Diese Kolumne handelt oft davon, wie Tech-Unternehmen nach Silicon-Valley-Vorbild Arbeitsrechte aushöhlen und gewerkschaftliche Mitbestimmung zu unterbinden versuchen. Wenn dabei der Eindruck entstanden sein sollte, dass herkömmliche, alteingesessene Familienunternehmen, deren Namen nach guter alter BRD und NS-Zwangsarbeit klingen, irgendwie besser wären, dann kann das Bild korrigiert werden.
Im Oktober 2020 übernahm der Dr.-Oetker-Konzern das auf eine Milliarde Euro Wert geschätzte „Einhorn“-Unternehmen Flaschenpost. Flaschenpost ist ein Getränke- und Gemischtwarenlieferdienst. Dr. Oetker konnte dessen ausgebaute Infrastruktur gut gebrauchen, um sie in das eigene Produkt- und Liefergeschäft zu integrieren und seine Marktposition zu verbessern. Womit Dr. Oetker aber wenig anfangen konnte, waren alle Arbeiter*innen des eigenen Getränkelieferdienstes Durstexpress.
Also bekamen etwa 450 Arbeiter*innen in Leipzig im Januar die Kündigung; eine Betriebsratsgründung kam zu spät, um den Prozess noch stoppen oder wirklich abfedern zu können. Hier zeigte sich, wovor viele Beobachter der „neuen“ Logistikbranche schon lange Zeit warnen: Die neuartig anmutenden Tech-Unternehmen sind nur die Vorhut einer Aushöhlung bereits erkämpfter Arbeitsrechte, die auch den herkömmlichen, sozialpartnerschaftlicher zurechtgestutzten Branchen zeigen, wie man Risiken auf Arbeiter*innen abwälzt, Gewerkschaften außen vor hält und dadurch die eigenen Profite steigert. Und die entlassenen Arbeiter*innen?
Nach der Kündigung bot Dr. Oetker ihnen an, sich bei Flaschenpost neu zu bewerben, natürlich zu schlechteren Konditionen. Manche taten das wohl, andere gingen zu anderen Logistikunternehmen, zu Zeitarbeitsfirmen oder in andere Branchen. Das Prekäre ist mittlerweile ein fester, quasi natürlich wirkender Bestandteil der Logistikbranche, die wächst und wächst. Wobei wachsen heißt: als umkämpfter Markt mit immer neuen Geschäftsideen. Hier gibt es Supermarkt-Start-ups wie Gorillas, das damit wirbt, Einkäufe in zehn Minuten liefern zu können, und in Berlin diesen Sommer von immer neuen Hoffnung machenden Streiks überrollt wird, weil die Arbeiter*innen einen langen Atem beweisen. Und es gibt das Beispiel Dr. Oetker, das zeigt, wie viel mehr gewerkschaftliche Organisierung und betriebliche Gegenmacht in dieser Branche nötig sein werden und wie viel Arbeit noch vor den Gewerkschaften NGG und der FAU und vor uns allen liegt, damit Arbeiter*innen sich in Zukunft wenigstens minimal schützen können.
Kommentare 5
In den Beschäftigungsstatistiken sieht das alles immer wunderbar aus: Hurra, wir haben weniger Arbeitslose..!
Auch die entsprechenden Statistiken verlieren immer mehr an Glaubwürdigkeit und Substanz. Gut, die Unterbeschäftigtenquote gibt es ja noch. Aber bilden diese Zahlenwerke in der Summe überhaupt noch die Wirklichkeit in der Arbeitswelt ab? Nein, natürlich nicht!
Das prekäre ist das nochmale. Was für ein Satz. Aber er stimmt. Da ändert auch ein Studium nichts an der Situation. Wann wachen die Beschäftigten endlich auf ? Schließlen sich zusammen in Gewerkschaften und beenden ihr Situation. 😭
Der Geist in dieser Flasche verspricht neue positive Haltung von Leibeigener*innen und je mehr man+*innen in prekärer negativ empfundenen Haltung gefangen wir, umso weniger fällt ein Interesse an Klimaschutz aus, weil man erst mal darum bemüht ist, andere Arbeit und vorhandene Wertschätzung, ohne ein Klatschen finden zu können.
Das andere was diese Werbung dieser so tollen Lieferfirmen aussagt, ist einzig eine soziale Abwertung von Menschen die diese Arbeit ausüben, um eine Tomate um 22:35 zu liefern, weil ja die Person die das bestellt hierbei Macht über andere Personen einkauft, die mit einem positiven falschen Lächeln auf Litfaßsäulen verkauft wird.
Größere Erniedrigung in Werbung und auf Arbeit gibt es zur Zeit nicht und alle schauen weg und bestellen sich Pizza vom Lieferdienst.
Wie asozial sind wir durch diese Entwicklungen geworden?
Frag ich den Geist in diesen Flaschen so lächelt dieser falsch und ein Kopfwunder bleibt aus.
Nur der Smog in meinem Hirn erlebt ein Monstervernebeln bei diesem Verkehr und schon bekommt der Kunde diese Tomate 10:00 min zu spät. Und für mich, der hier Fahrrad fährt, ich lebe nur noch 5 Jahre.
Was ist nur aus der Startup/Gründerszene geworden? Das es in Deutschland im Gegensatz zum Silicon-Valley-Vorbild kaum digitale Innovationen gibt wundert mich ja nicht. Digitalisierung ist ja für uns alle Neuland, danke Merkel.
Wenn aber mal was kommt dann Startups, die hauptsächlich Dientleistungen anbieten die es schon gibt, billiger durch schlechtere Arbeitsbedingungen und Löhne dafür aber "Vernetzt" und mit der "wir sind eine Gemeinschaft" (ohne Urlaubs/Krankengeld!) Lüge?
Was ist mit "making the world a better place"?! Schon mal gehört? Aus den Staaten kommt in letzter Zeit ja auch nur noch Mist à la UBER und co...das war aber früher auch mal anders.
Als damals Uber sich in den USA mit seinem Geschäftsmodell darstellte und auch hier jede/r schrie: Ja, das ist das neue Wirtschaftsmodell an dem jede/r gleichberechtigt teilhaben kann; ja damals als die ihre Pakete des Schreckens und der Ausbeutung noch nicht so richtig ausgepackt hatte und sich allzuviel noch Illusionen machetn, damals schrieb Zoe Carpenter in einem Artikel in "The Nation" als Fazit sinngemäß folgendes: " .... der Kapitalismus schreckt nun vr gar nichts mehr zurück. Jetzt verkauft er uns sogar den Kommunismus" (das muss so um 2012 rum gewsen sein - ich fand es jetzt nicht auf die Schnelle).