Letzte Woche bei Hart aber Fair hatte Sahra Wagenknecht wieder einen ihrer fast schon ritualisierten TV-Auftritte. Und wie so oft flogen ihr nicht nur die Herzen des Publikums zu. Diesmal war es beispielsweise ein des Sozialismus eher unverdächtiger Vertreter der Pilotengewerkschaft, der ihr oft zustimmte. Nun hängt Wagenknechts Popularität zwar einerseits mit ihrer rhetorischen Raffinesse und dem zwiespältigen Talent zur argumentativen Vergröberung zusammen. Andererseits darf ihre mediale Dauerpräsenz ebenfalls als Symptom einer politischen Klimaerwärmung gelesen werden.
Das unterstreicht ein Blick auf den Buchmarkt. Kapitalismuskritik gilt hier nämlich schon seit längerem als echtes Verkaufsargument. So sind allein in jüngster Vergangenheit mit David Graebers Schulden, Tomáš Sedláčeks Die Ökonomie von Gut und Böse und Thomas Pikettys Das Kapital im 21. Jahrhundert, welches zwar erst im Oktober auf Deutsch erscheint, aber jetzt schon die Titelseiten füllt, drei kapitalismuskritische Bücher zu Bestsellern avanciert, die man ob ihrer Komplexität eigentlich eher im Special-Interest-Segment vermutet hätte. Deshalb hat nun auch der letzte Verlag erkannt, dass der Klassenfeind mitliest. Schaut man in die entsprechenden Frühjahrsprogramme, fehlt bei kaum einem die obligatorische Begleitlektüre zum ökonomischen regime change.
Antimythischer Mythos
Doch warum, so wurde in der letzten Woche auch bei Anne Will diskutiert, floriert zwar radikale Systemkritik, bleibt der kommende Aufstand aber aus? Es war kaum überraschend, dass keiner in der Runde die Antwort hatte. Denn freilich gibt es hierfür ganz viele Erklärungen, von denen die meisten zwar nicht falsch, aber auch nicht ausreichend erscheinen. Hinweise, dass es Deutschland noch vergleichsweise gut geht, dass die Probleme zu vielschichtig oder die Betroffenen zu entpolitisiert seien, sind so naheligend wie vage. Vielleicht sollte man also stärker auf Argumente und Begündungen achten, die erst auf den zweiten Blick augenfällig scheinen.
So lässt sich die relative Wirkungslosigkeit der Kapitalismuskritik womöglich auch damit erklären, dass diese Kritik zunehmend als Medium einer sogenannten Interpassivität fungiert. Der vom Philosophen Robert Pfaller geprägte Begriff beschreibt, kurz gesagt, das paradoxe Phänomen, dass der delegierte Genuss dem eigenen vorgezogen wird. Als klassische Beispiele dienen hier der Chor in griechischen Tragödien oder die Lachkonserven in Sitcoms: Die Rezeption wird an das Medium selbst übertragen. Auch die tibetischen Gebetsmühlen oder die gewerbsmäßigen Klageweiber sind Medien solcher Interpassivität.
Als solch ein „Erlediger stellvertretenden Lebens“ ließe sich auch die Kapitalismuskritik dieser Tage begreifen. Sie wirkt weniger als Anstiftung zur Aktion denn vielmehr als Ersatzhandlung. Gerade weil – und nicht trotz dessen – man sich schleunigst Pikettys Buch besorgt, kann man noch eine Shoppingtour bei Amazon dranhängen. Gleichwohl sollte dieses Verhalten nicht als moralisch verwerflich, sondern vielmehr als Reaktion auf eine immanente Funktionslogik des Kapitalismus verbucht werden. Dessen ideologische Trumpfkarte, so beschreibt es der britische Kulturwissenschaftler Mark Fisher in seinem klugen Essay Kapitalistischer Realismus, besteht ja darin, dass er sich als antimythischer Mythos präsentiert. Er gibt vor, sich nur an (selbstgeschaffenen) Realitäten zu orientieren, aber genau das ist natürlich sein Mythos. Man kann das an ungezählten Realityshows oder Rap-Songs nachvollziehen. Deren implizite Botschaft lautet ja meist: It’s a hard knock life, in dem man Ellenbogen, keine Flausen braucht.
