum sollte sie sich nicht verallgemeinern lassen? Ich schrieb doch gerade das Gegenteil und es wird ja auch allgemein so gesehen. Spirituelle Traditionen und Linien leben ja gerade davon, dass die inneren Wege zwar einerseits individuell sind: wenn sich jemand zum meditieren niederlässt, dann weiß man nicht, ob gerade das recht Knie schmerzt, das linke Auge juckt oder er dran denkt, ob er den Herd ausgemacht hat – aber auch nicht so individuell, dass Aussagen sich nicht gleichen würden, anders gesagt, man kennt Wegmarken bei denen jemand ankommt. Dies sogar recht konstant über die Jahrhunderte und Traditionen hinweg, was an sich schon halbwegs erstaunlich ist.
„Und wenn solche Erfahrung doch nicht so individuell ist, sondern gehäuft auftritt, darf ich annehmen, daß dahinter eine Wahrheit verborgen ist, und wie im Falle Einsteins kann sich ein richtigerer output darin äußern, aber es bleibt der wissenschaftlichen Analyse vorbehalten, diese Wahrheit herauszuarbeiten.“
Solche zusammenschauenden Arbeiten sind ja schon längst geleistet worden, aber es sind eben keine Wahrheiten im Sinne eines logischen Schlusses, sondern es sind Wahrheiten die mit dem Leben des Einzelnen und seinem Blick auf andere, die Welt und so weiter korrelieren. Es ist eher wie das Erlernen eines Instruments, man kann nicht sagen, dass man nach einer Woche den Flohwalzer kann, nach einem Jahr ein Richard Claydermann Stück und nach 10 Jahren Liszts h-moll Sonate.
„Um das Beispiel Nahtoderfahrung zu nehmen. Offensichtlich führen Nahtodsituationen auf ähnliche Reaktionen, Erlebnisse der Subjekte. Wissenschaft versucht, dafür Erklärungen zu finden, also auf Wahrheit zu stoßen. Aber wie kann man in der subjektiven Erfahrung Wahrheit sehen?“
Hm. Die folgende Aussage ist von Ihnen: „Falsch ist die Illusion, man könne zunehmend die subjektive in objektive Wahrheit überführen, falsch ist aber ebenso, man müsse das Prinzip Wahrheit übersteigen, um das Subjektive erfassen zu können. Wir brauchen keine Alternative zur Wissenschaft, aber wir müssen Abschied nehmen vom positivistischen Objektivierungswahn.“ Von gestern erst. Wie bekommen Sie das zusammen? Wir mich ist das ein ziemlich gravierender Widerspruch. Versuchen Sie mal bitte aufzulösen, in welche Richtung Sie argumentieren wollen.
Für mich ist es so, dass mir nicht klar ist, was Wahrheit ist. Nicht aus kompletter Unkenntnis von Wahrheitstheorien, sondern aufgrund der Kenntnis derselben. Keine ist vollständig und überzeugend, so dass ein Rekurs auf Wahrheit schwierig ist. So hat jedes Subjekt seine Wahrheit, aber diese individuellen Wahrheiten sind ihrerseits aus dem öffentlichen Gebrauch abgeleitet und – der entscheidende Punkt – sie ballen sich zu Clustern all jener, die mit ähnlichen Prämissen und auf diesen beruhenden inferentiellen Schlüssen unterwegs sind und die die Wahrheiten eines bestimmten Weltbildes teilen.
Wissensachaft ist keine Instanz, die abseits aller Weltbilder auf die Dinge an sich blickt, sondern sie schaut durch die Brille des Naturalismus auf die Welt. Sie bemerken selber, dass dieser Blick nur eine unter weiteren Perspektivien ist.
„Und was die Transzendenz in der Nahtoderfahrung sein soll, ist mir ein Rätsel.“
Nahtoderfahrungen öffnen oft Fenster, die normalerweise geschlossen bleiben. Sie sind ja eben nicht so vereinzelt, dass jeder was anderes erlebt, sondern es gibt übereinstimmende Bausteine. Aber es gibt auch spontane Erfahrungen, Erfahrungen im Kontext von Therapien, wie dem holotropen Atmen oder Reinkarnationstherapien, es gibt Meditationserfahrungen und so weiter.
Was würden Sie denn als Transzendenz bezeichnen?
„Was sollte mich veranlassen, in einer subjektiven Erfahrung, die sich nicht verallgemeinern läßt, Wahrheit zu unterstellen?“ Ich formuliere mal um: Wenn eine Reaktion auf eine bestimmte Situation, die ich zurecht meine Erfahrung nenne, bei anderen nicht eintritt, dh sich nicht verallgemeinern läßt, wie kann ich da behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein. Einstein konnte das behaupten, weil sich seine geistige Erfahrung verallgemeinert hat, und nicht nur das, man konnte mit ihr operieren, Voraussagen machen, usw. Dieser letzte Punkt ist sogar noch viel entscheidender. Auch daß sich eine Erfahrung verallgemeinern läßt, berechtigt noch nicht, von Wahrheit zu sprechen. Bestimmte Drogen haben ganz bestimmte Auswirkungen, alle oder die meisten, die diese Droge zu sich nehmen, machen die gleiche Drogenerfahrung. Aber das ist doch darum keine Wahrheitserfahrung. Wenn ich meditiere, löse ich körperliche Reaktionen aus, die ich registriere. Ich kann sagen, ich mache eine typische Selbsterfahrung. Die Wahrheit dieser Selbsterfahrung ist die Wahrheit, daß ich unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Erfahrung mache. Selbst wenn ich mich mit solch einem schlichten Wahrheitsbegriff begnüge, eröffnet sich damit keine Transzendenz. Wissenschaft kann das umfassend erfassen, allenfalls kann man die subjektive Erfahrung als heuristisches Moment im wissenschaftlichen Arbeiten anerkennen.
<Solche zusammenschauenden Arbeiten sind ja schon längst geleistet worden, aber es sind eben keine Wahrheiten im Sinne eines logischen Schlusses>
Wahrheiten im Sinne eines logischen Schlusses sind die logischen und mathematischen Wahrheiten, die formalen Wahrheiten. Realwissenschaften, die Naturwissenschaften (um bei dem Begriff der objektiven Wahrheit zu bleiben) behandeln inhaltliche Tatbestände, die können nicht formal erschlossen, sondern müssen empirisch erhoben werden. Wenn der Mensch ein reines Naturobjekt wäre, würden zur wissenschaftlichen Erfassung des Menschen die Naturwissenschaften ausreichen. Aber da er auch Subjekt ist, bekommen ihn die Naturwissenschaften nicht voll in den Griff. Hier treten die Geisteswissenschaften auf den Plan, sie behandeln auch die subjektiven Wahrheiten, dennoch der Wahrheit verpflichtet, insofern sie das untersuchen, was sich allgemein über die Zusammenhänge von objektiven und subjektiven Faktoren sagen läßt.
Was ein einzelner Mensch sieht, fühlt, assoziiert, wenn er eine Farbe wahrnimmt, entzieht sich weitgehend einem allgemeinen Begreifen, da von Wahrheit zu sprechen, dehnt den Begriff ins Beliebige. Immerhin wird man unter den Menschen auf große Übereinstimmung stoßen bei der Zuordnung von der warmen Farbe rot und der kalten blau entsprechend der physikalischen Qualität der unterschiedlichen Wellenlängen.
