Was können Beschäftigte machen, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht? Wenn der Lohn nicht ausreicht, um Miete, Essen und Nebenkosten zu bezahlen? Wenn die Arbeitsbelastung so groß ist, dass sie nicht mehr weiterwissen? Sie können den Chef oder das Management ansprechen, bitten und verhandeln, Unterschriften sammeln oder sich krankmelden. Wenn das alles nicht hilft, können sie wenig machen, außer zu streiken und ihrerseits den Druck zu erhöhen. Doch Streiks sind Kraftakte, die Mut und Organisation erfordern. Das deutsche Recht haben die Streikenden meist nicht auf ihrer Seite, genauso wie viele Medien. Oft richten sich auch andere Beschäftigte gegen sie.
Erlaubt sind Streiks nur unter wenigen Bedingungen: am Ende eines Tarifvertrags zum Beispiel (und dafür muss man erst mal einen haben). Denn nicht nur in Deutschland sind gerade jene Berufsgruppen besonders unter Druck, die gar nicht in Gewerkschaften organisiert sind, die in prekären Bereichen arbeiten und für die sich Gewerkschaften oft nicht interessieren. Das haben zum Beispiel die mehrheitlich migrantischen Kurierfahrer*innen des Lieferdienst-Start-ups Gorillas gezeigt, die 2021 in einen illegalen Streik getreten sind. Dafür wurden sie von Gorillas gekündigt. Wem das Arbeitsgericht Berlin im April dieses Jahres wohl recht gab? Na klar: Gorillas! Wer also versucht, aus der Ohnmacht der prekären Löhne und Arbeitsbedingungen auszubrechen, hat in Deutschland kaum legale Möglichkeiten – und trägt das Risiko, anschließend ohne Job dazustehen.
Ebenfalls in diesem Sommer gab es in Hamburg den größten Streik seit Jahrzehnten: Dabei ging die Polizei gegen die streikenden Hafenarbeiter vor und das Arbeitsgericht verordnete ihnen eine „Friedensflicht“ (de facto ein Streikverbot). Und als die Krankenhausbeschäftigten in Nordrhein-Westfalen zwölf Wochen in diesem Frühjahr streiken mussten, um ihren „Tarifvertrag Entlastung“ zu bekommen, war vom Applaus der Unbeteiligten auf Balkonen nichts mehr übrig. Oder haben Sie den irgendwo gehört? War ich taub?
Stattdessen versuchten die Arbeitgeber der NRW-Unikliniken die Streiks gerichtlich zu unterbinden – und die Presse berichtete allzu gerne über die Probleme, die durch den Streik verursacht würden. Das war beim Streik des unterbezahlten Bodenpersonals von Lufthansa vor Kurzem nicht anders: Nicht nur die Springer-Presse diskreditierte die Streiks, die Wut der Reisenden richtete sich oftmals auf die Beschäftigten – statt auf Lufthansa, die den Streik schnell hätte beenden können, indem sie auf die Forderungen eingeht. Mehr Solidarität stünde den Deutschen gut.
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