Nach einem ähnlichen Muster wurde Pikettys Buch in der angloamerikanischen Wirtschaftspresse besprochen. Zunächst lobte man zwar die statistische Expertise, sobald es jedoch um seine konkreten Reformvorschläge ging, allen voran die globale Vermögenssteuer, war man sich einig, dass diese ins Reich der Fantastereien gehörten.
Doch selbst für den Fall, dass sich tatsächlich genug Menschen für den proaktiven Protest zusammenfänden, fehlt heute das, was Peter Sloterdijk einst auf den Begriff der „Zornbank“ brachte. Damit sind Parteien, Organisationen oder Bewegungen gemeint, die großflächig in der Lage wären, die flottierende Wut zu binden, anzulegen und langfristig in emanzipatorische Projekte zu investieren, um ihren Kunden schließlich die politische Dividende auszuschütten.
Damit ein Unbehagen nicht wirkungslos verpufft oder in destruktiven Hass umschlägt, braucht es eine Zornwirtschaft, die einerseits genügend politisches Drohpotenzial aufzubauen vermag, andererseits aber auch jene affektive Domestizierung betreibt, die man bereits beim antiken Dramatiker Aischylos findet. Indem dieser seinem berühmten Stück über die Rachegöttinnen nicht den althergebrachten Namen der Erinnyen, sondern den der Eumeniden, also der „Wohlmeinenden“, gab, vollzog er einen Paradigmenwechsel. „Die Tendenz der Namensumwandlung“, schreibt Sloterdijk, „ist unmissverständlich: Wo Rachezwang war, soll ausgleichend besonnene Gerechtigkeit werden.“
Bogdanows Albtraum
Dass uns heute solche gerechten Zornbanken fehlen, liegt freilich auch am amorphen Charakter des Kapitalismus. Das wird besonders deutlich, wenn man an die vielleicht letzte große Zornbank der Bundesrepublik denkt: die Anti-AKW-Bewegung. Deren historischer Siegeszug hing nicht zuletzt damit zusammen, dass sie über ein klar formuliertes Ziel und in Folge über ein Repertoire an starken Symbolen und Ritualen verfügte, die als langfristiges Medium der Selbstvergewisserung dienten. Großdemo vor dem Reichstag, Blockade im Wendland oder der „Atomkraft? Nein danke“-Sticker: All das bildete die kommunikativ-ikonografische Grundlage ihres Erfolgs.
Offenbart sich der Kapitalismus hingegen eher als kafkaeske Konstruktion, dessen Zentrum man stets sucht, aber nie findet, dann vermag es selbst Occupy nicht, jene Symbole, Bilder oder Rituale zu stiften, die der kapitalismuskritischen Bewegung eine dauerhafte Klammer gegeben hätten.
Neben Interpassivität und Zornbank könnte ein weiteres Argument auf den zweiten Blick sein, dass gewisse Einsichten, die gerade die Mittelschichten mobilisieren könnten, in der Debatte noch gar nicht ausreichend thematisiert sind. Wohl bestehen die drängendsten sozialen Probleme in der ungerechten Vermögensverteilung, der Arbeitslosigkeit oder Kinderarmut, aber was ist mit den psychosozialen Folgen der Ausweitung der Arbeitszone? Es sind ja nicht nur die Vertreter der Generation Praktikum, sondern auch weite Teile der Mittelschicht mit einem Übermaß an (unbezahlter) Mehrarbeit konfrontiert. Ihnen offenbart sich der Neoliberalismus zusehends als ideologischer Wiedergänger sowjetischer Sehnsüchte. Und zwar nicht nur, weil jene Übererfüllungsdoktrin, mittels derer Alexei Stachanow einst zum „Helden der Arbeit“ stilisiert wurde, für Projektarbeiter und Multijobber zum Anstellungskriterium geworden ist, sondern auch, weil heute der Traum eines Alexander Bogdanow wirklich geworden ist.