Wo ist der Widerspruch in meiner Darstellung von subjektiver und objektiver Wahrheit? Es gibt objektive Wahrheiten, die absolute Gültigkeit beanspruchen, und es gibt subjektive Wahrheiten, die nur unter bestimmten Setzungen wahr sind. Das heißt aber nicht, daß letztere nur für das betroffene Subjekt wahr sind, sie gelten für alle, nur teilen nicht alle die gleichen Prämissen. So ähnlich schreiben Sie das ja auch. Aber von Naturalismus kann man nur reden, wenn man an die Reduzibilität auf Naturwissenschaften glaubt, etwa im Physikalismus. Da ich vom emergenten Geist innerhalb des Materialismus ausgehe, müssen die Naturwissenschaften durch die Geisteswissenschaften ergänzt werden, die objektiven durch die subjektiven Wahrheiten. Aber es muß nicht Wissenschaft durch eine absolute Metaphysik, eine körperlose Geisterwelt ergänzt werden. Was transzendierend ist, ist schon als Denken, selbst als positivistisches Denken, transzendierend. Insofern gibt es keinen Bruch zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, und kein andersartiges geistiges Erkenntnisvermögen.
Meinetwegen kann man in den von Ihnen beschriebenen Weisen eigenartige, wertvolle, bereichernde Erfahrungsweisen sehen, sie spielen ja auch als Therapieformen eine Rolle. Nur verstehe ich nicht, was daran Transzendenz, solch ein ganz Anderes sein soll, und wie man darin eine andere, dem wissenschaftlichen Denken unzugängliche Wahrheit und Wahrheitsfindungsmethode sehen kann.
„ ... wie kann ich da behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein. […] Auch daß sich eine Erfahrung verallgemeinern läßt, berechtigt noch nicht, von Wahrheit zu sprechen. [...]Aber das ist doch darum keine Wahrheitserfahrung.“
Tue ich doch nicht und an der Stelle schon gar nicht. Ich sage ja, im Gegenteil, dass ich mit dem Wahrheitsbegriff nichts anfangen kann. Ich behaupte natürlich, dass viele spirituelle Erfahrungsberichte echt sind, authentisch und zu guter Letzt können wir gerne darüber reden, wessen Wahrheitsbehauptung besser zu rechtfertigen ist, aber hier am Anfang, kann ich zwar mit behauptenden Aussagen wie: „Es regnet“ oder „Paprika ist heute im Angebot“ oder auch „Die Erde ist rund“ etwas anfangen, aber die Wahrheitsdiskussion sehr gerne, aber bitte nicht am Anfang, so als sei das ein problemloser Begriff, auf den sich jeder einigen kann. Nein, gerade nicht. Wir mischen Korrespondenz, Konsens- und Kohärenztheorie, geben noch etwas Funktionalismus hinzu und alle diese Aspekte sind unzureichend.
„Wenn ich meditiere, löse ich körperliche Reaktionen aus, die ich registriere. Ich kann sagen, ich mache eine typische Selbsterfahrung.“
Kann man sagen, würde ich aber bestreiten, wenn Sie damit sagen möchten, man schaue nur in oder auf sich selbst. Weil man seinen Körper dabei hat, wenn man meditiert? Nun, als Einstein seine Relativitätstheorien formulierte, tat er das ohne Körper? Wo blickte er hin, wenn nicht in sich selbst?
„Die Wahrheit dieser Selbsterfahrung ist die Wahrheit, daß ich unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Erfahrung mache.“
Welche Erfahrung ist denn keine Selbsterfahrung? Ob ich einen Berg besteige, aus New York berichte, über das Mittelalter forsche, Erkenntnistheorie oder Logik lerne, Geige spiele oder meditiere … immer ist mein Körper dabei, und wichtiger: immer mein Bewusstsein. Auch wenn 10 andere das ebenfalls tun, vielleicht sogar zeitgleich, selbst wenn ich mich mit ihnen austausche - in mir werden die Eindrücke sortiert und kommt es zu Erfahrungen, Schlüssen, Veränderungen.
„Realwissenschaften, die Naturwissenschaften (um bei dem Begriff der objektiven Wahrheit zu bleiben) behandeln inhaltliche Tatbestände, die können nicht formal erschlossen, sondern müssen empirisch erhoben werden.“
Ja. Wir brauchen nicht bei Null anzufangen, ich kenne das alles. Ergänzen möchte ist, dass auch die empirischen Daten Stützen im Kontext einer Theorie sind, die sehr wohl in toto der Logik der richtigen Schlüsse unterworfen ist.
„Aber da er auch Subjekt ist, bekommen ihn die Naturwissenschaften nicht voll in den Griff. Hier treten die Geisteswissenschaften auf den Plan, sie behandeln auch die subjektiven Wahrheiten, dennoch der Wahrheit verpflichtet, insofern sie das untersuchen, was sich allgemein über die Zusammenhänge von objektiven und subjektiven Faktoren sagen läßt.“
Dem stimme ich zu, bis zu dem Punkt, an dem Sie das, was Sie sagen wieder in Richtung einer objektiven Wahrheit auflösen wollen. Wie soll das gehen? Beispiel: Ich habe Rückenschmerzen in der Intensität 7 (auf der Skala von 0 = kein, bis 10 = maximaler Schmerz). Gleichzeitig ist im MRT und bei weiteren Untersuchungen nichts festzustellen, was über den altersgemäßen Normalbefund hinausgeht. Was ist jetzt die Wahrheit, was nicht und warum?
„Was ein einzelner Mensch sieht, fühlt, assoziiert, wenn er eine Farbe wahrnimmt, entzieht sich weitgehend einem allgemeinen Begreifen, da von Wahrheit zu sprechen, dehnt den Begriff ins Beliebige. Immerhin wird man unter den Menschen auf große Übereinstimmung stoßen bei der Zuordnung von der warmen Farbe rot und der kalten blau entsprechend der physikalischen Qualität der unterschiedlichen Wellenlängen.“
Ja.
„Wo ist der Widerspruch in meiner Darstellung von subjektiver und objektiver Wahrheit? Es gibt objektive Wahrheiten, die absolute Gültigkeit beanspruchen, und es gibt subjektive Wahrheiten, die nur unter bestimmten Setzungen wahr sind. Das heißt aber nicht, daß letztere nur für das betroffene Subjekt wahr sind, sie gelten für alle, nur teilen nicht alle die gleichen Prämissen. So ähnlich schreiben Sie das ja auch.“
Richtig. Eine Erfahrung kann in einem religiösen Kontext lauten: „Gott hat sich mir offenbart“ und in einem atheistischen: „Verdammt, ich muss zum Psychiater, mit mir stimmt was nicht.“
„Aber von Naturalismus kann man nur reden, wenn man an die Reduzibilität auf Naturwissenschaften glaubt, etwa im Physikalismus. Da ich vom emergenten Geist innerhalb des Materialismus ausgehe ...“
… kreieren Sie einen Dualismus, den Sie irgendwann wieder einfangen müssen. Gewöhnlich wird das so gemacht, dass man sagt, dass der Geist irgendwie dem Gehirn entsprungen ist und bleibt gesetzt, nur ist das alles so kompliziert, dass wir es noch nicht verstehen. Das ist ja der Standard mit dem wir leben, der einerseits sagen kann, „Wo soll der Geist denn sonst herkommen?“ und andererseits „Was juckt mich die Naturwisssenschaft“.
Man kann nun tun, was alle tun, nämlich die Neurobiologen arbeiten lassen, in der Hoffnung, dass sie eine Theorie des Bewusstseins hinkriegen und sich gleichzeitig den Bereichen widmen, die mit dem Geist direkt arbeiten und sich keinen Deut mehr um das Gehirn kümmern, z.B. Philosophie und Psychologie und sogar noch die Verhaltensbiologie. Man kann da prima prockeln, über Argumente, Neurosen und ererbte Einflüsse reden, nur muss man das ganze auch ontologisch wieder zusammen fügen. Und ontologisch ist es so, dass man nun entweder Dualist ist (mit allen Schwierigkeiten), oder Monist von unten (= Physikalist) oder von oben (= Platonist – auch wenn Platon im Grunde kein reiner Platonist war) ist.
