Die letzten Tage haben mich aus der Bahn geworfen. Was, wenn ich krank werde? Wie soll ich dann über die Runden kommen? Wie wird es denen gehen, die keine Wohnung haben? Und was wird aus meinen Freunden, die in der Pflege arbeiten?
Jahrelang waren sie nur ein Kostenpunkt, an dem gespart wurde. Jetzt sind sie plötzlich systemrelevant – aber dem Virus ausgeliefert. Ich denke: Covid-19 ist keine Virus-Krise, sondern eine Kapitalismus-Krise.
Aber: Mich …, nein: Uns, die Arbeiter und Mieter, linke Aktivisten und Organizer, hätte die Krise vor ein paar Jahren noch viel härter getroffen. Heute sind in vielen Städten Nachbarschaften und Häuser vernetzt, in Krankenhäusern und Betrieben haben die Menschen zusammen gekämpft, sie kennen sich, sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können. Wir sind organisiert, weil wir oft harte Auseinandersetzungen ausgefochten haben, gegen Vermieter, Arbeitgeber, Politiker. Wir haben in diesen Streiks, Protesten, Kampagnen unsere Stärke kennengelernt. Wir wissen, wie mächtig wir sind, wenn wir mit einer Stimme sprechen.
Ein Beispiel: Die Belegschaft des Universitätsklinikum Jena (UKJ) hat schon am 15. März einen Offenen Brief verfasst und klare Forderungen aufgestellt, wie sie sich in der Krise einen fairen Krankenhausbetrieb vorstellt. Die Belegschaft zeigt: Ihr könnt mit uns nicht mehr machen, was ihr wollt. Diese frühe, klare Positionierung klappte, weil das UKJ seit Jahren streikerprobt ist.
Ähnlich schnell hat die Mieter*innen-Bewegung reagiert: Die Vorbereitung der großen Mietendemo in Berlin Ende März wurde kurzfristig umgewidmet – zur Schaffung solidarischer Nachbarschaften, die sich gegenseitig beim Einkauf und Arztbesuch unterstützen. In Videochats wird über Protestformen diskutiert wie lange nicht.
Klar ist: Unsere Forderungen bleiben bestehen! Nur, weil wir nicht auf der Straße sind, sind wir nicht alleine. Mietstreiks brauchen keine Werkstore, protestieren könne wir auch online. Das erfuhren vergangene Woche die Samwer-Brüder, die den Konzern Rocket Internet gegründet hatten und viele Immobilien besitzen: Jetzt hatten sie Mietern in Berlin-Kreuzberg gekündigt – nach Onlineprotesten mussten sie dies aber zurückziehen. Mehr noch: Leer stehende und Airbnb-Wohnungen können jetzt Obdachlose und Geflüchtete aufnehmen.
Die, die jetzt Rettungsgelder fordern, uns aber jahrelang schlecht bezahlt und mit unserem Wohnraum spekuliert haben, sie sollten jetzt Angst haben: vor unserer Solidarität und unserer Kraft. Wir kennen die Krisen des Kapitalismus – und wir haben Lösungen.
Kommentare 7
jetzt halt ich mal inne, damit ich dazu nix falsches sage.
Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will. Corona ist eine Kapitalismus Krise. Es gab noch nie so eine Ausbeutung von Menschen, Maschinen und der Natur wie jetzt . Das rächt sich jetzt.
Naturlich ist dies auch eine Kapitalismuskrise.
Vielleicht denken jetzt auch mehr Bürger an die Krankenschwestern, an niedrige Löhne und den Respekt vor Kassierinnen - oder einfach solidarischer.
Vor allem werden sie aber hoffen, dass das normale Leben bald wieder losgeht.
Und viele werden dann ihre momentane Nachdenklichkeit, der Oberflächlichkeit und der Sorglosigkeit, opfern und wieder inden normalen Modus des Konsumismus, des Tourismus und der Besitzstandswahrung verfallen.
Wenn ich hier Unrecht behalte, so würde es mich sehr freuen!
@Guido Radig
Vermutlich haben Sie recht behalten. Der Knall, der durch das kleine Corona-Virus verursacht wurde, war für die Mehrheit der autoritätsgläubigen deutschen Bevölkerung (noch) nicht laut genug.
- das wort konsumismus verdeckt etwas,
ebenso das dt.: komfort.
im englischen hat "comfort" neben "bequemlichkeit" auch die bedeutung
von "trost".
wir sollten im "konsumismus" die "ver-tröstung" mit-denken,
die in ihm liegt.
- die vertröstung/kompensation mildert:
kontroll-verluste im gesellschaftlichen leben,
macht-losigkeit, partizipations-verweigerung, hint-an-stellung,
die (teils abgegebene,teils genommene) delegation von verantwortung
fürs eigene leben.
- sorgen-entlastung/nachdenklichkeits-befreiung
hat erleichternde züge.
- im anderen der frei-zeit können wir : dominieren/entschädigung suchen.
= in der katastrophal-bedrohlichen krise
sind unsere sinne/unser bewältigungs-vermögen alarmiert.
das hat manchmal euphorische bei-mischungen,
wird aber meist als aufzehrender stress erlebt.
sie wird als ausnahme-zustand erlebt,
mit intensiver suche nach halt und überlebens-sichernden regeln.
Die Linkspartei ist so links, wie die Union rechts ist. Ein klein wenig für die Fassade und für diejenigen die dann brav ihr Kreuz bei der Wahl dort machen, und denken, sie haben links bzw konservativ gewählt.
Aber auch der Sozialismus/Kommunismus haben außer leeren Phrasen und Vorschlägen aus der Mottenkiste bisher noch keine wirklich im realen Leben umsetzbare Lösung anbieten können. Und den Nimbus der Vergangenheit von Unterdrückung, Represalien und Mißwirtschaft in der SU und den Ostblockstaaten wird man noch in vielen Jahren mit sich rumtragen müssen.
Fällt euch nichts anderes ein als solche stupide und peinliche Virus-Folklore???
Historisch und gesellschaftspolitisch gesehen hat die sogenannte "Linke" eine weit- und tiefgreifende Funktion. Kennt ihr aber nicht. Merkt ihr nicht. Dann laßt es.