Wer in Berlin in hippen Innenstadtbezirken wohnt, hatte während der vergangenen Shutdown-Monate das Glück, bei Khora Essen bestellen zu können. Das geht wie bei Lieferando, dahinter steckt aber ein junges Kollektiv. Ich habe schon einmal davon berichtet (der Freitag 50/2019), damals war ich pessimistisch: Die Kommunikation mit dem Lieferdienst war schwierig, weil es nur eine Homepage gab, die Kommunikation war auch innerhalb des Teams schwierig. Doch mittlerweile läuft es gut für die genossenschaftlich organisierten Kuriere, erzählt mir Anderson, 37: Sie beliefern immer mehr Lokale, erweitern ihr Gebiet, können Löhne zahlen.
Als Erstes haben sie den Namen in Khora geändert: Vor zwei Jahren hießen sie Kholyma, das wird in der Einstigen Sowjetunion als Synonym für Gulag verwendet, schreckte also einige ab. Eine App zur Essensbestellung gibt es nun auch. Anderson berichtet begeistert von Coop Cycle, gebaut von einem jungen Franzosen, dessen Freundin bei Deliveroo gearbeitet hat. Dieser hat die App gesehen, über die die Fahrer*innen ihre Aufträge bekamen, und dachte: Das kann er besser. Konnte er auch, bestätigt mir Anderson, und nicht nur das: „Durch seine Freundin hat er Einblick in die Arbeitsbedingungen bei Deliveroo gehabt und wie die Unternehmen die Apps dafür nutzen. Deswegen wollte er die App für Kollektive freigeben. „Wir müssen einen geringen, symbolischen Betrag zahlen und bestimmte Bedingungen wie kollektive Entscheidungsstrukturen haben“, sagt Anderson. Etliche Plattform-Genossenschaften in Europa nutzen die App nun.
Noch etwas hat Coop Cycle verbessert: Deliveroo-Fahrer*innen hatten kritisiert, dass die App wie eine Blackbox für sie war; nie wussten sie, warum sie eine lange, eine kurze oder gar keine Fahrt bekamen – und dadurch das Gefühl, etwas „falsch zu machen“. Das habe sich erledigt, sagt Anderson: „Wir arbeiten alle als Fahrer*innen und Auftraggeber*innen, haben also beide Erfahrungen und machen die Entscheidungen, warum etwa ein Fahrer eine längere Strecke fahren muss, auch transparent.“ Um wirklich ein Kollektiv zu werden, haben sie sich viel Zeit genommen, so Anderson, und versucht, die Arbeit gerechter zu verteilen, als das vor zwei Jahren der Fall war, als einige wenige die Organisierungslast tragen mussten. Anderson klingt am Telefon zufrieden und gut gelaunt, das tut gut zu hören: Es gibt jetzt schon viel zu viele Corona-Verlierer, das Kurierkollektiv Khora gehört nicht dazu.
Kommentare 15
Jetzt hab ich mich gerade warmgelesen, und der Beitrag ist aus? Schade!
Meine Skepsis ist leider noch nicht verflogen. Wie will man damit einigermaßen ordentlich Geld verdienen als Fahrer, in Konkurrenz zu den armen Deliveroo-Sklaven? Vielleicht findet sich eine kleine, zahlungskräftige und bewusste Käuferschicht, die das unterstützt.
Sorry - ich möchte nicht immer den Miesepeter spielen und wünsche diesen Leuten bzw. der Genossenschaft alles Gute. Aber ich kann nicht recht daran glauben.
Die Gelegenheit, mich und andere Leser mit weiteren Infos zu bereichern!
"Ich möchte nicht immer den Miesepeter spielen."
Da kenne ich ein probates Gegenmittel, äußerst wirksam:
SCHWEIGEN.
So ist es natürlich. Aber Bartleby und andere Lifestyle-Linke vom Prenzlberg glauben gerne an Märchen.
Dass ein Gastro-Lieferdienst ohne Ausbeutung der Fahrer:innen erfolgreich laufen kann (und schwarze Zahlen schreibt), zeigt ein Beispiel aus Oberbayern: Bei der "Lieferhex" erhalten alle Mitarbeiter:innen einen fixen Stundenlohn weit über gesetzlichem Mindest zzgl Trinkgeldern. https://lieferhex.com/
Auf der von Ihnen verlinkten Seite heißt es unten bei den Presseberichten:
"Acht Fahrer auf 450€-Basis, Chefin A. und zwei Unterstützer umfasst das Team."
Hmm. Was wohl so eine Immobilie in Schongau kostet? Wieviele Pizzen muss man dafür ausliefern...?
Nichts für ungut.
Es gibt noch zu viele die gar nicht merken, wie sie ausgebeutet werden.
Von den - hier wie anderswo - zu beobachtenden Sprach-Schlägen bekommen Sprache und Sprechende Schwellungen unterschiedlicher Art.
Wie hoch hier wohl der Anteil der Schreibenden ist - im Vergleich zu den ABschreibenden Archivaren und ZUschreibenden Debattenverhinderern?
Frage des Tages: ob "Lifestyle-Linke" solche sind, die mit Sprache umgehen können?
