Buhrufe für Andrea Nahles

Amazon Springer ehrt sein Vorbild Jeff Bezos. Arbeiterinnen und Arbeiter protestieren dagegen – und sollten sich nicht vereinnahmen lassen
Ausgabe 17/2018
Amazons Erfolg beruht auch auf Steuervermeidungstricks und Ausbeutung unzähliger Arbeiter
Amazons Erfolg beruht auch auf Steuervermeidungstricks und Ausbeutung unzähliger Arbeiter

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Gerade hat Amazon-Chef Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt, den „Springer Award 2018“ verliehen bekommen – für „visionäres Unternehmertum“. Klingt logisch, denn Amazon ist nicht mehr nur im Buchhandel aktiv, die Geschäftsfelder reichen von Clickwork über Cloud-Service bis zu Bioläden und der Zeitung Washington Post. Als gefährliche Monopolbildung werten das Kritiker, und zu ihnen zählen nicht mehr nur linke Bedenkenträger, sondern etwa auch die Financial Times.

Für die Axel Springer SE, die früh erkannt hat, dass man mit digitalen Produkten viel Geld verdienen kann, ist Amazon ein Vorbild. Längst ist Springer breit aufgestellt und verleibt sich etwa Start-ups nach dem Vorbild der Unternehmen im Silicon Valley ein. Doch Amazons Erfolg hat weniger mit Visionen und Technologie zu tun, als dass er auf Steuervermeidungstricks und auf der Ausbeutung unzähliger Arbeiter beruht. Die Horrornachrichten aus den Logistiklagern sind ausreichend dokumentiert.

Dagegen streiken Arbeiter schon seit ein paar Jahren, erst in Deutschland, dann in anderen europäischen Ländern. Sie fordern einen Tarifvertrag und das Ende der Gängelungen, die sie im Arbeitsalltag erfahren. Damit sind sie ein positives Beispiel für moderne Basis-Streiks und internationale Solidarität geworden, wie sie in Zeiten des Vormarsches internationaler Digitalkonzerne nötig sind.

Viele Arbeiter haben auch diese Woche die Arbeit niedergelegt, einige waren nach Berlin gekommen, um gegen Bezos, Amazon und Springer zu protestieren. Dahinter steht ein breites Bündnis, zu dem etwa auch Linksradikale gehören. Am Abend der Verleihung aber war das Bündnis zu breit geraten: Auf Einladung einiger Verdi-Funktionäre wollte auch SPD-Chefin Andrea Nahles reden – so als sei ihre Partei nicht Teil jener Regierungen gewesen, die seit Jahren für die Rücknahme von Arbeitnehmerrechten gesorgt und so den Boden für Geschäftspraktiken wie die von Amazon bereitet haben.

Das zeigt, dass die Amazon-Streiks womöglich vor einer Entscheidung stehen: Bleiben sie ihrer Basis-Struktur treu? Oder lassen sie sich von oben befrieden? Nahles jedenfalls wurde ausgebuht. Das ist ein gutes Zeichen. Denn eine Vereinnahmung könnte das Ende des Kampfs gegen Amazon in Deutschland bedeuten.

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