Als Kopf der sogenannten Immortalisten, einer Gruppe sowjetischer Wissenschaftler, widmete sich Bogdanow in den 20er Jahren der Erforschung des unendlichen Lebens. Der wahre Kommunismus, so die Prämisse, könne nur dann herrschen, wenn auch das letzte große Privateigentum, die Zeit, vergesellschaftet sei. Die vollständige Diktatur des Proletariats wäre demnach nur über die Enteignung von Lebenslaufbesitzern zu haben. Ungewollt barg diese gruselige Dystopie eine prophetische Pointe. Denn erst heute werden Lebenslaufbesitzer, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen, tatsächlich schleichend enteignet. Während die Arbeitszeit also zunehmend totalisiert wird, bleiben wir mit unseren psychosozialen Problemen allein. Mehr noch: Depressionen, Erschöpfung und Ermüdung firmieren nicht nur als Ausdruck von Einzelschicksalen, sondern werden in pharmakologischen Verwertungsketten sogar noch restverwertet. Praktische Kapitalismuskritik, so lautet denn auch ein Fazit von Mark Fishers Essay, wäre weiter, gelänge es ihr, den signifikanten Anstieg psychischer Erkrankungen endlich zu politisieren. Delegieren lässt sich eine Erkrankung jedenfalls nur schlecht.
Kommentare 17
Schön, dass der Artikel schon online ist! Habe ihn im gedruckten Freitag gelesen. Und war ganz angetan von der auch stilistisch sehr gelungenen Analyse. Danke dafür.
Gehe d`'accord!
Eine Frage, wo Anne Will sicher zu allerletzt Bescheid weiß ;-). Die Frage ist allerdings auch schwer. Versuchen wir es mit ein paar Antwort-Rudimenten:
1. Besagte Bücher funktionieren ähnlich wie Ablasstitel im Spätmittelalter. Kundschaft ist solvent, intellektuell; das klassische Bildungsbürgertum bzw. das, was noch von ihm da ist. Existenzielle Not = wenig vorhanden. Daher: viel Kritik, wenig Tatendurst.
2. Das Prekariat blogt lieber als Demos zu machen. Die Blogoshäre bietet eine 1a-Möglichkeit, sich abzuragieren. Prekäre, Hartzis, Nerds aller Länder – vereinigt euch! Und gebt der Tastatur Gummi, bis das Internet qualmt! Unser aller Problem: Echtes 3D, also richtiges RL (»Real Live«) sind viele gar nicht mehr gewohnt. Und das wäre der Anfang – für eine Revo-Louschen, den Herrschenden Dampf machen, was auch immer.
3. Die Deutschen. In Frankreich oder Italien geht das Ganze folgendermaßen ab: Wenn denen da unten was stinkt, rotten sie sich zusammen und fackeln auf dem Champs Elisée erstmal ein Dutzend Autoreifen ab. Die Herrschenden (Sarkozy, Hollande; egal) verstehen die Botschaft. Aha, wir sind etwas zu weit gegangen. Korrektur ist angesagt. Passiert in Deutschland dasselbe, rufen die Medien: Vorsicht, das sind alles Rechtsradikale, Wutbürger! Und der gemeine Spießer denkt: Schlimm, das alles. Da muß ganz schnell ein Hitler her.
4. Revolutionen enthalten keine Umtauschgarantie. Konkret: Niemand kann vorhersagen, wie die Chose nachher ausgeht. Siehe Arabischer Frühling, Euromaidan, und so weiter. Auch die Klassiker – Iran, Russland, China – sind da nur bedingt ermutigend.
5. Revolutionen sind die letzte »Exit«-Strategie. Heißt: Erst, wenn überhaupt nichts anderes geht, greift das Volk gemeinhin zum letzten Mittel. Wann dieser Punkt genau ist, läßt sich schwer vorhersagen. Die Geschichte war da immer auch für Überraschungen gut, siehe Punkt 6. Ansonsten: Uns geht’s noch zu gut. Vergleich: der Widerstand etwa in Griechenland oder Spanien.