„Aber es muß nicht Wissenschaft durch eine absolute Metaphysik, eine körperlose Geisterwelt ergänzt werden. Was transzendierend ist, ist schon als Denken, selbst als positivistisches Denken, transzendierend. Insofern gibt es keinen Bruch zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, und kein andersartiges geistiges Erkenntnisvermögen.“
Doch natürlich gibt es in Ihrem Modell diesen Bruch. Sie argumentieren als Dualist und behaupten, Sie seien Physikalist/Materialist, aber auch der emergente Vorentwurf, auch dort, wo er nur transzendent/reflexiv ist, muss im Kontext des Naturalismus gerechtfertigt werden und das kann er nicht. Denn der emergierte Geist, der sich in der Welt umschaut und seine Schlüsse zieht, muss ja irgendwo herkommen. Auch bei ihnen kommt er aus dem Gehirn, schaut sich um, macht all das, was das Gehirn nicht kann (wir haben zumindest keine Ahnung wie), ist also sehr wohl zusätzlich in der Welt, wird dann nur schnell wieder mit der Drachenschnur eingeholt, so dass Sie meinen, als Dualist der Sie sind, keine Farbe bekennen zu müssen.
„Meinetwegen kann man in den von Ihnen beschriebenen Weisen eigenartige, wertvolle, bereichernde Erfahrungsweisen sehen, sie spielen ja auch als Therapieformen eine Rolle. Nur verstehe ich nicht, was daran Transzendenz, solch ein ganz Anderes sein soll, und wie man darin eine andere, dem wissenschaftlichen Denken unzugängliche Wahrheit und Wahrheitsfindungsmethode sehen kann.“
Sie gehen von ganz anderen Voraussetzungen aus, als ich. Sie betonen die Wahrheit, ich gerade nicht. Sie wollen das Subjekt stark machen, um dessen Erfahrungen dann doch wieder zu marginalisieren, also so eine nette, brauchbare Erfahrung, aber ohne jeden Wahrheitsanspruch. Im Grunde die klassische Trennung von Wahrheit und Meinung, ist auch okay und alltagstauglich, philosophie- oder wissenschaftstauglich aber gerade nicht. Mein Standard: War Thomas Mann ein guter Vater? Elisabeth fand ja, Klaus nein, aber wen sollten wir eigentlich fragen? Alle Kinder der Manns, oder sind gerade die befangen? Thomas Mann selbst oder seine Frau, die Nachbarn, gute Freunde der Familie und ja, was ist überhaupt ein guter Vater? Bilden wir den Mittelwert? Ist das nun Meinung oder Wahrheit, da ja auch zeit- und kulturabhängig?
Transzendenz kann der Besuch in anderen Welten (oder der Ruf aus diesen oder der Kontakt dazu) sein, aber lassen wir das Spektakuläre mal beiseite, bleiben wir philosophisch. Frege und vor allem Husserl betonen, wir hätten uns bei unseren Argumenten den Regeln der Logik zu beugen, was insoweit stimmt, als Argumente folgerichtig, im Sinne der Logik, sein müssen und da haben wir auch keinen großen Spielraum. Aber wie kommen diese Regeln der Logik eigentlich in die Welt? Wenn die auf wundersame Weise der Welt vorgeordnet sind – kann ja sein – so ist das Dualismus. Ebenfalls übrigens, wenn Naturgesetze (die Notwendigkeit implizieren, konträr zu Regelmäßigkeiten/Regularitäten) oder mathematische Gesetze der Welt vorgeschaltet sind. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, wie denn die physische Welt von diesen vorgeschalteten Regel Kenntnis erhält.
Die Antwort des Psychologismus lautet, dass die Logik gar nicht über den Wassern schwebt, sondern eine Abstraktion menschlicher Erfahrungen ist. Wir sehen das daran, dass die „heiligen“ Regeln der Logik im Kontext der Quantenphysik oft platzen. Daraus sollten wir nicht mehr schließen als zulässig ist, nämlich nur das es da Grenzen „der Logik“ (als gäbe es nur die eine, schon das ist falsch) gibt, aber ein Ansatz vorgeschalteter Gesetze ist immer dualistisch und muss beantworten, wie das eine mit dem anderen kommuniziert, wo es doch getrennte Welten sind.
Markus Gabriel hat das ganz gut gemacht, nur dass in seiner Sinnfeldontologie, ausgerechnet die Sinnfelder schaurig unterbestimmt sind. Aber er hat die Idee, dass wir wirklich stets andere Welten (Ontologie eben) besuchen, mit je eigenen Regeln, m.E. versucht er die Dualismus Problematik dadurch zu umgehen, dass er behauptet, sein dezidiert pluralistischer Ansatz falle nicht unter die Probleme des Dualismus, aber das erscheint mir falsch. Wenn ich prinzipielle Trennungen ver-x-fache, entbindet mich das nicht von der Erklärung wie das gehen soll, dass aber in anderen Kontexten andere Regeln gelten, stimmt natürlich. Die physikalische Theaterkritik werden wir nie lesen, auch die Weltformel wird uns da nicht helfen.
Aber diese Inkompatibilitäten, diese eigenen Welten der Logik, der Psychologie, der Biologie, der Physik, der Soziologie, der Statistik, des Rechts passen letztlich in dem Sinne nicht zusammen, als man das eine nicht auf das andere reduzieren kann und da brauchen Sie dann nur spirituelle Erfahrungen mit in die Reihe zu stellen. Was wir finden sind Gesetzmäßigkeiten und Folgerichtigkeiten. Gabriel macht m.E. aus Erkenntnistheorie Ontologie und das begründet er nicht konsistent, aber der Ansatz ist interessant. Ich würde viele seiner Sinnfelder zu Weltbildern (die hierarchisch organisiert sind) zusammenfassen und würde behaupten, dass der Umzug in ein anderes Weltbild der in eine anderen Welt ist. (Gabriel mag Weltbilder hingegen gar nicht.) Welt(bild) hier verstanden als Ebene der Interpretation von Erfahrungen und verinnerlichten Prämissen. Transzendenz wäre dabei der Einbruch einer anderen Welt/Interpretationsebene, in die, in der ich mich aktuell noch befinde. Das ist, soweit ich Sie verstehe, Ihrem Entwurf bis zu dem Punkt nicht unähnlich, jedenfalls könnte ich Transzendentales oder Reflexion ebenfalls so deuten, dass sich ein Individuum emergent in neue Komplexitätsgrade vortastet. Da ich den Dualismus zwar erkenntnistheoretisch notwendig finde, aber ontologisch unüberzeugend, würde das wohl auf einen Monismus herauslaufen müssen. Da der von unten für mich deutliche Lücken hat und immer schwächer wird (was seine erklärende Kraft angeht) würde ich es mit einem von oben noch einmal versuchen. Dann wäre alles Geist, aber dennoch kann man die Erkenntnisse der letzten Jahrhunderte nicht ausblenden. Es ist sicher, dass wir existieren, es ist kaum zu leugnen, dass wir das in einer mindestens mal auf Cluster/kulturelle Magneten/Weltbilder bezogenen Art in einer gemeinschaftlich geteilten Umgebung tun. Das schließt den Solipsismus aus. Dass allerdings die materiellen Aspekte dieser Umgebung stets das letzte Wort haben, bestreite ich, längst nicht nur auf das Gebiet der Spiritualität beschränkt, aber auch diese ist ein Teil dessen, was ich meine. Das Lücken in den Erklärungen des Naturalismus werden täglich größer, die Redlichkeit gebietet das einzugestehen. Der große Wurf, der den Naturalismus ablöst, ist noch nicht in Sicht, aber die Brandoms, Wilbers, McDowells, Gabriels, Chalmers sitzen in den Startlöcher, würde Gabriel sich endlich mal von seinen bescheuerten Einhörnner und Hexen ab- und Phänomenen wir Archetypen und Placeboeffekten zuwenden, könnte das sogar was werden. Die These ist, dass Transzendenz der Ruf aus tatsächlich anderen Welten ist, mit denen wir in Kontakt treten können und die materielle Welt wäre dann eine dieser Welten.
