Mut oder Gratismut?

Interview Gratismut hat Hans Magnus Enzensberger ein Verhalten genannt, das couragiert tut, aber nichts kostet. Kann man es immer erkennen? Fragen wir Friedrich Küppersbusch
Ausgabe 52/2014
Edward Snowden: In 300 Jahren ist er Robin Hood
Edward Snowden: In 300 Jahren ist er Robin Hood

Foto: Barton Gellman/Getty Images

Wenn man den Whistle-blower Edward Snowden für überschätzt hält?

Aus realen Figuren wie Snowden werden in 300 Jahren mündlicher Überlieferung Legenden wie Robin Hood.

Wenn man Günter Grass nicht für überschätzt hält?

Manche Themen brauchen geltungsbedürftige Stattfindekranke, die sich mit ihnen großmachen.

Wladimir Putin in einem Fernsehinterview zu sagen, dass er ein Autokrat ist?

Es ist okay.

Zur Person

Friedrich Küppersbusch ist der wohl berühmteste nicht mehr amtierende TV-Moderator Deutschlands. Nach seiner Sendung ZAK arbeitet er schon seit vielen Jahren als Fernsehproduzent und Journalist. Wie alle wirklich klugen Menschen nahm er sich das Recht heraus, nur auf jene Fragen zu antworten, zu denen ihm etwas einfällt

In der „Welt“ einen sehr wütenden Artikel über „alte, weiße, heterosexuelle Männer“ zu schreiben?

Wo sonst?

Sich nach der aktiven Fußballerkarriere als homosexuell zu outen?

Fand ich klasse für Jugendliche, die sich künftig auf das Beispiel berufen können.

Am linken Stammtisch auch mal ausschweifend Matthias Matussek zu loben?

Machen wir uns nichts vor: Matthias Matussek IST der linke Stammtisch.

Freunden zu erzählen oder wahlweise öffentlich zu machen, dass man unter Depressionen leidet?

Ja.

Mauerkreuze zu entwenden, um sie symbolisch an der EU-Außengrenze wieder aufzustellen?

Clever. Spektakulär. Nicht einhelligen Lobes gewiss, also ja: mutig.

Am Starnberger See Straßenwahlkampf für die Linkspartei zu machen?

...

Das Kommerzielle an Weihnachten ausdrücklich zu mögen?

Freiwillig in, sagen wir mal, Kassel zu wohnen?

Zu finden, dass Markus Lanz die Sache mit „Wetten dass ..?“ jetzt auch nicht schlechter gemacht hat als Thomas Gottschalk?

Einem wie Wolfgang Thierse als Ureinwohner des Prenzlauer Bergs zu entgegnen, dass sein postsozialistisches Spießertum weit anstrengender ist als all die Hipster und Latte-Macchiato-Mütter?

Zu bekennen, dass einem 25 Jahre Mauerfall ziemlich egal sind?

Es interessiert doch auch keine Sau, dass wir Nach-Mauer-Jahrgänge und fröhlichen Insassen der alten, kleinen, harmlosen, rheinisch-kapitalistischen, pazifistischen Bundesrepublik die Heimatvertriebenen der Zukunft sind! Ich freu mich ja für jeden, der damals die Freiheit bekam. Doch müssen die meine Heimat zertrampeln, bei jedem Krieg mitmischen und ihren Gockel Jockel zum Staatsüberhaupt machen?

Wenn Ihnen ein anderer BVB-Fan eröffnet, dass er die Art von Jürgen Klopp ziemlich nervig findet?

Seit die Grünen mal so schlau waren, auch ums Westfalenstadion ihren Wahlkampfslogan „Stoppt Schwarz-Gelb“ zu plakatieren, wundert mich nichts mehr.

Als Deutscher gegen den Irakkrieg gewesen zu sein?

Es waren zwei, einmal für, einmal gegen Saddam Hussein.

In den 70er Jahren offen mit der RAF zu sympathisieren?

Ja, doch, mutig. Und bescheuert.

Barack Obama den Friedensnobelpreis einfach so auf Kredit zu verleihen?

Ein Irrtum, leider.

Deutsche Bodentruppen für den Krieg gegen den Islamischen Staat zu fordern?

Soldaten, die es täten, wären hoffentlich mutig und nicht Leute, die ihr Borderline-Problem zum Beruf gemacht hätten. Hingegen finde ich es schon ein Musterbeispiel von Gratismut, wenn Frau Göring-Eckardt Frau von der Leyen auffordert, Frau Merkels Regierung möge Bodentruppen in den Krieg gegen den IS entsenden. Jedenfalls, solange die Bodentruppen zu über 95 Prozent aus Männern bestehen.

Mit Antje Vollmer einen Appell zum „Dialog mit Russland“ zu veröffentlichen?

Mutig von Antje Vollmer, einen Appell mit zu initiieren, dessentwegen man wahlweise a) Troll, b) Russenliebchen oder c) direkt geradeaus Ribbentrop geheißen wird. Vom traditionell schlimmsten Feind der Friedensbewegung, den Grünen. Appelle, denen jedermann zustimmt, beweisen vor allem, dass sie keiner gebraucht hat. Die können zu Weihnachten vertont in den Handel.

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