6. Revolutionen sind unvorhersehbar. Keiner weiß, wann sie kommen, keiner vermag ihre genauen Bedingungen vorherzusagen. Ludwig XVI etwa wurde, sofern man den Geschichtsbüchern glauben kann, kalt erwischt. Allerdings: Dass das ne Revolution war, hat man dann erst ein, zwei Jahre später gesehen.
7. Für die Komplexität der internationalen Reichtumsakkumulation hat man keine einfachen Lösungen. Für diese Aussage habe ich an der Stelle eigentlich nur Fetttext.
Die nächsten Gründe liefere ich dann mal bei Gelegenheit.
Mit Bogdanow zu schließen mag zwar die Kriterien "eleganter Theorie" erfüllen, trifft aber eher als Selbstentlarvung den Punkt, wenn es um die Unfähigkeit der heutigen Linken gibt, dass ihre Theorie die Massen ergreift und dadurch materiell im besten Sinne werden könnte. Die meisten der heute verbreiteten "Alternativen" und mögen sie noch so vage sein, sind ewige "wieders". Bezugspunkte aufs "Früher" sind da Erhardt (Wagenknecht) oder Willy Brandt (Nachdenkseiten et al). Sicher, sie versuchen damit an populäre Mythen eines gezähmten Kapitalismus oder Sozialismus-Light anzuknüpfen. Aber Bogdanow verkörperte die utopische Spitze des kommunistischen Gedankens, die Überwindung des Todes, die Abschaffung des Leids. Wen wundert es denn, dass die Jugend sich den muffigen Sozialisten und Linksliberalen abwendet, wenn die technikfeindlich und an die gute alte Klassensymmetrie erinnernd irgendwelche moralinversuchten, paternalistischen Golden-Age des Kapitalismus-Träume ausgraben? Den utopischen Geist, das frische und größenwahnsinnige ist den Mark Zuckerbergs überlassen, die ihre (Bohr)inseln der unsterblichen Großbourgeoise wie einen Hohn vor die Küsten der Megaslums zu pflanzen gedenken. Links geriert sich zumal in Deutschland dagegen als eine Verbieten und Zeigefinger-Erheben Partei, die sich vor allzu populistischen Losungen genauso fürchtet, wie vor einer wirklichen Kaderpartei und so zwischen ziellosem Pluralismus und halbgarem Anbiedern an herrschende "Diskurse" dahinmäandert. Wenn die Antwort auf die drängenden Probleme unsere Zeit ein "Wieder zurück zu" oder eine Ökodiktatur werden soll, kann man es auch gleich lassen (Symptomatisch hier die dümmichen Wachstumskritischen Es-muss-bei-dir-selbst-anfangen-Prediger). Wir werden die größenwahnsinnigen Visionen brauchen (von mir aus vom Kapital entwickelt) um Klimawandel, Krankheiten, Wassermangel und die Gespaltenheit der Welt in Kapital und Arbeit zu überwinden. Aber naja, eine Antwort auf die Frage, wie die Simulation von Demokratie und Indvidualtiät, die sich uns in der Warenwelt präsentiert und den Weg zu den wirklichen "Brettern, die die Welt bedeuten" zustellt, zu sprengen ist, weiß ich natürlich auch nicht...
Folgende Thesen stelle ich zur Diskussion:
1. Die Kritik am Kapitalismus ist eine Debatte innerhalb der Intellektuellen. Der Normalbürger nimmt diese Kritik überhaupt nicht wahr, obwohl der Normalbürger sehr wohl die Auswirkungen des so genannten Raubtier-Kapitalismus zu spüren bekommt.
2. Die Kapitalismus-Eliten verstehen es meisterhaft, die veröffentlichte Meinung für ihre Zwecke zu nutzen bzw. zu manipulieren. Die vereinzelte Kritik am Kapitalismus innerhalb der Medien hat zumeist intellektuellen Charakter und erreicht deshalb nur wenige. Dahinter steckt natürlich auch ein gewisser finanziellen Einsatz, der sich aber für die Geldgeber in jedem Fall lohnt.
