Männlichkeit und die Lust am Töten

Toxisch David S. und Anders Breivik: Wie man nun weiß, war auch der Amokläufer von München rechtsextrem. Mit dem Norweger verbindet ihn aber noch mehr
Ausgabe 30/2016
Fehlt in der Debatte: Warum struktureller Faschismus in Männlichkeitsbildern mitunter noch so wirksam ist
Fehlt in der Debatte: Warum struktureller Faschismus in Männlichkeitsbildern mitunter noch so wirksam ist

Foto: Daniel Sannum Lauten/AFP/Getty Images

Als der Amoklauf von David S. am vergangenen Freitag neun Todesopfer forderte, war es genau fünf Jahre her, dass Anders Behring Breivik bei seinen Anschlägen in Oslo und Utøya 77 Menschen ermordet hatte. Für den Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä war bereits am nächsten Tag klar, dass David S. dieses Datum nicht zufällig gewählt hatte. Denn es ist nicht die einzige Verbindung zwischen dem 18-jährigen Schüler und dem Rechtsterroristen.

Laut Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch gab ein 16-jähriger Junge, der letzten Sommer gemeinsam mit David S. in einer psychiatrischen Klinik behandelt wurde, zu Protokoll, David S. habe Breivik verehrt. Außerdem soll er ein Foto des Norwegers in seinem Whatsapp-Profil verwendet haben. Und schließlich habe David S., erklärte LKA-Chef Robert Heimberger, ähnlich wie Breivik eine Art Manifest hinterlassen. Stellt sich lediglich die Frage, ob David S. Breivik "nur" als eine Art perverses Vorbild betrachtete, als jene kaltblütige Tötungsmaschine, die er selbst sein wollte, oder ob es auch ideologische Überschneidungen gibt.

Ersteres ist allzu deutlich, bei zweiterem scheint es zumindest klare Überschneidungen zu geben. Obschon David S. sich nicht wie Breivik als Tempelrittel" im Kampf gegen Islam und "Kulturmarxismus" präsentierte, war er ebenfalls rechtsextrem. Von einem Bekannten wurde er als "sehr nationalistisch" beschrieben, hegte Hass auf Türken und Araber. Wie jüngst die FAZ berichtete, verehrte er zudem Hitler und war als Deutsch-Iraner stolz darauf "Arier" zu sein. Doch gibt es womöglich noch ein weiteres, typologisches Moment, das beide verbindet. Es ist mittlerweile zwar so selbstverständlich, dass es kaum noch erwähnt wird, aber alle Amokläufer und die allermeisten Terroristen sind zunächst einmal: Männer. Genauer: Vertreter einer Art toxischer Maskulinität.

Der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit, dessen 1977 erschienene Studie Männerphantasien heute als Standardwerk gilt, hatte in seinem 2015 publizierten Buch Das Lachen der Täter: Breivik u.a. toxische Maskulinität nochmals unter die Lupe genommen. Und ein wesentlicher Aspekt in seinem – so lautet der Untertitel – Psychogramm der Tötungslust, ist dabei die körperliche Dimension des Mordens. Ist dieses aus Sicht der Täter auch immer ein Schauspiel des potenten Ichs, spiele hierbei die Homöostase eine zentrale Rolle. Der Begriff, der aus der Psychoanalyse kommt, aber auch in neurobiologischen und sozialwissenschaftlichen Kontexten gebraucht wird, beschreibt hier eine Art orgiastischen Druckabfall: "Töten ist das zentrale Mittel dieser Körper zum Erreichen des Spannungsausgleichs." Denn dieses "erleichtert ihn so wie andere Menschen etwa der Liebesakt oder das Anhören einer geliebten Musik".

Vor diesem Hintergrund scheint es umso merkwürdiger, dass in entsprechenden Berichterstattungen, nicht zuletzt im Fall München, psychische Erkrankungen als selbsterklärende Ursache für die Gewalt firmieren. Sicher, sowohl David S. als auch Breivik waren objektiv psychisch krank. Nur was erklärt das? Ist jeder Kranke ein potenzieller Mörder? Waren all die Schlächter der Geschichte, ob in der SS oder dem IS, dann klinische Psychopathen? Vielleicht kann man sich dieser monströsen Männlichkeit besser nähern, wenn man sie, schreibt Theweleit, als jene "politisch-körperhafte Konfiguration" versteht, wie man sie überall auf der Welt antrifft. Man müsste also darüber reden, warum es fast ausschließlich junge Männer sind, die ihren (Selbst-)Hass in einen mörderischen Nihilismus verwandeln. Konkreter: warum struktureller Faschismus in Männlichkeitsbildern mitunter noch so wirksam ist.

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