Naturkosmetik, jetzt bald mit Betriebsrat

Arbeitskampf Seit 30 Jahren hat das Unternehmen Laverana keinen Interessenvertretung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Nun zeigt sich die Wichtigkeit dieses oft unterschätzten Mittels
Ausgabe 33/2021

Haben Sie – wie ich – auch schon etwas von der Bio-Kosmetikmarke „Laverana“ gekauft, weil sie sich selbst oder der Natur etwas Gutes tun wollten? Schließlich produziert Laverana – nach eigener Aussage – nur zertifizierte Naturkosmetik und versucht seit dem Jahr 2019, das klimaneutral zu tun. Dafür schafft das Unternehmen auf seiner Internetseite Transparenz und kann auch entsprechende Gütesiegel vorweisen.

Leider gibt es noch kein Gütesiegel für Arbeitsbedingungen und gewerkschaftliche Vertretung – denn sonst hätte Laverana in diesem Bereich bisher weniger gut abgeschnitten. Das Unternehmen gibt es in Niedersachsen seit 30 Jahren und genauso lange gibt es keinen Betriebsrat. Doch bald wird sich das ändern – hoffentlich. In dieser Woche treffen sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Wahlversammlung – und, wenn alles gut läuft, sechs Wochen später zur Betriebsratswahl.

Michael Linnartz von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) begrüßt das, denn er und seine Genossinnen wie Genossen haben schon öfter versucht, die Arbeiterinnen und Arbeiter dort zu organisieren: „Wir haben Zettel an die Windschutzscheiben gepackt und ein Großplakat mit einem QR-Code vor dem Werk aufgehängt, damit man uns direkt erreichen kann. Aber lange Zeit hat sich niemand so richtig getraut, den Kopf aus der Deckung zu nehmen.“ Das ist jetzt anders, denn jetzt gibt es eine Gruppe, deren Leidensdruck wohl größer ist als die Angst, wegen gewerkschaftlicher Organisierung den eigenen Arbeitsplatz zu riskieren.

Michael Linnartz vergleicht Laverana mit Start-ups und Tech-Unternehmen wie N26 oder Google: „Dann bekommen diese Unternehmen irgendwann eine kritische Größe, dann klappt das vermeintlich Nicht-Hierarchische nicht mehr, dann treten die unterschiedlichen Interessen von Arbeitsgebern und Arbeitnehmern immer deutlicher zu Tage, dann braucht es eine rechtlich klare Vertretung wie den Betriebsrat.“

Der Betriebsrat wurde lange als zahnloser Tiger gesehen, gerade von Linken. Unrecht haben sie damit nicht, es gibt genug Betriebsräte, die nicht sonderlich kämpferisch sind und viel zu sehr mit dem Management kuscheln. Doch gerade die jüngste Zeit hat gezeigt, dass betriebsratsfreie Unternehmen Tür und Tor öffnen für das Fehlen eines Kündigungsschutzes, für Lohnungerechtigkeiten, Überstunden und andere willkürliche Arbeitgeber-Praxen. Während manche Linken sich überhaupt erst für einen Arbeitskampf interessieren, wenn gestreikt wird, beginnt dieser für viele Arbeiterinnen und Arbeiter genau dort, im Betriebsrat.

Arbeitgeber wissen das übrigens viel besser, denn auch die derzeit eskalierenden Arbeitskämpfe beim Liefer-Start-up Gorillas (der Freitag 25/2021) haben mit dem Versuch, einen Betriebsrat zu gründen – beziehungsweise mit dem Versuch, dies zu verhindern – angefangen. Während die Zahl der Betriebsräte insgesamt seit Jahren rückläufig ist, nehmen die Betriebsratsgründungen und -kämpfe in den Bereichen, die Linnartz als Start-ups bezeichnet, zu. Er begrüßt das: „Gerade in Betrieben, in denen viele Akademiker arbeiten, haben wir es als Gewerkschaft schwer. Die denken oft, sie brauchen keinen Betriebsrat, sie könnten das alles selber regeln.“ Doch die akademische Ausbildung nützt nichts, wenn der Arbeitgeber Willkür walten lässt.

Akademiker gibt es unter den Arbeitern und Arbeiterinnen bei Laverana im Gegensatz zu den Start-ups kaum. „Wir sind froh, dass die Beschäftigten dort jetzt eingesehen haben, dass man nur gemeinsam stark ist.“ Bei Laverana gebe es derzeit keine Anzeichen für die Behinderung der Betriebsratsgründung. Stimmt das, dann müssten ökologisches und soziales Gewissen bald kein Widerspruch mehr sein.

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