3. Innerhalb der jungen Bevölkerung gibt es keine „revolutionären“ Tendenzen, so wie das in den späten 60-iger Jahren der Fall war. Das liegt u.a. daran, dass die einen zur Generation der Erben gehören und von dem jetzigen System massiv profitieren und die anderen damit beschäftigt sind, ihre berufliche Karriere zu planen und zu sichern und sei es nur, dass diese Zielgruppe sich von einen prekären Beschäftigungsverhältnis zum nächsten rettet.
4. Die großen Parteien unter Führung von Bundeskanzlerin Merkel betreiben schon seit Jahren eine Politik der asymmetrischen Demobilisierung, die nicht nur im Wahlkampf praktiziert wird. Der Normalbürger will keinen Streit sondern Friede, Freude, Eierkuchen. Dem wird entsprochen. Deshalb finden auch immer mehr Geisterdebatten statt, die ihren Höhepunkt in den Talk-Shows finden. Wenn ich mir allein anschaue, wie viel Debatten es zu dem Rentenpaket gegeben hat, dann wird mir übel.
5. Die Gesellschaft ist nicht nur in weiten Teilen enteignet bzw. politisch entmündigt worden, sondern frisst sich durch so genannte Partikularinteressen selbst auf. Die Wirtschaftseliten sind sich einig, wenn es um deren Vermögensakkumulation geht, die restlichen 99% sind nicht konsensfähig und damit machtlos. Des einen Schwäche ist des Anderen Stärke.
6. An jedem Fußballbundesliga-Wochenende gehen zehnmal mehr Menschen in die Stadien als bei allen bislang stattgefundenen Occupy-Demos. Das muss doch zu denken gegben.
Kapitalismuskritik geht nur als schlüssige Analyse. Die gibt es und alles andere wird uns die Not derer beibringen, die der Kapitalismus wirklich umbringt. Wir sind das eben nicht. Wir werden die Opfer derer werden, die vor Zorn tatsächlich beben oder vor Hunger sterben. Wir sind das nicht, wir leben gut, auch vom Zorn und von der Analyse.
"Doch warum, so wurde in der letzten Woche auch bei Anne Will diskutiert, floriert zwar radikale Systemkritik, bleibt der kommende Aufstand aber aus?"
Die Frage trägt die Antwort schon in sich...
Auf der einen Seite haben wir eine elaborierte und fundierte Kapitalismuskritik und auf der anderen Seite Protestbewegungen, die sich von der Not-In-My-Backyard-Bewegung über sinnvolle, aber immer noch kleinteilige Themenpolitiksbewegungen erstreckt. Diese kleinteilige und an dem Effizienzkriterium orientierte Themenpolitik ist das Problem. Sie ist niemals gegen das System. Sie ist nur ein gratis Markt- und Meinungsforschunginstrument, welches die Effizienz des Systems erhöht. Die Anti-Atomkraft-Bewegung ist, wenn man mal die Fakten außen vor lässt, das beste Beispiel. Auch wenn der Atomausstieg durchaus ein Erfolg ist, ändert er nichts am kapitalistischen System. Dieser wird vielmehr als Standortvorteil für Deutschland vermarktet.
Im Prinzip war Occupy, durch das Prinzip des Nichtforderns, der einzige Hoffnungsschimmer der letzten Jahrzehnte, aber zur Zeit wohl nicht gerade so en vogue.
"Das Konzept nennt sich "Brot und Spiele", es ist ein sehr altes Konzept, aber es ist bis in die Gegenwart hinein jung geblieben. "Kapitalismuskritik" ist nichts als ein aktuelles Beispiel für ein solches Spiel. Tatsächlich amüsieren wir uns zu Tode."
Ausdrückliche Zustimmung, wenn man nach den Ursachen für die Tatenlosigkeit derer, die eigentlich die erforderliche Erkenntnis erlangt haben, dass Veränderungen unausweichlich sind, sucht.
Die Ablenkung, vor allem der Jugend durch TV, Sport, Spiele, Fashion, etc. ist inzwischen so extrem und allumfassend, das allein die Überwindung dieser Ablenkungen eine eigene Revolution darstellen würde.
Alles was geeignet erscheint, Einigkeit nicht entstehen zu lassen, wird doch inzwischen genutzt.