Keine Antwort erforderlich ...
So ist es leider. Und viel zu wenige, die nicht begreifen, dass sie ihr "Schicksal" nur begrenzt selbst beeinflussen können - und die überfälligen, überlebensnotwendigen Änderungen für uns alle nur kollektiv erreicht werden könnten. Und zwar im (möglichst gewaltfreien) Kampf! Nicht durch irgendwelche "Innovationen".
Wo lesen Sie im Beitrag von Bartleby, dass er an den wirtschaftlichen Erfolg von Khora glaubt? Besser wäre eine Beachtung seines Rates von Ihnen! ;)
Sahra Wagenknecht hat offenbar voll ins Schwarze getroffen. Denn sobald das Wort "Lifestyle-Linke" fällt, kommen die ganzen...naja, Leute wie Sie eben aus ihren Löchern gekrochen.
Getroffene Hunde bellen.
Sahra Wagenknecht hat hier ein großes Problem: Sie kann sich nicht gegen diese ungefragte Vereinnahmung wehren.
Manch Einer braucht viele 'große' Namen. Damit er die Illusion aufrechthalten kann, es falle nicht auf, wie nieder die Qualität seiner Beiträge ist.
Der ganze Business-Zweig ist fragwürdig, weil er Müll über Müll produziert. Alternativ wäre, wenn es auch hinsichtlich der Verpackungen Mehrweglösungen gäbe.
Ich kenne einen Imbiss, der nimmt bei Abholung seine Plastikverpackung wieder zurück und die werden so mehrfach verwendet. Darf das Gesundheitsamt nur sicher nicht wissen, weil, ogottogott, Ansteckungsgefahr ...
Ihre einzelnen Aussagen zu Text und Thema des Artikels sind zutreffend.
Zum Thema Schreiben und Schweigen hilft nur eigenständige Reflektion weiter. Kein Wiederkäuen.
Dass dies in heutigen Zeiten unerwünscht ist, dass Hinweise darauf gerne bekämpft werden, sagt alles. Über diese Zeiten.
Es gab einmal einen SPIEGEL, der tat dies, was Spiegel tun. Übriggeblieben ist davon nur die Fassade. Potemkinsche Dörfer.
Gleiches gilt - in Abstufungen - für alle anderen Produkte des einstmaligen Journalismus. Schein statt Sein.
Das eigentliche Problem wird sein dass das "politische Berlin" im Rausch der Lobbyisten einen Weg finden wird um das genossenschaftliche Konzept auszugrenzen bzw. unmöglich zu machen. *1)
Schade, denn das Khora - Konzept finde ich gut !
*1) siehe die Maskendeals und die Einschränkungen betr. Masken, im Zug darf man lt. Bundesnotstandsgesetz ab Wert 100 nur noch FFP2 Masken tragen ...
Nur noch irre, anstatt selber zu kochen - wie in einer Pandemie zu erwarten wäre, aber man schnallt ja nicht mal, daß Quarantäne 40 Tage heisst - noch mehr Yuppiefrass, Schnellbeschiss und Invasion der Kartoffel-Borg-Uber-Bevölkerung, die Berlinern die Jobs, Wohnungen, Strassen und inzwischen sogar Krankenbetten klaut.
Als ob man nicht ohne Handy arbeiten könnte, echte Fahrradkuriere können das ja auch und sie kennen sich sogar in der ganzen Stadt aus.
Das Proletariat dagegen besteht aus den 4 MRD, die kein Handy haben, aber die werden dann auch bald abgeschlachtet, spätestens fürs Grunzeinkommen, genau wie die Abermillionen, die fürs Smartphone ermordet wurden und werden und währenddessen bereits vergessen sind, weil man seit 10 Jahren die Leichen nicht mehr zählt.
Massenmord ist ein Verbrechen, außer für den guten Zweck, dem "Menschenrecht auf Smartphone", mit dem Gütesiegel "Made in Genocide"?
Ein faires, also völkermordfreies Smartphone wäre so rar wie vor 50 Jahren Autotelefone, weil sie teuer wie Blutdiamanten wären und sich nur Magnum eins leisten könnte und selbst "Fairphone" gibt zu, daß sie gar nicht fair sind, weil sie den Schmuggel nicht unterbinden.
Wie kann denn das sein? Letztes Jahr posierten 100 BLM-Kopisten mit gestrecktem Smartphone, während sie versuchten der Statue des Sklavenhändlers Colston im Hafenbecken das Schwimmen beizubringen ohne zu raffen, daß ihre Geräte in den USA verboten wären, weil das Koltan aus dem Kongo kommt. Man wird dann wieder 100 Jahre warten, um Statuen zu stürzen. Echt komisch und ziemlich korrupt, daß weder Moral noch Satire auffällt, wie ähnlich das alles ist zum Völkermord für Gummistiefel und -reifen, bis 1921 bis zu 15 Millionen Tote und auch im Kongo. Wieso klingelt da nix? Muß man Koltanminen statt Kitaplätze fordern?
Nachhaltigkeit ist dann wohl, wenn man seinem dekadentem Luxusspielzeug den Namen seiner Opfer verpasst?