Endlich Feierabend! Auf zur Mietrechtslektüre

Wohnen Ein Start-up verspricht Berlinerinnen Schützenhilfe beim Kampf gegen zu hohe Mieten. Langfristig kann das keine Lösung sein
Ausgabe 06/2020
Hier haben wir die Miete offenbar noch nicht gesenkt
Hier haben wir die Miete offenbar noch nicht gesenkt

Foto: Emmanuele Contini/Imago Images

Weniger Miete bezahlen, das wünscht sich wohl die Mehrheit der Berlinerinnen. 85 Prozent leben in der Hauptstadt zur Miete und ihre Not ist groß: Es gibt zu wenige und zu teure Wohnungen. Es ist wie in jeder großen Stadt: Wer eine Immobilie besitzt, versucht die zu schröpfen, die drin wohnen. Nun will die rot-rot-grüne Regierung den Mieterinnen zu Hilfe eilen: Der Mietendeckel kommt! Wird also alles gut?

Nun ja, Instrumentarien zur Mietpreisbremsung gibt es schon länger. Und immer gab es: Schlupflöcher. Im sozialen Wohnungsbau darf die Miete nicht erhöht werden? Plötzlich werden die Betriebskosten teurer. Mieterhöhungen flattern in Gebieten rein, in denen die Mietpreisbremse gilt, und die Mieter fragen sich: Dürfen die das? Tatsächlich dürfen sie oft nicht, die Vermieter, aber genau an dem Punkt fängt es an: Wer kennt sich schon mit dem Mietrecht aus? Wer kann es durchsetzen? Und wann? Der Tag ist vollgepackt, die Zeit knapp, die Nerven liegen blank, die Angst ist groß. Vielleicht doch lieber die Mieterhöhung zähneknirschend akzeptieren statt in der Freizeit kräftezehrend mit dem Vermieter streiten – und am Ende vielleicht noch verlieren? Auch beim nun beschlossenen Mietendeckel gilt: Gegen zu hohe Mieten klagen muss am Ende doch die Mieterin.

Das Mietrecht vereinzelt, man kämpft alleine um das eigene Zuhause, gegen mit allen Wassern gewaschene, also mit entsprechenden Portokassen und Anwaltskanzleien gewappnete Immobilienbesitzer. Aber, kein Problem, denn da, wo der Staat sich nicht kümmert und es den Reichen noch leichter macht, dort ist eine total perfide Start-up-Idee nicht weit. Dachten sich wohl auch die Gründer von wenigermiete.de und verdienen mit dem Elend der Berliner Mieter gutes Geld. Das Geschäft ist im Grunde ein Inkassounternehmen, das die Vermieter zur Kasse bittet. Sie prüfen die Mieterhöhungen und versprechen, dass sie das Geld der Mieter eintreiben – und verdienen dafür prozentual mit.

„Hier haben wir die Miete schon gesenkt“, mit diesem Slogan wirbt das Unternehmen. Gezeigt wird dabei ein Wohnhaus am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg, sozialer Wohnungsbau. Nun wurde die Miete am Kottbusser Tor nicht gesenkt, die Mieterinitiative – kein Start-up, sondern Kotti&Co – kämpft seit Jahren dagegen, dass sie weiter steigt. Zu hoch sind die Mieten dort immer noch, die Mieterinnen geben 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens nur für das Wohnen aus. Wenigermiete.de verdient daran, dass Mieter diesen Kampf vereinzelt führen – langfristig durchsetzen kann sich jedoch nur ein Kollektiv.

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