Etwa eine halbe Million Menschen halten sich in Deutschland Diener*innen, die das Haus fast nie verlassen und immer zur Verfügung stehen müssen. An solche massenhaften Feudalarbeitsverhältnisse glauben Sie nicht? Dann fragen Sie mal 24-Stunden-Pflegekräfte, wie ihre Arbeitsbedingungen sind!
Diese Pflegekräfte sind meistens weiblich, meistens aus Osteuropa, sie betreuen Pflegebedürftige rund um die Uhr in deren Häusern und bekommen diese Zeit nicht einmal annähernd vollständig entlohnt.
Einer von ihnen hat es jetzt gereicht. Frau Alekseva, der Name ist geändert, kommt aus Bulgarien. Sie hat dagegen geklagt, dass sie lediglich die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegten 30 Arbeitsstunden, nicht aber die restliche Arbeits- und Bereitschaftszeit bezahlt bekommt. Zwei Gerichte in Berlin haben ihr bereits Recht gegeben; ein Arbeitsgericht gestand ihr zu, dass sie Lohn für 168 Arbeitsstunden hätte bekommen müssen. Das Landgericht Berlin erkannte 21 Arbeitsstunden täglich, also insgesamt 147 Arbeitsstunden an. Ihr tatsächlicher Lohn lag also so weit unter dem Mindestlohn, dass es sich hier nicht mehr auszurechnen lohnt. Als Nächstes wird vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt, weil Frau Aleksevas Arbeitgeber zum dritten Mal Berufung eingelegt hat. Der Arbeitgeber ist eine bulgarische Agentur, wie es sie zu Tausenden gibt und wie sie gut an den Vermittlungen verdienen.
Unterstützung bekommt Frau Alekseva vom Projekt „Faire Mobilität“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dessen Mitarbeiterinnen beraten ost- und mitteleuropäische Arbeitsmigrant*innen in Deutschland bei ihren Anliegen. „Wir hoffen, dass sich nach einem positiven Urteil mehr Betreuungskräfte trauen, sich gegen mangelnde Bezahlung und fehlende Freizeit zu wehren und ihre Ansprüche einklagen“, erklärt Justyna Oblacewicz von der im DGB organisierten Gewerkschaft Verdi. „Viele wissen nicht mal, dass sie ihre Rechte hier in Deutschland durchsetzen können, auch wenn sie keinen deutschen Vertrag haben.“ Neben der rechtlichen Beratung bemüht sie sich um die gewerkschaftliche Organisierung der 24-Stunden-Pflegekräfte, die leider noch ganz am Anfang steht: „Wir versuchen, die Frauen, die vereinzelt in ihren Haushalten sind, über Social Media zu vernetzen. Es gibt auch viele sprachliche Barrieren.“ Auch in der Schweiz wehren sich seit ein paar Jahren die 24-Stunden-Pflegekräfte auf ganz ähnliche Weise. Bleibt zu hoffen, dass Frau Oblacewicz recht behält, dass der Funke überspringt und Frau Alekseva das Vorbild für noch sehr viele betroffene Pflegekräfte mehr wird.
Kommentare 4
Zudem ist das oft eine Frage der privaten Absprache und der individuellen Situation. So ein Job kann Gelddruckmaschine, Ausbeutung und alles dazwischen sein.
naja, tariflich bezahlt wären das ungefähr 10.000eu/monat oder mehr, real werden 3000eu und weniger bezahlt.
die vertragsfreiheit wurde auch schon zu marx zeiten bemüht, eingebettert in die doppelte freiheit (frei von kapital und frei von frohndiensten).
erinnert mich schon ein wenig a.d. verhätlnisse des 19.jhd., nicht unbedingt feudal, aber ausbeuterisch.
ich sehe daran nichts schäbiges, die rechte, die man hat, vor gericht durchzusetzen, auch das gehört zu unserer gesellschaftsordnung.
@Moby HH
Zitat 1: "Ich finde mittlerweile den Trend ungünstig, sich manchmal erst bewusst auf eine wenig vorteilhafte Sache einzulassen, und dann nachher, entgegen seiner eigenen, bewussten Entscheidung, zu klagen."
Kleiner Einwand: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.
Wir haben hier in privatrechtlicher Hinsicht einen Vertrag, das heißt ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie ohne Vertrag gegen den Anbieter dieses 24-Stunden-Jobs klagen? Dann müsste der Anbieter schon Gewalt anwenden und der Frau eine Pistole an den Kopf halten oder eine Zwangslage ausnutzen. Arbeitslosigkeit ist jedenfalls nach herrschender Rechtsprechung keine Zwangslage in diesem Sinne.
Das Problem sehe ich darin, wenn der Bruttolohn/Stunde rechnerisch ohne die Bereitschaftszeiten über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. Bereitschaftszeiten sind zwar keine vollwertigen Arbeitszeiten, aber eben auch keine "freie" Zeit.
Meines Erachtens kann man für Bereitschaftszeiten im Vergleich zur operativen Arbeitszeit einen geringeren Stundenlohn vereinbaren, aber man kann diese Zeiten nicht einfach mal so unter den Tisch fallen lassen.
Würden Sie sich das gefallen lassen? Da habe ich aber erhebliche Zweifel.
Ich finde, viel zu wenige Bürger in diesem angeblich "demokratischen" Europa klagen ihre Rechte bei den Gerichten ein, vor allem diejenigen am unteren Rande der Gesellschaft. Die am oberen Rand haben jedenfalls keinerlei Skrupel, dies zu tun und sie tun es auch.
Zitat 2: "Auch der Begriff 'Feudalarbeitsverhältnisse' erscheint mir bei europaweit freiem Arbeitsmarkt und Vertragsfreiheit etwas überzogen."
Missbräuchlich verwendet wird hier wie üblich allenfalls der Begriff "Freiheit", denn mit Freiheit im Sinne einer freien Wahlentscheidung hat eine solcher Arbeitsmarkt nichts tun. Die Wahl zwischen einem kleinen und einem großen Misthaufen ist keine echte Wahl, denn ein stinkender Misthaufen bleibt ein stinkender Misthaufen.
Für neoliberale Zeitgenossen und Sozialdarwinisten fängt der "Feudalismus" aber offenkundig erst da an, wo man die Arbeitnehmern tatsächlich mit Fußfesseln ankettet und ihnen mit der Lederpeitsche den Rücken blutig schlägt, wenn sie parieren.
Prosit Freiheit!
Kommen Sie aus der Pflege?Es sind und bleiben für diese Pflegenden feudale Abhängigkeitsverhältnisse.Es ist gut, daß geklagt wird- nur zu-in Europa und so in Deutschland findet das statt.Diese Pflegenden werden nicht besser behandelt, weil der Preis gedrückt werden soll und das geht nur am Fiskus vorbei der Bezahlenden.Klagen- nicht alle Klagen- legen offen, wo das System korrupt ist, ebend das Pflegesystem in Deutschland.