Kündigungswelle in der Start-up-Branche: Ein Betriebsrat kann helfen

Meinung Mitarbeiter:innen von Start-ups in Berlin sind ebenso betroffen wie Beschäftigte von Konzerne wie Google und Microsoft: Die Kündigungswelle in der Online-Branche ist immens und mittlerweile auch von außerhalb nicht mehr zu übersehen
Ausgabe 08/2023
Nicht nur über Google schwappt die Welle von Kündigungen rüber, auch in anderen Unternehmen müssen zahlreiche Angestellte gehen
Nicht nur über Google schwappt die Welle von Kündigungen rüber, auch in anderen Unternehmen müssen zahlreiche Angestellte gehen

Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images

Es gibt eine Webseite – layoffs.fyi –, auf der ein unbekannter Programmierer alle ihm bekannten Kündigungen in der Tech-Branche dokumentiert. Angefangen hat er damit zu Beginn der Coronakrise: Der erste Eintrag ist vom 11. März 2020. Mittlerweile gibt es 2.271 Einträge. Zu Beginn waren es verhältnismäßig wenige Kündigungen, fast alle in San Francisco, New York, Austin und London. Dann wurden die Zahlen größer, mit Firmen wie Yelp und Groupon, deren Geschäftsmodell an Restaurantbesuche geknüpft ist und wahrscheinlich schon vor Corona wackelig war. Mittlerweile ist die Kündigungswelle auch außerhalb der Branche nicht mehr zu übersehen: 60.000 Kündigungen waren es insgesamt.

Google entließ 12.000 Mitarbeitende, Amazon 18.000, Microsoft rund 10.000. In Berlin, viel besungen als „Start-up-Capital der EU“, haben zuletzt allein bei Delivery Hero 156 Beschäftigte ihre Anstellung verloren, 150 bei Share Now, 200 bei Planetly – und das sind nur ein paar wenige Beispiele. Gerade hat Zalando angekündigt, einige hundert Stellen zu streichen.

Zum Beispiel Twitter und Spotify

Was ist mit den Menschen hinter den Zahlen? Das habe ich Yonatan Miller von der Tech Workers Coalition in Berlin gefragt: „Die Angst ist groß und jedes Mal, wenn die Angst groß wird, sehen Tech-Arbeiter*innen, darunter viele Programmierer, von denen viele nicht so gut bezahlt werden, wie viele denken, einen Sinn darin, sich zu organisieren. Für viele kommt das aber zu spät.“

In Deutschland bedeutet das oft: einen Betriebsrat gründen; aktuell gibt es Gründungen bei Spotify, Twitter und Sumup. Das heißt, die Beschäftigten können bei den nächsten Kündigungen etwa einen Sozialplan verhandeln.

Wie bei Google in Zürich

Die Möglichkeit haben die Google-Beschäftigten in Zürich nicht. Die „Zoogler“, wie sie sich nennen, sind zwar schon sehr lange organisiert und haben sich eine Personalvertretung erkämpft, die ist aber nicht mit den Rechten eines deutschen Betriebsrats ausgestattet. Die „Zoogler“ sind sichtbarer, bekommen durch öffentliche „Walkouts“ Aufmerksamkeit zumindest in der Schweizer Presse. Ihre Lage ist prekär: 5.000 Beschäftigte hat Google in Zürich, über 500 werden in den nächsten Monaten ihren Job verlieren, darunter Beschäftigte aus Russland und der Ukraine, deren Aufenthaltsgenehmigung am Arbeitsvertrag hängt.

Die Gründe für die Kündigungen sind vielfältig: Einbruch des Werbegeschäfts, Rückgang des Booms, langsameres Wachstum. Trotzdem erwähnt die Berichterstattung fast nie, dass Google allein im letzten Quartal 17 Milliarden Gewinn gemacht hat: Das sind 17 Milliarden, von denen ein großer Teil bei Geschäftsführung und Investoren landet und die absolut keine Kündigung rechtfertigen.

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