Ich finde diesen blog ja prima. Gut, dass es so viele an Spiritualitaet interessierte Leute gibt, die das auch noch sehr huebsch poetisch versprachlichen koennen. Die Werbung fuer Ken Wilber ist vielleicht etwas ubertrieben, aber naja.
Da will ich doch auch noch eine kleine Buddha-Story des Pali Kanon beitragen, aus "Der Predigt von Benares", Mahavagga I,6.
Zeit: kurz nach Buddhas Erleuchtung, Ort: unterwegs nach Benares. Ist etwas laenglich. Das lesen lohnt trotzdem. Hat ne Pointe.
Da sah ein nackter Asket namens Upaka den Erhabenen zwischen Gaya und dem Bodhi-Baum des Weges daher kommen und als er ihn gewahrte, sprach er zu dem Erhabenen: "Heiter, Freund, sind Deine Zuege; ganz rein und licht Dein Aussehen. Durch wen bist Du, Freund, Moench geworden und wer ist Dein Lehrer? Wessen Lehre bekennst Du?"
Auf diese Worte hin redete der Erhabene den nackten Asketen Upaka mit folgenden Versen an:
"Ich bin der alles Uebertreffende, ich bin der allwissend unbefleckte von allenaeusseren Dingen; ich habe alles verlassen und bin frei. .... Keinen Lehre habe ich, keinen mir aehnlichen gibt es; in der Welt der Goetter und Menschen ist keiner, der mir ebenbuertig waere. Ich bin der Heilige in der Welt, ich bin der hoechste Meister; ich allein bin voellig ERLEUCHTET ; leidenschaftslos bin ich und erloest. ......"
Und als Upaka versetzte: "Wie Du also erklaerst, bist Du heilig und unendlich siegreich", entgegnete Buddha: " Sieger, die mir gleich sind, sind die, die zum Aufhoeren der Leidenschaften vorgedrungen sind. Besiegt sind von mir die boesen Dinge; deswegen, Upaka, bin ich der Sieger."
Nach diesen Worten sprach der nackte Asket Upaka: " Es koennte sein, Freund"; und er schuettelte sein Haupt und schlug einen anderen Weg ein.
Lieber Aussie42,
ich freue mich, nach langer Zeit, von Dir zu hören :-)
Herzliche Grüße nach Australien, aus Deiner alten Heimat Berlin......
<dass ich mit dem Wahrheitsbegriff nichts anfangen kann>
Die drei erkenntnistheoretischen Hauptströmungen legen aber jeweils einen solchen Wahrheitsbegriff zugrunde und explizieren ihn. Keine macht die (Erfahrungen der) Introspektion zur Grundlage. Daß sie jeweils Defizite aufweisen, führt nicht dazu, sich auf die Suche nach einer höherwertigen, anderen Wahrheit zu begeben. Nicht, daß ich irgend etwas dagegen hätte, sich ein integrales Bild von der Welt und von sich selbst in ihr zu machen, man kann dann auch gerne von Weisheit reden, nur trifft das nicht, was man mit Wahrheit meint, Wahrheit bezieht sich immer auf die Angemessenheit unseres Bildes von der Welt, der Abbildungstreue der Realität im Denken. Und das Denken findet immer in einem Organismus, als ein chemophysikalischer Vorgang statt. Insofern ist alles eine Erfahrung, die denkende Subjekt mit seinem Denken macht, aber es bezieht sich überwiegend auf eine äußere Realität, von Selbsterfahrung redet man nur, wenn das Denken sich auf sich selbst oder auf das denkende Subjekt bezieht, eine Selbstreflexion.
Eine Theorie ist die Kodifikation einer Wissensmannigfaltigkeit auf ein minimales und möglichst vollständiges Erzeugungssystem, die axiomatische Darstellung dieses Wissens. Voraussetzung dafür sind Mathematik und Logik, die korrekt alles Wissensmögliche aus den Axiomen erschließen lassen. Das heißt nicht, daß wir nicht überrascht werden könnten von Schlußfolgerungen aus dem Axiomensystem, aber implizit ist alles enthalten. Tatsächlich arbeitet man eher umgekehrt, daß keine widersprüchlichen Schlußfolgerungen möglich sind, erweist die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems. Und wenn Schlüsse auf Ergebnisse führen, die im Widerspruch zur Empirie stehen, sind die Axiome sachlich falsch.
Man ist schon Dualist, wenn man meint, man müsse Dualist sein oder Monist, von unten oder oben. Da sitzt man in der Falle des tertium non datur. Als Dialektiker habe ich diese Probleme nicht. Zwar muß ich einmal anerkennen, daß ich auf die naheliegende Scheinsicherheit, ein Absolutes in der Hand zu halten, verzichten muß, aber danach lebt es sich ganz komfortabel mit der unauflösbaren Relativität, die einen nicht hindert, der Wahrheit näher zu kommen. Relativitätstheorie, Quantentheorie, Erkenntnistheorie haben es vorgemacht, das Denken kann nicht mehr zurückgezwungen werden. Denken wir auf der Höhe der Zeit.
Was aber sollen „Gesetzmäßigkeiten und Folgerichtigkeiten der spirituellen Erfahrungen“ sein? Was wird von den Wissenschaften nicht abgedeckt? Bitte mal ein einfaches Beispiel, das ich nachvollziehen kann. Oder muß das irgendwie gelebt werden? Dann sind wir wieder bei der Frage, was ist daran die Wahrheit.
<Dass allerdings die materiellen Aspekte dieser Umgebung stets das letzte Wort haben, bestreite ich>, ich auch, sonst würde ich nicht von transzendierend sprechen. Die „Lücken in den Erklärungen des Naturalismus werden täglich größer, die Redlichkeit gebietet das einzugestehen“ - keineswegs. Relativ werden die Lücken kleiner, aber aus schlicht logischen Gründen können sie nicht verschwinden. Mit jeder Verfeinerung unserer Modelle werden wir klüger, und müssen erkennen, daß wir mit jedem Wissensgewinn neue Fragen provozieren. Aber die Fragen waren schon vorher da, wir haben es nur nicht gewußt. Also hat sich nicht unser Unwissen vergrößert, sondern es hat sich mit der Wissensvermehrung offenbart, und ist jetzt behebbar geworden. Nur bleibt uns das Schicksal Sisyphos nicht erspart, wir werden den Gipfel nie erklimmen. Die Metapher ist nicht optimal. Besser wäre es zu sagen, wir kommen voran, erreichen werden wir das Ziel nie.
Ich glaube subjektive Wahrhaftigkeit und objektive propositionale Wahrheit bezeugen die innere geisteswissenschaftliche und die äussere marerialistische Vorgehensweise.... Also Wahrhaftigkeit als Maßstab für innere Beschreibungen und propositiole Wahrheit für empirische Beobachtungen...
Ich habe Sie schon verstanden, aber Moorleiche hat vielleicht das gemeint.....
Wobei die Naturwissenschaften weitgehend, aber nicht total (in der erkenntnistheoretischen Reflexion) vom menschlichen Subjekt abstrahieren können, die Geisteswissenschaften aber immer die Wechselwirkungen von Subjektivem und Objektivem im Blick haben müssen. Denken ist nicht unabhängig von seinen materiellen Bedingungen, allerdings ebenso wenig auf diese reduzibel. Und die menschlichen Angelegenheiten sind nicht ohne das Denken, ohne das geschichtlich entwickelte Bewußtsein zu verstehen.
Danke.
Du traust Dich ja was, mit diesem blog!