Frauen gegen Männer
Inländer gegen Ausländer
Städter gegen Landbewohner
Jung gegen Alt
Modisch gegen Sparsam
Und wenn es um die Frage Arm oder Reich geht, ist es halt stets persönliche Unfähigkeit oder wenigstens Unzulänglichkeit, die einen scheitern lässt, das System an sich hat damit nichts zu tun, denn es gibt ja einzelne, die es schaffen (sollen).
Oder um es mit 50cent zu sagen: "Get rich, or die tryin'"
Wenn die Erkenntnis dann tatsächlich aufkommt, mit Mitte Dreissig, wenn die angeschlagene Gesundheit leider die erste "Karriere" apprupt beendet hat, ist für "die Barrikaden" der Zug schon reichlich weit abgefahren.
"Eine Demo für Frieden und soziale Gerechtigkeit,....."
Moin Adam,
ohne Frage, eine Demo für Frieden und soziale Gerechtigkeit kann jeder unterstützen, aber es muss, bei aller Liebe für die Ziele, auch die Frage erlaubt sein, wie diese Ziele erreicht werden sollen.
Bisher haben die "Köpfe" dieser Bewegung dazu wenig gesagt, man muss also zwischen den Zeilen lesen und da findet man dann bei K. Jebsen, im Interview mit M. Zuckemann fast am Ende nur den Halbsatz: "der Euro ist tot". Bei J. Elsässer findet man auf der Webseite ein Manifest zur Bewegung von 2009, in dem eine nationale Bewegung gefordert wird, der sich gerne andere Länder anschliessen können, oder auch nicht.
Wenn man also erstmal abwartet und hinterfragt, ob die Rezepte, welche hier propagiert werden, auch tatsächlich dem Zweck des Protestes dienen, dann heisst das ja noch lange nicht, dass man die Ziele nicht teilt, sondern, ganz im Gegenteil, dass man diese hehren Ziele bitteschön nicht von irgendwem missbraucht wissen möchte.
Und das ein nationaler "Alleingang" Deutschlands, mit Aufgabe des Euro und einer teilweisen Abkehr von der EU-Idee, zu einer friedlicheren Situation und grösserer sozialer Gerechtigkeit führen, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Ganz im Gegenteil, B. Lucke, der von der AfD, welche genau die Partei ist, welche eine solche Entwicklung Deutschland fordert, sagt:
»Wer behauptet, Deutschland könne und müsse ein Hochlohnland bleiben, handelt unredlich oder ignorant. (…) Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.«
Das klingt für mich weder sozial noch friedensfördernd.........
Was ist Kapitalismus mit Vermögenssteuer? Natürlich auch nichts anderes als Kapitalismus.
Piketty ist ja auch nichts anderes als ein öder Keynesianer. Im Gegensatz zu den Neoliberalen wissen die Keynesianer wenigstens, dass es im Kapitalismus Krisen gibt, aber sie kommen trotzdem nicht auf die Idee, das die Krise in dieser Wirtschaftsform schon angelegt ist. Es gibt keine Möglichkeit, iht zu entkommen.
"Mit dem Kapitalismus ist die Menschheit auf dem Weg in einen Abgrund. Wenn ich aber versuche umzukehren, werde ich von den Tausenden und Millionen folgenden überrannt und zertreten. Selbst ich als Kapitalismuskritiker werde den falschen Weg weiter mitgehen."
Hallo Falk,
danke für deinen intelligenten Kommentar.
Ich möchte da kurz einhaken, denn es gibt vielleicht doch einen Funken Hoffnung. Auch wenn der Anlass dafür negativ ist. Inzwischen sind die Abläufe in den Kapitalistischen Produktionsumgebungen so dermassen entmenschlicht, wir haben Burn-Out-Raten von über 60% und das ist nur eine Erkrankung. Mit Rückenleiden und allen anderen Krankheiten die von einem solchen kranken System verursacht werden, besteht schon noch die Aussicht, das dem Kapitalismus früher oder später einfach die Mitmacher ausgehen.
Natürlich darf man dann auch beim Hartz-Amt nicht kriechend ankommen, sondern muss denen klar machen, dass man grade seine Gesundheit für ein Scheissystem ruiniert hat, und das es deren Job ist, eine Arbeit anzubieten, bei der man gesund bleibt.
Wir können ja auch mal kollektiv mit 10 Mio. ALG II-Beziehern für ein oder zwei Jahre unsere Parks und Grünflächen sauber halten.
Damit wäre dann wohl wenigstens die extreme Überproduktion abzubauen und ausreichend Zeit zum Nachdenken über mögliche Alternativen bliebe auch........
"Man nennt das heutzutage nicht mehr Überproduktion sondern Produktionszuwachs. Irgendwohin muss man damit ja:
Entweder an die Wall-Street oder in die Sozialsysteme, oder was davon übriggeblieben sein wird."
Hi Pleos,
bitte schreibe Deine Kommentare zu einem Kommentar doch in das sich öffnende Feld direkt unter jenem Kommentar (Wenn Du auf die Sprechblase klickst), dann wird man gleich informiert, das da jemand etwas geschrieben hat.
In diesem Fall geht es nicht um Produktivitäts- oder Produktionszuwachs, sondern um Überproduktion, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Es kann einen Produktivitätszuwachs geben, obwohl es (noch) keine Überproduktion gibt. In Deutschland sind wir allerdings inzwischen so effektiv, das wir eine immense Überproduktion erreicht haben, für die einfach die Abnehmer fehlen, selbst im Export werden wir unseren Kram häufig nur noch mit Dumpingpreisen los.
"Fazit: Gesellschaftsveränderung muß schon auf dem Weg Spass machen, nicht erst am Ziel. Was den Leuten Spass macht, ist halt sehr verschieden. Aber wenn das nicht legitim ist, könnt ihr's vergessen."
Lovely!!!
Aber dann muss die Nummer in einem Sommer abgefrühstückt sein, denn Demos im Winter sind meist relativ spassfrei......., im Sommer hingegen macht fast alles was draussen passiert irgendwie Freude.
"Du scheinst besorgt zu sein, dass die Bewegung letztlich etwas bringt, was Dir nicht gefällt."
Nein, nicht etwas, was mir nicht gefällt, sondern das sie zu einer Situation führt, die weder friedlich ist noch ein soziales Miteinander bedeutet.
"Meiner Meinung nach solltest Du hingehn und schauen, ob dem tatsächlich so ist und falls ja, streiten mit den Menschen."
Wenn ich in Deutschland wäre, hätte ich das schon längst getan. So bleibt mir nur, hier meine Bedenken niederzuschreiben und anzumerken, dass eine wirklich soziale und friedliebende Bewegung bestrebt sein sollte, den Protest auf ganz Europa auszuweiten. Da es, nach meiner Wahrnehmung, da keine Ansätze für gibt, bezweifle ich, dass es hier wirklich um die vorgeblichen Ziele geht.
"Das heisst nicht, dass diese Leute patriotisch oder gar nationalistisch sind. Wenn ich mir anschaue, wie ausserhalb des EU Rechts eine Art Finanzdiktatur entsteht, wird mir wirklich Bange."
Den meisten Teilnehmern geht es sicherlich um die vorgeblichen Ziele, deswegen kommt man mit Diffamierung auch nicht weiter, sondern muss inhaltlich argumentieren. Aber genau das ist einer der Kritikpunkte, dass es halt inhaltlich von den Organisatoren sehr wenig gibt. Die FED ist an allem schuld ist da echt zu wenig............, viele Vermutungen gehen in die Richtung, dass es vor allem AfD- pushing ist, was hier vor der Wahl betrieben wird und das sich nach der Wahl keiner mehr um diese Montagsdemos kümmert.
Im Gegensatz zu einem deutsch-nationalen Ansatz, ist mir diese Sichtweise der Piraten sehr viel sympathischer.
p.s.:
"Wenn ich mir anschaue, wie ausserhalb des EU Rechts eine Art Finanzdiktatur entsteht, wird mir wirklich Bange."
Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber! :o))
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