Von „süßen Mäusen“ und schmierigen Onkels

Sexismus in der Politik In einer zunehmend unübersichtlichen und unappetitlichen Debatte bleibt der eigentliche Punkt auf der Strecke
Ausgabe 39/2016
Frank Henkel (CDU) gibt sich gern alt, weiß und männlich
Frank Henkel (CDU) gibt sich gern alt, weiß und männlich

Bild: John MacDougall/AFP/Getty Images

Spätestens seit der Flüchtlingskrise trägt die CDU die Fackel des feministischen Fortschritts. Zumindest scheint das die Eigenwahrnehmung zu sein, wenn man mal wieder den vermeintlichen Kampf zwischen abendländischer Aufklärung und angeblicher islamischer Rückständigkeit ausruft. Wie viel Heuchelei in dieser Genderoffensive steckt, lässt sich dieser Tage erahnen. Seit die Bezirkspolitikerin Jenna Behrends auf der Online-Plattform Edition F nämlich einen Text über den alltäglichen Sexismus in der Berliner CDU veröffentlichte, ist in der Union eine kontroverse Debatte losgebrochen.

Noch-Innensenator Frank Henkel, so schilderte es die 26-jährige Jura-Studentin, habe auf einem Parteitag zunächst ihre Tochter mit „kleine süße Maus“ begrüßt, um Behrends dann als „große süße Maus“ zu bezeichnen. Ebenso habe Henkel, der die Vorwürfe nicht dementiert, einen Kollegen gefragt: „Fickst du die?“ Schließlich musste sich Behrends, die vor einem Jahr in die CDU eintrat, auch immer wieder anhören, sie sei „karrieregeil“ und wolle sich hochschlafen. Beim Versuch, den Sexismus intern zu thematisieren, sei sie auf taube Ohren gestoßen. Ein Parteifreund habe ihr geraten: „Sie sind doch eine außerordentlich hübsche und kluge Frau. Jetzt mischen Sie doch nicht überall in der Partei mit, dann mögen die Sie auch lieber.“

Während CDU-Generalsekretär Peter Tauber nun eine Debatte über Sexismus fordert und die Bundestagsabgeordnete Christina Schwarzer konstatierte: „Jenna Behrends hat recht“, gaben Sandra Cegla, Vorsitzende der Frauen-Union Berlin-Mitte, und Zana Ramadani, CDU-Mitglied und ehemalige Femen-Aktivistin, eine Presseerklärung heraus, in der sie Behrends Machtspiele vorwerfen und behaupten, diese habe ihnen gegenüber bestätigt, ein Verhältnis mit dem CDU-Generalsekretär gehabt zu haben. Das wiederum wird von Behrends und Tauber bestritten.

Man sieht: Die Debatte wird zunehmend unübersichtlicher und unappetitlicher. Der eigentliche Punkt, der strukturelle Sexismus in der Politik, bleibt dabei auf der Strecke. Doch die Union müsste den schon aus Eigeninteresse thematisieren. In Zeiten, wo Helmut Kohl Angela Merkel so demütigte, dass sie in Tränen ausbrach, mag dieser Sexismus für viele noch zum Selbstverständnis einer Altherrenpartei gehört haben. Heute sieht die Sache anders aus. Sollte die CDU diese schmierig-sexistische Onkeligkeit weiterhin dulden, würde sie damit nicht nur Heuchelei beweisen, sondern sich auch von der Idee einer modernen Volkspartei verabschieden.

Wobei es nicht reichen wird, nur über Parteien zu reden. Denn der Sexismus in der Politik zeigt sich schon grundlegender. Man stelle sich etwa vor, eine Politikerin würde ihren Körper so offensiv inszenieren wie, sagen wir, der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau. Sprich: Würde sie nur halb so viel Haut zeigen wie der Posterboy der transatlantischen Linksliberalen, dessen oberkörperfreie Fotos beim Boxen oder Klettern fest zu seinem politischen Portfolio gehören, folgten sicherlich sexistische Sprüche oder der Vorwurf billiger Selbstvermarktung.

Während Männer also eine buchstäbliche Körperpolitik betreiben, die ihre Vitalität unterstreicht, müssen Frauen nach wie vor damit rechnen, zum sexuellen Objekt reduziert zu werden. Dass Politkonkurrenten Manuela Schwesig einst als „Küstenbarbie“ diffamierten, ist da nur eines von vielen schlimmen Beispielen.

Sie können auch ohne weiteres Zutun an der Umfrage teilnehmen. Um aber anschließend direkt die repräsentativen Ergebnisse – inklusive Zeitverlauf und statistischer Qualität – einsehen zu können, ist eine Anmeldung notwendig. Dabei werden Daten wie Geburtsjahr, Geschlecht, Nationalität, Emailadresse und Postleitzahl abgefragt. Diese Daten werden vertraulich behandelt, sie sind lediglich notwendig, um Repräsentativität zu gewährleisten.

Grundlage der Arbeit von Civey ist eine neu entwickelte statistische Methode. Wie das genau funktioniert, kann man hier nachlesen. Mehr Hintergründe zu Civey, den Partnern und der Philosophie dahinter finden Sie hier. Civey arbeitet mit der Hochschule Rhein-Waal zusammen.

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 30% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden