Abstinenz und Misstrauen

Tech-Konzerne Amazon will mit dem Go-Supermarkt seine marktbeherrschende Stellung festigen. Gegen die allerorts zunehmende Monopol-Konzentration müssen wir kämpfen
Ausgabe 04/2018
Dass Amazon es nicht gut mit den Menschen meint, dafür genügt ein Blick in die Logistiklager
Dass Amazon es nicht gut mit den Menschen meint, dafür genügt ein Blick in die Logistiklager

Foto: Justin Sullivan/Getty Images

Vergangenes Wochenende hat Amazon in Seattle seinen ersten App-gesteuerten Supermarkt – Amazon Go – eröffnet. Davor standen die üblichen Menschenschlangen, die es gibt, wenn sich die Technologiekonzerne etwas ausdenken, das unser aller Leben revolutionieren soll. Nun ist der Supermarkt dran. Der Kunde kann die Waren einfach mitnehmen, registriert und bezahlt werden sie durch eine App, der Gang zur Kasse entfällt. Man muss kein Nostalgiker sein, der den Plausch mit der Kassiererin vermissen wird, um sich davor zu fürchten, was das für Folgen hat – oder sich Sorgen zu machen um die Menschen, für die es aufgrund ihrer Armut durchaus wichtig sein kann, dass sie im Supermarkt bisher auch einmal etwas mitgehen lassen konnten. Man kann sich aber schon wundern, mit welcher Begeisterung auch diesmal wieder eine neue Erfindung eines Technologie-Unternehmens aufgenommen wird.

Amazon erfindet die Welt schließlich nicht aus purer Technikbegeisterung neu. Der Amazon-Go-Supermarkt ist ein strategisch wichtiger Teil der Bestrebungen des Konzerns, Monopolist zu werden. Trotz des Versprechens aus den 90er Jahren, dass das Internet mehr Konkurrenz und Abwechslung hervorbringen würde, ist das Gegenteil eingetreten. Noch nie zuvor hat es so starke Monopolbildungstendenzen gegeben.

Experten wie der britische Geisteswissenschaftler Nick Srnicek sagen einen „Krieg der Plattformen“ voraus. Google, Facebook und Apple sind die anderen großen Krieger, auch Uber, Microsoft und sogar Siemens halten sich im Rennen. Dabei ist das Business dieser Firmen längst nicht mehr Hard- oder Software, ihr Geschäftsmodell beruht auf dem Sammeln und Auswerten von Daten – unseren Daten, die wir freiwillig hergeben. Neben Mobilität und künstlicher Intelligenz haben die Tech-Konzerne aktuell die Städte und den stationären Handel zu ihrem Kampffeld erklärt, wo Amazon jetzt etwa jene Geschäfte ersetzt, denen es vorher mit dem Onlinehandel Konkurrenz gemacht hat. Neben dem Supermarkt betreibt Amazon bereits einen Lebensmittel-Lieferservice, erste eigene Buchhandlungen und hat bereits die große US-Bio-Supermarkt-Kette Whole Foods aufgekauft.

Kann Amazon mit unseren Daten derzeit vor allem Warenbestände berechnen und sich in neuen wirtschaftlichen Sektoren Vorteile verschaffen, lässt sich nur erahnen, was es für unsere Zukunft bedeutet, wenn wir einem supranationalen und kaum regulierten Konzern alle Informationen über uns geben. Sogar der bisher nicht für kritische Berichterstattung über Amazon & Co. bekannte Economist fragte jüngst: „Wie sind die Tech-Titanen zu zähmen?“ Um dann die dem Wettbewerb abträgliche Dominanz und die Nachteile für Konsumenten zu betonen.

Doch die Gefahren sind viel größer. Dass Amazon es nicht gut mit den Menschen meint, dafür genügt ein Blick in die Logistiklager mit schlecht bezahlten und entmündigten Mitarbeitern, die zwar um ihre Rechte kämpfen, dabei aber kaum Erfolg erzielen.

Noch viel härter wird der Kampf um unsere Daten werden, wenn wir sie erst einmal alle freiwillig abgegeben haben. Wenn wir in Zukunft aber noch etwas von unserer Freiheit behalten wollen, wird uns nicht anderes übrig bleiben, als ihn zu führen. Fürs Erste würde es genügen, nicht jede App runterzuladen, die uns die Tech-Giganten als Zukunftsversprechen verkaufen. Und wir sollten uns vor allem nicht jede Entwicklung, die das Offline-Leben ersetzt, als glorreiche Zukunft verkaufen lassen.

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