„Nicht, daß ich irgend etwas dagegen hätte, sich ein integrales Bild von der Welt und von sich selbst in ihr zu machen, man kann dann auch gerne von Weisheit reden, nur trifft das nicht, was man mit Wahrheit meint, Wahrheit bezieht sich immer auf die Angemessenheit unseres Bildes von der Welt, der Abbildungstreue der Realität im Denken.“
Naja, gerne noch mal. Ich rede gar nicht von Wahrheit, dass tun Sie die ganze Zeit und nein, die Angemessenheit unseres Bildes ist keinesfalls das, worauf sich Wahrheit immer bezieht, sondern das ist die Definition der Korrespondenztheorie der Wahrheit. Dass diese ganz nett, aber letztlich unzureichend ist, kann man schon bei wiki nachlesen, ansonsten zielte auch mein Thomas Mann Beispiel darauf ab.
„Und das Denken findet immer in einem Organismus, als ein chemophysikalischer Vorgang statt.“
Nein. Das können Sie nicht ernsthaft hinschreiben, denn das ist nun eine sehr exklusive Definition, die KI und potentielle Außerirdischen a priori, und zirkulär begründet, die Denkfähigkeit abspricht.
„Insofern ist alles eine Erfahrung, die denkende Subjekt mit seinem Denken macht, aber es bezieht sich überwiegend auf eine äußere Realität, von Selbsterfahrung redet man nur, wenn das Denken sich auf sich selbst oder auf das denkende Subjekt bezieht, eine Selbstreflexion.“
Und da kommt gleich der nächste Einspruch. Immerhin, wie haben viel zu diskutieren, Sie sind gutartig und wollen diskutieren (ich auch), von mir aus können wir das alles parallel behandeln, nur sollten wir die Transzendenz dabei nicht ganz aus dem Blick verlieren, aber auch weite Umwege sind spannend. Mein Einwand ist, dass es auch die Außenwelt sehr wenig, überraschend wenig ankommt. Mein Bild, was aber wirklich nur ein Bild sein soll, ist das eines Vogels der immer wieder mal von einer Wasseroberfläche (äußere Realität) nippt und ansonsten ganz wo anders unterwegs ist (in der Innenwelt).
Unser inneres Sosein benutzt äußere Aufhänger als Anlass, um alles immer wieder von links nach rechts zu drehen, selten sind wir direkt mit der Außenwelt beschäftigt, viel häufiger mit Spekulationen über die Gedanken und Gefühle anderer, was der nun von mir denkt oder etwas empfinden haben muss, wir spielen Gespräche noch mal durch, wir schreiben Kommentare im Freitag, denken über Vergangenheit oder Zukunft nach. Ständig sprechen wir innerlich und je nach Quelle ist das Verhältnis von Neuronen, die Außenwelt verarbeitet, zu denen, die Innenwelt verarbeiten zwischen 1: 10.000 bis 1 : 1.000.000. Zudem wird die Wahrnehmung der Außenwelt immer schon überarbeitet, wir sehen so gut wie nie, die Welt, wie sie ist.
„Das heißt nicht, daß wir nicht überrascht werden könnten von Schlußfolgerungen aus dem Axiomensystem, aber implizit ist alles enthalten. Tatsächlich arbeitet man eher umgekehrt, daß keine widersprüchlichen Schlußfolgerungen möglich sind, erweist die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems. Und wenn Schlüsse auf Ergebnisse führen, die im Widerspruch zur Empirie stehen, sind die Axiome sachlich falsch.“
Ja, hier stimme ich im Groben zu, Theorien müssen sich bewähren oder revidiert werden, nur ist die Geschichte nicht so einfach, da wir eben nicht auf Wirklichkeit an sich blicken, sondern immer nur auf Wirklichkeit, die sich aus unseren Deutungen ergibt, d.h. der Kontrollblick in die Wirklichkeit, der von aller Theorie mal eben kurz absieht, ist uns gar nicht möglich. Die Idee des Zugangs zur Wirklichkeit an sich ist selbst eine Theorie – nämlich die Behauptung, dass es diesen Zugang gibt – die auf Prämissen aufbaut. Selbst das experimentelle Design kann die Abhängigkeit von Prämissen nicht aushebeln.
„Man ist schon Dualist, wenn man meint, man müsse Dualist sein oder Monist, von unten oder oben. Da sitzt man in der Falle des tertium non datur.“
Nein, Sie haben ja die Möglichkeit etwas anderes vorzustellen, müssen es dann aber auch tun. Zu sagen man sei kein Dualist, dann aber immer wieder dort Anleihen zu nehmen ist aber kein weiterer Weg, sondern Inkonsistenz.
„Als Dialektiker habe ich diese Probleme nicht. Zwar muß ich einmal anerkennen, daß ich auf die naheliegende Scheinsicherheit, ein Absolutes in der Hand zu halten, verzichten muß, aber danach lebt es sich ganz komfortabel mit der unauflösbaren Relativität, die einen nicht hindert, der Wahrheit näher zu kommen. Relativitätstheorie, Quantentheorie, Erkenntnistheorie haben es vorgemacht, das Denken kann nicht mehr zurückgezwungen werden. Denken wir auf der Höhe der Zeit.“
Welche Theorie hat denn Relativitätstheorie, Quantentheorie und Erkenntnistheorie als integrale Bestandteile? Was man machen kann, ist zu betrachten, wie denn z.B. dieser oder jener Ansatz die Welt sieht, klar, das tut man die ganze Zeit, je nach dem, was man erreichen will.
„Was aber sollen „Gesetzmäßigkeiten und Folgerichtigkeiten der spirituellen Erfahrungen“ sein? Was wird von den Wissenschaften nicht abgedeckt? Bitte mal ein einfaches Beispiel, das ich nachvollziehen kann. Oder muß das irgendwie gelebt werden? Dann sind wir wieder bei der Frage, was ist daran die Wahrheit.“
Die Art der Wahrnehmung von Welt, von anderen, des eigenen Körpers, der eigenen Gedanken und Emotionen in Abhängigkeit von der Art der Meditation, die man macht. Das fängt bereits ganz am Anfang an. Die meditative Haltung ist wird zumeist als ungewohnt bis unbequem erlebt, hier schmertzt es, da juckt es, das ändert sich, irgendwann ist das bequem, wenn man im Gleichgewicht sitzt, was man immer besser merkt. Die Fähigkeit zur Konzentration auf einen Gedanken, oder zur reinen Beobachtung vergrößert sich im Laufe der Übung. Das Volumen, die Geschwindigkeit und/oder der Fluss des Atems ändern sich, gleichzeitig wird verfolgt man das aufmerksam, was man in der Regel nie tun und bemerkt parallele Veränderungen im Körper, evtl. auch in den Gedanken und Gefühlen.
Es treten typisch Abläufe auf, was die Verarbeitung von Eindrücken angeht, zuerst ist man von vielem abgelenkt und man hängt noch sehr im unmittelbarer Nähe des Alltags. Warum sind die Nachbarn so laut? Was muss ich gleich noch einkaufen? Später kommen dann tiefere Eindrücke hinzu, die vielleicht mit Themen aus der Vergangenheit zu tun haben. Das kann man therapeutisch gut nutzen, im Sinne der Meditation wäre es jedoch, auch dies einfach nur leidenschaftslos anhzuschauen und in späteren Phasen der Meditation kommt es zu anderen merkwürdigen Ereignissen. Man erlebt spontan biographsiche Splitter, irgendwelche Eindrücke von früher, die in kurzen Anschnitten auftauchen, manchmal nur ein Satz, ein Bild und die eigentlich überhaupt keinen biographischen oder psychologischen Wert haben.
Man etabliert ein Position den reinen Beobachters, die man aus dem Alltag so gut wie gar nicht kennt und die man daran ablesen kann, ob es bspw. gelingt synchronisert mit Ein - und Ausatem von 1 bis 10 und dann wieder bei 1 beginnend zu zählen, oder dies zu vergessen, bei 28 anzukommen usw. 5 Minuten, 10 Minuten, eine halbe Stunde ist ein guter Wert.
