Was kannst du für Lieferando-Fahrer tun?

Ausbeutung In der Krise wird mehr Essen bestellt. Die ohnehin prekär beschäftigten Auslieferer werden mit Mehrarbeit und Hygieneproblemen allein gelassen
Ausgabe 25/2020
Eigentlich bekommen Lieferando-Fahrer*innen ihre Räder gestellt. In Coronazeiten mussten sie allerdings ab und zu auf Privaträder ausweichen
Eigentlich bekommen Lieferando-Fahrer*innen ihre Räder gestellt. In Coronazeiten mussten sie allerdings ab und zu auf Privaträder ausweichen

Foto: Imago Images/Ralph Peters

Haben Sie während des Corona-Shutdowns auch Essen bestellt? Keine Sorge, ich will Ihnen jetzt kein schlechtes Gewissen machen. Die Restaurants waren geschlossen, Supermarktbesuche aufwendig und risikoreich. Ihre Bestellung ist nicht das Problem. Das Problem sind die Arbeitsbedingungen der Kuriere, die sich unter Corona-Bedingungen nochmals verschärft haben. Und als Bestellerin interessieren Sie diese ja vielleicht.

Lassen Sie daher Sigrid berichten. Sigrid ist Fahrradkurierin, 70 Jahre alt und war gerade in der Probezeit bei Lieferando in Berlin, als Corona fast alles lahmlegte. Mit dem Kurierjob wollte sie ihre magere Rente aufstocken. Die Bedingungen dafür verschlechterten sich durch Corona schlagartig: „Eigentlich gibt Lieferando E-Bikes raus, aber nicht während des Shutdowns, also musste ich mit meinem eigenen Fahrrad fahren. Um das Rad in Schuss zu halten, habe ich einen Bonus von maximal 44 Euro im Monat bekommen.“ Immerhin, denken Sie? Na ja: „Der Bonus wurde als Amazon-Gutschein ausgezahlt.“ Anfangs hätte es auch keine Schutzausrüstung gegeben, das von Lieferando verteilte Desinfektionsmittel stellte sich als wirkungslos heraus.

Das ist mittlerweile besser, erzählt Hans Peter (32), ebenfalls Lieferando-Fahrer, es gebe jetzt ein Corona-Carepaket. Doch auch er kritisiert, dass die Fahrer*innen mit den Risiken alleingelassen werden: „Lieferando wälzt das Risiko einfach auf uns ab. Ich bekomme zwar eine Reinigungspauschale, aber wie soll ich sicherstellen, dass ich bei mir zu Hause niemanden anstecke, wenn ich mit der großen Tasche und dem Fahrrad dafür in die Wohnung muss?“ Ein weiteres Problem ist die kontaktlose Übergabe, die sich Lieferando zum Schutz der Fahrer*innen überlegt hat. „Das ist komplett sinnfrei“, berichtet Hans Peter. „Sowohl die Restaurantbeschäftigten als auch die Kund*innen sollen den Rucksack, in dem das Essen transportiert wird, selbstständig be- und entladen. Wir sollen uns entfernen, die Gefahr der Tröpcheninfektion bleibt jedoch bestehen.“ Es ergeben sich noch weitere Hygieneprobleme: der Toilettengang während der Schicht. „Wir können fast gar keine Sanitäreinrichtungen nutzen, wenn wir unterwegs sind. Lieferando hat den Restaurants zwar mitgeteilt, dass sie uns auf die Toiletten lassen sollen, aber die wollen das meistens nicht. Bei wem sollen wir uns beschweren? Es gibt keine Ansprechpartner dafür.“ Hans Peter will dagegen kämpfen: „Das krasse ist ja, dass ich als Lieferando-Angestellter trotzdem noch privilegiert bin, den Foodora-Fahrer*innen geht es noch schlechter. Die Intransparenz, Isolation und fehlende Kommunikation trifft sie noch härter als uns.“

Auch auf die Geldbörse drückt Corona: „Es gibt fast kein Trinkgeld mehr“, erzählt Sigrid. Und elektronisch überwiesenes Trinkgeld? Davon hat sie noch nichts gehört.

Sigrid kämpft nicht mehr bei Lieferando. Ihre Probezeit wurde nicht verlängert: „Ich weiß nicht genau warum, meine Bewertungen waren alle gut.“ Eine Idee hat sie aber doch: „Der Chef hier in Berlin hat zu mir gesagt: Mit dir gibt es immer nur Probleme.“ Sie vermutet, er habe inzwischen mitbekommen, dass sie schon immer politisch aktiv war und auch noch ist. Die 70-Jährige muss jetzt wieder alleine zusehen, wie sie ihre Rente aufstocken kann.

Was Sie als Bestellerin für die Arbeitsbedingungen der Fahrer*innen tun können? Es gäbe da schon etwas: selber Maske aufsetzen bei der Übergabe, Hände desinfizieren, Trinkgeld geben, sie nach den Arbeitsbedingungen fragen und herausfinden, wie Sie sie im Arbeitskampf unterstützen können. Den organisieren die Fahrer*innen schon selber, es gibt immer wieder Protestkundgebungen. Da kann jeder vorbeischauen. Auch mit Abstand lässt sich Isolation durchbrechen!

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden