Achselzucken schadet

Panama Papers Warum der Zynismus, mit dem die Leaks vielfach aufgenommen wurden, die falsche Reaktion auf die Enthüllungen ist
Ausgabe 14/2016
Dreh- und Angelpunkt des Skandals: Die Kanzlei Mossack Fonseca in Panama
Dreh- und Angelpunkt des Skandals: Die Kanzlei Mossack Fonseca in Panama

Foto: Rodrigo Arangua/AFP/Getty Images

Weltweit hatten rund 400 Journalisten zwölf Monate lang über zweieinhalb Terabyte Datenmaterial ausgewertet – dann präsentierten der Guardian, die Süddeutsche Zeitung und andere Medien das Rechercheprojekt der Panama Papers. Dank eines Whistleblowers konnten mehr als elf Millionen Dokumente der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca gesichtet werden. Es ist ein einmaliger Einblick in die Geschäfte der Offshore-Industrie, und es sind viele bekannte Namen im Spiel, allein zwölf aktuelle und ehemalige Staatsschefs.

In den Reaktionen auf die Enthüllungen ließ sich jedoch eine eigentümliche Diskrepanz ausmachen. Auf der einen Seite gibt es jene, die die Bedeutung der Leaks sofort in immer neue Superlative hochschraubten, nicht zuletzt unter dem Verweis auf die riesige Datenmenge. Beobachtete man die Debatten in den sozialen Netzwerken und auf Nachrichtenseiten, fand man auf der anderen Seite aber auch viel achselzuckende Abgeklärtheit, nach dem Motto: „Die Reichen und Mächtigen verstecken ihr Geld in Steueroasen, na gut – das haben wir ja eh geahnt.“ Dieser Impuls ist zunächst einmal nachvollziehbar. In der Tat mag es nicht überraschen, dass arabische Potentaten, russische Oligarchen und deutsche Banken Briefkastenfirmen nutzen, um allem Anschein nach Steuern zu hinterziehen. So wie es keine Neuigkeit ist, dass die globale Finanzelite sich eine juridisch-ökonomische Parallelwelt geschaffen hat.

Dennoch ist der fatalistische Zynismus, mit dem die Leaks vielerorts aufgenommen wurden, nicht nur falsch, sondern sogar gefährlich. Aus zwei Gründen: zum einen, weil der Zynismus eine Sprache ist, die der Neoliberalismus perfekt beherrscht. „Der Zyniker“, so schreibt etwa der Philosoph Franco Berardi, „ist ein leichter Schläfer: Er schläft traumlos und wacht auf, sobald die Macht ihn ruft.“ Wer sich in solcher Abgeklärtheit einrichtet, muss sich nicht wundern, wenn am Ende alles so bleibt, wie es ist.

Zum anderen, weil die Demokratie auch von einer spezifischen Diskurskultur lebt. Sie braucht die Unterscheidung von Glauben und Wissen, von Vermutungen und Fakten. Wenn die Differenz zwischen gefühlter und empirischer Wahrheit für viele unerheblich geworden ist – weil ja eh irgendwie klar sei, dass „die da oben“ sich schamlos bereichern –, hat die Demokratie ein Problem. Öffentliche Meinungsbildung braucht nämlich, so hat es der Philosoph Jürgen Habermas in seiner Diskursethik formuliert, nachvollziehbare Debatten. Anders gesagt: Um die Realität zu verändern, muss man sie zunächst mit Argumenten, Fakten, Zahlen und Namen adäquat beschreiben. Herrscht hingegen bloßes Geraune, bildet sich nur jener gesellschaftliche Nährboden, den Populisten erfolgreich zu beackern wissen.

Und ja, es stimmt: Die Panama Papers hätten in weit weniger schriller Vermarktungslogik präsentiert werden können. Dennoch ist diese Rechercheleistung ein enormes Verdienst. Und zwar, weil sie Fakten liefert, um Druck zur Regulierung der Steueroasen aufzubauen; weil sie, so lässt sich zumindest absehen, zudem Hinweise darauf gibt, wie Terroristen ihre Finanzen organisieren; und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie das Geschäftsmodell der Steueroasen nachhaltig erschüttert. Nach den Swiss- und Lux-Leaks zeigen die Panama Papers den Betreibern von Offshore-Firmen nämlich in aller Deutlichkeit: Sie sind nicht mehr sicher.

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