Man kann erleben, dass typische Muster, die man in aller Regel auf die Außenwelt projiziert („Ich rege mich mich auf, weil ich mich gerne aufrege, sondern weil ich von lauter Idioten umgehen bin, z.B: da wieder : …“) auch dann stattfinden, wenn man in einem ganz anderen, strukturierten aber ansonsten offenen Umfeld ist, z.B. bei ein Sesshin, bei dem geschwiegen wird. Und so geht es fröhlich weiter und vieles von dem hat erkennbar auch Erkenntnischarakter.
Wahrheit ist daran die Möglichkeit der Bestätigung (oder Widerlegung), die sich aus dem Gehen des meditativen Weges ergibt. Wie bei Mathe, folgt man den Regeln, sind 5 + 7 = 12 oder man hat sich verrechnet. Wegmarken oder gar ein Ziel der Meditation zu formulieren ist nie ganz ungefährlich (aber vermutlich ist es noch gefährlicher kein Ziel zu formulieren, weil dann meint, jeder könne sich beliebig dazu äußern) und ich würde es so formulieren, dass man die überdauernden Erkenntnisse, die man im Grunde in vielen der großen Wege findet, mitnimmt und sie dennoch auf seine individuelle Weise zum Ausdruck bringt, d.h. in die Welt bringt.
„Relativ werden die Lücken kleiner, aber aus schlicht logischen Gründen können sie nicht verschwinden.“
Sehe ich anders. Schon vor Jahren schrieb Habermas, eine der wesentlichen Aufgaben der heutigen Philosophie sei, den erkenntnistheoretischen Dualismus mit dem ontologischen Monismus zu verbinden. Ich sehe nicht, dass das besser gelungen ist, vielmehr waren die Vorstellungen von der Welt (im Mainstream der Wissenschaft), als ich Kind war viel simpler. Es gab eine Welt, die durch einen Urknall entstand, man spekulierte eine wenig über ihr Ende. Quantentheorie und Relativitätstheorie passten auch damals nicht, man war nur optimistischer, dass man das bald lösen wird, und recht überzeugt, dass daran (an der Weltformel) auch die Lösung aller anderen Probleme hängt. Heute ist das alles Spekulation, jeder hat seine Lieblingsvorurteile, aber die Zahl der Sterne, die größer oder älter sind, als sie theoretisch sein dürften, die Frage ob Universum oder Multiversen usw. alles sehr sehr ungewiss, von den Hilfskonstrukten dunkler Materie und Energie ganz zu schweigen und das sind keinesweg ein paar Details.
Beim Bewusstsein, der anderen Bruchstelle, sieht es eigentlich noch schlimmer aus, auch das war früher anders. Alles kam auch dem Gehirn, hübsch irgendwelchen Arealen zugeordnet heute ist auch das ein Gemischtwarenladen.
„Mit jeder Verfeinerung unserer Modelle werden wir klüger, und müssen erkennen, daß wir mit jedem Wissensgewinn neue Fragen provozieren. Aber die Fragen waren schon vorher da, wir haben es nur nicht gewußt.“
Ja, man kann es auch so sehen, dass wir uns unserer Unkenntnis bewusster werden. Dabei implizieren Sie aber bereits, dass das Universum (oder die Multiversen) ein abgeschlossenes System sind, auch das ist fraglich.
„Besser wäre es zu sagen, wir kommen voran, erreichen werden wir das Ziel nie.“
Kann man so sehen, der Gedanke ist zumindest klar. Wir würden dann irgendwann erkennen müssen, dass die Welt zu komplex ist, dass wir sie als Teil derselben – durch die prinzipiellen Grenzen des Laplace'schen Dämons – nie erfassen werden. Auch Kant argumentierte so. Wenn wir allerdings andere Prämissen setzen, werden die Karten neu gemischt. Wenn man die Geschichte von der Materie her erzählt, ist die Grenze vielleicht da, erzählt man sie vom Bewusstsein her, sind sie keinesfalls zwingend, schon wegen der Möglichkeit von Einheitserfahrungen. Man müsste dann z.B. mehr über deren Charakter wissen.
Jaaa.... ich als alte Legasthenikerin, hab es nicht immer einfach :-)
Naja, gerne noch mal. Wenn Sie nicht von Wahrheit reden, ist unser Gespräch hinfällig. Ich rede von Wissenschaft und Erkenntnistheorie, alle wissenschaftlichen Konzepte, auch die Kohärenztheorie, fußt auf einer Idee der Wahrheit. Daß die Korrespondenztheorie zu eng ist für einen umfassenden Wissenschaftsbegriff, ist ja richtig. Denn das schlösse Geisteswissenschaften aus. Soweit das, was ich subjektive Wahrheit nenne, ins Spiel kommt, braucht es auch Kohärenz. Aber Kohärenz ohne Korrespondenz wäre nicht mehr Wissenschaft, sondern Kunst. Da würden wir uns auch wieder streiten, denn „Spiritualismus“ ist auch keine Kunsttheorie.
Weiter zur Begriffsbildung. Ja, für mich kann es keine künstliche Intelligenz geben. Das heißt nicht, daß ich mir nicht vorstellen kann (auch wenn ich nicht daran glaube), daß sich ein technisches Objekt in einen Organismus verwandeln kann. In diesem Falle könnte er Intelligenz entwickeln. Aber Intelligenz ist an die Subjekteigenschaft gebunden, in dem gedachten Fall würde die Maschine zum Subjekt – wie gesagt, nicht ausgeschlossen, aber wenig glaubwürdig.
Nunja, dafür, daß wir Vögel sind, die nur mal an der Wassenoberfläche nippen, wissen wir doch sehr gut über das Wasser, und sehr wenig über die Luft bescheid. Da können sich freilich die Luftbescheidwisser wie die Könige der Lüfte fühlen, ist aber eine dünne Luft, sie sollten aufpassen, daß sie nicht wie Ikarus enden. Da hat uns Platon doch besser in der Höhle verortet. Naja, eigentlich nur unsere Blickrichtung, er war ja Idealist, und somit Ahnherr einer Auffassung von Wahrheit jenseits der materiellen Schattenwelt.
Das Verhältnis 1:100? Sie meinen, Sie sind die geistigen 99%? Ist auch eine Korrespondenztheorie. Und nicht ganz falsch. Wenn auch das Zahlenverhältnis Ihrer Fantasie entspringt (ich lese es durchaus metaphorisch), der Anteil des realitätsfundierten gegenüber dem wunschorientierten, magischen, autosuggestiven Denkens ist gering. Wissenschaft ist angetreten, dieses Verhältnis zu verbessern, und das heißt, Wahrheit auch in den Bereich des Subjektiven zu bringen. Die Selbstreflexion nicht zu entsubjektivieren, aber gleichwohl zu objektivieren. Die Konstruktion eines erhabenen Selbstbildes ist keine Intention der Wissenschaft. Ob es sich lohnt, sich damit zu befassen, bleibt natürlich jedem Menschen selbst überlassen. Und gegen das Abrunden durch Kohärenz sage ich nichts. Allerdings aus „wir sehen so gut wie nie, die Welt, wie sie ist“ auf das Obsolete der Welt, wie sie ist, zu schließen, ist Obskurantismus, paßt zum „anything goes“ der Warengesellschaft.
