Mehr als eine „Aushilfskraft“

Vaterschaft Männer, die Verantwortung und Vorbildfunktion für Kinder übernehmen, sollten kein Weihnachtswunder, sondern eine Selbstverständlichkeit sein
Ausgabe 03/2018
Es fehlt an (fast) allen Ecken und Enden an männlichen Vorbildern für Kinder
Es fehlt an (fast) allen Ecken und Enden an männlichen Vorbildern für Kinder

Foto: Hulton Archive/Getty Images

Jüngst machte eine Meldung die Runde, die den derzeitigen Umgang mit dem Thema Vaterschaft auf den Punkt bringt: Eine Schule in Texas wollte ein „Frühstück mit Vätern“ veranstalten. Sie befürchtete aber, dass sich zu wenige daran beteiligen würden. Also wurden über die sozialen Netzwerke männliche Mentoren gesucht, um das erwartbare Defizit auszugleichen. Es meldeten sich über 600 Männer verschiedener Altersgruppen und sozialer Schichten. Die Veranstaltung wurde ein voller Erfolg.

Was wie eine dieser typischen „Teile mich, ich bin eine Feel-good-Nachricht“-Meldung klingt, wirft bemerkenswert viel Licht auf ein Thema, bei dem wir immer noch im Dunkeln tappen: Was bedeutet Vaterschaft im 21. Jahrhundert? Was heißt es, wenn die deutsche Men’s Health Dad als Losung „Kind haben, Kerl bleiben“ ausgibt? Ist zugewandte, fürsorgliche, zärtliche und, ja, womöglich sogar ängstliche Vaterschaft etwa unmännlich?

Dass da einiges im Argen zu sein scheint, lässt sich nicht nur an dem Beispiel aus Texas nachverfolgen. Auf der einen Seite fehlt es an allen Ecken und Enden an männlichen Vorbildern für Kinder, die liebevoll Verantwortung übernehmen. Anstatt positive, gelingende Geschichten über Männlichkeit zu transportieren, wird Identität gerade für Jungen über Ablehnung und Ausgrenzung definiert – durch die Verneinung des vermeintlich Unmännlichen.

Auf der anderen Seite besteht ein schier unstillbares Bedürfnis nach einer neuen Form von Vaterschaft. Tatsächlich ist momentan einiges in Bewegung und gibt Anlass zu zarter Hoffnung. Aber wir sind noch längst nicht da, wo wir hinwollen und -sollten.

Ich zum Beispiel habe vier Kinder und werde nie, wirklich niemals gefragt, wo sich mein Nachwuchs aufhält. Wenn ich das Haus verlasse, werde ich als kinderloser Mann wahrgenommen. Wenn hingegen meine Lebenskomplizin das Haus verlässt, wird sie unweigerlich mit der Frage konfrontiert, wie sie denn bitte schön die Kinder zu versorgen gedenkt. Etwa Fremdbetreuung? Oder kommt die Oma, die Tante, eine Freundin und erledigt das? In jedem Fall wird eine andere Frau insinuiert, von der man glaubt, dass sie qua Geschlecht Aufsicht und Pflege zu übernehmen hat. Mir als „Aushilfskraft“ ist das grundsätzlich nicht zuzutrauen.

Dabei bin ich ein Powermann. Ein berufstätiger Vater mit Familienmutter an seiner Seite.

Wenn Sie wie ich den Eindruck haben, dass das ziemlich lächerlich klingt, dann zeigt das nur, wie viele Schritte auf dem Weg zu gleichberechtigter Elternschaft noch zu gehen sind. Männer, die Verantwortung und Vorbildfunktion für Kinder übernehmen, sollten kein Weihnachtswunder, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Kein Grund zum Feiern, sondern ein Grund zur Freude. Aber bislang werden weder diejenigen ausreichend in die Pflicht genommen, die sich nonchalant aus der Verantwortung flüchten. Noch wird fürsorglichen Vätern ausreichend gesellschaftlicher Raum für ihre Elternschaft zugestanden.

Das ist mehr als ein Ärgernis. Denn sosehr es ein Segen sein kann, als Mann in beruflichen Zusammenhängen nicht mit der Fürsorge für die eigenen Kinder in Verbindung gebracht zu werden, so sehr ist es ein Fluch. Als Mann habe ich die Freiheit, mich durch mein Berufsleben bewegen zu können, ohne mich für meine Vaterschaft rechtfertigen zu müssen. Zugleich lebe ich mit dem Zwang, dass kaum etwas von dem, was ich tue, in Bezug zu meiner Vaterschaft gesehen wird.

Um diese Struktur endlich zu durchbrechen, ist ein Wunder nicht genug. Da muss es schon ganz wunderbare Gleichberechtigung sein. Mit allem, was dazugehört.

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