Leicht fällt es ihm nicht: Der ehemalige Piraten-Politiker Claudius Holler ringt um Worte, während er einen Videoclip von sich aufzeichnet, der sein Leben verändern wird. Dabei ist Holler eigentlich ein typischer Hamburger Jung, der sich von einer steifen Brise nicht so schnell umhauen lässt. Allerdings geht es um Hodenkrebs und der ist, wie Holler feststellt, ein „ziemliches Arschloch“. Holler ist daran erkrankt und erschwerend kommt hinzu, dass er als freiberuflicher Unternehmer, der gerade dabei ist, ein Produkt am Markt zu etablieren, Probleme mit der Krankenkasse hat.
Behördenstress, Schulden, Krebs – da kann Mann schon ins Schlingern geraten. Claudius Holler zieht die Reißleine, wendet sich mit mulmigem Gefühl an die Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke und erfährt überwältigenden Zuspruch. Tausende teilen den Spendenaufruf für seine Behandlung, Hunderte sichern ihm ihre Unterstützung zu. Unter anderem auch ich. Weil niemand das arschlochhafte Verhalten von Krebs verdient. Weil ich als freiberuflicher Journalist Schwierigkeiten mit der Krankenkasse gut kenne. Und weil ich weiß, wie fahrlässig viele Männer mit ihrer Gesundheit umgehen.
Gesundheit, das heißt für Männer zu häufig: funktionieren können und müssen. In dieser Logik wird Männlichkeit an Leistungsfähigkeit gekoppelt, Kranksein kommt einem Versagen gleich. Männer haben kaum die Möglichkeit, positive Eindrücke von der persönlichen Gesundheitsvorsorge zu entwickeln. Nach den obligatorischen Kinderarztbesuchen fallen sie in ein medizinisches Loch, das mit der Zeit noch durch Geschichten von Helden vertieft wird, die "den Job" erst erledigen und anschließend ins Krankenhaus gebracht werden – wenn überhaupt.
"Ich muss das allein stemmen"
Aber wenn "der Job" erst auf dem Sterbebett erledigt ist, wann gehen Männer dann zum Arzt? Möglichst nie. Stattdessen schlucken sie lieber eine Dosis "Ich muss das allein stemmen". Wer Hilfe braucht, gilt als schwach. Wer Hilfe sucht, als Feigling. Und eine Krankheit ist erst dann real, wenn eine medizinisch geschulte Person sagt, dass sie real ist. Vorher ist sie etwas, das Mann ignoriert oder bekämpft und niederringt. So als wäre Krankheit ein virtueller Gegner, den man auf der Konsole verkloppen kann. Wenn es nicht klappt, startet Mann einfach noch mal.
Aber so funktioniert das nicht. Männer sind Menschen – und die werden krank. Höchste Zeit, das zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln. Zum Beispiel mit einer Krebsvorsorgeuntersuchung.
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