<kein weiterer Weg, sondern Inkonsistenz> Ja, sag ich doch, Konsistenz im logisch-mathematischen Sinn ist Dualismus. Das tertium non datur wird in der Dialektik aufgegeben. Was Sie hier als Stärke formulieren, ist für mich eine Schwäche. Ohne darum den Dualismus zu verwerfen, er ist ja Teil der Dialektik. Wenn Sie das nicht mitmachen wollen, befinden Sie sich in guter, oder sagen wir besser: in breiter Gesellschaft. Das ist O.K. Aber in meinen Augen vormodern, ich habe RT, QT und die neuere Erkenntnistheorie als Beispiele herangezogen dafür, daß man den Dualismus verlassen muß. Und ich ziehe unsere ganze Wissenschaftskultur dafür heran, daß die Erleuchtung, oder wie ich lieber sage, die Aufklärung, im Wesentlichen eine Ernüchterung ist, oder noch besser, sich in die Ideale des Wahren (Ernüchterung) und des Schönen (Enthusiasmierung) aufspaltet. Nicht zu vergessen das Gute, das Soziale.
Gegen den heuristischen Wert der Meditation will ich nichts sagen, das kann ich gar nicht beurteilen, weil ich diese Praxis nicht kenne. Mir ist noch keine Erkenntnis begegnet, die mir hätte zeigen können, daß ich einen anderen Weg zum Erkennen einschlagen muß. Das kann selbstverständlich an meiner partiellen Blindheit liegen, aber auch daran, daß es nichts anderes zu sehen gibt. Ich glaube nicht, daß die Aufklärung zum Wunderbaren führt, daß der Mensch göttlicher wird, sondern menschlicher.
Ja, aber ich möchte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Ab irgendeinem Niveau wird „der Gegenstand vom Wahrheitsanspruch nicht mehr erreicht“, „weil es keine objektiven Entscheidungskriterien dafür gibt“. Nur: dieses Niveau steht nicht objektiv fest, es kann angehoben werden. Mehr kann und mehr sollte man nicht verlangen.
Richtig (zwei weitere zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit), die subjektiv kollektive Dimension des in der Welt seins, trägt Gerechtigkeit, Richtigkeit und Angemessenheit als Wertmaßstäbe in sich. Auch objektiv kollektive Dimension des in der Welt seins, das funktionelle Passen in einem sozialen System als Wertmaßstab interessiert. Also gibt es mindestens vier nicht aufeinander reduzierbare Dimensionen/Wertmaßstäbe des In der Welt seins, die in einem kohärenten Zusammenhang stehen.......
„Daß die Korrespondenztheorie zu eng ist für einen umfassenden Wissenschaftsbegriff, ist ja richtig. Denn das schlösse Geisteswissenschaften aus. Soweit das, was ich subjektive Wahrheit nenne, ins Spiel kommt, braucht es auch Kohärenz. Aber Kohärenz ohne Korrespondenz wäre nicht mehr Wissenschaft, sondern Kunst.“
Nein, das wäre bspw. Robert Brandoms Ansatz, nachzulesen in „Expressive Vernunft“ was ich aber nicht ernsthaft empfehlen kann, es sei denn man ist etwas masochistisch oder Freak. Sehr dick, sehr schwer. Dort finde Sie dann aber sowas:
„Noch sagen Philosophen Sätze wie „Die Wahrheit ist eine, doch der Meinungen sind viele“ oder „Die Wahrheit ist eine Eigenschaft, die einmal in der Sprache der Physik definierbar sein wird“, die außerhalb der Reichweite der vorgelegten Analyse von „wahr“ liegen. Und entsprechend wurden zwar Ansätze darüber geliefert, worauf sich jemand mit einer Äußerung bezieht, doch über die Relation der Referenz wurde nichts gesagt. Die anaphorische Analyse gibt nicht an, wie Sätze zu verstehen sind wie „Die Referenzrelation ist eine kausale, physikalische Relation“. Der Grund liegt auf der Hand. Anaphorisch betrachtet hat zwar „... ist wahr“ die syntaktische Oberflächenform eines Prädikats und „... bezieht sich auf“ die einer Relation, doch spielen sie nicht die entsprechende grammatische und semantische Rolle. Grammatisch sind es Operatoren, die anaphorischen Nachfolger bilden – nämlich Prosätze und anaphorisch indirekte Beschreibungen. Philosophen haben die gewöhnliche Rede mit „wahr“ und „bezieht sich auf“ fälschlicherweise auf Grundlage einer missverstandenen grammatischen Analogie zu Prädikaten und relationalen Ausdrücken aufgefasst (was freilich wegen der Oberflächenform verständlich ist), haben eine Eigenschaft der Wahrheit und eine Relation der Referenz als die semantischen Korrelate der anscheinend prädikativen und relationalen Ausdrücke hypostasiert. Es wurden dann konkurrierende Therorien über die Beschaffenheit dieses merkwürdigen semantischen Prädikats und dieser Relation aufgestellt. Diese Suche ist aus dem selbem Holz geschnitzt wie die Suche nach denen Gegenständen, die jenem Ausdruck entsprechen, der die syntaktischen Oberflächenrolle eines singulären Terminus spielt – z.B. quantifizierende Ausdrücke wie „jemand“ oder „jedermann“ oder „es“ in „Es regnet“. Eine genauere Betrachtung (substitutions-inferentiellen) Gebrauchs dieser Ausdrücke zeigt, dass die scheinbare Analogie zu den singulären Termini irreführend ist; und eine genauere Betrachtung des (anaphorischen) Gebrauchs von „wahr“ und „bezieht sich auf“ zeigt, dass die zunächst verlockende Angleichung an Ausdrücke von Eigenschaften oder Relationen irreführend ist. Wenn man die anaphorische Analyse dessen vertritt, was von „wahr“ und „bezieht sich auf“ ausgedrückt wird, muss man also auf den reifizierenden Zug in Richtung einer Wahrheitseigenschaft und einer Referenzrelation verzichten. Dieser Ansatz zieht also implizit eine Grenze zwischen der gewöhnlichen Rede von Wahrheit und Bezug und verschiedenen spezifisch philosophischen Erweiterungen, die auf einem theoretischen Missverständnis dessen beruhen, was solches Reden ausdrückt. Gewöhnliche Aussagen darüber was wahr und falsch ist und worauf sich ein Ausdruck bezieht, sind so, wie sie sind, völlig in Ordnung; die anaphorische Analyse erklärt, wie sie zu verstehen sind. Doch Wahrheit und Referenz sind philosophische Fiktionen aufgrund grammatischer Missverständnisse. Es ist kein Mangel des anaphorischen Ansatzes, dass er für die fundamental verqueren Aussagen dieser Art nichts zu bieten hat. Eine Behauptung als wahr zu betrachten muss zuallererst als das Übernehmen einer normativen Einstellung verstanden werden – eine Behauptung gutzuheißen und damit eine Festlegung anzuerkennen. Diese normative Einstellung wird vorausgesetzt, wenn eine objektive Eigenschaft zugeschrieben werden soll, und ist nicht etwa anhand von dieser zu erklären.“ (Robert Brandom, „Expressive Vernunft“, 1994, Suhrkamp 2000, S. 463f)
Es macht keinen Sinn, hier näher darauf einzugehen, weil sehr aus dem Kontext gerissen aber Brandoms Ansatz bietet mit seinem normativen Ansatz eine ernsthafte und fulminante Alternative zur Korrespondenztheorie an und die Sprache wird in keinem Moment besser, auch wenn das philosophisch großes Kino ist.
„Weiter zur Begriffsbildung. Ja, für mich kann es keine künstliche Intelligenz geben. Das heißt nicht, daß ich mir nicht vorstellen kann (auch wenn ich nicht daran glaube), daß sich ein technisches Objekt in einen Organismus verwandeln kann. In diesem Falle könnte er Intelligenz entwickeln. Aber Intelligenz ist an die Subjekteigenschaft gebunden, in dem gedachten Fall würde die Maschine zum Subjekt – wie gesagt, nicht ausgeschlossen, aber wenig glaubwürdig.“
Subjekt sein, ja, da sind wir ohnehin auf einer Linie. Nur muss das kein menschlicher Körper sein. Eine Körperhaftigkeit und ein Selbstbild auch dieses Körpers scheint aber in der Tat eine Voraussetzung zu sein, das meine ich auch.
