Letzte Woche trafen sich die Vorstände von Unions- und SPD-Fraktion zur Klausurtagung, bei der es sowohl um die Flüchtlingspolitik als auch um die „Stärkung der Berufsschulen“ ging. So weit, so gewöhnlich. Allein der Treffpunkt war bemerkenswert: Hotel Santa Isabel, Raum Convento, Europa-Park Rust.
Nun werden derlei Orte von Politikern nicht zufällig gewählt, sondern sind Teil einer ausgebufften Inszenierungsstrategie. Tony Blair war nach seinem Wahlsieg 1997 angeblich so lange mit seinem Chauffeur um den Hyde Park gekreist, bis er genau bei aufgehender Sonne vor der Royal Festival Hall eintraf. Und auch Angela Merkel bewies jüngst große Inszenierungskompetenz. Barack Obama die NSA-Affäre zu vergelten hätte man kaum eleganter machen können, als diesen zu einem Besuch in Hannover zu zwingen. Wie ist es aber nun zu deuten, dass sich die Große Koalition für zwei Tage im Kongresshotel eines Freizeitparks einquartiert? Die Antwort ist nicht eindeutig, da drei mögliche Lesarten plausibel erscheinen: die affirmative, die kritische und die populistische.
Affirmativ: Der bei Freiburg gelegene Europa-Park verweist bereits im Namen auf die Bedeutung transnationaler Partnerschaft. Zumal sich in dessen Maskottchen-Ensemble mit Louis, einem gallischen Hahn, und Böckli, einer Schweizer Ziege, auch ein doppelter Migrationshintergrund offenbart. Das würde in Zeiten der Flüchtlingskrise und des drohenden Brexits als Botschaft zwar schon reichen, bezieht man jedoch den allgemeinen Assoziationsraum von Freizeitparks mit ein, haben Union und SPD auch den Gleichklang von Tradition und Transformation betont. Den Kopenhagener Dyrehavsbakken gibt es beispielsweise bereits seit 1583, dessen großen Bruder, den Tivoli, immerhin seit 1843. Seit Jahrhunderten dienen Freizeitparks somit als Wellnessprogramm der Werktätigen. Zudem wurde der Tivoli auf ehemaligem Militärgelände, das seit 1995 existierende Wunderland Kalkar auf dem Areal eines – niemals in Betrieb gegangenen – Kernkraftwerks errichtet. Die Botschaft ist klar: Schwerter zu Flugschaukeln, Atome zu Achterbahnen!
Kritisch: Vielleicht muss man die Fraktionsklausur im Europa-Park aber eher als Guerilla-Aktion der letzten SPD-Linken lesen. In kulturkritischer Tradition firmieren Freizeitparks bekanntlich als Ausgeburt des degenerierenden Amüsements. Wusste schon Adorno, dass Fun „ein Stahlbad“ ist und Lachen lediglich zum „Instrument des Betrugs am Glück“ dient, sind Freizeitparks Fanale des falschen Bewusstseins. Und sobald es sich ausgelacht hat, man denke an den Six-Flags-Park in New Orleans oder den Berliner Plänterwald, bleiben nur gespenstische Symbole des Verfalls. Und das ist im Fall Sigmar Gabriels, einstiger „Pop-Minister“, ja ähnlich.
Populistisch: Womöglich wollten die Koalitionäre aber auch nur ein Quantum Trump für sich beanspruchen. Speist sich der Erfolg des US-Milliardärs, der auch schon mal beim Wrestling-Events auftritt, ja aus seinen Show-Qualitäten, müssen deutsche Parlamentarier nun nachziehen. Dafür sind hierzulande Meppen (Funpark), Soltau (Heidepark), Sierksdorf (Hansa-Park) oder eben Rust the places to be. Ob die Abgeordneten sich auch anbiedernd mit Ed Euromaus und Edda Euromausi, den Hauptmaskottchen des Europa-Parks, haben ablichten lassen, ist zwar nicht bekannt, es würde aber kaum überraschen, wenn entsprechende Aufnahmen dann im Bundestagswahlkampf noch mal aus dem Hut gezaubert werden.
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