„Nunja, dafür, daß wir Vögel sind, die nur mal an der Wasseroberfläche nippen, wissen wir doch sehr gut über das Wasser, und sehr wenig über die Luft bescheid.“
Nein, die impliziten Regeln kennen wir sehr gut, auch das ist Inhalt von Brandoms Buch – er will die Regeln, denen wir ohnehin schon folgen, wenn wir uns ganz normal im Alltag bewegen, explizieren – aber Sie das auch bei Freud, wir verinnerlichen die Werte der Familie in der Herkunftsgesellschaft, das funktioniert dann im folgenden auch, ohne dass wir genau sagen können, was wir da eigentlich tun und warum.
„Das Verhältnis 1:100? Sie meinen, Sie sind die geistigen 99%? Ist auch eine Korrespondenztheorie. Und nicht ganz falsch. Wenn auch das Zahlenverhältnis Ihrer Fantasie entspringt (ich lese es durchaus metaphorisch), der Anteil des realitätsfundierten gegenüber dem wunschorientierten, magischen, autosuggestiven Denkens ist gering.“
Nein, ganz anders. Die Zahlenverhältnisse entspringen nicht meiner Phantasie, das 1.000.000 zu 1 Verhältnis zugunsten der inneren Welt, stammt von Wolfgang Welsch (als er sich mit der Evolution beschäftigte) die Zahlen von 10.000 zu 1 und irgendwo 100.000 zu 1 habe ich in Artikeln gelesen, wo, weiß ich nicht mehr. Immer zugunsten der Verarbeitung von Innenwelt, was emprisch, nicht korrespondenztheoretisch ist, aber darüber lohnt der Streit nicht.
Mit Wunsch und Magie hat das nicht viel zu tun, es geht um verinnerlichte Objektbeziehungen, die im inneren wirken, dann ihrerseits wieder projiziert werden, usw.
„Die Selbstreflexion nicht zu entsubjektivieren, aber gleichwohl zu objektivieren.“
Das scheint mir einer der Hauptpunkte zu sein, weil ich nicht verstehe, wie Sie das meinen, bzw. das gehen soll.
„Die Konstruktion eines erhabenen Selbstbildes ist keine Intention der Wissenschaft.“
Die Konstruktion eines erhabenen Selbstbildes ist auch kein spiritueller Ansatz, da geht es ja letztlich um eine Überwindung des Egozentrismus.
„Allerdings aus „wir sehen so gut wie nie, die Welt, wie sie ist“ auf das Obsolete der Welt, wie sie ist, zu schließen, ist Obskurantismus, paßt zum „anything goes“ der Warengesellschaft.“
Im Gegenteil, der Punkt ist mir sehr ernst. Obsolet aus welcher Sicht? Das Obsolete des einen ist der Glaubenskern und/oder die tiefe Überzeugung des anderen.
„Das ist O.K. Aber in meinen Augen vormodern, ich habe RT, QT und die neuere Erkenntnistheorie als Beispiele herangezogen dafür, daß man den Dualismus verlassen muß.“
Also, ich bin da auch eher Monist.
„Und ich ziehe unsere ganze Wissenschaftskultur dafür heran, daß die Erleuchtung, oder wie ich lieber sage, die Aufklärung, im Wesentlichen eine Ernüchterung ist, oder noch besser, sich in die Ideale des Wahren (Ernüchterung) und des Schönen (Enthusiasmierung) aufspaltet. Nicht zu vergessen das Gute, das Soziale.“
Aufklärung und Erleuchtung werden zwar beide als Enlightenment übersetzt, sind aber in der Sache verschieden. Der Aufklärung reicht die Transzendentalität, der Erleuchtung nicht. Man bleibt nicht stehen, bei der Transzendenz, aber wer sie nicht kennt … auch schwer. In dem Sinne gemeint, dass man es erleben muss, um sich dann letztlich doch nicht dran festzubeißen.
„Gegen den heuristischen Wert der Meditation will ich nichts sagen, das kann ich gar nicht beurteilen, weil ich diese Praxis nicht kenne. Mir ist noch keine Erkenntnis begegnet, die mir hätte zeigen können, daß ich einen anderen Weg zum Erkennen einschlagen muß. Das kann selbstverständlich an meiner partiellen Blindheit liegen, aber auch daran, daß es nichts anderes zu sehen gibt. Ich glaube nicht, daß die Aufklärung zum Wunderbaren führt, daß der Mensch göttlicher wird, sondern menschlicher.“
Sie haben da ein falsches Bild hinsichtlich der Ziele, weil Sie da vermutlich sowas wie Gottgleichheit, Vollkommenheit oder sowas assoziieren, aber hinsichtlich derer, die sich zu dem Thema äußern ist zu sagen, dass nicht jeder weiß, wovon er redet und am schlimmsten von allen sind in dem Fall die Kritiker. Ich habe Ihnen ja was über die Anfänge geschrieben, das war ja ganz irdisch und auch nicht körperlos und so geht es in definierbaren Schritten weiter, wobei sich eben alles ein Stück weit mit verändert, wie gesagt, je nach Art der Praxis. Interessant wird es in den Momenten, wenn ungewöhnliche Erfahrungen ins Spiel kommen, damit meine ich spirituelle Erfahrungen, die ich immer dann so nennen würde, wenn andere Begriffe es nicht treffen. Man kann etwas ja auch erhaben, großartig, krass, überraschend oder wie auch immer finden, aber es gibt einige Erfahrungen, bei denen ich spirituell am angemessensten finden und ich bin da recht kritisch.
Da ham wir ja noch was Gemeinsames. Biste auch Asperger? Diese Kombi ist naemlich besonders perfide. Da ist der Weg in die Spiritualitaet eine Art Loesung.
schoeen Somtach.
:-) nein, kein Asperger.....
Dir auch schönen Sonntag.
Es ist doch immer wieder hoch interessant (und im Grunde zum Haare raufen^^), wie Menschen mit einem Wahrheitsanspruch herangehen zu behaupten, es gäbe keine Wahrheit.
Würde sich derjenige, der so vorgeht, klar machen, wie er zu solch einer Aussage gekommen ist, wäre er damit gleichzeitig schon im Begriff objektiver Wahrnehmung von Wahrheit.
Es ist ja auch immer und immer grauselg zu erleben, wie etwa Wahrheitsinhalte für Wahrheit selbst genommen wird, Das Gleiche gilt auch für das Denken, wenn Denkinhalte für das Denken selbst genommen werden. Nicht wahr, selbst Ratzinger hat einmal vollmundig die Schwachsinnigkeit vertreten - und zwar mit dem Anspruch der Vernunft(!) - daß Vernunft durch Glaube ergänzt werden müsse.
Seit Kant ist diese Seuche in der Welt: Es gäbe (allgemeine) Erkenntnisgrenzen, und Erkenntnis sei stets subjektiv.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/zukunftsanalyse-nach-jane-loevinger-weg-vom-leistungsideal-a-1248816.html
Werter Lethe,
"... dass es bei trivialen Sujets möglich sei, wahrheitsgemäße Aussagen zu treffen."
Mir ist auch der Anspruch bekannt: You can't manage what You can't messure. Das mag bei allen materiellen Dingen der Fall sein.
Nun nehmen Sie mal ein nicht "triviales Sujet" des allgemeinen Lebens, wie etwa Freude, Trauer, Wut, Enttäuschung, Begierde, Trieb usf. und können feststellen, daß all diese immateriellen, weil seelisch-geistigen Angelegenheiten Wahrheitskerne haben, welche unableugbar sind. Selbst bei Haluzinationen ist das der Fall.^^
https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/wissen-und-bildung/wissenschaft/Verschwiegene-Wahrheiten-article3979505.html
Sehr aufschlußreich.......